Urteil des HessVGH vom 15.04.1994

VGH Kassel: öffentliche sicherheit, mühle, eigentümer, eigentum, behörde, verwaltungsakt, mangelhafte unterhaltung, unmittelbare gefahr, verfügung, bestandteil

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 UE 1005/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 WHG, § 5 Abs 2
WHG, § 1 Abs 4 WaStrG, §
24 Abs 1 WaStrG, § 95 BGB
(Wasserrecht: Verantwortlichkeit für ein Stauwehr)
Tatbestand
Der Kläger war von 1976 bis 1990 Eigentümer der ...mühle in .... Mit der
ehemaligen Mühle war ein Wasserrecht an der Bundeswasserstraße ... verbunden.
Die Wasserkraft wurde vom Kläger mittels einer Turbine zur Stromerzeugung
genutzt. Das notwendige Gefälle für den Antrieb der Turbine wird durch ein Wehr
hergestellt, das oberhalb des ehemaligen Mühlengrundstückes schräg auf einer
Länge von etwa 90 m in der ... erbaut ist. Über dem Wehr führt eine Straßenbrücke
über die .... Die Brückenpfeiler stehen teils oberhalb teils unterhalb des Wehres. In:
der Nähe des Wehres befindet sich noch eine Schleusenanlage der Wasser- und
Schiffahrtsverwaltung. Aus alten Unterlagen soll sich ergeben, daß bereits im 12.
Jahrhundert ein Wehr in der ... vorhanden war ursprünglich vermutlich deshalb, um
Wasser in einen Graben abzuleiten, der die in der Nähe befindlichen ... umgab. Vor
mehreren Jahrhunderten wurde bereits eine Mühle im Anschluß an die Wehranlage
betrieben, die die Wasserkraft ausnutzte. Das alte Wasserrecht ist vom
Rechtsvorgänger des Klägers zur Eintragung in das Wasserbuch rechtzeitig
angemeldet worden. Durch Bescheid vom 21. März 1978 hat der damals
zuständige Regierungspräsident in ... das alte Wasserrecht festgesetzt und in
diesem unter Ziffer 3 der Bedingungen und Auflagen festgelegt; unter Nr. 3, daß
die Unterhaltung sämtlicher Anlagen die zur Nutzung der Wasserkraft dienen
einschließlich der Stauanlage dem Kläger obliegt und daß dies auch für Schäden
durch Hochwasser und Eisgang gilt; unter Ziffer 4 ist festgesetzt, daß der Kläger
für Schäden am Eigentum Dritter haftet, soweit diese nachweislich auf das
Vorhandensein der Anlagen zurückzuführen sind. Nach 1980 traten am Wehr
Schäden auf, über deren Beseitigung sowohl das zuständige Wasser- und
Schiffahrtsamt als auch die Wasserbehörde und das Wasserwirtschaftsamt mit
dem Kläger in Verbindung traten. Im Jahre 1985 wurde eine Instandsetzung der
Lahnbrücke vom Straßenbauamt betrieben, die insbesondere die Brückenpfeiler
betraf. In diesem Zusammenhang waren Maßnahmen zur Rückhaltung des
Wassers von der Baustelle erforderlich. Unter anderem wurde ein Fangdamm
schräg zum Wehr errichtet, der das Wasser von der linken Wehrhälfte zurückhielt
und das gesamte Wasser auf die rechte Wehrhälfte leitete. Ein zunächst
errichteter Fangdamm wurde durch ein Hochwasser zerstört und ein neuer
Fangdamm errichtet. Während des Vorhandenseins des Fangdamms traten auf
der rechten Wehrhälfte Schäden auf, die erheblich über die dahin festgestellten
hinausgingen.
Mit einer Verfügung vom 21. März 1984 verlangte der Regierungspräsident in
Gießen vom Kläger die notwendigen Reparaturarbeiten am Wehrkörper
durchzuführen. Er setzte ihm hierfür eine Frist bis zum 15. November 1984 und
drohte ihm ein Zwangsgeld an. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Diesen
Bescheid erhob der Regierungspräsident in ... durch einen neuen Bescheid vom
30. Juli 1985, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, auf.
In dem Bescheid vom 30. Juli 1985 wurde dem Kläger aufgrund des § 74 HWG
aufgegeben, bestimmte Maßnahmen zur Reparatur und Sicherung des
Lahnwehres der ...mühle in ... auf seine Kosten durchzuführen. Im einzelnen wurde
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Lahnwehres der ...mühle in ... auf seine Kosten durchzuführen. Im einzelnen wurde
dem Kläger folgendes aufgegeben:
1. Die als Notsicherung auf die Wehrkrone aufgesetzten Betonblöcke sind zu
entfernen. Die Übergangsstellen zum intakten Steinsatz des Wehres sind von
Sand, Kies und Steinbrocken zu säubern und so tief auszuschachten, daß ein
Unterbau aus einer mindestens 30 cm starken Steinschüttung aufgebracht
werden kann. Die Auskolkung ist mittels Steinschüttung aus Wasserbausteinen mit
Kantenlängen von 10 bis 40 cm aufzufüllen. Diese Steinschüttung ist mit dem
Baggerlöffel zu rütteln und fest anzuklopfen, damit möglichst größere Hohlräume
vermieden werden. Auf den so vorbereiteten Unterbau ist dann ein 40 cm starker
Steinsatz aus Wasserbausteinen aufzubringen. Die Fugen sind mit einem
kolloidalen Mörtel auszufugen. Um einem Druckaufbau im Wehr entgegenzuwirken,
dürfen keine Vollfugen entstehen.
Der übrige Wehrrücken ist sorgfältig auf lockere Steine zu untersuchen. An vielen
Stellen fehlen wenige oder mehrere Steine im Steinsatz. Diese Löcher müssen von
losem Material gesäubert und mit einem neuen Steinsatz, Wasserbausteine mit
Kantenlängen von 30 bis 40 cm, sorgfältig geschlossen werden.
Lücken in der Wehrfußsicherung sind mit Wasserbausteinen, Klasse IV -
Kantenlänge 20 bis 60 cm, zu füllen.
2. Die unter Ziffer 1 genannten Maßnahmen sind hinsichtlich der Schadens stellen
im derzeit trockengelegten Bereich des Wehres (linke Hälfte) innerhalb einer Frist
von 1 Woche ab Zustellung dieses Bescheides durchzuführen.
3. Die Schadensstellen im übrigen Bereich des Wehres (rechte Hälfte) sind wie
unter Ziffer 1 beschrieben innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieses
Bescheides zu reparieren.
4. Für den Fall, daß die in Ziffer 1 angeordneten Maßnahmen nicht innerhalb der in
Ziffer 2 bzw. Ziffer 3 festgelegten Fristen durchgeführt werden, wird die
Ersatzvornahme angedroht.
Die Kosten für eine Ersatzvornahme werden vorläufig auf insgesamt 200.000,-- DM
veranschlagt. Davon entfallen auf die Sanierung der linken Hälfte des Wehres
(Ziffer 1, 2) ca. 100.000,-- DM.
5. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 - 3 dieser Verfügung wird angeordnet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe trotz verschiedener
Aufforderungen keine Reparaturarbeiten durchgeführt. Seit dem Frühjahr 1985
seien zunehmend weitere und größere Schäden zu erkennen, so daß ein Bruch
des Wehres nicht mehr auszuschließen sei. Durch einen solchen Bruch würden
sowohl Badende oberhalb und unterhalb des Wehres als auch die Schiffahrt auf
diesem Teil der ... gefährdet. Die angeordneten Maßnahmen seien zur
ordnungsgemäßen Sanierung erforderlich und auch verhältnismäßig. Gleichzeitig
wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Die Bauarbeiten
wurden im Sommer des Jahres 1985 durchgeführt, und zwar wurden nach
Trockenlegung der linken Wehrhafte zunächst die Brückenbauarbeiten
durchgeführt. Alsdann wurde, ohne daß der Kläger hierzu gefragt wurde, einem
Abwasserverband die Verlegung von Abwasserrohren durch die linke Wehrhälfte
gestattet. Dieser Verband lieb die Arbeiten, während der Fangdamm bestand,
durchführen.
Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30. Juli wurde durch
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in ... vom 15. November 1985
mit folgender Begründung zurückgewiesen. Der Kläger sei als Inhaber des
Wasserrechts und Betreiber des Wehres unterhaltspflichtig. Dies folge aus dem
bestandskräftigen Bescheid des Regierungspräsidenten in ... vom 21. März 1978.
Zu dieser Unterhaltung gehöre unzweifelhaft die Reparatur des schadhaften
Wehres. Die Schäden am Wehr seien keineswegs durch die Arbeiten des
Hessischen Straßenbauamtes ... verursacht worden. Ein vom Amtsgericht ... zur
Klärung der Verantwortlichkeit durchgeführtes Beweissicherungsverfahren habe
zum Ergebnis gehabt, daß zwischen den Arbeiten zur Brückensanierung und dem
Wehreinbruch keinerlei Zusammenhang bestehe. Hierfür spreche auch die
Tatsache, daß Schäden am Wehr schon seit Jahren vorhanden seien, wenn auch
nicht in dem zuletzt aufgetretenen Umfange. Sofern durch die Reparatur des
Wehres dies eine Wertsteigerung erfahre, komme dies dem Kläger zu Gute, da er
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Wehres dies eine Wertsteigerung erfahre, komme dies dem Kläger zu Gute, da er
und nicht die Bundesrepublik Deutschland Eigentümer des Wehres sei. Es sei in
Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, daß ein Stauwehr demjenigen
gehöre, der es in Ausübung eines Staurechts in einem Gewässerbett errichtet
habe; es werde also nicht Bestandteil des Flußbettes. Dem Kläger als
Rechtsnachfolger des Erbauers, stehe daher das Eigentum am Wehr. zu. Aus
diesem Grund bestehe auch keine Unterhaltungsverpflichtung des Wasser- und
Schiffahrtsamtes, deren Verletzung der Kläger rüge.
Mit einem weiteren Bescheid vom 9. August 1985, der ebenfalls Gegenstand des
Verfahrens ist, wurde der Kläger aufgefordert, für die Sanierung der Schäden auf
der linken Wehrseite die vorläufig veranschlagten Kosten einer Ersatzvornahme in
Höhe von 100.000.00 DM innerhalb von einer Woche nach Zustellung des
Bescheides zu zahlen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde
durch Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums in Gießen vom 18.
November 1985 zurückgewiesen.
Gegen beide Bescheide hat der Kläger mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1985
Anfechtungsklage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, im Jahre 1982
habe er umfangreiche Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Er habe diese
jedoch nicht zu Ende führen können, da die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ihn
durch Maßnahmen an der Schleuse daran gehindert habe. Der spätere Schaden
sei von dem Kläger nicht zu vertreten. Er sei entweder durch Bauarbeiten an der
Brücke oder durch Dritte verursacht worden. Schäden am Wehr seien auch durch
den vom Beklagten bzw. der Straßenbauverwaltung errichteten Hilfsdamm
eingetreten. Anläßlich der Straßenbaumaßnahmen sei das Wehr mit
Baufahrzeugen befahren worden. Für seine Heranziehung zu den
Herstellungskosten fehle die Rechtsgrundlage. Auch sei durch den Beklagten eine
Totalsanierung vorgenommen worden, die einer Neuerstellung entspreche. Dafür
habe der Kläger nicht einzustehen, sondern die Bundesrepublik Deutschland nach
§ 8 WaStG als Eigentümerin der ... Auch seien Reparaturarbeiten mangelhaft
ausgeführt worden. Durch sie sei es erst zu gravierenden Schäden am Wehr
gekommen. Eine Heranziehung des Klägers zu dem gesamten Kosten der
Baumaßnahmen sei unverhältnismäßig.
Der Kläger beantragte,
die Bescheide des Regierungspräsidenten in ... vom 3. Juli 1985 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 15. November 1985 und vom 9. August 1985 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1985 aufzuheben.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er trug vor, die Schäden am Wehr seien nicht durch Dritte verursacht worden.
Außerdem bleibe davon unabhängig die Frage der Unterhaltsverpflichtung. Der
Kläger könne gegebenenfalls seinerseits bei dem Verursacher Rückgriff nehmen.
Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, daß die Wasser- und
Schiffahrtsverwaltung im Jahre 1982 die vollständige Durchführung der
Reparaturarbeiten vereitelt habe. Er habe damals eigenmächtig versucht, über die
Schleusenanlage das gesamte Wasser umzuleiten. Dies habe das Wasser- und
Schiffahrtsamt unterbunden. Die Höhe der streitgegenständlichen Kosten sei nicht
zu beanstanden. Die Gesamtsanierungskosten für das Wehr hätten sich auf
464.000,00 DM belaufen. Dabei mußten auf den Kläger etwa 330.000.00 DM
entfallen. An den Kosten für den ersten Teil des Fangedammes mit Schwundwand
nebst Pumpkosten hätten sich die Straßenbauverwaltung und der
Abwasserverband beteiligt, so daß hier nur 44,03% der Kosten auf den Kläger
entfielen.
Durch Urteil vom 14. Dezember 1989 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit
folgender Begründung abgewiesen: Gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 HWG habe
die Wasseraufsicht den Zustand und die Benutzung der Gewässer und der darin
befindlichen Anlagen zu überwachen. Bei Gefahren für die Allgemeinheit müsse die
Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um diese abzuwehren. Der Kläger
sei zu Recht zur Wiederherstellung des Wehres herangezogen worden. Es komme
in diesem Zusammenhang nicht darauf an, wer Eigentümer des Wehres sei, denn
der Kläger sei sowohl als Zustandsstörer nach S 74 HWG und § 14 HSOG in
Verbindung mit den Auflagen im wasserrechtlichen Bescheid vom 21. März 1978
als auch nach § 29 Abs. 1 WHG i.V.m. § 48 HWG als Nutzungsberechtigter und
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als auch nach § 29 Abs. 1 WHG i.V.m. § 48 HWG als Nutzungsberechtigter und
Unternehmer für den ordnungsgemäßen Zustand des Lahnwehres verantwortlich.
Das Wehr sei kein Bestandteil des Gewässers und unterfalle nicht der gesetzlichen
Unterhaltungsverpflichtung nach § 46 HWG in bezug auf das Gewässer selbst. Der
Hinweis des Klägers auf § 8 des Bundeswasserstraßengesetzes gehe daher
vorliegend ins Leere. Der Kläger sei auch zu Recht für die Durchführung der
Wehrsanierung in Anspruch genommen worden. Dies ergebe sich aus seiner
Unterhaltsverpflichtung und daraus, daß er bislang zu einer Unterhaltungslast
nicht ausreichend nachgekommen sei. Die vom Kläger verlangte Wehrsanierung
sei dringend erforderlich, um einen Durchbruch zu verhindern. Die Fristsetzung
und die Anordnung des Sofortvollzugs sei nicht zu beanstanden. Auch die
Androhung der Ersatzvornahme sei nicht zu beanstanden.
Gegen das am 6. Februar 1990 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der
Kläger mit Schriftsatz vom 26. Februar 1990, der am 27. Februar 1990 beim
Verwaltungsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er
vor, die Klage sei begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Die
aufgegebenen Maßnahmen und die Kosten seien nicht sämtlich erforderlich, um
die Schäden am Wehr zu beheben, die durch angeblich mangelhafte Unterhaltung
entstanden seien. Die Schäden an der rechten Wehrseite seien erst nach
Errichtung des Fangedamms entstanden. Dieser Fangdamm sei Mitte Juni 1985
erstellt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte die sogenannte Schafskälte mit
erheblichen Regenfällen geherrscht. Durch den Hilfsdamm seien die
Wassermassen auf die rechte Hälfte des Wehres konzentriert worden. Hierdurch
sei diese Wehrhälfte, die nicht mehr schräg sondern frontal angeströmt worden
seien, beschädigt worden. Dem Kläger" könne nicht zugemutet werden,
Ausgleichsansprüche gegen Dritte geltend zu machen, zumal es sich dabei zum
Teil gar nicht um Dritte handele, sondern das Land Hessen selbst, nämlich die
Straßenbauverwaltung. Die Verlegung des Abwasserkanals durch den
Abwasserverband ... sei ebenfalls durch das Wasserwirtschaftsamt ... veranlaßt
worden. Welche Ermessenserwägungen für die Verfügung vom 30. Juli 1985
maßgebend gewesen seien, wisse er nicht. Ihm sei immer nur erklärt worden, die
Verfügung werde gegen ihn gerichtet, weil er unterhaltungspflichtig sei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 14.
Dezember 1989 - IV/2 E 1043/85 - die Bescheide des Beklagten vom 30. Juli 1985
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1985 und vom 9.
August 1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1985
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte beruft sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend
aus: Die angeordnete Maßnahme sei nach § 74 Abs. 3 HWG gerechtfertigt Es habe
eine Gefahr für das Leben von Badenden bestanden. Die Behörde habe hier eine
Prognoseentscheidung zu treffen gehabt. Die Anforderungen an eine
Prognoseentscheidung, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines
Schadenseintritts gegeben sei, sei an der Wertigkeit des bedrohten Rechtsgutes
zu orientieren. Je größer die potentielle Gefahr, um so geringer seien die
Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit zu stellen. Selbst wenn die
Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 HWG nicht vorgelegen hätten, seien zumindest
die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 a.F. HWG gegeben. Eine konkrete Gefahr sei
beim Einschreiten nach § 74 Abs. 2 HWG nicht erforderlich, da der Kläger seiner
gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Die
Unterhaltungspflicht gemäß §§ 7 und 8 WaStG verdränge vorliegend nicht die
Unterhaltungspflicht gemäß § 48 HWG. Vielmehr enthielten diese nur eine eigene
wasserwegerechtliche Unterhaltungsregelung und würden nur für eine
Unterhaltungsregelung im Verkehrsinteresse gelten. Daneben blieben die
Unterhaltungsvorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes und des Hessischen
Wassergesetzes anwendbar.
Der Kläger sei auch Eigentümer und Besitzer des Wehres und deshalb der richtige
Adressat der Verfügung. Im Jahre 1819 sei die, Mühle mit Wehr von ... an den
Müller ... verkauft worden. Mühle und Wehr seien damals auf den Müller
übergegangen und schließlich durch Rechtsnachfolge auf den Kläger. Durch die
Dammschüttung sei eine Gefahr nicht verursacht worden. Die Dammschüttung
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Dammschüttung sei eine Gefahr nicht verursacht worden. Die Dammschüttung
habe gerade der Sanierung und somit der Gefahrenabwehr gedient. Eine
Begründung der Ermessensentscheidung sei gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 HVwVfG
entbehrlich. Nach dieser Vorschrift könne auf eine Begründung verzichtet werden,
wenn dem Betroffenen nicht nur die Sachlage und Rechtslage, sondern auch die
Auffassung der Behörde hinreichend bekannt sei. Dies sei durch eingehende
Beratung und Besprechung geschehen. Eine rechtliche Notwendigkeit die
Kostenersatzvornahme gegenüber dem Kläger zu spezifizieren, habe bis jetzt
nicht bestanden.
Im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, der Wasserbuchakten und die
Verwaltungsvorgänge des Regierungspräsidiums in ... (5 Bände), die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung waren, bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Da es sich um eine Anfechtungsklage handelt, ist für die rechtliche Beurteilung der
Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes maßgebend. Es gilt deshalb noch
das Hessische Wassergesetz in der Fassung vom 12. Mai 1981 und nicht in der
Fassung vom 22. Januar 1990. Der angefochtene Verwaltungsakt ist an der
Regelung des § 74 Abs. 3 HWG zu messen. Danach hat die Wasseraufsicht im
Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtmäßigen Ermessen notwendigen
Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder der einzelnen Gefahren
abzuwehren, die durch den Zustand oder die Benutzung der Gewässer, der Ufer,
der Deiche oder Dämme und der nach dem Wasserhaushaltsgesetz und dem
Hessischen Wassergesetz genehmigungsbedürftig oder anzeigepflichtigen
Anlagen hervorgerufen werden und die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
bedrohen. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist zu bejahen, wenn nach dem
gewöhnlichen Ablauf dem Dinge die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß an den
geschützten Rechtsgüter in überschaubarer Zukunft ein Schaden eintritt. Eine bloß
entfernte abstrakte Möglichkeit des Schadenseintritts genügt jedoch nicht, um das
Vorliegen einer Gefahr zu bejahen (vgl. Feldt/Becker, Hessisches Wassergesetz, 2.
Aufl., § 47 Anm. 4).
In dem Bescheid vom 30. Juli 1985 sind zwei Gründe für das Vorliegen einer Gefahr
angegeben worden. Nämlich die Gefahr für Badende und für die Schiffahrt. Für die
Gefahrenabwehr in bezug auf die Schiffahrt war der Regierungspräsident in ... nicht
zuständig. Insoweit gilt nämlich das Bundeswasserstraßengesetz, weil die ... im
Bereich ... eine Bundeswasserstraße ist. Für die Gefahrenabwehr zum Schutze der
Schiffahrt sind nach § 24 Abs. 1 WaStG die Behörden der Wasser- und
Schiffahrtsverwaltung des Bundes als Strompolizei zuständig. Zuständig sind
dagegen die hessischen Wasserbehörden, soweit es sich um den Schutz anderer
Rechtsgüter handelt. Soweit es um das Leben oder die Gesundheit von Menschen
geht (Badende) konnte eine Verfügung deshalb auf § 74 Abs. 3 HwG gestützt
werden. Ob insoweit jedoch eine Gefahr vorliegt, erscheint zweifelhaft. In einer
Niederschrift über eine Behördenbesprechung vom 20. Mai 1985 sind Erklärungen
von technischen Bediensteten sowohl der Landesverwaltung als auch der
Bundesverwaltung abgegeben, wonach bei einem weiteren Fortschreiten der
Zerstörung des Wehres zum damaligen Zeitpunkt nicht mit einer Flutwelle zu
rechnen war; vielmehr ist dort wiedergegeben, daß nach den Erfahrungen der
Fachleute mit einer allmählichen fortschreitenden Zerstörung des Wehres zu
rechnen war. Dies erscheint angesichts des Aufbaues des Wehres, das bis zur
Krone in einem flachen Winkel ansteigt und in einem ähnlichen Winkel abfällt,
verständlich, zumal die Höhendifferenz etwa 1,50 m beträgt. Wenn ein weiterer
Schaden am Wehr auf eine solche Weise zu erwarten war, kann nicht ohne
weiteres damit gerechnet werden, daß Menschen in Gefahr gerieten. Eine Gefahr
für Menschen besteht nach dem erkennbaren Sachverhalt nur dann, wenn eine
Flutwelle die Menschen erfaßt, so daß sie sich nicht mehr nach ihrem eigenen
Willen schwimmend im Wasser bewegen können und damit der Gefahr der
Verletzung und letzten Endes des Ertrinkens ausgesetzt werden. Ob eine solche
Gefahr vorliegt, ist vom Gericht in vollem Umfange nachprüfbar. Eine Entscheidung
kann hier jedoch dahingestellt bleiben, weil die Wasserbehörde das ihr nach § 74
Abs. 3 HWG zustehende Ermessen nicht oder nicht richtig ausgeübt hat. Nach § 39
Abs. 1 Satz 3 HVwVfG soll die Begründung von Ermessensentscheidungen auch
die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung
ihres Ermessens ausgegangen ist.
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Dieses Ermessen ist aus mehreren Gründen nicht ordnungsgemäß ausgeübt
worden. Zunächst ist die Behörde von einer falschen rechtlichen Wertung des in
bezug auf die Personen ausgegangen, die für eine mögliche Störung der
öffentlichen Sicherheit gemäß § 74 Abs. 4 HWG i.V.m. mit den Vorschriften des
Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung als
verantwortliche Person in Betracht kommen.
Nach § 14 HSOG ist der Eigentümer verantwortlich, wenn die öffentliche Sicherheit
oder Ordnung durch den Zustand einer Sache gestört oder gefährdet wird. Die
obere Wasserbehörde ist davon ausgegangen, daß der Kläger Eigentümer des
Wehres ist, wie sie insbesondere im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat. Diese
Auffassung trifft nicht zu. Eigentümer des Wehres ist die Bundesrepublik
Deutschland, und zwar gemäß § 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen
Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21. Mai 1981 (BGBl. I S. 325). Das
Wehr ist Bestandteil der Bundeswasserstraße.
Aus § 95 BGB lädt sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht herleiten, daß
der Kläger Eigentümer des Wehrs geworden ist. Das Reichsgericht hat zwar in
einem Urteil vom 20. Juni 1928 (V 282/27, in Leipziger Zeitschrift für deutsches
Recht 1928, S. 1328) entschieden, daß ein Wehr nicht Bestandteil eines Flußbettes
ist, wenn es in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem
Berechtigten mit diesem Grundstück verbunden worden ist. Das Reichsgericht hat
diese Regelung auch auf die Anlegung eines Wehres im Jahre 1845 angewendet,
also zu einer Zeit, als das BGB noch nicht in Kraft getreten war. Ob diese
Rechtsfolge auch bei einem früheren Einbau eingetreten ist, kann hier
dahingestellt bleiben. Das Lahnwehr ... ist nicht im Wege der Ausübung eines
Rechts an einem fremden Grundstück errichtet worden. In der Wasserbuchakte
des Regierungspräsidenten in Gießen über das Wasserrecht des Klägers, Band 2,
S. 17, befindet sich die Abschrift einer Urkunde aus dem Jahre 1719. Aus dieser
Urkunde ergibt sich, daß das Eigentum an der Mühle dem damaligen Landesherrn
der ... gehörte. In dieser Urkunde ist nämlich die Verpachtung an einen Müller
geregelt. Mühle und Wasserlauf befanden sich damals offenbar in der Hand des
gleichen Eigentümers. Das Wehr, das offensichtlich bereits viel früher errichtet
worden ist, ist also nicht aufgrund eines Rechts an einem fremden Grundstück in
die ... eingebaut worden. Es ist deshalb offensichtlich von Anfang an Teil des
Wasserlaufs ... gewesen.
Eine Änderung dieses Rechtszustandes wurde durch die Veräußerung der Mühle
im Jahre 1819 durch den damaligen Eigentümer ... und durch die mit Schriftsatz
vom 13. April 1994 vorgelegten Unterlagen nicht schlüssig belegt. Zunächst
bedürfte der Klärung. welche Rechtsstellung der Veräußerter der Mühle an der ...
hatte, nachdem die frühere Grafschaft W. Bestandteil des Herzogtums Nassau
geworden war. Zitiert wird in der Urkunde jedoch im wesentlichen eine
Unterhaltungsverpflichtung am Wehr. Dies könnte dafür sprechen, daß das Wehr
nicht in das Eigentum des Mühlenbesitzers übergegangen ist.
Selbst wenn es nach früherer Rechtslage möglich gewesen wäre, daß nach einer
Veräußerung der Mühle an einen Dritten das Wehr seine Eigenschaft als
wesentlicher Bestandteil des Wasserlaufs verloren hätte, hätte das Deutsche Reich
aufgrund des Gesetzes über den Staatsvertrag betreffend den Übergang der
Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich vom 29. Juli 1921 (RGBl. S. 961) das
Eigentum am Wehr erworben. Aufgrund des § 1 des Staatsvertrages gingen am 1.
April 1921 die Binnenwasserstraßen von den Ländern auf das Reich über. Dieser
Übergang erfolgte mit allen Bestandteilen und allen für die Verwaltung
erforderlichen Zubehör, insbesondere an Grundstücken, Dienstgebäuden,
Bauhöfen, Werften, Schiffen, Baggern und sonstigen Baugeräten. Nach § 1 Nr. 2
übernahm das Reich gemäß Art. 97 der Reichsverfassung die in Abs. 1
bezeichneten Gegenstände mit allen Rechten und Pflichten in sein Eigentum und
seine Verwaltung. Das galt sogar insoweit als auf das Reich übergehende
Gegenstände im Eigentum Dritter standen. Diese waren für die Entziehung des
Eigentums nach den landesrechtlichen Enteignungsvorschriften vom Reich zu
entschädigen. In § 2 Buchstabe c) ist darüber hinaus geregelt, daß dann, wenn
Gegenstände im Eigentum Dritter stehen, diese die ihnen zustehenden Nutzungen
behalten. Aufgrund dieser Regelung ist das Wehr, für den Fall, daß es nicht im
Eigentum des Landes Preußen stand, auf das Reich übergegangen. Denn das
Wehr ist eine Einrichtung, die zu einem schiffbaren Wasserlauf gehört. Bei
fliegenden Gewässern besteht stets eine Verbindung zwischen einer
Schleusenanlage und einem Wehr. Ohne ein Wehr ist an einem fliegenden
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Schleusenanlage und einem Wehr. Ohne ein Wehr ist an einem fliegenden
Gewässer eine Schleusenanlage nicht denkbar. Dies wird auch bestätigt durch § 1
Abs. 4 WaStG. Hiernach gehören zu den Bundeswasserstraßen die bundeseigenen
Schiffahrtsanlagen. besonders Schleusen und Wehre. Wie der Senat bereits durch
Urteil vom 15. November 1991 (in ZFW 93, S. 38 = DÖV 92, 752) , entschieden
hat, ist der Bund als Eigentümer der Bundeswasserstraße im Rahmen des § 74
HWG als Eigentümer verantwortlich. Dem steht nicht entgegen, daß der Bund auf
dem Gebiet der Strompolizei hoheitlich tätig werden kann und die Verwaltung der
Bundeswasserstraßen im Rahmen seiner Zuständigkeit eine hoheitliche Aufgabe
ist. In eine solche hoheitliche Aufgabe würde durch eine landesrechtliche
Verfügung, die dem Schutz anderer Rechtsgüter dient, nicht eingegriffen, weil
nichts vom Bund verlangt würde, was mit seinen hoheitlichen Aufgaben im
Widerspruch stünde.
Da die Behörde ein Auswahlermessen zwischen diesen beiden in Betracht
kommenden Verantwortlichen nicht getroffen hat, ist der Verwaltungsakt bereits
aus diesem Grund rechtswidrig.
Es kann danach dahingestellt bleiben, ob noch weitere Verantwortliche für den
Wehrschaden in Betracht kommen. Diese Frage stellt sich insbesondere in bezug
auf die rechte Wehrhälfte. Abgesehen von der Frage, ob überhaupt eine Gefahr im
Sinne des § 74 Abs. 3 HWG vorlag, stellt sich zumindest die Frage, wann diese
Gefahr eingetreten ist und ob sie insbesondere durch menschliches Handeln
verursacht worden ist. Dies könnte dadurch geschehen sein, daß durch den Bau
des linksseitigen Fangdamms verstärkt Wasser auf die rechte Wehrhälfte geleitet
worden ist, so daß durch diese Art des Gewässerumbaus auch eine neue
Strömungsrichtung verursacht worden ist. Ein größerer Schaden an der rechten
Wehrseite ist zu einem Zeitpunkt aufgetreten, als der Fangdamm installiert
worden war. Es ist deshalb durchaus möglich, daß bei den vorher bestandenen
geringeren Schäden eine Gefahr noch nicht bestand, daß aber eine Gefahr in dem
Zeitpunkt zu bejahen sein konnte, in dem größere Schäden verursacht worden
waren. Handlungsstörer ist derjenige, der eine Gefahr unmittelbar herbeigeführt
hat. Eine unmittelbare Gefahr konnte insbesondere durch den Bau des
Fangedamms erst herbeigeführt worden seien. Daß letztlich Naturkräfte den Anlaß
zur Konkretisierung der Gefahr geben, schließt nicht aus, daß derjenige, der die
letzte Ursache durch sein Handeln für diese Gefahr herbeigeführt hat, als
Verantwortlicher anzusehen ist. Wäre dies zu bejahen, dann wäre der
Verwaltungsakt auch deshalb fehlerhaft, weil die Behörde kein Auswahlermessen
insoweit ausgeübt hat.
Die Ermessensentscheidung - falls insoweit eine solche überhaupt erfolgte - ist
auch deshalb fehlerhaft, weil die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung nicht
allein die Aufgaben berücksichtigt hat, deren Wahrung ihr nach Landesrecht
obliegt. Sie hat vielmehr auch Interessen der Schiffahrt berücksichtigt. Im Falle der
ausschließlichen Gefährdung für Badende wäre eine Ermessenserwägung in der
Richtung nötig gewesen, ob es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erforderlich
macht, dem Kläger eine Maßnahmen aufzugeben, die Kosten von mehreren
Hunderttausend Mark verursacht, während der Schutz von Personen vor der
angenommenen Gefahr auch dadurch hätte geschehen können, daß in einem
angemessenen Abstand von dem Lahnwehr das Baden verboten worden wäre. Da
Badende sich selbst durch ihr Tun in Gefahr geben würden, wurde es sich insoweit
nicht um die Inanspruchnahme Dritter zur Beseitigung einer Gefahr handeln.
Eine Ermessensentscheidung aufgrund der vorgenannten Vorschriften konnte
auch nicht etwa deshalb unterbleiben, weil in dem Verwaltungsakt des
Regierungspräsiden in ...vom 21. März 1978 ausgeführt worden ist, der Kläger sei
zum Unterhalt des Wehres verpflichtet. Die Feststellung, daß der Kläger
unterhaltspflichtig sei, konnte im Wege nachträglicher Bedingungen und Auflagen
nicht getroffen werden. Welche Maßnahmen insoweit zulässig sind, ergibt sich aus
§ 5 Abs. 2 WHG i.V.m. § 5 Abs. 1 WHG. Die Festlegung einer Unterhaltspflicht lädt
sich unter keiner dieser Bestimmungen rechtfertigen. Abweichungen im
Bundeswasserstraßengesetz geregelten Unterhaltungspflicht können von einer
Landesbehörde ohnehin nicht getroffen werden, da sie hierfür absolut unzuständig
ist. Daß die Behörde, die die sogenannten Bedingungen und Auflagen nur formal
begründet hat, an die Grenzen ihrer Befugnis offenbar gar nicht gedacht hat,
ergibt sich daraus, daß in dem gleichen Verwaltungsakt auch noch privatrechtliche
Rechtsverhältnisse zu dritten Personen geregelt werden sollten. Der
Verwaltungsakt ist deshalb, soweit er über die Grenzen der Regelungsbefugnis
hinausgeht gemäß § 44 HVwVfG als nichtig anzusehen, weil er unter besonders
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hinausgeht gemäß § 44 HVwVfG als nichtig anzusehen, weil er unter besonders
schwerwiegenden Fehlern leidet und dies offensichtlich ist.
Der Verwaltungsakt kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt aufrechterhalten
bleiben, daß dem Kläger nur die Erfüllung seiner ihm obliegenden
Unterhaltungsverpflichtung aufgegeben worden sei. § 74 Abs. 2 HWG stellt insoweit
keine eigene Grundlage für den Erlaß eines Verwaltungsakts dar, sondern
beschreibt nur die Aufgaben der Wasserbehörden. Die Unterhaltung von Anlagen
im Gewässer ist in § 48 HWG insoweit festgelegt, als sie so zu erfolgen hat, daß die
Unterhaltung der Gewässer nicht mehr erschwert wird, als nach den Umständen
unvermeidbar. Im übrigen liegt die Unterhaltung im Interesse des Unternehmers
selbst und nicht im öffentlichen Interesse. Auf diesen Umfang der
Unterhaltungspflicht kann eine Verfügung deshalb nur gestützt werden, wenn sie
im Interesse der Gewässerunterhaltung eingeordnet wird. Im übrigen sind
Maßnahmen, die sich auf die Gewässerunterhaltung stützen, ebenfalls nur im
Rahmen des § 74 Abs. 3 HWG möglich. Eine Umdeutung des Verwaltungsaktes in
der Richtung, daß eine Erfüllung der Unterhaltungspflicht lediglich im Interesse der
Gewässerunterhaltung vom Kläger verlangt worden sei, ist nicht möglich. Auch in
diesem Fall handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, da auch insoweit §
74 Abs. 3 HWG anwendbar ist. Eine Ermessensentscheidung kann jedoch nicht in
eine andere Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
Nach alledem ist der Verwaltungsakt vom 30. Juli 1985 rechtswidrig und muß im
Gesamtumfang aufgehoben werden. Diese Rechtswidrigkeit erfaßt auch die
Kostenanforderung durch Verwaltungsakt vom 9. Mai 1985. Diese ist deshalb auch
aufzuheben. Es braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob die Kostenschätzung
rechtswidrig war, weil bei der Ermittlung der Kosten offenbar Baumaßnahmen und
deren Vorbereitung berücksichtigt worden sind, die vor dem Erlaß des Bescheides
vom 30. Juli 1985 oder vor dessen Vollziehbarkeit durchgeführt worden sind Es
kann ferner dahingestellt bleiben, ob die vorläufige Veranlagung der Kosten
deshalb inzwischen gegenstandslos geworden ist, weil die Kosten nach Abschluß
der Baumaßnahmen und auch der Abrechnung dem Kläger konkret festgesetzt
werden könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10ä 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil unabhängig von der
Berücksichtigung bundesrechtlicher Fragen die Klage auch allein aufgrund
landesrechtlicher Vorschriften begründet ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.