Urteil des HessVGH vom 24.04.1991

VGH Kassel: beihilfe, unterbringung, entstehung, anmerkung, fristversäumnis, tod, miterbe, quelle, zivilprozessrecht, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 UE 3718/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Nr 14 Abs 4 BhV vom
01.02.1979, Nr 15 Abs 1
BhV vom 01.02.1979
(Beihilfe: Geltendmachung durch Hinterbliebene;
Ausschlußfrist)
Tatbestand
Der Kläger ist Miterbe seiner am 12.3.1985 verstorbenen Mutter ... H. Unter dem
20.2.1986 beantragte er beim Regierungspräsidenten in D die Gewährung einer
Beihilfe u. a. zu den Kosten der Unterbringung seiner Mutter im Psychiatrischen
Krankenhaus H in der Zeit vom 1.1. bis 1.3.1982 sowie der Unterbringung im
Altenpflegeheim S in B in der Zeit von März 1982 bis Januar 1984. Mit dem Antrag
legte er Rechnungen aus der Zeit vom 26.1.1982 bis 9.1.1984 vor.
Mit Bescheid vom 16.7.1986 lehnte der Regierungspräsident in D die Bewilligung
einer Beihilfe für diese Aufwendungen ab. Den Widerspruch des Klägers vom
21.7.1986 wies der Regierungspräsident in D durch am 6.8.1986 abgesandten
Widerspruchsbescheid vom 31.7.1986 mit folgender Begründung zurück: Nach Nr.
14 Abs. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes in der Fassung vom 1.2.1979 werde
eine Beihilfe nur gewährt, wenn der Berechtigte sie innerhalb eines Jahres nach
Entstehung der Aufwendungen oder der ersten Ausstellung einer Rechnung
beantragt habe. Die Beihilfe zu Aufwendungen in Todesfällen sei innerhalb eines
Jahres nach dem Tode des Beihilfeberechtigten zu beantragen. Bei der
Festsetzung der Beihilfe könnten allerdings nur die Kosten berücksichtigt werden,
die zum Zeitpunkt des Todes noch nicht verfallen seien. Hier könnten danach nur
die seit dem 12.3.1984 entstandenen oder in Rechnung gestellten Aufwendungen
Berücksichtigung finden.
Am 5.9.1986 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Darmstadt Klage erhoben.
Er hat im wesentlichen vorgetragen: Die Antragsfrist sei eingehalten, da er
innerhalb eines Jahres nach dem Tode seiner Mutter rechtzeitig den Beihilfeantrag
gestellt habe. Seine Mutter hätte den Beihilfeantrag auch am Tage vor ihrem Tode
noch rechtzeitig stellen können.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
ihm unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des
Regierungspräsidenten in D vom 16. Juli 1986 und dessen Widerspruchsbescheid
vom 31. Juli 1986 zu den Kosten der Unterbringung seiner Mutter vom 1. Januar
1982 bis 31. Januar 1984 eine Beihilfe zu gewähren.
Der Beklagte hat mit näherer Begründung beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Gerichtsbescheid vom 30.10.1987 hat das Verwaltungsgericht Darmstadt
die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch
darauf, daß die Aufwendungen, die durch die Anstaltsunterbringung seiner Mutter
in der Zeit vom 1.1.1982 bis 31.1.1984 entstanden seien, als beihilfefähig
anerkannt werden. Die Voraussetzungen der Nr. 14 Abs. 4 der Beihilfevorschriften
des Bundes vom 1.2.1979 seien nicht gegeben. Sowohl die Entstehung der
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des Bundes vom 1.2.1979 seien nicht gegeben. Sowohl die Entstehung der
Aufwendungen der Mutter des Klägers wie ihre Inrechnungstellung lägen um mehr
als ein Jahr vor dem Todestag der Mutter am 12.3.1985, so daß sie bereits zu
diesem Zeitpunkt nicht mehr hätten berücksichtigt werden können. Die
Verfallsfrist erfasse sämtliche Aufwendungen, für die eine Beihilfe grundsätzlich
gewährt werden könne, auch solche nach Nr. 5 der Beihilfevorschriften. Soweit der
Kläger geltend mache, der Pfleger seiner Mutter habe es versäumt,
Beihilfeanträge zu stellen, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Etwaige
Versäumnisse des Pflegers seien dem Beihilfeberechtigten zuzurechnen.
Gegen den am 6.11.1987 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
26.11.1987 Berufung eingelegt.
Er trägt im wesentlichen vor: Er habe einen Anspruch auf die geltend gemachte
Beihilfe, denn es seien beihilfefähige Aufwendungen gemäß Nr. 5 der
Beihilfevorschriften gegeben. Für diese Aufwendungen gelten andere Verfallsfristen
als für alle sonstigen Beihilfefälle. Diese Fristen habe er eingehalten. Nr. 15 Abs. 1
der Beihilfevorschriften enthalte keinen Anhaltspunkt für eine die Zeitspanne
zwischen Entstehungszeitpunkt und Beantragungszeitpunkt betreffende
Ausschlußfrist, sondern unter Bezug auf Nr. 3 der Beihilfevorschriften eine klare,
davon unabhängige Vorschrift zur Beihilfegewährung an die Hinterbliebenen. Wenn
überhaupt eine Ausschlußfrist für die rechtzeitige Beantragung der Beihilfe für die
hier in Rede stehenden Aufwendungen gelten könnte, dann die bis zur erstmaligen
Wiederkehr des Todestages des verstorbenen Beihilfeberechtigten. Die Frist sei
von ihm, dem Kläger, mit der Antragstellung am 20.2.1986 eingehalten worden.
Nr. 14 Abs. 4 der Beihilfevorschriften könne schon deshalb nicht zum Beleg einer
Fristversäumnis herangezogen werden, weil diese Vorschrift sich ausschließlich auf
die Person des Beihilfeberechtigten und nicht auch auf dessen Hinterbliebene
beziehe. Letztere erwürben gemäß Nr. 15 Abs. 1 einen eigenen selbständigen
Beihilfeanspruch, der nicht in der vom Beklagten vorgetragenen Weise durch
Anwendung von Nr. 14 Abs. 4 der Beihilfevorschriften beschnitten werden dürfe.
Diese Auffassung werde auch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13.9.1990 -- 2 C 20.88 -- geteilt. Im übrigen beruhe eine eventuelle
Fristversäumnis darauf, daß der vom Amtsgericht B eingesetzte
Gebrechlichkeitspfleger trotz mehrmaliger Anmahnungen eine Beihilfe zu den
Kosten der Pflegeheimunterbringung nicht beantragt habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. Oktober
1987 -- I/2 E 1940/86 -- aufzuheben und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu
erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid und wiederholt die Gründe des
Widerspruchsbescheids vom 31.7.1986.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats
ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 112 und 120 der Akten).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte und der
einschlägigen Beihilfeakte des Regierungspräsidiums in D, die Gegenstand der
Senatsberatung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 124, 125 VwGO zulässige Berufung, über die der Senat gemäß §§
101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheiden kann, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat
mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 130 b VwGO F. 1991 Bezug
genommen werden kann, die Verpflichtungsklage auf Gewährung einer Beihilfe
abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere
Beurteilung.
Maßgebliche Vorschrift für die Prüfung des geltend gemachten Klageanspruchs
sind die Beihilfevorschriften des Bundes in der Fassung vom 1.2.1979 (GMBl. Seite
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sind die Beihilfevorschriften des Bundes in der Fassung vom 1.2.1979 (GMBl. Seite
67) -- BhV --. Die am 1.10.1985 in Kraft getretenen Beihilfevorschriften vom
19.4.1985 (GMBl. Seite 290) gelten gemäß Artikel 3 der Bekanntmachung der
Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von
Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 19.4.1985 erst für die ab
dem 1.10.1985 entstandenen Aufwendungen.
Der auf Nr. 15 Abs. 1 BhV gestützte Beihilfeanspruch des Hinterbliebenen ist zwar
kein vom verstorbenen Beihilfeberechtigten vererbter Anspruch des
Hinterbliebenen, sondern ein neuer, selbständiger Anspruch (BVerwG, Urteil vom
13.6.1979 -- 6 C 59.78 --, ZBR 1980, 65 ff.). Dessen (zeitlicher) Umfang wird
jedoch begrenzt durch die vom Todestag des ursprünglich Beihilfeberechtigten
zurückgerechnete Jahresfrist der Nr. 14 Abs. 4 BhV. Die in Nr. 15 Abs. 1 BhV
bezeichneten, ursprünglich dem Verstorbenen entstandenen beihilfefähigen
Aufwendungen sollen insoweit auch für die Hinterbliebenenberechtigten einen
Beihilfeanspruch begründen, als ihre Geltendmachung zu Lebzeiten des
Verstorbenen nicht schon wegen Ablaufs der für diesen geltenden Jahresfrist der
Nr. 14 Abs. 4 BhV ausgeschlossen war (BayVGH, Urteil vom 9.5.1984 -- Nr. 3 B 83
A 776 --, ZBR 1984, 344 mit weiteren Nachweisen; Schröder/Beckmann/Weber,
Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand Oktober 1990, Anmerkung
2 zu § 16 BhV F. 1985; Mildenberger, Beihilfevorschriften, Kommentar, Stand 1985,
Anmerkung 4 b zu Nr. 15 BhV F. 1979). Für die Richtigkeit dieser Auffassung
spricht, daß andernfalls mit dem Tod des ursprünglich Beihilfeberechtigten wieder
ein Beihilfeanspruch für Aufwendungen entstehen würde, die vor dem Tod infolge
Fristablaufs nicht mehr mit Erfolg als beihilfefähig geltend gemacht werden
konnten.
Die gegenteilige Ansicht des Klägers wird nicht durch das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13.9.1990 -- 2 C 20.88 -- und die Entscheidung
der Vorinstanz (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.1.1988 -- 11 S 2306/86 --,
ZBR 1988, 357) gestützt. Diesen Entscheidungen lag insoweit ein anderer
Sachverhalt zugrunde, als es dort um die Frage ging, ob der Witwe eines
ursprünglich Beihilfeberechtigten, der seinen Beihilfeanspruch rechtzeitig innerhalb
der Ausschlußfrist geltend gemacht hatte, entgegengehalten werden kann, daß in
bezug auf ihren Anspruch die Jahresfrist verstrichen sei. Wenn auch somit durch
das Bundesverwaltungsgericht eine andere Rechtsfrage entschieden wurde, so
sprechen dessen Ausführungen auf Seite 11 des Urteilsabdrucks gleichwohl dafür,
daß ein Hinterbliebenen nur hinsichtlich der Aufwendungen Beihilfe beanspruchen
kann, für die der Verstorbene unmittelbar vor seinem Tode noch einen
fristgerechten Beihilfeantrag hätte stellen können.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.