Urteil des HessVGH vom 22.09.1992

VGH Kassel: prostitution, prostituierte, verfügung, zivilrechtliche verantwortlichkeit, gesetzlicher vertreter, öffentliche sicherheit, bordellähnlicher betrieb, vermietung, form, zahl

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 UE 2954/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 297 StGBEG vom
15.08.1974, § 11 SOG HE
vom 26.01.1972, § 12 SOG
HE vom 26.01.1972, § 13
Abs 2 SOG HE vom
26.01.1972
(Untersagung eines von einer GmbH betriebenen Bordells
in einem Sperrgebiet, in dem Straßenprostitution erlaubt
ist)
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Ordnungsverfügung des
Oberbürgermeisters der Stadt W vom 16. Dezember 1982, mit der ihm in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1984 der Betrieb eines
Dirnenwohnheimes in der K Straße ... in W-B untersagt und für den Fall, daß er der
Verfügung nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eintritt ihrer
Vollziehbarkeit nachkommen sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,-- DM
angedroht worden ist.
Das mehrstöckige Wohngebäude K Straße ... steht seit 17. Februar 1982 im
Eigentum eines gewissen N. In Abteilung II des Grundbuchs (Grundbuch von W-B,
Band 3, Blatt 7; vgl. Grundbuchauszug Bl. 125 ff. GA) ist seit 6. Mai 1982 ein
Nießbrauch zugunsten von Frau C und zugunsten der Herren G und W sämtlich
Kinder des Klägers, eingetragen. Die ursprüngliche Eintragung eines Nießbrauchs
zugunsten einer weiteren Tochter des Klägers ist inzwischen gelöscht. Das Haus K
Straße ... liegt in einem Gebiet, in dem es nach § 5 Abs. 2 der Verordnung zum
Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Regierungsbezirk D -- im
folgenden: Sperrgebietsverordnung -- vom 10. August 1979 (StAnz S. 1811),
geändert durch Verordnung vom 29. August 1980 (StAnz S. 1625), verboten ist, in
Dirnenwohnheimen, Dirnenunterkünften oder ähnlichen Einrichtungen der
Prostitution nachzugehen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Sperrgebietsverordnung ist
die Straßenprostitution auf der K Straße in diesem Bereich erlaubt.
Der Kläger war bis Januar 1991 einziger Geschäftsführer der durch
Gesellschaftsvertrag vom 10. Juni 1970 gegründeten W Verwaltungs- und
Betreuungsgesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in F, deren
Geschäftsgegenstand "die Errichtung, Einrichtung und Verwaltung von
Wohnheimen aller Art und die Betreuung der Bewohner" war. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Handelsregisterauszug vom 29. Oktober 1991 (Bl. 149
GA) Bezug genommen. Mit Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 30.
Januar 1991, der von den seinerzeitigen alleinigen Gesellschaftern U und C ...
gefaßt wurde, ist die Firma der Gesellschaft in "W Wohnheim-, Verwaltungs- und
Betreuungsgesellschaft mit beschränkter Haftung" geändert, die Gesellschafterin
U zur weiteren Geschäftsführerin bestellt und dem Kläger
Einzelvertretungsbefugnis erteilt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das
Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 30. Januar 1991 (UR-Nr. 5/1991 des
Notars Dr. ... in F; Kopie Bl. 157 ff. GA) und die als Anlage beigefügte Kopie des
Gesellschaftsvertrages Bezug genommen.
Im Jahre 1981 wurde das damals nicht mehr zu Wohnzwecken benutzbare Haus K
Straße ... in der Absicht umgebaut, das Gebäude als Frauenwohnheim zu nutzen.
Dem Grundstückseigentümer war eine entsprechende Baugenehmigung für den
Umbau erteilt worden, eine Genehmigung für den Betrieb eines
Frauenwohnheimes jedoch nicht. Nachdem die Kinder des Klägers als
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Frauenwohnheimes jedoch nicht. Nachdem die Kinder des Klägers als
Nießbrauchberechtigte im Grundbuch eingetragen worden waren, stellte die
Beklagte aufgrund einer am 31. März 1982 durchgeführten Ortsbesichtigung fest,
daß angesichts der durchgeführten Renovierungsarbeiten die "Einrichtung eines
Bordells beabsichtigt sein dürfte". Mit Schreiben vom 16. April 1982 wandte sich
die Beklagte daraufhin an den Kläger und machte darauf aufmerksam, daß er auf
dem Anwesen ein Dirnenwohnheim nicht betreiben dürfe, weil die
Sperrgebietsverordnung in diesem Bereich die Prostitutionsausübung in
Dirnenwohnheimen verbiete. Für den Fall, daß der Kläger dennoch das Vorhaben
ausführen sollte, werde ihm der Betrieb der Einrichtung untersagt. Daraufhin
erklärte der Kläger, er wolle kein Dirnenwohnheim betreiben, vielmehr wolle er
Wohnungen an Dirnen vermieten da in diesem Bereich die Straßenprostitution
erlaubt sei. Wegen der Lage des Hauses komme eine Vermietung an "normale"
Mieter nicht in Betracht.
In der Folgezeit wurde bei mehreren Ortsbesichtigungen festgestellt, daß an der
Außenwand des Gebäudes fünf Laternen angebracht und daß Eingang und Fenster
not beleuchtet waren. Direkt hinter dem Eingang befand sich ein beheizter Raum
mit Sesseln, der als "Kontakthof" diente. Auch Flure und Zimmer waren rot
beleuchtet. Polizeibeamte, die mehrfach das Haus kontrollierten, trafen wiederholt
ihnen bekannte Prostituierte an.
Mit Schreiben vom 19. November 1982 teilte der Oberbürgermeister der
Beklagten dem Kläger mit, daß er beabsichtige, ihm das Betreiben des
Dirnenwohnheimes zu untersagen. Darauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom
29. November 1982, er betreibe kein Dirnenwohnheim, sondern habe lediglich
Wohnungen vermietet, allerdings praktisch ausschließlich an Dirnen. Es sei
verständlich, daß Dirnen in einem Bereich, in dem die Straßenprostitution erlaubt
sei, auch dort nach Wohnungen suchten. Im übrigen müsse, wenn schon die
Straßenprostitution erlaubt sei, in demselben Gebiet erst recht die -- nach außen
kaum auffallende -- Prostitution im Haus möglich sein, so daß ihm der Betrieb
eines Dirnenwohnheimes, selbst wenn man das Haus als solches betrachte, nicht
untersagt werden dürfe.
Mit Bescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 16. Dezember 1982
wurde dem Kläger "der Betrieb des ... Dirnenwohnheimes untersagt" und ein
Zwangsgeld angedroht. In der Begründung des Bescheides, auf den im übrigen zur
weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, vertrat die Beklagte die
Auffassung, entgegen der Behauptung des Klägers würden in dem Haus nicht
Wohnungen vermietet, da nach Ermittlungen der Kriminalpolizei und eigenen
Feststellungen der Beklagten dort von amtsbekannten Prostituierten Tagesmieten
kassiert würden. Außerdem sei eine männliche Person als Aufsicht und
Wirtschafter eingesetzt, der auch für die dort tätigen Prostituierten Speisen
zubereite und diese sowie Getränke gegen Entgelt abgebe. Mit dem Betrieb des
Dirnenwohnheimes sei eine fortgesetzte Störung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung eingetreten, weil seit Einrichtung dieses Wohnheimes die
Prostitutionsausübung in diesem Gebiet in besonders auffälliger Weise stattfinde.
Auf den gegen den Bescheid vom 16. Dezember 1982 am 24. Dezember 1982
eingelegten Widerspruch des Klägers änderte der Regierungspräsident nach
Durchführung des Anhörungsverfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar
1984 die Zwangsmittelandrohung in dem angefochtenen Bescheid dahin ab, daß
dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,-- DM für den Fall angedroht wurde,
daß er nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Eintritt der Vollziehbarkeit
der Verfügung nachkomme. Im übrigen wies der Regierungspräsident den
Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde im
wesentlichen aus, der Kläger habe als Verhaltensstörer im Sinne des § 12 HSOG in
Anspruch genommen werden können, da er ursächlich zu einem Verstoß gegen §
5 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung beigetragen habe. Die
Sperrgebietsverordnung sei insgesamt rechtmäßig, zumal der Hessische
Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 3. März 1983 -- VIII N 5/81 --
(HessVGRspr. 1983, 65) die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung in jeder Hinsicht
bestätigt habe. Zur Darstellung weiterer Einzelheiten wird auf den
Widerspruchsbescheid verwiesen.
Am 23. Januar 1984 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden die
vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem
Verwaltungsverfahren vertieft und ergänzend Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit
der Sperrgebietsverordnung geltend gemacht. Da die Straßenprostitution vor dem
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der Sperrgebietsverordnung geltend gemacht. Da die Straßenprostitution vor dem
Gebäude erlaubt sei, müsse auch die Bordellprostitution im Hause erlaubt werden,
zumal das Gebäude wegen seiner ungünstigen Lage zu einem benachbarten
Industriegebiet und wegen der erlaubten Straßenprostitution praktisch
ausschließlich an Prostituierte vermietbar sei. Im übrigen hat der Kläger die
Auffassung vertreten, bauplanungsrechtlich sei ein Bordell oder ein
Dirnenwohnheim als Vergnügungsstätte in diesem Gebiet, das allenfalls als
Gewerbegebiet charakterisiert werden könne, zulässig.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Stadt W vom 16. Dezember 1982 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1984 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide und den Beschluß
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. März 1983 (a. a. O.) bezogen und
unter Hinweis auf entsprechende Ermittlungsergebnisse aus dem
Verwaltungsverfahren behauptet, das Haus sei nahezu ausschließlich an
Prostituierte vermietet, wobei der Mietzins nach Tagen bemessen sei und derzeit
(Mai 1984) bei 110,-- DM liege. Die Einrichtung des Hauses und bestimmte andere
Indizien sprächen dafür, daß der Kläger den Betriebsablauf im Hause organisiert
habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für die der
Sperrgebietsverordnung zugrundeliegende Trennung von Straßen- und
Bordellprostitution gäbe es gute Gründe, weil erst die Kombination beider
Prostitutionsarten besonders nachhaltige Störungen hervorrufe. Denn auf diese
Weise würden Kinder und Jugendliche in den Vormittags- oder frühen
Nachmittagsstunden mit den Begleiterscheinungen der Prostitution konfrontiert,
was bei reiner Bordellprostitution bzw. reiner Straßenprostitution nicht der Fall sei.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung
am 26. August 1986 informatorisch gehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung
wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung (Bl. 50 ff. GA) verwiesen.
Mit Urteil vom 26. August 1986 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es die Auffassung vertreten, bei dem Hause K Straße ...
handele es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 2 der
Sperrgebietsverordnung, so daß die dort stattfindende Prostitutionsausübung als
Störung der öffentlichen Sicherheit anzusehen sei. Für diese Störung sei der
Kläger auch polizeirechtlich verantwortlich, weil er im Auftrag seiner Kinder das
Gebäude verwalte und die Mietverträge abschließe, wie er in der mündlichen
Verhandlung erklärt habe. Die von der Beklagten vorgenommene Störerauswahl
sei nicht zu beanstanden. Zwar habe die Beklagte auch gegen die Prostituierten
selbst vorgehen können. Unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe und der
Effektivität sei ihr Vorgehen aber nicht zu beanstanden, weil bei mehreren
Wohneinheiten letztlich nur der für das Haus Verantwortliche sicherstellen könne,
daß diese Wohneinheiten nur entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen
benutzt werden. Der angegriffene Bescheid sei auch hinreichend bestimmt, da die
gewählte Formulierung der Betriebsuntersagung auslegungsfähig sei. Dem
Adressaten werde mit der gewählten Formulierung aufgegeben, alle ihm
zumutbaren möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die auf das Ziel
hinauslaufen, daß das fragliche Anwesen als prostitutionsfrei angesehen werden
könne. Als vordringliches Gebot lasse sich der Verfügung entnehmen, daß der
Kläger alle Mietverträge dahingehend zu ändern habe, daß der Mietzweck lediglich
noch ein reines Bewohnen sein dürfe. Ferner könne der Verfügung entnommen
werden, daß der Kläger die organisatorischen Rahmenbedingungen verändern
solle, die mit dem Betrieb eines sogenannten Dirnenwohnheimes einhergingen.
Schließlich seien auch die erfolgte Fristsetzung und die Zwangsgeldandrohung
nicht zu beanstanden, da sie ihre Rechtsgrundlage in den §§ 24 ff. HSOG fänden.
Die im Widerspruchsbescheid gesetzte Frist sei angemessen und ausreichend, da
es innerhalb dieses Zeitraums möglich sei, die Voraussetzungen dafür zu
schaffen, daß im Hause nicht mehr der Prostitution nachgegangen werde. Wegen
weiterer Einzelheiten wird auf das dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am
12. September 1988 zugestellte Urteil vom 26. August 1986 Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden am 9.
Oktober 1986 Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels bezieht er
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Oktober 1986 Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels bezieht er
sich auf das erstinstanzliche Vorbringen und macht ergänzend geltend, die
angegriffene Verfügung sei an den falschen Adressaten gerichtet worden. Die
Mietverträge seien vom Kläger im Namen seiner Kinder abgeschlossen worden, so
daß allenfalls diese als Störer in Betracht kämen. Im übrigen ist der Kläger der
Ansicht, bei dem Hause K Straße ... handele es sich nicht um ein überwiegend von
Dirnen benutztes Haus, das durch die Prostitution sein Gepräge erhalte.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 26.
August 1986 den Bescheid der Stadt W vom 16. Dezember 1982 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1984 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, daß der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 1982 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1984 gegen den Kläger
rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und bezieht sich zur Begründung auf das erstinstanzliche Urteil. Sie bekräftigt ihre
Auffassung, der Kläger sei zu Recht als Handlungsstörer in Anspruch genommen
worden, da er gewerbsmäßig Räume im Sperrgebiet zur Ausübung der Prostitution
vermiete. In welcher rechtlichen Konstruktion dies geschehe, sei für die
Störereigenschaft unerheblich. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die
Schriftsätze der Beklagten vom 20. Juli 1987 und vom 21. April 1989 Bezug
genommen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens ist die Nutzung des Hauses K Straße ...
zunächst im wesentlichen beibehalten worden. Insoweit wird auf die Schriftsätze
des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 29. März 1989 und vom 23. Oktober
1991 Bezug genommen. Seit Anfang 1992 ist die Vermietung von Zimmern an
Prostituierte im Hause aufgegeben worden. Insoweit wird auf die Schriftsätze des
Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 24. Februar 1992 und der Beklagten
vom 11. Juni 1992 sowie auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 16. Juni
1992 verwiesen. Auf das zuletzt genannte Protokoll wird auch wegen der im
Erörterungstermin vom Kläger zur Form des Abschlusses von Mietverträgen und
zu künftigen Nutzungsabsichten abgegebenen Erklärungen Bezug genommen.
Dem Senat liegen die Gerichtsakten VIII N 5/81 des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs, die Gerichtsakten IV/1 H 223/79 und IV/1 H 436/83 des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden sowie zwei Bände Behördenakten der Beklagten
(Ordnungsamt, Bl. 1 bis 135; Bauaufsichtsamt Nr. 50211) vor. Sie sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt (§
124 Abs. 2 und 3 VwGO). Daß der Kläger in der Berufungsschrift entgegen § 124
Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen bestimmten Antrag gestellt und dieses Versäumnis
erst nach Ablauf der Berufungsfrist mit Schriftsatz vom 6. November 1986
behoben hat, führt nicht zu Zweifeln an der Zulässigkeit des Rechtsmittels, da
schon aus der Tatsache seiner Einlegung in Verbindung mit dem erstinstanzlichen
Vorbringen des Klägers der eindeutige Schluß gezogen werden konnte, daß das in
der Berufungsschrift bezeichnete Urteil in vollem Umfang angegriffen werden sollte
(vgl. Kopp, VwGO, 9. Aufl., Rdnr. 5 zu § 124 VwGO m. w. N.).
Die Berufung ist nicht begründet, denn auch unter Berücksichtigung der
tatsächlichen Veränderungen im Laufe des Berufungsverfahrens hat das
Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist zulässig. Am Fortbestehen der Klagebefugnis und des
Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers besteht auch angesichts der
gesellschaftsrechtlichen Veränderungen der von ihm bei der Vermietung von
Räumlichkeiten im Hause K Straße ... vertretenen GmbH während des
Berufungsverfahrens und der offenbar Anfang dieses Jahres erfolgten Aufgabe der
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Berufungsverfahrens und der offenbar Anfang dieses Jahres erfolgten Aufgabe der
Bordellnutzung kein Zweifel. In dem angefochtenen Bescheid vom 16. Dezember
1982, der als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung anzusehen ist, ist dem Kläger
persönlich und nicht der von ihm vertretenen GmbH die Nutzung dieses Hauses
als Dirnenwohnheim auf unbestimmte Zeit untersagt worden. Durch diese
Entscheidung ist der Kläger nach wie vor beschwert, auch wenn die Nutzung des
Hauses als Prostituiertenwohnheim derzeit nicht mehr aktuell sein sollte, wie sich
den vom Kläger im Erörterungstermin am 16. Juni 1992 auch im Namen der GmbH
abgegebenen Erklärungen entnehmen läßt. Solange das Haus keiner anderen
dauerhaften Nutzung zugeführt ist, was angesichts der ungeklärten baurechtlichen
Situation nicht in naher Zukunft zu erwarten ist, muß jederzeit damit gerechnet
werden, daß die vom Kläger vertretene frühere Vermieterin wieder die
ursprüngliche Nutzung aufnehmen möchte, so daß der Kläger als ihr
Geschäftsführer erneut den Abschluß von Mietverträgen mit Prostituierten zu
betreiben hätte. Die mit dem angefochtenen Bescheid für ihn verbundene
Beschwer hat sich somit durch die im Laufe des Berufungsverfahrens
eingetretenen Veränderungen nicht erledigt.
Die zulässige Klage ist jedoch aus den im angefochtenen Urteil dargestellten
Gründen, auf die gemäß § 130 b VwGO mit den nachfolgenden Ergänzungen
Bezug genommen wird, unbegründet.
Soweit der Kläger demgegenüber im Berufungsverfahren geltend macht, die im
angefochtenen Bescheid beanstandete Gebäudenutzung verstoße nicht gegen die
Sperrgebietsverordnung, kann dem nicht gefolgt werden. Nach den von der
Beklagten im Verwaltungsverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen in
Verbindung mit den vom Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung des
Verwaltungsgerichts und im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter
abgegebenen Erklärungen besteht kein Zweifel daran, daß die von ihm vertretene
GmbH in dem Gebäude ein Bordell, das heißt ein Dirnenwohnheim im Sinne des §
5 Nr. 2 der Sperrgebietsverordnung betrieben hat.
Zu der Frage, wann ein Gebäude als Bordell anzusehen ist, hat der Senat sich
bereits in seinem Beschluß vom 7. April 1988 -- 11 TH 2776/87 -- (S. 3 des
amtlichen Umdrucks) wie folgt geäußert:
Bei dem Anwesen ... handelt es sich um eine Dirnenunterkunft ... ungeachtet
dessen, ob ein Teil der Räumlichkeiten auf dem Grundstück für andere Zwecke
genutzt wird oder nicht. Entscheidend ist insoweit allein, ob die
Prostitutionsausübung in dem Haus bzw. Anwesen einen solchen Umfang hat, daß
die Prostitutionsausübung diesem sein Gepräge gibt. Daran besteht für den
beschließenden Senat jedoch kein ernsthafter Zweifel angesichts des Umstandes,
daß vier Zimmer unstreitig an Prostituierte überlassen worden sind und das
Anwesen ... seit Jahren in ... und Umgebung unter anderem durch Zeitungsartikel
und einschlägige Annoncen als Ort der Prostitutionsausübung allgemein bekannt
ist. Das Anwesen tritt deshalb offenkundig als Bordell oder bordellähnlicher Betrieb
nach außen in Erscheinung und stellt sich als Anlaufstelle bzw. als gewisser
Kristallisationspunkt dar, der Freier in größerer Zahl anzieht."
In seinem Beschluß vom 23. April 1992 -- 11 TH 3607/90 -- (S. 9 f. des amtlichen
Umdrucks) hat der Senat hierzu ergänzend ausgeführt:
"Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, daß zur Unterscheidung der im
relativen Sperrgebiet verbotenen Bordellprostitution und der erlaubten
Wohnungsprostitution nicht relationslos auf die Zahl der in einem Gebäude tätigen
Prostituierten abgestellt werden kann. Vielmehr sind die Zahl der Prostituierten
und die Größe der von ihnen bewohnten Räumlichkeiten in ein Verhältnis zur Zahl
der sonstigen Hausbewohner und zur Größe der von ihnen zu anderen Zwecken
genutzten Räume zu setzen. Überwiegt danach die Zahl der Prostituierten oder
die Größe der von ihnen genutzten Räumlichkeiten, ist schon aus diesem Grund
von verbotener Bordellprostitution ... auszugehen ...
Überwiegt der Prostitutionsanteil nach Personenzahl oder Fläche nicht oder
kann dies nicht festgestellt werden, ist damit aber noch nicht gesagt, daß keine
verbotene Bordellprostitution vorliegt. Denn ein auch nur teilweise zur
Prostitutionsausübung genutztes Haus kann als Dirnenwohnheim angesehen
werden, wenn ihm die Prostitutionstätigkeit sein Gepräge gibt. Ein solches Gepräge
kann ein Gebäude insbesondere durch von außen wahrnehmbare Hinweise auf den
Verwendungszweck erhalten, etwa durch Reklametafeln oder --schriften, auffällige
Beleuchtung (Rotlicht) oder akustische Signale, die aufmerksame Passanten
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Beleuchtung (Rotlicht) oder akustische Signale, die aufmerksame Passanten
Rückschlüsse auf die Prostitutionsausübung im Hause ziehen lassen. Das
Bordellgepräge kann ein Haus allerdings auch durch seine innere Struktur oder
durch die konkreten Organisationsformen der Prostitutionsausübung erhalten. Das
Vorhandensein mehreren Prostituierten zur Anbahnung von Kontakten mit Kunden
oder zu ihrer Betreuung zur Verfügung stehender Räume oder Einrichtungen kann
für den Bordellcharakter eines Hauses ebenso sprechen wie die gemeinschaftliche
Werbung mehrerer im Hause tätiger Prostituierter in Zeitungen oder Zeitschriften
oder ein sonstiges Verhalten, das aus der Sicht eines außenstehenden
Beobachters den Eindruck vermittelt, daß es sich bei der Prostituiertenunterkunft
um einen unter gemeinsamer Leitung stehenden Betrieb handelt oder dort eine
aufeinander abgestimmte Tätigkeit mehrerer Prostituierter stattfindet. Welche
Rechtsbeziehungen dabei zwischen den Prostituierten bzw. zwischen ihnen und
denjenigen bestehen, die ihnen Räume zur Ausübung der Prostitution überlassen,
ist unerheblich. Entscheidend ist, welchen ihnen zurechenbaren Eindruck die
Vorkehrungen bzw. Verhaltensweisen dieser Personen bei einem unbefangenen
Dritten erweckt, der die internen Vereinbarungen und Zusammenhänge nicht
kennt."
Das Haus K Straße ... war nach diesen Kriterien bis zur Aufgabe der Nutzung
sowohl nach Anzahl und Flächenanteil der an Prostituierte vermieteten Räume als
auch nach dem äußeren Erscheinungsbild als Bordell anzusehen. Für einen
unbefangenen Dritten konnte kein Zweifel über den Verwendungszweck des
Gebäudes bestehen, zumal die von außen wahrnehmbare Beleuchtung des
Hauses und die sich offenbar an der Straße vor dem Haus anbietenden
Prostituierten jedem Vorüberkommenden den Verwendungszweck des Hauses
geradezu aufdrängen mußten.
In der Nutzung des Hauses als Bordell lag auch entgegen der Auffassung des
Klägers eine Störung der öffentlichen Sicherheit, weil diese Art der Nutzung gegen
eine wirksame Sperrgebietsverordnung gemäß Art. 297 EGStGB verstieß. An der
Wirksamkeit des § 5 Nr. 2 der hier einschlägigen Sperrgebietsverordnung besteht
kein Zweifel. Auf einen Normenkontrollantrag des Klägers hin hat der seinerzeit
zuständige 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Urteil vom 3.
März 1983 -- VIII N 5/81 -- (HessVGRspr. 1983, 65) die Wirksamkeit dieser
Sperrgebietsverordnung in vollem Umfang bestätigt. Das Vorbringen des Klägers
bietet keinen Anlaß, erneut in eine umfassende Prüfung der
Sperrgebietsverordnung einzutreten. Insbesondere geht seine Auffassung fehl, ein
Verbot der Bordellprostitution sei in Bereichen, in denen -- wie hier -- die
Straßenprostitution erlaubt sei, unzulässig. Es unterliegt dem pflichtgemäßen
Ermessen des Verordnungsgebers, die Bereiche abzugrenzen, in denen entweder
Bordell- oder Straßenprostitution zugelassen werden soll. Es ist mit Sinn und
Zweck des Art. 297 EGStGB vereinbar, möglicherweise sogar geboten, beide Arten
der Prostitution räumlich voneinander zu trennen. Denn einer der Normzwecke
liegt darin, zur Vermeidung abstrakter Gefahren die Überwachung der Prostitution
und der Prostituierten zu erleichtern. Würde man aber in demselben Gebiet sowohl
Bordell- als auch Straßenprostitution zulassen, würde den zuständigen Behörden
die Prostitutionsüberwachung erheblich erschwert, weil sich Prostituierte Kontrollen
dieser Behörden leicht entziehen könnten, wenn sie beliebig von der Straße in
anliegende Gebäude oder umgekehrt ausweichen könnten. Für die Trennung
beider Arten der Prostitution gibt es mithin offenkundig gute Gründe, die eine
entsprechende Ermessensentscheidung des Verordnungsgebers, die keiner
ausdrücklichen Begründung bedarf, tragen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist er von der Beklagten auch zu Recht als
Störer in Anspruch genommen worden. Zwar wird bei der verbotenen
Prostitutionsausübung im Sperrgebiet die polizeiliche Gefahrengrenze nicht schon
durch die Vermietung von Räumen an Prostituierte überschritten, sondern erst
durch die Prostitutionsausübung in den vermieteten Räumen. Jedoch trägt der
Vermieter zu der Störung in solcher Weise bei, daß er als Zweckveranlasser
Handlungsstörer ist und damit als Adressat polizeirechtlicher Maßnahmen in
Betracht kommt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 7.
April 1988 -- 11 TH 2776/87 -- und vom 27. Februar 1992 -- 11 TH 1975/92 --). Im
Rahmen der Störerauswahl ist die Inanspruchnahme des Bordellbetreibers als
Zweckveranlasser stets dann ermessensgerecht, wenn das Vorgehen gegen die
einzelnen Prostituierten keine vollständige und dauerhafte Unterbindung der
Prostitutionsausübung in dem jeweiligen Anwesen erwarten läßt (Hess. VGH,
Beschluß vom 27. Februar 1992 -- 11 TH 1975/91 --). Daß im vorliegenden Fall von
einer derartigen Situation auszugehen ist, hat bereits das Verwaltungsgericht im
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einer derartigen Situation auszugehen ist, hat bereits das Verwaltungsgericht im
angefochtenen Urteil hinreichend dargelegt.
Daß der Kläger Mietverträge mit Prostituierten nicht im eigenen Namen, sondern
als gesetzlicher Vertreter der von ihm gegründeten GmbH abgeschlossen hat, gibt
entgegen der Auffassung des Klägers keinen Anlaß zu Zweifeln an der
Rechtmäßigkeit seiner Inanspruchnahme als Handlungsstörer. In seiner
gegenteiligen Auffassung verkennt der Kläger die Systematik der §§ 11 ff. des
Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der hier
anzuwendenden Fassung vom 26. Januar 1972 (GVBl. I S. 24) -- HSOG 1972 --. Bei
der Haftung als Handlungsstörer knüpfen diese Vorschriften ungeachtet der aus
den Handlungen erwachsenden zivilrechtlichen Bindungen an das eigene
Verhalten der handelnden natürlichen Personen an (§ 12 HSOG 1972), lediglich
ergänzend greift eine Haftung der hinter den unmittelbar Handelnden stehenden
Personen ein (§ 13 HSOG 1972). Aus § 13 Abs. 2 HSOG 1972 ergibt sich, daß die
Beklagte polizeiliche Maßnahmen auch gegen die vom Kläger bei Abschluß der
Mietverträge vertretene GmbH hätte richten können. Eine entsprechende
Regelung trifft jetzt der am 1. Januar 1991 in Kraft getretene § 6 Abs. 3 des HSOG
vom 26. Juni 1990 (GVBl. I S. 197, berichtigt S. 534, geändert durch Art. 11
Betreuungsgesetz-Anpassungsgesetz vom 5. Februar 1992, GVBl. I S. 66) -- HSOG
1991 --.
Daß sich die Beklagte und die Widerspruchsbehörde bei Erlaß der angefochtenen
Bescheide der bestehenden Handlungsalternative eines Vorgehens gegen die vom
Kläger vertretene Gesellschaft als Zweckveranlasserin nicht bewußt waren, weil
damals offenbar das Vorhandensein einer als Vermieterin aufgetretenen GmbH
nicht bekannt war, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Bescheids unerheblich. Bei der Polizeipflichtigkeit des Geschäftsherrn nach § 13
Abs. 2 HSOG 1972 bzw. § 6 Abs. 3 HSOG 1991 handelt es sich nämlich nur um
eine Zusatzhaftung, die ohne Rücksicht auf die zivilrechtlichen Folgen der die
Störung verursachenden Verhaltensweise des Verrichtungsgehilfen dessen
unmittelbare polizeirechtliche Haftung unberührt läßt (Meixner, HSOG, 3. Aufl.,
Rdnr. 4 und 18 ff. zu § 6 HSOG). Ob die Beklagte den Kläger oder die von ihm bei
Abschluß der Mietverträge mit Prostituierten vertretene GmbH als mittelbaren
Verhaltensstörer in Anspruch zu nehmen hatte, war eine Frage der Störerauswahl
und damit der Ermessensausübung im Rahmen des § 11 HSOG 1972. Allerdings
haben weder der Oberbürgermeister der Beklagten noch die Widerspruchsbehörde
eine entsprechende Ermessensentscheidung getroffen, weil ihnen seinerzeit
offenbar gar nicht bekannt war, daß der Kläger eine aus Familienangehörigen als
Gesellschafter gebildete GmbH gegründet und die beanstandeten Mietverträge als
deren Geschäftsführer im Namen der GmbH abgeschlossen hatte. Dieser auf
mangelnder Sachaufklärung beruhende Ermessensfehler ist indessen unerheblich,
weil auch bei Kenntnis dieser rechtlichen Gegebenheit keine andere Entscheidung
in der Sache hätte getroffen werden können. Denn auch wenn die Gründung einer
GmbH bekannt gewesen wäre, hätte die Beklagte im Rahmen der Störerauswahl
als mittelbaren Verhaltensstörer nur den Kläger und nicht die lediglich
akzessorisch haftende "W Sch Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft mit
beschränkter Haftung" in Anspruch nehmen können. Nicht nur die damalige Firma
der Gesellschaft, sondern auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des
Verwaltungsgerichts geschilderten tatsächlichen Umstände, unter denen das
Bordell in der K Straße ..., betrieben worden ist, sind ausreichende Indizien für die -
- ungeachtet der rechtlichen Konstruktion -- bestehende beherrschende Position
des Klägers persönlich in seiner Familie und in der aus Familienangehörigen
bestehenden Gesellschaft. Selbst im Erörterungstermin am 16. Juni 1992 hat der
Kläger keinen Zweifel daran gelassen, daß er de facto beherrschenden Einfluß auf
die Willensbildung innerhalb der GmbH ausübt, auch nachdem sein Name in deren
Firma nicht mehr erscheint. Folgerichtig hat der Kläger auch im
Verwaltungsverfahren mit keinem Wort die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der
von ihm vertretenen Gesellschaft für den Betrieb des Bordells erwähnt. Bei dieser
Sachlage wäre ein Vorgehen gegen die GmbH und damit letztlich gegen die als
Gesellschafter auftretenden Familienangehörigen des Klägers kein geeigneter Weg
gewesen, die andauernde Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen. Mithin
ist für den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung davon
auszugehen, daß das Ermessen des Oberbürgermeisters der Beklagten auf ein
Vorgehen gegen den Kläger persönlich reduziert war, weil jede andere
Störerauswahl uneffizient und damit evident fehlerhaft gewesen wäre.
Schließlich ist die angefochtene Verfügung auch nicht mangels hinreichender
Bestimmtheit rechtswidrig (§ 37 Abs. 1 HVwVfG; vgl. zum Erfordernis der
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Bestimmtheit rechtswidrig (§ 37 Abs. 1 HVwVfG; vgl. zum Erfordernis der
Bestimmtheit von Polizeiverfügungen OVG Münster, Urteil vom 26. Januar 1987 --
7 A 605/85 --, NVwZ 1988, 659). Zwar genügt der Tenor des angegriffenen
Bescheides vom 16. Dezember 1982 -- für sich gesehen -- nicht dem
Bestimmtheitsgrundsatz, weil dort nur "der Betrieb des o. a. Dirnenwohnheimes"
untersagt wird. Diese Formulierung läßt nicht erkennen, welches Verhalten des
Adressaten verboten wird. Dieser Mangel wird aber geheilt durch den ersten Satz
der Begründung, der zur Auslegung des Tenors heranzuziehen ist:
"Sie vermieten im Hause K Straße ... Zimmer an Prostituierte, damit diese dort
der Gewerbsunzucht nachgehen können; betreiben also ein Dirnenwohnheim."
Mit dieser Definition des im Tenor verwendeten Begriffs "Betreiben eines
Dirnenwohnheims" hat die Beklagte ungeachtet der sprachlichen Form hinreichend
deutlich gemacht, daß dem Kläger die Vermietung von Zimmern in der genannten
Liegenschaft an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution untersagt werden
sollte. In dieser erläuterten Form ist die mit der Verfügung aufgegebene
unvertretbare Handlung (Unterlassen der Vermietung) auch ohne weitere
Konkretisierung zwangsweise durchzusetzen, so daß dem
Bestimmtheitserfordernis im erforderlichen Umfang Rechnung getragen ist.
Auch die Zwangsmittelandrohung in der durch den Widerspruchsbescheid
modifizierten Form ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie bereits das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Insbesondere war die Androhung
des Höchstbetrages des nach § 29 Abs. 3 HSOG 1972 möglichen Zwangsgeldes
nicht ermessensfehlerhaft. Denn im Widerspruchsbescheid ist zur Begründung der
Bemessung des angedrohten Zwangsgeldes mit Recht eine Verbindung zu den
mit dem Bordellbetrieb verbundenen erzielbaren Einkünften hergestellt worden.
Dieser Gesichtspunkt trägt die Androhung des Höchstbetrages, da -- wenn
überhaupt -- nur durch volle Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens ein gewisser
wirtschaftlicher Druck auf den Kläger ausgeübt werden konnte.
Der Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig. Da sich die Anfechtungsklage aus den
eingangs dargestellten Gründen nicht erledigt hat, fehlt es am
Rechtsschutzbedürfnis für eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs.
1 Satz 4 VwGO.
Mithin ist die Berufung zurückzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.