Urteil des HessVGH vom 30.12.1994

VGH Kassel: gleichbehandlung im unrecht, hof, gebäude, gartenanlage, genehmigung, hessen, kulturdenkmal, ausstrahlung, gestaltung, grünfläche

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 2544/94
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 3 DSchG HE, § 16
Abs 3 DSchG HE
(Werbeanlage in der Umgebung eines Denkmals)
Tatbestand
Der Kläger beantragte unter dem 19.01.1991 eine Baugenehmigung zur
Aufstellung einer beleuchteten Prismenwendeanlage für dreifache Wechselwerbung
auf dem Grundstück M. Straße ... in H.-L. (Flur ... Flurstück ... bzw. .... Im
Anhörungsausschuß am 16.01.1992 führte der Kläger zur Nutzungsbeschreibung
näher aus, alle 7 bis 8 Sekunden solle ein anderes der drei Werbebilder
erscheinen. Der Zeitraum zwischen den Wechseln sei jedoch variabel gestaltbar
und könne zwischen 3 und 50 Sekunden liegen.
Die geplante Werbeanlage soll rechtwinklig zur Bundesstraße ... in einer Grünfläche
errichtet werden, die zum Betriebsgelände einer Tankstelle mit Autohof und
großen Abstellflächen gehört. Bei einer Tiefe der beidseitig nutzbaren Werbeanlage
von 60 cm soll bei 2 m hohen Pfosten und Außenmaßen der Werbeanlage von 150
cm x 230 cm einschließlich Uhr und Temperaturanzeige eine Gesamthöhe von
4,30 m erreicht werden.
Nordwestlich befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite der als
Ensemble nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz geschützte
siedlungsgeschichtlich bedeutsame historische Ortskern von L. mit verschiedenen
geschützten Einzeldenkmälern, darunter dem D. Hof mit Herrenhaus,
Einfriedungsmauer, Park und Nebengebäuden. Nordöstlich des Anbringungsorts
befindet sich jenseits der Landstraße nach S. in Blickrichtung nach H. hin das
ebenfalls als Einzeldenkmal geschützte, in Basaltbruchsteinmauerwerk errichtete
und in seinen Kantenfassungen und Architekturgliederungen in Hausandstein
ausgebildete Gebäude M. Straße ....
Der Beklagte versagte die beantragte Baugenehmigung mit Bescheid vom
16.10.1991 mit der Begründung, die Werbeanlage verstoße gegen § 23 Abs. 2
HBO 1990. Sie lenke Kraftfahrer ab und führe zu einer Unfallgefahr. Im übrigen
fehle die gemäß § 7 Abs. 3 Hessisches Denkmalschutzgesetz (HDSchG)
erforderliche Zustimmung der unteren Denkmalbehörde, die den
Umgebungsschutz für das siedlungsgeschichtlich wertvolle ländliche Ensemble und
die Einzeldenkmäler von L. näher dargelegt hatte.
Den klägerischen Widerspruch wies das Regierungspräsidium K. mit
Widerspruchsbescheid vom 14.09.1992 unter Hinweis auf die SS 3, 23 Abs. 2 HBO
1990, 7 Abs. 2 und 3, 16 HDSchG zurück.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat der am 01.10.1992 erhobenen
Verpflichtungsklage, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung für die Zeit von
24.00 Uhr bis 5.30 Uhr auf eine unbeleuchtete Werbeanlage beschränkt hatte,
nach einer Augenscheinseinnahme der Kammer mit Urteil vom 21.06.1994
stattgegeben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die
Prismenwendeanlage führe nicht zu einer Verkehrsgefährdung und nehme
genügend Rücksicht auf baugeschichtlich erhaltenswerte Eigenarten der
Umgebung. Es liege kein Verstoß gegen die Regelungen der §§ 19 Abs. 2, 12 Abs.
2 Satz 1 und 2 HBO 1993 vor. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen
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2 Satz 1 und 2 HBO 1993 vor. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme sei der Anbringungsort dem durch einen Zweckbau und einen
angrenzenden großen Parkplatz gewerblich geprägten Tankstellenbereich
zuzuordnen. Der denkmalgeschützte D. Hof sei zur Straße hin durch einen dichten
Park mit altem Baumbestand abgeschirmt und mit einer Mauer eingefriedet. Vom
Aufstellungsort her sei er infolge der dichten Eingrünung zumindest außerhalb der
kalten Jahreszeit nicht sichtbar.
Der Beigeladene zu 3. hat gegen das ihm am 15.08.1994 zugestellte
verwaltungsgerichtliche Urteil am 15.09.1994 Berufung eingelegt. Zur Begründung
weist er darauf hin, der D. Hof sei einschließlich des Parks und der Parkmauer Teil
des schützenswerten Ensembles. Bei Genehmigung der geplanten Fremdwerbung
drohte eine negative Vorbildwirkung zugunsten weiterer Werbeanlagen in der
Umgebung. Dies würde nicht nur in dem streitbefangenen Bereich zu einer
irreparablen Beeinträchtigung der ländlichen Kulturlandschaft führen. Das
Verwaltungsgericht habe übersehen, daß der Umgebungsschutz des § 16 Abs. 2
HDSchG weit über die Anforderungen der Gestaltungsvorschrift des § 12 HBO
1993 hinausginge. Insgesamt würde die vorgesehene Werbeanlage hier die
Wirkung des Kulturdenkmals in seiner Umgebung und die optischen Bezüge
zwischen dem Kulturdenkmal und der Umgebung beeinträchtigen.
Der Beigeladene zu 3. beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 21. Juni 1994 - 2 E 2362/92 (3) -
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die vorhandene Tankstelle, an der sich bereits
mehrfache Werbeanlagen befänden. Die M. Straße sei eine Trennlinie
verschiedener Nutzungen, so daß die Werbeanlage auf der Tankstellenseite nicht
störend sei. Die Straße stelle eine Zäsur dar. Auf der rechten Seite in Richtung H.
sei neuzeitliche Gewerbestruktur vorhanden, auf der linken Straßenseite die
historische ländliche Struktur. Das Gebäude M. Straße ... sei nicht typisch für diese
Gegend. Es habe auch nichts mit der Landwirtschaft zu tun, da etwa eine Scheune
auf dem Anwesen fehle. Darüber hinaus verweist der Kläger wie schon im
Vorverfahren auf andere Werbeanlagen in ... und Umgebung.
Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag. Im Berufungsverfahren haben sie
auch keine Stellungnahme abgegeben.
Der mit Einwilligung sämtlicher Beteiligten zu einer Einzelrichterentscheidung
befugte Berichterstatter hat im Berufungsverfahren eine richterliche
Augenscheinseinnahme durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 21.12.1994 Bezug
genommen.
Dem Gericht liegt die einschlägige Behördenakte des Beklagten mit mehreren
Lichtbildern vor. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze
der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beigeladenen zu 3. ist begründet. Das
Verwaltungsgericht hätte der Verpflichtungsklage nicht stattgeben dürfen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Baugenehmigung für die geplante
Prismenwendeanlage, die nicht in vollem Umfang den öffentlich-rechtlichen
Vorschriften entspricht (§ 70 Abs. 1 Satz 1 HBO 1993).
Die untere Denkmalschutzbehörde hat hier in Übereinstimmung mit dem
Landesamt für Denkmalpflege Hessen die gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 HDSchG
erforderliche Zustimmung zu der vom Kläger begehrten Baugenehmigung zu
Recht nicht erteilt. Der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung, an deren Stelle
die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde im Zusammenhang mit
Baugenehmigungen tritt, bedarf gemäß § 16 Abs. 2 HDSchG, wer in der
Umgebung eines unbeweglichen Kulturdenkmals Anlagen errichten, verändern
oder beseitigen will, wenn sich dies auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des
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oder beseitigen will, wenn sich dies auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des
Kulturdenkmales auswirken kann. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 HDSchG soll die
Genehmigung nur erteilt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls
dem nicht entgegenstehen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 HDSchG zählen zu den
Kulturdenkmälern über die schutzwürdigen Einzeldenkmäler nach § 2 Abs. 1 des
Gesetzes hinaus auch Gesamtanlagen, zu denen ausweislich des in der
mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überreichten Lageplans hier der
Siedlungsgeschichtlich wertvolle Kerl von L. gehört. Zwar liegt der Aufstellungsort
der geplanten Werbeanlage knapp außerhalb des Bereichs der Gesamtanlage,
einbezogen wird aber bereits die unmittelbar angrenzende Verkehrsfläche der ...).
Die denkmalschutzrechtliche Zustimmungsbedürftigkeit nach den §§ 7 Abs. 3 Satz
2, 16 Abs. 2 HDSchG ist hier gegeben, da sich die beleuchtete
Prismenwendeanlage in der Umgebung von Kulturdenkmälern in mehrfacher
Hinsicht auf deren Erscheinungsbild auswirken kann. So bestehen für die
verschiedenen Nutzer des Straßenraums und der angrenzenden Grundstücke
Blickbeziehungen vom Anbringungsort der 4,30 m hohen Werbeanlage auf die
Einzeldenkmäler M. Straße ... (D. Hof mit Garten, Baumbewuchs und
Einfriedungsmauer), M. Straße ... und die Gesamtanlage des historischen
Ortskerns von L. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bereits die Einfriedungsmauer
und der Baumbewuchs im parkartigen Garten des D Hofes Teil des Einzeldenkmals
und der Gesamtanlage sind. Für die Genehmigungsbedürftigkeit bzw.
Zustimmungsbedürftigkeit nach § 16 Abs. 2 HDSchG kommt es mithin nicht
darauf an, ob und zu welcher Jahreszeit etwa der D Hof selbst mit seinem
Gebäudebestand von der gegenüberliegenden Straßenseite her eingesehen
werden kann oder nicht.
Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 HDSchG stehen hier überwiegende Gründe des
Gemeinwohls einer denkmalschutzrechtlichen Zustimmung entgegen. Dies gilt
schon für den Umgebungsschutz der genannten Einzeldenkmäler M. Straße ... (D.
Hof) und M. Straße .... Gemäß § 1 Abs. 1 HDSchG ist es Aufgabe des
Denkmalschutzgesetzes, den überliefernden Bestand dieser schutzwürdigen
Kulturdenkmäler zu erhalten und zu sichern und darauf hinzuwirken, daß sie in die
städtebauliche Entwicklung, Raumordnung und Landschaftspflege einbezogen
werden. Hierzu gehört auch die Umgebung geschützter Kulturdenkmäler, die für
deren Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung ist, wenn die
Ausstrahlungskraft des Kulturdenkmals wesentlich von der Gestaltung seiner
Umgebung abhängt (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 20.06.1989 - 1 S 98/88 -
NVwZ-RR 1990, 296).
Die richterliche Augenscheinseinnahme im Berufungsverfahren hat ergeben, daß
die den Einzeldenkmälern M. Straße ... und ... vorgelagerten Flächen von
erheblicher Bedeutung für die kulturelle Ausstrahlung dieser denkmalgeschützten
Anwesen und Gebäude sind. Von der gegenüberliegenden Straßenseite aus sind
etwa von Benutzern des Parkplatz es des Autohofs der Garten mit Baumbestand
und Einfriedungsmauer am Anbringungsort der Werbeanlage vorbei voll einsehbar
und in ihrer kulturellen Bedeutung als Teil eines früheren ländlichen Gutshofes zu
erkennen. Dabei fällt besonders die markante Pyramideneiche in der Mitte der
Gartenanlage in den Blick. Stellte man sich hier die 4,30 m hohe, beleuchtete
Prismenwendeanlage mit taktweisen wechselnden Werbetafeln vor, die in die
Blickbeziehung oberhalb des üblicherweise überschauten Verkehrsraums fallen,
wird das Erscheinungsbild der Gartenanlage eines ländlichen Gutshofs in nicht
unerheblicher Weise nachteilig beeinträchtigt Im Grunde erhält das Kulturdenkmal
D. Hof mit der taktweisen Wechselwerbung alle 7 bis 8 Sekunden eine andere
Umgebung, wobei sich die Werbeanlage von ihrer Größe, Gestaltung dem
ständigen Motivwechsel, der Beleuchtung und der fehlenden Maßstäblichkeit her in
der Umgebung des Kulturdenkmals nicht unterordnet, sondern selbst seine
Umgebung mit ehrgeiziger dynamischer Werbewirkung prägen will. Zwar ist der
Anbringungsort hier dem Autohof und seinen Abstellflächen räumlich noch
zugeordnet, die optischen Auswirkungen beeinträchtigen aber die
Ausstrahlungskraft von Kulturdenkmälern, deren Umgebung hier auch wegen der
kurzen Entfernungen zum Gegenstand denkmalschutzrechtlicher Anforderungen
geworden ist.
Bisher eignet dem Autohof nur eine statische Werbung von gleichbleibender
Eigenwirkung im Bereich der Tankstellenanlage mit zugehörigem Gebäude selbst.
Nunmehr soll in einem Bereich, wo sich bisher eine untergeordnete Grünfläche als
Platzabschluß zum Straßenraum der Bundesstraße und der abzweigenden
Landesstraße nach S. befindet, eine beleuchtete und getaktete
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Landesstraße nach S. befindet, eine beleuchtete und getaktete
Prismenwendeanlage mit besonderer werblicher Ausstrahlungskraft auf ihre
Umgebung errichtet werden, die aber in den Ausstrahlungsbereich benachbarter
Kulturdenkmäler gerät und diesen nachteilig verändert. Genauso wie für die
Gartenanlage und die Einfriedungsmauer des D. Hofs würde dies für die optische
Ausstrahlung des in Fahrtrichtung nach liegenden Gebäudes M. Straße g gelten.
Auch wenn es als Einzeldenkmal nicht Teil der Gesamtanlage des historischen
Ortskerns von L. ist, fügt sich dieses in Basaltbruchsteinmauerwerk errichtete
Gebäude als ein Zeugnis des Übergangs vom ländlichen Wohnen zum
Arbeiterwohngebäude in eigenständiger Wertigkeit in die Nachbarschaft der
Gesamtanlage ein und findet eine Entsprechung in einem vergleichbaren zweiten,
als Einzeldenkmal geschützten Bauwerk östlich der M. Straße. Die
Blickbeziehungen zum Gebäude M. Straße ... werden bei Errichtung der geplanten
Werbeanlage ebenfalls empfindlich gestört, wobei es nicht nur und nicht in erster
Linie auf die notwendig flüchtigen Blickbeziehungen von Autofahrern auf der
Bundesstraße ankommt, sondern auch auf langsamere Verkehrsteilnehmer im
optischen Bezugsfeld wie Fußgänger, Spaziergänger, Radfahrer oder die Lenker
ländlicher Zugmaschinen, die sich im streitbefangenen Bereich länger im
Verkehrsraum aufhalten und die Störung des Umgebungsbereichs der genannten
Kulturdenkmäler intensiver empfinden.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die Versagung der
denkmalschutzrechtlichen Zustimmung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 HDSchG auch
in bezug auf die Gesamtanlage des siedlungsgeschichtlich bedeutsamen
historischen Ortskerns von L. gerechtfertigt ist, zumal die Prismenwendeanlage
nach den Angaben des Klägers bei maximaler Ausnutzung auch beidseitig
ausnutzbar ist. In diesem Falle würde auch der historische Ortskern an der M.
Straße in Richtung A. in seinem kulturellen Erscheinungsbild nicht nur unerheblich
und nicht nur vorübergehend beeinträchtigt, da die 4,30 m hohe beleuchtete
Werbeanlage, die nur während weniger Nachtstunden unbeleuchtet bliebe, auch im
übrigen in der Umgebung des dem Denkmalschutzrecht unterliegenden
siedlungsgeschichtlich wertvollen ländlichen Kerns von L. dessen kulturelle und
optische Ausstrahlungskraft nachhaltig beeinträchtigen würde.
Die vom Kläger benannten Vergleichsfälle verhelfen der Verpflichtungsklage nicht
zum Erfolg. Sollten andere Werbeanlagen rechtswidrig genehmigt worden sein,
hätte er insoweit aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im
Unrecht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.