Urteil des HessVGH vom 24.07.1991

VGH Kassel: sanierung, aufschiebende wirkung, kläranlage, erfüllung, hessen, abwasserreinigung, zukunft, bestrafung, einwirkung, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TH 214/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 5 AbwAG vom
13.09.1976, § 7a Abs 1 S 3
WHG
(Abwasserabgabe - zur Abgabensatzhalbierung bei
Einhaltung der Mindestanforderungen)
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Verwaltungsgericht antragsgemäß die
aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Versagung der
Abgabesatzhalbierung bei der Berechnung des auf die Schadstoffgruppe CSB im
Zeitraum vom 15. November 1985 bis 31. Dezember 1985 entfallenden Betrages
der Abwasserabgabe angeordnet. Die hiergegen erhobene Beschwerde des
Antragsgegners ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Bei summarischer
Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an
der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Abgabefestsetzung, die eine Aussetzung
der sofortigen Vollziehbarkeit in dem beantragten Umfang in entsprechender
Anwendung des § 80 Abs.4 Satz 3 VwGO rechtfertigen könnten.
Die Versagung der Abgabesatzhalbierung für die Schadstoffgruppe CSB ab 15.
November 1985 begründet der Antragsgegner damit, daß es sich bei dem den
Mindestanforderungen nach § 7 a Abs.1 Satz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes
(WHG) entsprechenden alten Überwachungswert von 100 mg/1 für CSB nur noch
um einen "Übergangswert" handele, nachdem durch den Änderungsbescheid vom
11. November 1985 die Sanierung der Kläranlage der Antragstellerin angeordnet
worden sei. Der genannte Änderungsbescheid lege den mit der Sanierung zu
erreichenden strengeren Wert - 37 mg/1 - bereits fest und stelle insoweit "höhere
Anforderungen" im Sinne des § 9 Abs.5 Satz 2 des - im vorliegenden Fall noch in
der Fassung vom 13. September 1976, BGBl. I S.2721 anzuwendenden -
Abwasserabgabengesetzes (AbwAG). Erst wenn diesen Anforderungen genügt
werde, könne - wieder - Abgabesatzhalbierung für CSB gewährt werden. Die
Antragstellerin widerspricht dem. Sie vertritt die Auffassung, daß mit "höheren
Anforderungen", die gemäß § 9 Abs.5 Satz 2 AbwAG zum Verlust des
Abgabesatzhalbierungsanspruchs führen, nur solche über die
Mindestanforderungen nach § 7 a Abs.1 Satz 3 WHG hinausgehende
Anforderungen gemeint sind, die schon jetzt eingehalten werden können, nicht
also Sanierungswerte, deren Einhaltung erst in Zukunft - nach durchgeführter
Sanierung - möglich ist.
Der Senat neigt im vorliegenden Eilverfahren zu der Auffassung des
Antragsgegners. Das Gesetz läßt für die Gewährung der Abgabesatzhalbierung die
Einhaltung der Mindestanforderungen nach § 7 a Abs.1 Satz 3 WHG - d.h. der in
allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung geregelten
Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser - nur dann genügen, wenn
der Einleitungserlaubnisbescheid für die Überwachungswerte der
Abgabenparameter nach § 4 AbwAG keine höheren Anforderungen stellt (§ 9 Abs.5
Satz 2 AbwAG). Höhere Anforderungen können darauf beruhen, daß die
Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik im konkreten Einzelfall
ein besseres Ergebnis zuläßt, als es den abstrakt-generell festgelegten
Mindestanforderungen in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften entspricht,
aber auch darauf, daß die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse - etwa die durch die
Einstufung in eine bestimmte Gewässergüteklasse anzustrebende Qualität des
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Einstufung in eine bestimmte Gewässergüteklasse anzustrebende Qualität des
Vorfluters - strengere Überwachungswerte erfordern (in diesem Sinne auch die
Regelung in Ziff. 4.1.2 Abs. 2 Sätze 3 und 4 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift
für den Vollzug des Abwasserabgabengesetzes und des Hessischen
Ausführungsgesetzes zum Abwasserabgabengesetz vom 29. April 1982, StAnz.
S.1015). Wenn die Erfüllung höherer Anforderungen die vorherige Modernisierung
bzw. Sanierung einer Kläranlage voraussetzt, kann die Einhaltung der strengeren
Werte naturgemäß erst für die Zeit nach Durchführung der entsprechenden
Baumaßnahmen erwartet werden. Die Frage ist, ob in einem solchen Fall während
der Sanierungsphase die Erfüllung der weniger strengen Mindestanforderungen in
den allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung genügt, um in den
Genuß der Abgabesatzhalbierung nach § 9 Abs. 5 AbwAG zu kommen, oder ob die
Abgabesatzhalbierung dann erst künftig - im Zeitpunkt der tatsächlichen Erfüllung
der höheren Anforderungen - eintreten kann. Den Intentionen des Gesetzgebers
dürfte die zweite Alternative entsprechen. Mit der Abgabesatzhalbierung soll eine
Einleitung honoriert werden, die dem Grundsatz Rechnung trägt, Menge und
Schädlichkeit des Abwassers so gering zu halten, wie es bei Anwendung der
allgemein anerkannten Regeln der Technik im jeweiligen Einzelfall möglich und auf
Grund der wasserwirtschaftlichen Gegebenheiten erforderlich ist. Solange dieser
Zustand nicht erreicht ist, besteht Anlaß, auf den Einleiter durch Versagung der
Abgabesatzhalbierung ökonomischen Druck auszuüben, die erforderlichen
Maßnahmen zur weitergehenden Abwasserreinigung so zügig wie möglich
durchzuführen. Von daher erscheint es nicht gerechtfertigt, die
Abgabesatzhalbierung schon während der Sanierungsphase eintreten zu lassen,
obwohl die mit der Sanierung zu erreichenden strengeren Werte noch nicht
eingehalten werden. Dieses Ergebnis läßt sich auch mit dem Wortlaut des § 9 Abs.
5 Satz 2 AbwAG vereinbaren. Es besteht - entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts - kein Zwang, unter gestellten höheren Anforderungen für
Werte im Sinne des § 4 Abs.1 AbwAG nur solche Anforderungen zu verstehen, die
schon gegenwärtig eingehalten werden können und müssen. Die Vorschrift läßt
sich vielmehr unter Beachtung der mit ihr verfolgten - oben beschriebenen -
Zielsetzung so verstehen, daß im Falle höherer Anforderungen die Ermäßigung nur
und erst dann eintritt, wenn diese Anforderungen eingehalten werden. Auch
künftige - nach Durchführung der Sanierung einhaltbare und einzuhaltende -
Anforderungen sind auf diese Weise vom Wortlaut erfaßt. Auf die Möglichkeit eines
erst künftigen Wirksamwerdens des Anspruchs auf Abgabesatzhalbierung weist die
gesetzliche Formulierung gerade dadurch hin, daß sie vom "Eintritt" der
Ermäßigung spricht; sie läßt damit im Falle der Sanierung einen zeitlich späteren
Eintritt durchaus zu.
Daß bei höheren Anforderungen im Einleitungserlaubnisbescheid die Einhaltung
der Mindestanforderungen nach § 7 a Abs.1 Satz 3 WHG während der
Sanierungsphase für die Gewährung der Abgabesatzhalbierung nicht ausreicht,
vertritt auch Duda in seiner Kommentierung zum Abwasserabgabenrecht
(Abwasserabgabe in Hessen, 1982, Tz. 3.1.6, S.37). Zu Recht weist Duda dabei
darauf hin, daß die Versagung der Abgabesatzhalbierung wegen (noch) nicht
eingehaltener höherer Anforderungen nur dann Platz greifen kann, wenn der
Einleitungserlaubnisbescheid die höheren Anforderungen auch tatsächlich in Form
konkreter Überwachungswerte für die Zeit nach der Sanierung bestimmt. Es
genügt also nicht, daß der Bescheid das Ziel weitergehender Abwasserreinigung
nur allgemein postuliert. In seinem - zur Veröffentlichung vorgesehenen - Urteil
vom 10. April 1991 - 5 UE 221/86 - hat deshalb der Senat die Versagung der
Abgabesatzhalbierung in einem Fall als rechtswidrig beanstandet, in dem im
Einleitungserlaubnisbescheid zwar die Sanierung der Kläranlage angeordnet,
jedoch für den streitigen Abgabeparameter - CSB - kein strengerer
Überwachungswert festgelegt worden war, der nach durchgeführter Sanierung
einzuhalten sei. Im vorliegenden Fall bestehen unter diesem Aspekt keine
rechtlichen Bedenken, denn der Antragsgegner hat in seinem Änderungsbescheid
vom 11. November 1985 zu der der Antragstellerin erteilten Einleitungserlaubnis
einen strengeren Wert für CSB (37 mg/l) benannt und insoweit im Sinne des § 9
Abs. 5 Satz 2. AbwAG für diesen Abgabeparameter eine höhere Anforderung
gestellt.
Soweit die Antragstellerin gegen die Versagung der Abgabesatzhalbierung
einwendet, der Einleiter, der im Interesse der Sauberkeit des Vorfluters eine
höhere Reinigungsleistung erbringen müsse als es den Mindestanforderungen
nach § 7 a Abs.1 Satz 3 WHG an sich entspreche, dürfe nicht noch durch den
Wegfall der Restschmutzhalbierung "zusätzlich bestraft" werden, vermag das nicht
zu überzeugen. Im Abwasserabgabenrecht geht es nicht um die Bestrafung von
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zu überzeugen. Im Abwasserabgabenrecht geht es nicht um die Bestrafung von
Einleitern, sondern um die Einwirkung auf deren Einleitungsverhalten mit dem Ziel,
Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering zu halten, wie dies bei
Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik im Einzelfall möglich
und nach den vorgegebenen wasserwirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich ist.
Das Gesetz entlastet in übrigen im Falle einer erforderlich werdenden Sanierung
den Einleiter dadurch, daß es ihm für die Dauer von drei Jahren vor der
vorgesehenen Inbetriebnahme der sanierten Abwasserbehandlungsanlage
"Bauzeitbefreiung" gewährt (§ 10 Abs. 3 AbwAG).
Da nach allem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Abgabenfestsetzung, soweit für den Zeitraum vom 15. November bis 31.
Dezember 1985 keine Abgabesatzhalbierung für CSB gewährt worden ist, nicht
ersichtlich sind, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Festsetzungsbescheides vom 3. März 1987 in dem fraglichen Umfang abzulehnen.
Der erstinstanzliche Beschluß ist insoweit abzuändern. Als unterliegender Teil hat
die Antragstellerin die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs.1
VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf
§§ 20 Abs. 3, 13 Abs.1, 14 (analog) GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.