Urteil des HessVGH vom 22.12.1988

VGH Kassel: vorläufiger rechtsschutz, realschule, anstellung, besoldung, ausbildung, probezeit, ernennung, beamter, verfügung, bewährung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 4179/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 1 Nr 2 BG HE, §
42 Abs 1 Nr 2 BG HE
(Gelegenheit zur Bewährung eines Beamten auf Probe)
Gründe
Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das
Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, daß die mit der
angefochtenen Verfügung angeordnete Maßnahme eine Umsetzung ist, gegen die
vorläufiger Rechtsschutz nicht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, sondern nur gemäß §
123 Abs. 1 VwGO gewährt werden kann. Den hilfsweise gestellten Antrag, dem
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die
Antragstellerin vorläufig an der E schule in H mit 3/4 der Pflichtstundenzahl
einzusetzen, hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt.
Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die
Voraussetzungen für ihre Umsetzung gemäß § 73 HPVG F. 1988 i.V.m. § 28 Abs. 1
Satz 3 HBG sind bei summarischer Prüfung gegeben. Die Anordnung des
Unterrichtseinsatzes an der G-schule in H ist nicht ermessenswidrig, verstößt nicht
gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und ist mit der rechtlichen Stellung der
Antragstellerin als Lehrerin zur Anstellung vereinbar. Zur Begründung wird
zunächst auf die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen
Beschlusses Bezug genommen (vgl. Art. 2 § 7 Abs. 1 des Entlastungsgesetzes).
Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragstellerin wird die
Begründung des Verwaltungsgerichts bei teilweiser anderer Beurteilung wie folgt
ergänzt:
Durch die Umsetzung der Antragstellerin von einer Haupt- und Realschule an eine
Grundschule ist ihre Rechtsstellung als Beamtin auf Probe, insbesondere ihr
Besoldungsanspruch, nicht verändert worden. Die Antragstellerin wurde mit
Wirkung vom 1.8.1987 zur Lehrerin z.A. ernannt und an einer Haupt- und
Realschule eingesetzt. Durch die angefochtene Verfügung ist der Anspruch auf
Zahlung von Dienstbezügen der Besoldungsgruppe A 13 BBesO nicht auf solche
der Besoldungsgruppe A 12 BBesO reduziert worden. Dazu hätte es der
statusrechtlichen Entscheidung bedurft, daß sie ab 5.9.1988 nur noch das Amt
"Lehrerin -- an allgemeinbildenden Schulen, soweit nicht anders eingereiht --" (vgl.
Bundesbesoldungsordnung A, Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz i.d.F. der
Bekanntmachung vom 1.10.1986 (BGBl. I S. 1553, ber. BGBl. I S. 1666)
probeweise (z.A.) bekleide. Dies erfordert das im Besoldungsrecht geltende Prinzip
der Offenkundigkeit. Auszugehen ist dabei von § 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1
BBesG, wonach sich das Grundgehalt eines Beamten, dem noch kein Amt
verliehen ist, nach der Besoldungsgruppe seines Eingangsamtes bestimmt. Das
für die Antragstellerin maßgebliche Eingangsamt im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 3
BBesG ist das eines Lehrers, und zwar mit dem Funktionszusatz "-- mit
fachwissenschaftlicher Ausbildung in zwei Fächern, wenn sich die Lehrbefähigung
auf Haupt- und Realschulen oder Gymnasien erstreckt bei einer dieser Befähigung
entsprechenden Verwendung --", welches nach der Bundesbesoldungsordnung A
der Besoldungsgruppe A 13 zugeordnet ist.
Die befristete Umsetzung an eine Grundschule hat durch die mit ihr
einhergehende Änderung der Verwendung der Antragstellerin gemäß dem in den
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einhergehende Änderung der Verwendung der Antragstellerin gemäß dem in den
sogenannten Spiegelstrichen stehenden Funktionszusatz nicht automatisch eine
Absenkung des Grundgehalts zur Folge. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht
Münster (B. v. 25.2.1980 -- CL 22/79 --,. PersV 1981, 334) die Auffassung
vertreten, daß die niedrigere Bewertung einer Stelle infolge Absinkens der
Schülerzahlen unter den in dem betreffenden Funktionszusatz angegebenen
Schwellenwert von 181 Schülern kraft Gesetzes eintrete und deshalb eines
behördlichen Vollzugsaktes nicht bedürfe, um die niedrigere Bewertung der Stelle
wirksam werden zu lassen. Entsprechendes müßte demzufolge angenommen
werden, wenn ein Beamter in ein Amt mit niedrigerem oder gar ohne
Funktionszusatz überträte. Dieser Auffassung ist der Senat bereits in seinem Urteil
vom 16.4.1986 -- I OE 43/81 --, HessVGRspr. 1986, 73 = DÖV 1987, 79 (L) =
ESVGH 37, 71 (L) -- bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 27.10.1988, 2 C 47/86 --, nicht
gefolgt, in dem er ausgeführt hat:
"Die in der Regel mit Spiegelstrichen in den Besoldungsanordnungen
angebrachten Funktionszusätze sind zwar nicht Teil der zu führenden
Amtsbezeichnung. Sie sind aber statusergänzende Zusätze zur Amtsbezeichnung
(vgl. Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Loseblatt-Kommentar, §
18 Anm 9 /S. 9 Abs. 2 daselbst 7 und Weiss/Niedermaier/Summer,
Bay.Beamtengesetz, Art. 89 Anm. 6 a bis c). Dies führt dazu, daß zwar im
vorliegenden Fall eine (Rück-) Ernennung selbst dann nicht in Betracht gekommen
wäre, wenn der Kläger am 31.7.1975 schon Lebenszeitbeamter gewesen wäre, da
eine solche gemäß dem allenfalls einschlägigen § 9 Abs. 1 Nr. 4 HBG nur bei einer
Änderung der Amtsbezeichnung stattzufinden hat. Gleichwohl muß im Interesse
des das Beamtenrecht beherrschenden Offenkundigkeitsprinzips verlangt werden,
daß der Beamte von solchen Veränderungen seines beamtenrechtlichen Status
förmliche Mitteilung erhält, die zugleich seine besoldungsrechtliche Zuordnung
verändern sollen. Das kann die reine Versetzung eines Probebeamten nicht
bewirken. Das entspricht der schon früher entwickelten Rechtsprechung des
Senats, wonach in Fällen der Lehrerbesoldung, in welchen die
Besoldungsordnungen bestimmte statusrechtliche Ämter nicht abstrakt, sondern
nach der damit verbundenen Funktion umschreiben und festlegen, Beamte den
entsprechenden Status und den mit diesem verbundenen Besoldungsanspruch
nicht schon auf Grund der "Übertragung und Ausübung der in der
Amtsbezeichnung genannten Funktion", sondern erst mit der Übertragung des
statusrechtlichen Amtes durch Ernennung oder einfachen Verwaltungsakt
erhalten, und bei gleicher Amtsbezeichnung die Planstelleneinweisung des
Lebenszeitbeamten zugleich die Übertragung des höheren statusrechtlichen
Amtes beinhaltet (vgl. Hess.VGH, U.v. 13.6.1973 -- I OE 31/72 --, HessVGRspr.
1974 S. 28; U. v. 20.4.1979 -- I OE 35/76 --, HessVGRspr. 1979 S.67).
Der Probebeamte vor der Anstellung hat nun zwar kein statusrechtliches Amt
inne. Gleichwohl besitzt er je nach seinem Eingangsamt einen für seine Besoldung
relevanten Status (§ 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BBesG), dessen Veränderungen
im Sinne der Rechtsklarheit in entsprechender Weise kundgetan werden müssen,
sollen sie besoldungsrechtliche Folgen haben. Eine Versetzung allein kann dies
nicht bewirken, weil sie lediglich eine Änderung des (abstrakt-) funktionellen Amtes
darstellt, das auch ein Probebeamter vor der Anstellung innehaben kann. An das
funktionelle Amt ist aber die Besoldung gerade nicht geknüpft, sondern an den
beamtenrechtlichen Status, beim Lebenszeitbeamten an sein Amt im
statusrechtlichen Sinne, beim Beamten zur Anstellung an sein jeweiliges
Eingangsamt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BBesG)."
An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest. Für die Umsetzung einer
Lehrerin z.A. an eine andere Schule innerhalb derselben politischen Gemeinde (§
28 Abs. 1 Satz 3 HBG) kann nichts anderes gelten. Die Umsetzungsverfügung
vom 31.8.1988 enthält keine statusverändernden Regelungen, insbesondere auch
keine Hinweise auf eine sich ändernde Besoldung.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Antragstellerin
nicht mit Erfolg geltend machen, daß es sich bei der Unterrichtserteilung an der
Grundschule nicht um eine Tätigkeit handelt, die "ihrem Amt in statusrechtlicher
Hinsicht entspricht". Als Lehrerin z.A. ist ihr noch kein Amt verliehen worden. Da
sie neben der Befähigung zum Lehramt für Haupt- und Realschulen auch die zum
Lehramt an Grundschulen besitzt, ist ihre Umsetzung an eine Grundschule auch
mit § 4 Lehramtsgesetz vereinbar. Die Umsetzung ist aus laufbahnrechtlichen
Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Wenn auch ein Beamter vor seiner Anstellung noch kein Amt und er
dementsprechend auch keinen Anspruch auf angemessene Beschäftigung hat, so
ist der Dienstherr doch verpflichtet, ihm während der laufbahnrechtlichen Probezeit
Gelegenheit zu geben, sich in bezug auf die Anforderungen der betreffenden
Laufbahn bzw. des betreffenden statusrechtlichen Amtes zu bewähren. Dies setzt
voraus, daß ihm in ausreichendem Maße entsprechende Dienstaufgaben
zugewiesen werden. Nur dann kann der Dienstherr sachgerecht entscheiden, ob
sich der Beamte während seiner Probezeit bewährt hat.
Diese Erwägungen stehen im vorliegenden Fall einer Umsetzung der
Antragstellerin nicht entgegen. Der Antragstellerin ist bisher während ihrer
Probezeit in ausreichendem Maße Gelegenheit gegeben worden, ihre Eignung,
Befähigung und fachlichen Leistungen zu beweisen bzw. zu erbringen. Es bestehen
keine Anhaltspunkte dafür, daß sie sich während ihres Unterrichtseinsatzes an der
E-schule in H, einer Haupt- und Realschule, bisher nicht bewährt hat. Hierbei ist
auch zu berücksichtigen, daß sie bereits vor ihrer Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Probe mehrere Jahre mit Erfolg an einer Haupt- und
Realschule unterrichtet hat. In einem Würdigungsbericht des Rektors der E-schule
vom 1.4.1987 und einem schulfachlichen Bericht des Schulamtsdirektors E vom
13.4.1987 sind ihre Eignung und ihre dienstlichen Leistungen positiv beurteilt
worden. Im übrigen werden auch ihre Unterrichtsleistungen an der G-Grundschule
Rückschlüsse auf ihre Eignung und Befähigung für das Amt einer Lehrerin mit
fachwissenschaftlicher Ausbildung in zwei Fächern bei einer Verwendung an einer
Haupt- und Realschule zulassen. Hierfür spricht, daß gemäß § 4 Abs. 1
Lehramtsgesetz die Befähigung zum Lehramt an Grundschulen auch zum
Unterricht im Wahlfach des Lehrers an den Hauptschulen, Realschulen und den
Klassen 5 bis 10 der Gymnasien berechtigt.
Wie das Verwaltungsgericht sieht der Senat die Voraussetzungen für eine
vorläufige Regelung gemäß § 73 HPVG F. 1988 ebenfalls als gegeben an.
Allerdings ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts für die Umsetzung
der Antragstellerin die Zustimmung des Gesamtpersonalrats erforderlich
gewesen. Die Voraussetzungen des § 91 Abs. 4 Satz 3 HPVG F. 1988 sind nicht
gegeben, denn der Antragsgegner beabsichtigte, die Antragstellerin für insgesamt
zwei Jahre, nämlich vom 1.8.1988 bis zum 31.7.1990, umzusetzen. Außerdem
unterliegt die Umsetzung der Antragstellerin an die Grundschule gemäß § 77 Abs.
1 Nr. 1 lit. c HPVG F. 1988 der Mitbestimmung. Nach dieser Vorschrift bestimmt
der Personalrat u.a. mit bei der Übertragung einer niedriger zu bewertenden
Tätigkeit. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Mitbestimmungstatbestand des §
77 Abs. 1 Nr. 1 lit. c HPVG F. 1988 vorliegt, ist auf die der Besoldung
zugrundeliegende Ämterverteilung abzustellen (vgl. Hess.VGH, B. v. 26.1.1983 --
HPV TL 22/81 --). Da das Amt einer Lehrerin an einer Grundschule der
Besoldungsgruppe A 12 BBesO zugeordnet ist und die Erteilung von Unterricht an
einer Haupt- und Realschule durch eine Lehrerin mit der Ausbildung und
Lehrbefähigung der Antragstellerin nach der Besoldungsgruppe A 13 BBesO
bewertet wird, stellt die Umsetzung an die Grundschule die Übertragung einer
niedriger zu bewertenden Tätigkeit dar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.