Urteil des HessVGH vom 26.10.2007

VGH Kassel: arbeitsgemeinschaft, zeugnis, widerspruchsverfahren, kritik, mitarbeit, befangenheit, klausur, ausschuss, disposition, nummer

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 TP 1731/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 30 Abs 4 JAG HE, § 51
Abs 3 S 1 JAG HE, § 26 Abs
4 JAO HE
(Zweck des Stationszeugnisses aus dem juristischen
Vorbereitungsdienst)
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vom 8. August 2007 – 12 E 1586/06 (3) – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu
tragen. Außergerichtliche Kosten des Beklagten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im vorliegenden
Beschwerdeverfahren wird auf 2000,-- € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu Recht und mit
zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, abgelehnt (§§ 122 Abs.
2 S. 3, 147 Abs. 1 VwGO).
Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens hat die vom Kläger im
Hauptsacheverfahren beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichenden
Erfolgsaussichten (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).
Soweit er die auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss
vom 3. Dezember 1979 – 7 B 196.79 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 123)
gestützte Ansicht des Verwaltungsgerichts, die von der Arbeitsgerichtsbarkeit
entwickelten Grundsätze für Arbeitnehmerzeugnisse seien auf Stationszeugnisse
für Rechtsreferendare nicht übertragbar, in Zweifel zieht, kann dem nicht gefolgt
werden. Die Zweckbestimmung der Stationszeugnisse ist durch das
Ausbildungsrecht für Rechtsreferendare klar geregelt und auf prüfungsrechtliche
Zwecke beschränkt. Nachdem die Stationsnoten rechnerisch nicht mehr in die
Abschlussnote einfließen, beschränkt sich die Bedeutung der in § 26 Abs. 4 JAO
geregelten Bewertungen und Benotungen auf ihre Berücksichtigung im Rahmen
einer möglichen vorzeitigen Entlassung ungeeigneter Referendare (§ 30 Abs. 4
JAG) und bei einer möglichen Hebung der rechnerisch ermittelten Punktzahl der
Prüfungsnote unter Berücksichtigung der Leistungen im Vorbereitungsdienst (§ 51
Abs. 3 S. 1 JAG). § 26 Abs. 4 S. 1 JAO verlangt von den Arbeitsgemeinschaftsleitern
eine Beurteilung des Ausbildungserfolgs unter Berücksichtigung bestimmter
Kriterien und die Vergabe einer Note und einer Punktzahl, also bei
entsprechendem Anlass auch die deutliche Benennung und Bewertung negativer
Ausbildungsleistungen in allen dort angesprochenen Bereichen. Dass
Stationszeugnisse entgegen ihrer eigentlichen Zweckbestimmung von
(ehemaligen) Rechtsreferendaren vor oder nach Bestehen der zweiten juristischen
Staatsprüfung potentiellen Arbeitgebern in Bewerbungsverfahren vorgelegt
werden, ändert an diesem begrenzten Verwendungszweck der Zeugnisse nichts
und ist deshalb für die Anforderungen an deren Inhalt unerheblich. Mit Recht hat
das Verwaltungsgericht zwar eine Grenze der Formulierungsfreiheit bei der
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das Verwaltungsgericht zwar eine Grenze der Formulierungsfreiheit bei der
Abfassung von Stationszeugnissen darin gesehen, dass sie keine ehrverletzenden
Passagen enthalten dürfen und prinzipiell wohlwollend formuliert werden sollten.
Dies ändert aber nichts an der Pflicht der Arbeitsgemeinschaftsleiter, aufgetretene
Leistungsdefizite – wie beim Kläger vor allem im Bereich der mündlichen Mitarbeit
in der Arbeitsgemeinschaft – deutlich und nachvollziehbar zu benennen und zu
bewerten. Diesen Anforderungen genügt das hier angegriffene Stationszeugnis in
der abgeänderten Fassung, wie auch schon der Einigungsausschuss in seiner im
Widerspruchsbescheid zitierten Stellungnahme zutreffend festgestellt hat. Dass
die Verfasser dieses Zeugnisses bei dessen Überarbeitung im Rahmen des
Widerspruchsverfahrens einzelne Formulierungen der ursprünglichen Fassung
weggelassen bzw. geändert haben, ist entgegen der Auffassung des Klägers kein
Bewertungsfehler. Denn der Kläger hatte durch seine umfangreichen
Umformulierungsvorschläge im Widerspruchsverfahren das gesamte Zeugnis zur
Disposition gestellt und musste deshalb damit rechnen, dass im
Widerspruchsverfahren eine umfassende Inhaltskontrolle seitens der Verfasser
vorgenommen werden würde. Da diese Änderungen im Widerspruchsverfahren
erfolgt sind, ist die vom Kläger in diesem Zusammenhang genannte Monatsfrist
des § 20 Abs. 4 S. 1 JAO nicht einschlägig. Im Übrigen ist der in der Endfassung
des Zeugnisses weggelassene Hinweis darauf, dass der Kläger „mit Interesse an
der Arbeitsgemeinschaft“ teilgenommen habe, als Ausdruck einer blanken
Selbstverständlichkeit ohne jeden Erkenntniswert, so dass das Weglassen dieser
Floskel nicht als „für den Beschwerdeführer nachteilige Auslassung“ bezeichnet
werden kann.
Soweit der Kläger auf den Seiten 2 und 3 der Beschwerdebegründung seines
Bevollmächtigten zu 2. einzelne Formulierungen des beanstandeten
Stationszeugnisses rügt, geht seine Kritik an dem objektiven Inhalt dieses
Zeugnisses vorbei. Die Verfasser dieses Zeugnisses haben dem Kläger erkennbar
nicht vorgeworfen, stets das Wesentliche juristischer Probleme zu verkennen. Die
diesbezügliche Formulierung im Zeugnis (Nr. 4.) lautet:
„Es fällt ihm jedoch gelegentlich noch schwer, das Wesentliche eines
juristischen Problems präzise zu erkennen ".
Aus dieser Formulierung geht klar hervor, dass es sich dabei um eine nur partiell
und „noch“, also mit abnehmender Frequenz auftretende Schwäche des Klägers
handele. Dass diese Schwäche beim Aktenvortrag und bei der Klausur nicht
aufgetreten ist, ergibt sich aus der Begründung der Einzelbeurteilungen dieser
Leistungen, so dass für den Leser aus dem Zusammenhang heraus ersichtlich
wird, dass die Kritik – wie auch an anderen Stellen des Zeugnisses – die mündliche
Mitarbeit des Klägers in der Arbeitsgemeinschaft betrifft. Gleiches gilt für die an
zwei Stellen verwendete Formulierung „zurückhaltend“ (Nr. 2. und Nr. 4. des
Zeugnisses), wobei jeweils aus dem Zusammenhang deutlich wird, dass hier nicht
besondere Sorgfalt und sorgsames Abwägen verschiedener Meinungen positiv
hervorgehoben werden, sondern dass Kritik an unzureichender Entscheidungs- und
Einsatzfreude des Klägers geübt wird.
Soweit sich die Beschwerdebegründung auf das Verhältnis der Bewertungen der
Klausur und des Aktenvortrags des Klägers einerseits und seiner (übrigen)
mündlichen Leistungen in der Arbeitsgemeinschaft bezieht, ist sie auch unter
Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht hierzu angestellten Berechnungen
nicht schlüssig. Das angegriffene Zeugnis lässt an keiner Stelle erkennen, dass die
mündliche Mitarbeit des Klägers in der Arbeitsgemeinschaft mit sechs oder mehr
Punkten hat bewertet werden sollen. Eine Punktzahl für diesen Leistungsbereich
wird überhaupt nicht genannt. Das Zeugnis enthält allerdings in Nr. 2. folgende
Formulierung:
„Herr S. beteiligte sich am allgemeinen mündlichen Unterrichtsgespräch
kaum. Eine fundierte Bewertung seiner mündlichen Leistung ist dadurch nur
schwer möglich, denn auch auf Nachfragen reagierte er in der Regel sehr
zurückhaltend“.
Diese beiden Sätze, die mit weiteren kritischen Anmerkungen der
Zeugnisverfasser zur mündlichen Mitarbeit des Klägers in der Arbeitsgemeinschaft
korrespondieren, lassen so deutliche Kritik an seinen mündlichen Leistungen
erkennen, dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, diese
Leistungen würden von den Verfassern noch als „ausreichend“ angesehen. Selbst
wenn man bei von einer schematisierten Berechnung der Gesamtnote für die
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wenn man bei von einer schematisierten Berechnung der Gesamtnote für die
Leistungen in der Arbeitsgemeinschaft ausgeht, wird die Gesamtbewertung mit
der Note „befriedigend" (8 Punkte) auch insofern durch die Begründung der
Beurteilung getragen.
Soweit sich der Kläger in der Beschwerdebegründung seines Bevollmächtigten zu
2. gegen die ausführlich und zutreffend begründete Annahme des
Verwaltungsgerichts wendet, er habe sein Rügerecht bezüglich der angeblichen
Befangenheit der Arbeitsgemeinschaftsleiterin verwirkt, überzeugt dies nicht. Mit
seiner Behauptung, die vermeintliche Befangenheit sei für ihn „erstmals mit dem
Zeugnis erkennbar" geworden und er sei von einer Befangenheit nicht schon bei
Beginn der Arbeitsgemeinschaft ausgegangen, widerspricht er sich und seinem
Vorbringen im Widerspruchsverfahren selbst. In seinem an den damaligen
Justizminister persönlich gerichteten, mit einem Hinweis auf seine Freundschaft zu
einem namentlich bezeichneten „politischen Wegbegleiter aus Ihrem Kreis“
eingeleiteten Widerspruchsschreiben vom 17. Oktober 2005 hat der Kläger einen
Vorgang am ersten Tag der Einführungsarbeitsgemeinschaft der Anwaltsstation in
den Mittelpunkt des Widerspruchsvorbringens gestellt. Daraus ergibt sich, dass er
aus dem ihm bekannten parteipolitischen Engagement der
Arbeitsgemeinschaftsleiterin für die SPD sogleich die Vermutung abgeleitet hat,
sie könne ihn wegen der Wahl einer von der Ehefrau des jetzigen Justizministers
geleiteten Anwaltskanzlei als Ausbildungsstelle als politischen Gegner einstufen
und deshalb nicht unvoreingenommen beurteilen. Selbst wenn man den vom
Kläger insofern angestellten Mutmaßungen und Spekulationen, die in den
aktenkundigen Tatsachen keine Stütze finden, folgen wollte, hätte er von Anfang
an Gelegenheit und Veranlassung gehabt, durch einen entsprechenden Hinweis an
das Justizprüfungsamt auf einen Wechsel der Arbeitsgemeinschaft hinzuwirken.
Der Hinweis des Klägers auf eine angebliche formelle Fehlerhaftigkeit des
Verfahrens des Einigungsausschusses liegt neben der Sache. Angesichts der
Tatsache, dass die Niederschrift der Sitzung des Einigungsausschusses vom 2.
März 2006 keine Hinweise auf das Diskussions- und Abstimmungsverhalten der
drei Mitglieder dieses Ausschusses enthält, hat sich der Kläger in seinem
Schriftsatz vom 25. November 2006, auf den er sich in der
Beschwerdebegründung bezogen hat, vollends in das Reich der Spekulation
begeben, indem er dem diesem Ausschuss angehörenden Rechtsreferendar allein
aufgrund dessen Parteizugehörigkeit (SPD) und dessen parteipolitischer
Aktivitäten ein bestimmtes Diskussions- und Abstimmungsverhalten unterstellt
hat, ohne sich in diesem Zusammenhang mit der im Protokoll ersichtlichen
Argumentation des Ausschusses auseinanderzusetzen. Ähnlich wie bei seinem
Vorbringen zur angeblichen Befangenheit der Arbeitsgemeinschaftsleiterin zeigt
der Kläger hier, dass er Mitglieder einer bestimmten Partei – offenbar
ausnahmslos – verdächtigt, gegenüber wirklichen oder vermeintlichen Anhängern
anderer politischer Richtungen selbst in amtlicher Tätigkeit voreingenommen zu
sein und dadurch die eigenen Dienstpflichten zu verletzen.
Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten hat der Kläger zu tragen, weil
sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil im Beschwerdeverfahren wegen
Versagung von Prozesskostenhilfe nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses
(Anlage 1 zum GKG) nur eine Festgebühr in Höhe von 50,-- € erhoben wird und
außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§§ 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO).
Deshalb kommt auch die vom Klägerbevollmächtigten zu 1. beantragte
Streitwertfestsetzung nicht in Betracht, sondern nur die auf seinen – entsprechend
ausgelegten – Antrag erfolgende Festsetzung des Gegenstandswerts der
anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren (§ 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2, 33
Abs. 1 RVG). Dabei wendet der Senat – der entsprechenden Anregung des
Klägerbevollmächtigten zu 2. folgend – den Nummer 1.4 des Streitwertkataloges
für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) zugrunde liegenden
Rechtsgedanken entsprechend an und reduziert den Auffanggegenstandswerts in
Höhe von 4000,-- € auf die Hälfte, weil der Kläger im Hauptsacheverfahren lediglich
Neubescheidung begehrt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.