Urteil des HessVGH vom 27.05.1987

VGH Kassel: satzung, kanalisation, gegenüberstellung, wasserversorgung, abrechnung, gemeindehaushalt, erneuerung, zustellung, hochschule, verfahrensmangel

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 245/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 121 Abs 1 AO 1977, § 4
Abs 1 Nr 3b KAG HE, § 11
Abs 4 KAG HE
(Wasserbeitragsrecht und Abwasserbeitragsrecht:
Kalkulation der Beitragssätze, Globalberechnung, Höhe
des gemeindlichen Eigenanteils)
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des in einem Neubaugebiet im Stadtteil J. der Beklagten
gelegenen Grundstücks A.-Ring 3. Nach der Verlegung von Wasserversorgungs-
und Entwässerungsleitungen in diesem Neubaugebiet zog ihn die Beklagte mit
Bescheid vom 23. Oktober 1981 zu einem Kanalanschlußbeitrag in Höhe von
2.442,00 DM und zu einem Wasseranschlußbeitrag in Höhe von 740,00 DM heran.
Der Kläger erhob hiergegen am 02. Dezember 1981 Widerspruch und - nach
dessen Zurückweisung durch Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1982, der
ihm am 19. Februar 1982 zugestellt wurde - am 18. März 1982 Klage. Er wandte
gegen seine Heranziehung ein, daß der Bescheid nicht mit der erforderlichen
Begründung versehen und schon deshalb rechtswidrig sei. Es fehle an Angaben
zur Höhe des beitragsfähigen Aufwandes, zum Eigenanteil der Beklagten und zur
Zahl der belastbaren Beitragseinheiten. Die Beklagte habe sich nicht am
tatsächlichen Gesamtaufwand orientiert und offensichtlich auch keinen Eigenanteil
übernommen. Der Eigenanteil müsse mindestens 10 % des Gesamtaufwandes
betragen und in der Satzung geregelt sein. Außerdem habe die Beklagte nicht die
erforderliche Globalberechnung vorgelegt.
Der Kläger beantragte,
den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 1981 und ihren
Widerspruchsbescheid
vom 12. Februar 1982 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie vertrat die Auffassung, daß der Heranziehungsbescheid eine ausreichende
schriftliche Begründung aufweise. Ob die Gemeinde bei leitungsgebundenen
Einrichtungen überhaupt einen Eigenanteil übernehmen müsse, sei zweifelhaft.
Jedenfalls brauche der Eigenanteil nicht in der Satzung ausgewiesen zu werden.
Die Gegenüberstellung von Ausgaben und Einnahmen bei Abwicklung der Kanal-
und Wasserleitungsbaumaßnahmen in dem fraglichen Neubaugebiet des
Stadtteils J. zeige, daß das Beitragsaufkommen die tatsächlich angefallenen
Kosten bei weitem nicht decke.
Die Beklagte legte im Verhandlungstermin des erstinstanzlichen Verfahrens
Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben für Wasserversorgung und
Kanalisation in den Baugebieten H., D. und J. vor. Diese Aufstellungen weisen für
die Wasserversorgung eine Kostendeckung in Höhe von 32,8 % und für die
Kanalisation eine Kostendeckung in Höhe von 61,9 % aus.
Das Verwaltungsgericht Darmstadt wies die Klage mit Urteil vom 18. Dezember
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Das Verwaltungsgericht Darmstadt wies die Klage mit Urteil vom 18. Dezember
1984 ab. In den Entscheidungsgründen heißt es, daß ein Verstoß gegen die
Begründungspflicht nicht vorliege, denn der angefochtene Bescheid benenne die
Rechtsgrundlage und die Berechnungsfaktoren für das veranlagte Grundstück und
enthalte damit alle wesentlichen Angaben, deren der Beitragspflichtige bedürfe,
um die Berechnung des Beitrags für sein Grundstück nachvollziehen zu können.
Bei einer Abrechnung nach Einheitssätzen sei es - anders als bei einer Abrechnung
nach tatsächlichen Kosten - nicht erforderlich, die Höhe des beitragsfähigen
Aufwandes und die Summe der Beitragseinheiten anzugeben. Über die Höhe eines
Eigenanteils der Gemeinde entscheide der Satzungsgeber dadurch, daß er den
Einheitssatz in bestimmter Höhe festlege; einer gesonderten Ausweisung des
Eigenanteils in der Satzung bedürfe es nicht. Die von der Beklagten getroffenen
Satzungsregelungen zur Höhe der Einheitssätze bei Erhebung von Kanal- und
Wasseranschlußbeiträgen seien inhaltlich nicht zu beanstanden. Das
Zahlenmaterial, welches die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgelegt
habe, verdeutliche, daß das Kostendeckungsprinzip beachtet worden sei. Eine
Globalberechnung könne zum Zwecke des Nachweises, daß die Einheitssätze nicht
überhöht seien, auch noch nachträglich vorgelegt werden.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 09. Januar 1985 zugestellt worden ist, hat der
Kläger am 11. Februar 1985, einem Montag, Berufung eingelegt. Zu deren
Begründung trägt er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vorbringens vor: Die Beklagte könne die angefochtene Heranziehung nicht auf
wirksames Satzungsrecht stützen. In den Beitrags- und Gebührensatzungen der
Beklagten sei der Gemeindeanteil, der bei mindestens 25 % der Gesamtkosten
liegen müsse, nicht festgelegt. Die Notwendigkeit einer satzungsmäßigen
Bestimmung des Gemeindeanteils ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG. Die
Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 21. Mai 1980 - V OE 55/77 -) bedürfe in
diesem Punkt der Überprüfung. Zu beanstanden sei ferner der in den Satzungen
vorgesehene Verteilungsmaßstab, denn der modifizierte Grundflächenmaßstab
könne nach der einschlägigen Senatsrechtsprechung nur für Dörfer und kleinere
Städte mit geringen Unterschieden in der baulichen Nutzung vorgesehen werden.
Diese Verhältnisse träfen für das Stadtgebiet der Beklagten nicht zu. Bei Erlaß der
Satzungen habe schließlich auch keine Globalberechnung vorgelegen, wie es
insbesondere nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim
erforderlich sei. Die Globalberechnung sei normative Voraussetzung für die
Gültigkeit des Beitragssatzes und könne in einem Anfechtungsstreit nicht
nachgeschoben werden. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegten Kostenzusammenstellungen würden
den an eine ordnungsgemäße Globalberechnung zu stellenden Anforderungen
nicht genügen. In den Berechnungen sei weder der Abzug nach § 11 Abs. 4 KAG
ausgewiesen, noch seien die Ausgaben jahresweise aufgeschlüsselt; darüber
hinaus fehle es an der erforderlichen Gegenüberstellung von Haushaltsansätzen
und Investitionen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18. Dezember 1984 - IV/2
E 525/82 - und die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt zur Begründung auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und die
Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug.
In der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens hat sie die im
erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Aufstellungen erläutert. Wegen ihrer
Angaben wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 27. Mai 1987 Bezug
genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist
unbegründet, denn die Heranziehung des Klägers zu einem Kanalbeitrag in Höhe
von 2.442,00 DM und zu einem Wasserbeitrag in Höhe von 740,00 DM ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
Die Rechtsgrundlage ergibt sich für den Kanalbeitrag aus § 11 KAG i.V.m. der
Abwasserbeseitigungs- und Gebührensatzung der Beklagten vom 12. Juni 1981 (im
folgenden: AbwBGS) und der zugehörigen allgemeinen Abwassersatzung vom
gleichen Tage (im folgenden: AbwS), für den Wasserbeitrag aus § 11 KAG i.V.m.
der Wasserbeitrags- und -gebührensatzung der Beklagten vom 28. April 1978 (im
folgenden: WBGS) und der zugehörigen allgemeinen Wasserversorgungssatzung
vom gleichen Tage (im folgenden: AWVS). Die vorgenannten Beitrags- und
Gebührensatzungen sind beide in der bis 31. Dezember 1981 geltender Fassung
anzuwenden, da die Leitungsbaumaßnahmen, für die die Beklagte die Beiträge
erhebt, im August 1981 fertiggestellt worden sind. Soweit die Beklagte mit
Änderungssatzungen vom 14. Dezember 1981 mit Wirkung zum 01. Januar 1982
höhere Beitragssätze eingeführt hat, wirken sich diese Änderungen im
vorliegenden Fall noch nicht aus.
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß mit der Verlegung von
Kanal- und Wasserversorgungsleitungen im Gebiet des Bebauungsplans J 12 die
bestehenden Anlagen für Entwässerung und Wasserversorgung im Stadtteil J. im
Sinne des § 11 Abs. 1 KAG "erweitert" wurden, und daß dadurch auch dem Kläger
als Anlieger des A.-Rings die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser
Einrichtungen eröffnet worden ist. Die Beklagte hat auch gem. § 4 Abs. 1 AbwBGS
i.V.m. § 11 Abs. 9 KAG für die Entwässerungseinrichtung und gem. § 4 Abs. 1
WBGS i.V.m. § 11 Abs. 9 KAG für die Wasserversorgungsanlage die Fertigstellung
der Erweiterungsmaßnahmen beschlossen und dies am 03. September 1981 in
der R.-Post und der R.-Zeitung öffentlich bekannt gemacht. Somit liegen die
satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Heranziehung des Klägers zu Kanal-
und Wasseranschlußbeiträgen vor.
Mit den genannten Satzungen verfügt die Beklagte auch über formell und materiell
gültiges Satzungsrecht für die Erhebung der streitige Anschlußbeiträge. Die dazu
von dem Kläger erhobenen Einwände sind unbegründet.
Der Kläger beanstandet zum einen, daß in den Satzungen bei der Bestimmung
der Beitragssätze kein "Gemeindeanteil" ausgewiesen ist. Dem ist entgegen zu
halten, daß § 2 Abs. 1 KAG lediglich die Bestimmung von Maßstab und Satz der
Abgabe in der Satzung verlangt. Über die Höhe eines Anteils, den die Gemeinde
gem. § 11 Abs. 4 KAG selbst trägt, weil die Einrichtung nicht nur den
beitragspflichtigen Anliegern, sondern auch der Allgemeinheit die Möglichkeit zur
Inanspruchnahme bietet, entscheidet der Satzungsgeber inzident dadurch, daß er
den (Einheits-)Beitragssatz in einer bestimmten Höhe festlegt (Senatsurteil vom
21. Mai 1980 - V OE 55/77 -, Gemeindehaushalt 1982 S. 64 ff.). Einer
ausdrücklichen Ausweisung dieses Anteils in der Satzung bedarf es nach der
gesetzlichen Regelung nicht.
Ob und inwieweit die jeweilige Anlage der Allgemeinheit überhaupt die Möglichkeit
zur Inanspruchnahme bietet und ihr damit einen Vorteil vermittelt, ist eine Frage
des Einzelfalls. Bei Entwässerungsanlagen kann ein für die Allgemeinheit
ausgelöster Vorteil etwa darin liegen, daß das Oberflächenwasser von Straßen und
Plätzen in die Kanalisation abgeleitet wird (vgl. Senatsurteil vom 20. August 1976 -
V OE 30/74), bei Wasserversorgungsanlagen darin, daß im Bedarfsfall aus
Wasserhydranten Wasser für Feuerlöschzwecke, zum Besprengen von Straßen und
zum Bewässern von Grünanlagen und Sportplätzen entnommen wird (vgl. OVG
Lüneburg, Urt. v. 11. Dezember 1980 - 3 OVG C 3/79 -, HSGZ 1983 S. 244 ff., 245
= DVBl. 1980 S. 760). Die Höhe des nach Maßgabe solcher Vorteile zu
bestimmenden und bei der Festlegung der Beitragssätze zu berücksichtigenden
Gemeindeanteils kann die Gemeinde im jeweiligen Einzelfall schätzen (vgl. Ermel,
Gesetz über kommunale Abgaben in Hessen, Kommentar, 2. Auflage 1978, Erl. 26
zu § 11 KAG). Insoweit besteht keine Bindung an bestimmte generalisierende
"Mindestquoten". Soweit in der Rechtsprechung, auf die sich der Kläger in diesem
Zusammenhang beruft, die Auffassung vertreten wird, die Gemeinden hätten als
Eigenanteil zumindest 10 % (VGH Mannheim, Urt. v. 27. Oktober 1980 - II 1579/78
-, VBlBW 1981 S. 185 ff., 186) oder gar 25 % der umlagefähigen Aufwendungen (so
der 6. Senat des OVG Koblenz in seinem Urt. v. 04. Juli 1977 6 A 76/75 -, KStZ
1977 S. 225) zu tragen, beruht dies auf der Annahme, daß mit dem
Gemeindeanteil auch solche Vorteile der Allgemeinheit abzugelten seien, die nur
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Gemeindeanteil auch solche Vorteile der Allgemeinheit abzugelten seien, die nur
ideeller Natur sind und an das die Errichtung und Betreibung öffentlicher
Entwässerungs- und Wasserversorgungseinrichtungen rechtfertigende öffentliche
Interesse anknüpfen (bei Entwässerungsanlagen etwa: Schutz vor Seuchen und
Geruchsbelästigungen, Schutz der Umwelt, Herstellung und Förderung
hygienischer Verhältnisse). Diese Auslegung läßt jedoch der hier anzuwendende §
11 Abs. 4 KAG schon nach seinem Wortlaut nicht zu. Denn die Vorschrift stellt auf
einen Vorteil ab, der der Allgemeinheit durch die Möglichkeit der I n a n s p r u c h
n a h m e der Anlage, also dadurch, daß auch sie die Einrichtung für bestimmte
Zwecke b e n u t z e n kann, erwächst. Berücksichtigungsfähig sind daher nur
wirtschaftliche Vorteile der Allgemeinheit, die sich - wie die oben beispielhaft
genannten Vorteile - von ihrer Qualität her mit den Anliegervorteilen vergleichen
lassen und wie diese quantifizierbar sind (so zu Recht der Große Senat des OVG
Koblenz in seinem Beschl. v. 04. Juli 1978 - GS 1/78 -, KStZ 1978 S. 214 ff, ferner
OVG Lüneburg, a.a.O.). Eine Entwässerungsanlage dient d u r c h ihre
Inanspruchnahme den Belangen des Umweltschutzes, der Hygiene und der
Gesundheit der Bevölkerung; daß sie dies tut, ist aber als solches keine
Inanspruchnahme im Sinne des § 11 Abs. 4 KAG.
Eine Ungültigkeit des der Heranziehung des Klägers zu Kanal- und
Wasseranschlußbeiträgen zu Grunde gelegten Satzungsrechts kann auch nicht
daraus hergeleitet werden, daß bei der Bestimmung der Beitragssätze
möglicherweise keine Globalberechnung vorlag, die die hier streitigen
Erweiterungsmaßnahmen erfaßte. Als Globalberechnung bezeichnet man das
Verfahren, bei dem durch Gegenüberstellung der voraussichtlichen Gesamtkosten
für Maßnahmen der Herstellung, Erneuerung oder Erweiterung gemeindlicher
Einrichtungen und der insgesamt zu erwartenden belastbaren Flächen unter
Berücksichtigung eines etwaigen Eigenanteils der Gemeinde der Beitragssatz
ermittelt wird, der zur Kostendeckung notwendig ist. Höhere Sätze, als sie zur
Kostendeckung notwendig sind, darf die Gemeinde nicht festlegen. Von daher
setzt eine ordentliche Ermittlung der Beitragssätze sicherlich eine
Globalberechnung voraus. Das Vorliegen einer solchen Berechnung im Zeitpunkt
des Satzungserlasses ist deswegen aber nicht etwa eine normative
Voraussetzung, von deren Erfüllung die Gültigkeit der Regelung über die Höhe der
Beitragssätze und damit der Satzung insgesamt abhängt. Für die Gültigkeit der
vorgesehenen Einheitssätze kommt es letztlich allein darauf an, ob sich diese
Sätze i m E r g e b n i s als "richtig" (im Sinne von "nicht überhöht") erweisen.
Insoweit genügt die Feststellung, daß eine Globalberechnung, gleichgültig ob sie
schon im Zeitpunkt des Satzungserlasses vorlag oder erst später erstellt worden
ist, die von der Gemeinde gefundenen oder auch nur "gegriffenen" Beitragssätze
rechtfertigt (in diesem Sinne: BayVGH, Urt. v. 10. Dezember 1982 - Nr. 23 N 81
A.1479 -, BayVBl. 1983 S. 755 ff., 758; Senatsurt. v. 14. März 1984 - V OE 84/81 -
,DVBl. 1984 S. 1129 ff. - HSGZ 1985 S. 29 ff.). Die Erstellung einer
ordnungsgemäßen Globalberechnung v o r der Festlegung der Einheitssätze durch
den Satzungsgeber könnte nur dann als ein normatives Erfordernis angesehen
werden, wenn der Gesetzgeber dies im KAG ausdrücklich so vorgesehen hätte. An
einer entsprechenden Regelung fehlt es jedoch. Der hessische Gesetzgeber hat
dem Berechnungsverfahren, welches zur Ermittlung der "richtigen" Beitragssätze
führt, keinen so überragenden formalen Stellenwert eingeräumt, daß allein das
Fehlen der Globalberechnung im Zeitpunkt des Satzungserlasses - ohne Rücksicht
auf das Ergebnis, das ja gleichwohl "richtig" sein kann - zur Unwirksamkeit der
Beitragsregelung führt.
Die von dem Kläger zitierte Rechtsprechung des VGH Mannheim gibt dem Senat
keine Veranlassung, von seinem oben wiedergegebenen Rechtsstand abzugehen.
Auch der VGH Mannheim sieht - entgegen der Darstellung des Klägers - die
Globalberechnung nicht etwa als eine zusätzliche normative Voraussetzung für die
Gültigkeit des Beitragssatzes an. In dem von dem Kläger zitierten Urteil vom 18.
Oktober 1984 - 2 S 2803/82 -, VBlBW 1985 S. 299 ff., heißt es, daß klarstellend
darauf hinzuweisen sei, daß die Globalberechnung "also nicht eine (zusätzliche)
normative Voraussetzung für die Gültigkeit des Beitragssatzes darstellt" (a.a.O. S.
300, rechte Spalte, 3. Absatz). Allerdings soll die bei Festlegung der Beitragssätze
zu treffende "Ermessensentscheidung" i n a l l e r R e g e l nur dann als
ordnungsgemäß anzusehen seien, wenn der Gemeindevertretung bei ihrer
Entscheidung eine schon damals aufgestellte Globalberechnung vorlag (Urt. v. 18.
Oktober 1984, a.a.O.). Urt. v. 20. September 1984 - 2 S 461/82 -, BWGZ 1985 S.
492 ff., 493). Soweit dies auf eine Einschränkung der Möglichkeit der Gemeinde
hinausläuft, die "Richtigkeit" der in der Satzung bestimmten Einheitssätze durch
eine nachträglich erstellte Berechnung nachzuweisen, vermag der Senat dem
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eine nachträglich erstellte Berechnung nachzuweisen, vermag der Senat dem
nicht zu folgen. Die gerichtliche Überprüfung der Höhe der Einheitssätze ist
letztlich Ergebniskontrolle, nicht Verfahrenskontrolle. Stellt sich aufgrund einer
Berechnung, die erst später erstellt worden ist, heraus, daß die Beitragssätze auch
unter Berücksichtigung eines von der Gemeinde nach § 11 Abs. 4 KAG zu
übernehmenden Eigenanteils - nicht überhöht sind, so kann ein nachlässiges
Verfahren bei der Ermittlung der Beitragssätze als solches nicht Anlaß sein, die im
Ergebnis nicht zu beanstandende Beitragsregelung und damit die Beitragssatzung
insgesamt für rechtsungültig zu erklären. Das Fehlen einer Globalberechnung im
Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ist möglicherweise geeignet, Zweifel an der
Richtigkeit der festgesetzten Sätze aufkommen zu lassen, diese Zweifel kann
dann aber die Gemeinde durch Vorlage einer nachträglich erstellten Berechnung
entkräften. Würde man letzteres nicht zulassen, so wäre es auch nicht möglich,
einen aus Anlaß eines ganz bestimmten Bauvorhabens - etwa der erstmaligen
Schaffung einer Entwässerungseinrichtung - kalkulierten Einheitssatz auf spätere
Bauvorhaben - wie z. B. die Erneuerung oder Erweiterung der Einrichtung -
anzuwenden, an deren Durchführung bei der ursprünglichen Kalkulation noch nicht
gedacht war. Gegen derartige Folgerungen hat sich der Senat stets
ausgesprochen. Nach seiner Rechtsprechung läßt sich ein Einheitssatz im Sinne
des § 11 KAG, der aus Anlaß eines bestimmten von der Gemeinde geplanten
Kanalbauvorhabens errechnet und satzungsmäßig festgelegt worden ist, auch
auf a n d e r e Kanalbauvorhaben anwenden, sofern er hier nicht - was die
Gemeinde gegebenenfalls durch eine auf die späteren Bauvorhaben bezogene
Kostenkalkulation nachzuweisen hat - zu einer Kostenüberdeckung führt
(Senatsbeschluß v. 12. März 1980 - V TH 24/79 -, HSGZ 1980 S. 352, sowie
Senatsurteil v. 27. Juni 1984 - V OE 56/82 -, HSGZ 1985 S. 37 ff.
Gemeindehaushalt 1985 S. 188 f.). Daran muß festgehalten werden. Die von dem
VGH Mannheim entwickelten strengeren Anforderungen hängen möglicherweise
damit zusammen, daß von der Art des auszuübenden Ermessens zwischen den im
Rahmen der Globalberechnung zu treffenden Prognosen zur Höhe der
Gesamtkosten und zum Umfang der insgesamt zu belastenden Flächen und den
Entscheidungen der Gemeinde darüber, ob und in welchem Umfang die Kosten der
Einrichtung über das Beitragsaufkommen und über das
Benutzungsgebührenaufkommen gedeckt werden sollen und ob zur Entlastung der
Bürger ein zusätzlicher Gemeindeanteil übernommen werden soll, nicht
hinreichend unterschieden wird. Als "echte" Ermessensentscheidungen im Sinne
von "Willensentscheidungen" zwischen mehreren gleichberechtigten Alternativen
stellen sich nur die letztgenannten Entscheidungen dar. Die zu treffenden Kosten-
und Flächenprognosen im Rahmen der Globalberechnung dienen dagegen der
Ermittlung eines bestimmten rechnerischen Ergebnisses, welches dem Ideal der
Richtigkeit möglichst nahe kommen soll; und aus diesem Grunde muß die
gerichtliche Kontrolle hier am Ergebnis anknüpfen und darf nicht schon aus einem
"Defizit" bei den Entscheidungsgrundlagen - also etwa aus dem Fehlen einer
ordnungsgemäßen Globalberechnung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses - die
Folgerung ableiten, die getroffene Entscheidung über die Höhe der Beitragssätze
sei rechtswidrig.
Die von der Beklagten im Verhandlungstermin des erstinstanzlichen Verfahrens
vorgelegten Aufstellungen, die für die Erweiterung der Kanalisation und der
Wasserversorgungsanlage in den Baugebieten H., D. und J. Einnahmen und
Ausgaben ausweisen, belegen daß die in § 2 Abs. 3 AbwBGS bestimmten
Einheitssätze von 5,00 DM pro qm Grundstücksfläche und 2,00 DM pro qm
Geschoßfläche und die in § 2 Abs. 2 WEGS bestimmten Sätze von 1,20 DM pro qm
Grundstücksfläche und 1,00 DM pro qm Geschoßfläche nicht überhöht sind. Für die
Erweiterungsmaßnahmen im Stadtteil J. ergibt sich aus diesen Aufstellungen eine
Kostendeckung in Höhe von lediglich 31,6 % im Bereich der Wasserversorgung und
von 69,1 % im Bereich der Kanalisation. Bei der Kanalisation ist dabei auf der Seite
der Einnahmen auch der auf die Straßenentwässerung entfallende Teil des
Beitragsaufkommens aus der Ergebung von Erschließungsbeiträgen
berücksichtigt. Damit bleiben bei beiden Einrichtungen die Einnahmen, die sich mit
den genannten Beitragssätzen erzielen lassen, erheblich hinter den tatsächlichen
Kosten zurück. Dies gilt auch dann, wenn man gem. § 11 Abs. 4 KAG einen
Gemeindeanteil zur Erfassung des Vorteils, der der Allgemeinheit aus der
Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Einrichtungen erwächst, in die Berechnung
einstellt; denn es ist ausgeschlossen, daß dieser Gemeindeanteil auch nur
annähernd die Größenordnung des für eine vollständige Kostendeckung zusätzlich
erforderlichen Beitragsbedarfs erreicht. Anhaltspunkte dafür, daß die Aufstellungen
von falschen Zahlen ausgehen, liegen nicht vor. Die Beklagte hat in der
mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen, daß die
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mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen, daß die
Kostenansätze später durch die Unternehmerrechnungen bestätigt worden sind.
Auf eine jahresweise Aufschlüsselung von Einnahmen und Ausgaben und eine
Gegenüberstellung von Haushaltsansätzen und Investitionen durfte die Beklagte
verzichten; denn es geht hier lediglich um die Abrechnung von
Leitungsbaumaßnahmen in einem Neubaugebiet, die - wie die Beklagte erläutert
hat - innerhalb eines Zeitraumes von anderthalb Jahren durchgeführt worden sind.
Kosten für bereits früher hergestellte Anlagenteile wie Hochbehälter und
Kläranlage sind in die Berechnung nicht eingestellt, so daß die Notwendigkeit,
solche Kosten nach Höhe und Entstehungszeitpunkt aufzuschlüsseln, entfällt.
Damit erübrigt sich zugleich die Prüfung, ob und inwieweit derartige Kosten auf der
Grundlage des Satzungsrechts der Beklagten bei der Beitragserhebung für
Maßnahmen der Erweiterung der bestehenden Leitungssysteme hätten
berücksichtigt werden können.
Bedenken gegen die Gültigkeit des der Heranziehung des Klägers zu Grunde
gelegten Satzungsrechts ergeben sich auch nicht aus den dort getroffenen
Regelungen zur V e r t e i l u n g des Aufwandes. Der Hinweis des Klägers darauf,
daß nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 31. August 1984 - 5 TH
650/84 -, HSGZ 1984 S. 416 ff. = Gemeindehaushalt 1986 S. 42 ff.) der durch die
Anzahl der Vollgeschosse modifizierte Grundflächenmaßstab nur in Gemeinden
dörflichen oder kleinstädtischen Charakters mit geringen Unterschieden in der
baulichen Nutzung vorgesehen werden kann, ist richtig, berührt aber die Gültigkeit
der vorliegend zu beurteilenden Satzungen nicht; denn diese Satzungen
verwenden nicht den modifizierten Grundflächenmaßstab, sondern den - auch bei
Gemeinden mit größeren Unterschieden der baulichen Nutzung zulässigen - S u m
m e n m a ß s t a b aus Grundstücksfläche und Geschoßfläche.
Unbegründet ist schließlich auch der Einwand des Klägers, der angegriffene
Heranziehungsbescheid genüge nicht den Anforderungen an eine ausreichende
schriftliche Begründung (§ 121 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 b KAG).
Hierzu kann im einzelnen auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen
Urteil verwiesen werden. Bei der Erhebung von Beiträgen für leistungsgebundene
Einrichtungen nach Einheitssätzen, die in der Beitragssatzung bestimmt sind, ist
es nicht erforderlich, im Heranziehungsbescheid auch die Berechnungsgrundlagen,
von denen der Satzungsgeber bei Bestimmung der Einheitssätze ausgegangen
ist, mitzuteilen. Angaben zur Höhe des umzulegenden Gesamtaufwandes und zur
Größe der insgesamt belastbaren Flächen sind nur dann zu machen, wenn nach
den tatsächlich entstandenen Kosten, wie dies im Erschließungsbeitrags- und im
Straßenbeitragsrecht üblich ist, abgerechnet wird.
Die Berufung ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit im
Kostenpunkt hat seine Grundlage in den §§ 167 VwGO 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht
erfüllt sind.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats
nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist bei
dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel, Brüder-Grimm-Platz 1, durch
einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der
die Entscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden - vgl. §
132 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) und § 18
des Gesetzes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I S. 661).
Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO
genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich beim Hessischen
Verwaltungsgerichtshof in Kassel, Brüder-Grimm-Platz 1, einzulegen und
spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die
angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die
Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, ferner die verletzte Rechtsnorm
und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.