Urteil des HessVGH vom 06.05.2009

VGH Kassel: grundstück, hindernis, eigentümer, stadt, erbengemeinschaft, aufwand, zugang, mauer, vollmacht, einfahrt

1
2
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 A 2017/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 3 KAG HE, § 11
Abs 1 KAG HE
(Hinterliegergrundstück desselben Eigentümers; Abschluss
zum vorderliegenden Grundstück; Inanspruchnahme einer
um- und ausgebauten Straße)
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6.
August 2008 - 6 E 352/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind von dem Kläger zu 1) zur Hälfte und von
den Klägern zu 2) bis 5) zu je 1/8 zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten
abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer der Grundstücke
Gemarkung C-Stadt, Flur ..., Flurstücke .../3 (X...straße 2), .../7 (X...straße 2 A) und
.../8 (Y...straße). Der Miteigentumsanteil des Klägers zu 1) beträgt für jedes
Grundstück ½, derjenige der anderen Kläger je 1/8. Das als Eckgrundstück im
Westen an die Y...straße, im Süden an die X...straße angrenzende Grundstück
X...straße 2 ist mit einem Wohnhaus und einem für einen Weinhandel genutzten
kleineren Anbau bebaut. Östlich dieses Grundstücks liegt das Grundstück
X...straße 2 A, welches ebenfalls mit einem zu Wohnzwecken genutzten Gebäude
bebaut ist. Im rückwärtigen Grundstücksbereich schließt sich seitlich an dieses
Gebäude ein ehemaliges Möbellager an. Dessen Baukörper liegt zu einem
geringen Teil noch auf dem Grundstück X...straße 2 A, überdeckt im Übrigen aber
in voller Breite den rückwärtigen Grundstücksbereich der im Norden der
Grundstücke X...straße 2 und 2 A angrenzenden Parzelle .../8. Das Lagergebäude
wird derzeit für den Betrieb einer Tanzschule genutzt. Die Parzelle .../8 ist auf ihrer
an die Y...straße angrenzenden Seite mit einer Garagenzeile überbaut, die derzeit
überwiegend für Abstell- und Fahrradräume genutzt wird und deren Zufahrts- bzw.
Zugangsseite dem befestigten Innenhof dieser Parzelle zugewendet ist. Die
Garagenzeile setzt sich nach Norden auf den Nachbarparzellen .../9 und .../5 und
nach Süden auf dem Grundstück X...straße fort. Die Zufahrt zur Parzelle .../8 und
zu den hier errichteten Baulichkeiten erfolgt von der X...straße über eine zwischen
den Gebäuden X...straße 2 und X...straße 2 A angelegte Einfahrt.
Im Jahre 2003 wurde die Y...straße zwischen den Einmündungen in die X...straße im
Süden und in die Z...straße im Norden umfassend erneuert. Hieran anknüpfend
zog die Beklagte mit gesonderten Bescheiden vom 17. Mai 2004 die Kläger
entsprechend ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil zu Straßenbeiträgen für die
Grundstücksparzellen .../3, .../7 und .../8 heran. Im vorliegenden Verfahren wenden
sich die Kläger gegen die Bescheide für die Parzelle .../7 (X...straße 2 A) mit einer
3
4
5
6
7
8
9
10
sich die Kläger gegen die Bescheide für die Parzelle .../7 (X...straße 2 A) mit einer
Heranziehung des Klägers zu 1) in Höhe von 1.143,14 € und Heranziehungen der
Kläger zu 2) bis 5) in Höhe von jeweils 285,79 €. Nach Zustellung dieser Bescheide
am 18. Mai 2004 legte der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 15. Juni 2004 im
Namen der Erbengemeinschaft Widerspruch ein, den die Beklagte mit „an die
Erbengemeinschaft A./C./E./K, zu Händen Herrn A.“ gerichteten
Widerspruchsbescheiden vom 9. Februar 2005 zurückwies. Am 9. März 2005
erhoben hierauf die Kläger beim Verwaltungsgericht Kassel Klage. Mit ihr machten
sie u. a. geltend:
Die Straßenbeitragssatzung der Beklagten sei nichtig, da sie für das
streitbefangene Grundstück trotz Mehrfacherschließung keine
Eckgrundstücksvergünstigung vorsehe. Wegen Nichtgewährung der gebotenen
Ermäßigung der Beitragsbelastung sei die streitige Heranziehung zumindest der
Höhe nach zu beanstanden. Im Übrigen sei die Parzelle .../7 an die X...straße
angebunden, und es gebe zu ihr von der Y...straße aus keine Zufahrt. Über die
bestehende Einfahrt von der X...straße auf die Parzelle .../7 seien auch die
Parzellen .../3 und .../8 zu erreichen. Den Klägern sei es nicht zuzumuten, die
bestehenden Garagengebäude auf den Parzellen .../3 und bzw. oder .../8
abzureißen, um eine Zufahrt zur Parzelle .../7 von der Y...straße aus anlegen zu
können. Die Kosten für eine derartige Maßnahmen seien auf ca. 13.500, € zu
veranschlagen. Hinzu komme der Verlust von Mieteinnahmen. Die
Beitragsabrechnung der Beklagten leide auch an dem Mangel, dass das Flurstück
.../4 nicht in die Aufwandsverteilung einbezogen worden sei.
Die Kläger beantragten,
die sie betreffenden Straßenbeitragsbescheide vom 17. Mai 2004 für das
Grundstück X...straße 2 A, Flur ..., Flurstück .../7, und die jeweiligen
Widerspruchsbescheide vom 9. Februar 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte,
die Klagen abzuweisen.
Sie machte im Klageverfahren geltend, dass die Klage der Kläger zu 2) bis 5)
bereits unzulässig sei, da der Prozessbevollmächtigte ausweislich der vorgelegten
Prozessvollmacht im Auftrag des Klägers zu 1) handele; dieser wiederum sei,
ausgehend von der ihm erteilten Vollmacht, lediglich zur Vertretung der
Erbengemeinschaft als solcher berechtigt.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 6. August 2008 ab. In den
Entscheidungsgründen heißt es:
Auch die Klagen der Kläger zu 2) bis 5) seien entgegen der Auffassung der
Beklagten zulässig, denn die dem Kläger zu 1) erteilte Vollmacht sei gemäß § 133
BGB so auszulegen, dass der in der Vollmacht benannte Miterbe als Vertreter
jedes einzelnen Miterben bei der Verfolgung der ihnen als Rechtsnachfolgern
zustehenden Ansprüche habe eingesetzt werden sollen. Die Klage sei aber nicht
begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die
Kläger nicht in ihren Rechten. Die Rechtsgrundlage für die streitige
Beitragsfestsetzung ergebe sich aus § 11 Abs. 1 und 10 des Hessischen Gesetzes
über kommunale Abgaben (KAG) i.V.m. den Bestimmungen der
Straßenbeitragssatzung der Beklagten vom 21. Februar 2002. Das veranlagte
Grundstück unterliege dem Grunde nach der Beitragspflicht für den
durchgeführten Um- und Ausbau der Y...straße, denn ihm werde durch diese
Straße eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt. Das Grundstück
stelle sich in Bezug auf diese Straße als ein wegen seines unmittelbaren
Angrenzens an die X...straße „nicht gefangenes“ Hinterliegergrundstück dar. Für
die Bejahung der vorteilhaften Inanspruchnahmemöglichkeit komme es daher in
Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil
vom 30. Mai 1997 (8 C 27/96, NVwZ-RR 1997, 67) darauf an, ob die anderen
Betragspflichtigen schutzwürdig die Einbeziehung des fraglichen Grundstücks in die
Verteilung des Um- und Aufbauaufwands der Y...straße erwarten könnten. Die
Parzelle .../7 werde mit der an die Y...straße unmittelbar angrenzenden Parzelle
.../8 bei identischem Eigentum parzellenübergreifend einheitlich genutzt. Die
einheitliche Nutzung ergebe sich bereits aus der auf beide Parzellen bezogenen
steuerlichen Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung“ und werde überdies in
der vorhandenen Bebauung mit dem Gebäude des ehemaligen Möbellagers und in
den für beide Grundstücke eingerichteten Stellplätzen auf der Parzelle .../8
11
12
13
14
15
16
17
den für beide Grundstücke eingerichteten Stellplätzen auf der Parzelle .../8
sichtbar. Aus der Sicht der übrigen Beitragspflichtigen werde aufgrund der
einheitlichen Nutzung die Grenze zwischen den beiden Parzellen „verwischt“, so
dass diese äußerlich wie ein einziges Grundstück in Erscheinung träten. Damit
aber teile die Parzelle .../7 im Ergebnis die Anliegereigenschaft der Parzelle .../8.
Soweit die Garagenzeile längs der Y...straße ein tatsächliches Zufahrtshindernis
darstelle, komme es unter Zugrundelegung der „Hinwegdenkens-Theorie“ darauf
an, was ein „vernünftiger“ Eigentümer an Mitteln aufzubringen bereit sei, um den
Grundbesitz von der Y...straße erreichbar werden zu lassen. Auszugehen sei von
Kosten des Abrisses einer einzelnen Garage in Höhe von 13.500, € für die
Schaffung einer Zufahrt von der Y...straße aus. Ein wirtschaftlich vernünftig
handelnder Eigentümer werde Kosten in dieser Höhe im Interesse der Nutzbarkeit
eines als Gewerbefläche ausgewiesenen Grundbesitzes aufbringen. Auch der Höhe
nach begegne die streitige Heranziehung keinen Bedenken. Die Kläger könnten die
in der Straßenbetragssatzung vorgesehene Eckgrundstücksvergünstigung nicht für
sich in Anspruch nehmen, da nicht beide Verkehrsanlagen voll in der Baulast der
Beklagten stünden und die Vergünstigung zudem nicht für Grundstücke in
Gewerbegebieten gelte. Eine Beteiligung auch des Flurstücks .../4 an der
Aufwandsverteilung komme nicht in Betracht, da dieses Flurstück über die
Wegeparzelle ... erschlossen werde, die im Eigentum der Beklagten stehe und ein
öffentlicher Weg sei. Der Weg sei wie sich aus dem vorgelegten Lichtbildmaterial
ergebe von seiner Breite her befahrbar und stelle eine selbständige
Verkehrsanlage dar, für die ihrerseits im Falle eines Ausbaus ein Beitrag erhoben
werden könne.
Die Kläger haben am 16. September 2008 gegen das ihnen am 20. August 2008
zugestellte Urteil die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zu
deren Begründung tragen sie vor:
Eine einheitliche Nutzung der Parzellen .../7 und .../8 sowie auch der Parzelle .../3
liege entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor, denn diese
Parzellen würden durch unterschiedliche Mieter zu einem jeweils anderen Zweck
genutzt. Die Überbauung der Parzellen .../8 und .../7 mit einem
parzellenübergreifenden Gebäude führe zu keinem anderen Ergebnis. Das
Verwaltungsgericht habe im Übrigen die tatsächlichen Gegebenheiten bei der
Zuwegung außer Acht gelassen. Von der Y...straße aus gebe es keine Zufahrt zur
Parzelle .../7, weil Gewerberäume und Garagen dem entgegenstünden.
Desgleichen fehle es an der Möglichkeit einer Zufahrt über die Parzelle .../3. Ein
Abriss der Garagen unter Aufwendung der Abrisskosten und Verzicht auf künftige
Mieteinnahmen sei nicht realistisch, da sich ein solches Verhalten als wirtschaftlich
„absolut unvernünftig“ darstelle. Das Grundstück .../7 ermögliche durch die
bestehende Grundstückseinfahrt an der X...straße die Nutzung der Parzellen .../3
und .../8; nicht sei es umgekehrt so, dass die Nutzung der Parzelle .../7
zuwegungsmäßig durch die Parzellen .../3 und .../8 ermöglicht werde. Für eine
Anwendung der Hinwegdenkens-Theorie sei kein Raum, denn die Parzelle .../7
grenze lediglich an die X...straße an und werde damit nicht durch zwei
Anbaustraßen erschlossen. Im Übrigen setze auch die Anwendung dieser Theorie
das Bestehen der vollen Baulast der Gemeinde für beide Anbaustraßen voraus.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. August 2008 6 E 352/05
abzuändern und die sie betreffenden Straßenbeitragsbescheide vom 17. Mai 2004
für das Grundstück X...straße 2 A in der Fassung des jeweiligen
Widerspruchsbescheides aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil des
Verwaltungsgerichts und macht darüber hinaus geltend: Die Garagenbebauung
auf der Parzelle .../8 könne nicht als beachtliches Hindernis für eine Zufahrt über
diese Parzelle zur Parzelle .../7 angesehen werden, da es sich um ein vom
Grundstückseigentümer selbst errichtetes Hindernis handele. Im Übrigen sei
dieses Hindernis mit zumutbarem finanziellem Aufwand auszuräumen. Der Abriss
einer einzigen Garage auf der Parzelle .../8 reiche hierfür aus. Eine solche
Maßnahme sei mit Abrisskosten in Höhe von lediglich etwa 2.500, € verbunden.
Die Parzelle .../7 sei im Übrigen auch mit Blick auf das nach Westen vorgelagerte
Grundstück .../3 als ein durch die Y...straße erschlossenes Hinterliegergrundstück
18
19
20
21
22
Grundstück .../3 als ein durch die Y...straße erschlossenes Hinterliegergrundstück
anzusehen. Dafür sprächen die einheitliche Nutzung sowie die
Eigentümeridentität, ferner gemeinschaftliche Einrichtungen wie Stellplätze und
gemeinschaftliche Zufahrt. Die Gewährung einer Eckgrundstücksvergünstigung
komme schon wegen der Lage der Parzelle .../7 im Gewerbegebiet nicht in
Betracht. Damit erübrige sich eine Befassung mit der Frage, ob die X...straße
eventuell künftig in die Baulast der Stadt C-Stadt fallen werde. Zumindest im
Zeitpunkt der Abrechnung des streitigen Um- und Ausbaus sei die Stadt jedenfalls
noch nicht Straßenbaulastträgerin für die X...straße gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger ist aufgrund erfolgter Zulassung durch das
Verwaltungsgericht und fristgemäßer Begründung zulässig, kann jedoch in der
Sache keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen zu Recht
abgewiesen, denn die Heranziehung der Kläger zu Straßenbeiträgen für das
Grundstück X...straße 2 A im Stadtgebiet der Beklagten entsprechend den
Eigentumsanteilen der Kläger ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Rechtsgrundlage für diese Heranziehung ergibt sich aus § 11 Abs. 1 und 3 des
Gesetzes über Kommunale Abgaben in Hessen (HessKAG) in Verbindung mit den
Bestimmungen der Satzung der Beklagten über das Erheben von
Straßenbeiträgen (StrBS) vom 28. April 1988 in der Fassung vom 21. Februar
2002. Nach § 11 Abs. 1 HessKAG können die Gemeinden und Landkreise zur
Deckung des Aufwands für die Schaffung, Erweiterung und Erneuerung öffentlicher
Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die
Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen nicht nur vorübergehende
Vorteile bietet. Für den Fall des Um- und Ausbaus von Straßen, Wegen und Plätzen
als öffentliche Einrichtungen sieht § 11 Abs. 3 HessKAG in Abhängigkeit vom
Überwiegen einer bestimmten Verkehrsart Mindestanteile des Aufwands vor, die
von der Gemeinde zu tragen sind. Die auf dieser gesetzlichen Grundlage erlassene
Straßenbeitragssatzung der Beklagten weist den durch § 2 Abs. 1 Satz 2 HessKAG
vorgeschriebenen Mindestinhalt auf und entspricht auch im Übrigen den
gesetzlichen Vorgaben.
Die Beklagte war grundsätzlich berechtigt, für die im Juli 2003 tatsächlich fertig
gestellte und durch Magistratsbeschluss vom 16. Februar 2004 für fertig gestellt
erklärte grundhafte Erneuerung der Y...straße zwischen der Z...straße und der
Einmündung in die X...straße Straßenbeiträge zu erheben, denn es handelt sich
bei dieser Baumaßnahme um den beitragsfähigen "Um- und Ausbau" einer Straße
im Sinne des § 11 Abs. 3 HessKAG und des einschlägigen Satzungsrechts der
Beklagten. Die Kläger halten ihrer Heranziehung entgegen, dass ihr Grundstück
X...straße 2 A (Parzelle .../7) aufgrund seines nicht unmittelbaren Angrenzens an
die Y...straße nicht zu den Grundstücken gehöre, denen diese Straße einen nicht
nur vorübergehenden Vorteil der Inanspruchnahme biete. Ihr Grundstück sei
deshalb nicht an der Verteilung des umlagefähigen Um- und Ausbauaufwands
dieser Straße zu beteiligen. Diesem Einwand kann, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend entschieden hat, nicht gefolgt werden.
Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass auch für Hinterliegergrundstücke die
vorteilhafte Inanspruchnahmemöglichkeit zu bejahen ist, soweit die um- und
ausgebaute Straße vom Hinterliegergrundstück aus erreicht werden kann. Stehen
das vordere - unmittelbar an die Straße angrenzende - und das dahinterliegende
Grundstück im Eigentum desselben Eigentümers (Fall der "Eigentümeridentität"),
so ist regelmäßig schon deswegen und damit unabhängig vom Vorliegen einer
beide Grundstücke erfassenden einheitlichen Nutzung der die vorteilhafte
Möglichkeit der Inanspruchnahme eröffnende Zugang zur Straße vom
Hinterliegergrundstück aus gewährleistet (so OVG Lüneburg, B. v. 13.06.2000 - 9 N
1349/00 - NdsVBl. 2001, 18; sinngemäß ebenso Senatsbeschluss vom 09.11.2004
- 5 TG 2850/04 - NVwZ-RR 2005, 355 = HSGZ 2005, 111). Ob sich der Eigentümer
den Zugang zur Straße für sein hinteres Grundstück auch tatsächlich anlegt, ist
dann unerheblich. Es reicht aus, dass aufgrund eben der Eigentümerstellung und
der damit verbundenen Gestaltungs- und Einwirkungsmöglichkeiten der Anlegung
eines solchen Zugangs Hinderungsgründe tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht
entgegenstehen.
23
24
Die Möglichkeit der Schaffung eines Zugangs für das im Hintergelände der um-
und ausgebauten Straße gelegene Grundstück kann im Einzelfall wegen
weitgehender Überbauung des unmittelbar angrenzenden - vorderen -
Grundstücks ausgeschlossen sein (dazu: Senatsbeschluss vom 09.11.2004,
a.a.O., in dem vorangegangenen Eilverfahren der Kläger, sowie OVG Lüneburg, B.
v. 13.06.2000, a.a.O.). Die Kläger meinen, dass bei dem hier streitbefangenen
Grundstück von einer solchen Konstellation auszugehen sei, denn die Überbauung
der Parzelle .../8 auf ihrer an die Y...straße angrenzenden Seite mit einer
Garagenzeile in voller Grundstücksbreite schließe es aus, sich über diese Parzelle
hinweg von der hinteren Parzelle .../7 eine Zuwegung zur Y...straße anzulegen.
Richtig ist an diesem Vorbringen, dass die zur Hofseite sich öffnende Garagenzeile
auf der Parzelle .../8 das Grundstück zur Straße hin abriegelt ("verschließt"). Das
damit verbundene Zuwegungshindernis wirkt sich mit Blick auf die Y...straße auch
für die hinter der Parzelle .../8 gelegene Parzelle .../7 als Erreichbarkeitshindernis
aus. Die Besonderheit dieses Hindernisses besteht nun freilich darin, dass es vom
- jetzigen oder damaligen - Eigentümer selbst geschaffen worden ist. Dieser hat
sich - aus welchen Gründen auch immer - dafür entschieden, unmittelbar an der
Straße eine Garagenzeile zu errichten, zu der wegen ihrer straßenabgekehrten
Öffnungsseite nur vom Innenhof des Grundstücks aus Zugang und Zufahrt
genommen werden kann. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist für den Fall einer vom Grundstückseigentümer
errichteten Mauer, die es ausschließt, unmittelbar von der um- und ausgebauten
Straße auf das Grundstück fahren bzw. dieses von dort aus betreten zu können, in
aller Regel von einem "unbeachtlichen" Hindernis auszugehen. Es kann, wie das
Bundesverwaltungsgericht zur Begründung ausführt, nicht in das Belieben des
Eigentümers gestellt sein, sein angrenzendes Grundstück durch die Errichtung
einer solchen Mauer gleichsam mit der beitragsrechtlichen Folge zu "verschließen",
dass das Grundstück zu Lasten der übrigen erschlossenen bzw. bevorteilten
Grundstücke bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands unberücksichtigt
bleibt (vgl. BVerwG, U. v. 15.01.1988 - 8 C 111/86 - NVwZ 1988, 630, 631; U. v.
27.09.2006 - 9 C 4/05 - NVwZ 2007, 81, 83). Dem Fall einer derartigen Mauer
gleich zu erachten ist die hier zu beurteilende "Verschließung", die von der
geschlossenen Rückwand einer längs der Straße errichteten Garagenzeile mit
straßenabgewandter Zufahrtsseite bewirkt wird. Auch in diesem Fall kann der
Grundstückseigentümer seiner Beteiligung am umlagefähigen Aufwand nicht
entgegenhalten, das von ihm oder seinem Rechtsvorgänger errichtete bauliche
Hindernis hindere die Auffahrt bzw. das Betreten des Grundstücks von der
angrenzenden Straße aus, weshalb es nicht an der durch die Straße vermittelten
Inanspruchnahmemöglichkeit teilnehme. Wie hoch im Einzelfall die Kosten sind,
deren es zur Hindernisbeseitigung - hier bestehend in der Öffnung der
Garagenzeile durch Beseitigung zumindest einer Garageneinheit - bedarf und ob
ein "wirtschaftlich vernünftig" denkender Grundstückseigentümer bereit wäre,
diesen Aufwand und einen etwa hinzukommenden Einnahmeausfall aus der
Vermietung auf sich zu nehmen, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ein
Hindernis, welches der Grundstückseigentümer "aus freien Stücken", d.h. ohne
erkennbaren äußeren Zwang, selbst geschaffen hat, ist auch dann "unbeachtlich",
wenn sich seine spätere Beseitigung im Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Nutzen,
der sich mit der Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen
Inanspruchnahmemöglichkeit erzielen lässt, als vergleichsweise kostspielig und
deshalb gegebenenfalls als "unwirtschaftlich" erweist. Im vorliegenden Fall
bedeutet das, dass es für die Annahme der Unbeachtlichkeit der Garagenzeile als
Hindernis nicht auf die von den Beteiligten kontrovers diskutierte - und auch vom
Verwaltungsgericht problematisierte - Frage ankommen kann, welche Kosten mit
einer straßenseitigen Öffnung der Garagenzeile tatsächlich verbunden wären und
ob ein "wirtschaftlich vernünftig handelnder" Grundstückseigentümer bereit wäre,
im Interesse der Erreichbarkeit seines Grundbesitzes von der um- und
ausgebauten Straße solche Kosten auf sich zu nehmen.
Davon ausgehend, dass aus den genannten Gründen die geschlossene
Garagenzeile an der Y...straße kein beachtliches Erreichbarkeitshindernis für die
Parzelle .../8 darstellt, muss gleiches auch für die dahinterliegende - hier
streitbefangene - Parzelle .../7 gelten. Zu einem anderen Ergebnis führt nicht etwa
die Tatsache, dass die Parzelle .../7 in Bezug auf die Y...straße kein "gefangenes
Hinterliegergrundstück", sondern ein nicht gefangenes "anderes"
Hinterliegergrundstück ist, welches an eine weitere Anbaustraße - die X...straße -
unmittelbar angrenzt (zur Differenzierung zwischen gefangenen und nicht
gefangenen Hinterliegergrundstücken in der neueren
Hinterliegergrundstücksdogmatik: Driehaus, Erschließungs- und
25
26
27
Hinterliegergrundstücksdogmatik: Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeitragsrecht, 8. Auflage 2007, § 17 Rn. 85 ff., § 35 Rn. 19 ff.). Bei den nicht
gefangenen ("anderen") Hinterliegergrundstücken reicht für die Annahme der
vorteilhaften Inanspruchnahmemöglichkeit in Bezug auf die nicht unmittelbar
angrenzende Anbaustraße nicht schon ohne Weiteres aus, dass deren
Inanspruchnahme durch Anlegung einer Zuwegung über das vorgelagerte
Grundstück nur noch vom Willen des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks
abhängt. Vielmehr kommt es hier zusätzlich darauf an, ob nach den Regeln der
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die um- und ausgebaute Verkehrsanlage
von dem hinteren Grundstück in einem relevanten Umfang auch tatsächlich in
Anspruch genommen wird. Das wiederum ist nur dann zu bejahen, wenn die
Möglichkeit der Inanspruchnahme auch dieser Verkehrsanlage für das hintere
Grundstück "von Wert" ist, d.h. einen Vorteil in noch nennenswertem Umfang
eröffnet. Ist Letzteres nicht der Fall, so scheidet das Hinterliegergrundstück für die
Verteilung des Um- und Ausbauaufwandes der nicht unmittelbar angrenzenden
Anbaustraße aus dem Kreis der zu beteiligenden Grundstücke aus (so zutreffend
für das Straßenbeitragsrecht: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 401
Buchst. i und j; ferner das dort zitierte Urteil des OVG Magdeburg vom 3. April
2007 - 4 L 230/06 - KStZ 2007, 278). Bei einer Bewertung des aus der Möglichkeit
der Inanspruchnahme der Y...straße resultierenden Vorteils für die Parzelle .../7
unter diesem Aspekt könnte man zunächst daran denken, dass es sich wegen des
Hindernisses der verschließenden Garagenzeile auf der Parzelle .../8 um eine
Möglichkeit "ohne Wert" handelt. Mit einer derartigen Sichtweise würde indessen
die dargelegte "Unbeachtlichkeit" des fraglichen Hindernisses außer Betracht
gelassen. Diese Unbeachtlichkeit schlägt, wie oben ausgeführt, auch auf die
Parzelle .../8 durch, und das bedeutet, dass auch für die Bewertung des Vorteils für
diese Parzelle das Hindernis fiktiv hinweggedacht werden muss. Bei zu
unterstellendem Nichtbestehen des fraglichen Hindernisses kann es aber keinem
Zweifel unterliegen, dass die Erreichbarkeit der Y...straße für die Parzelle .../7 über
die vorgelagerte Parzelle .../8 einen Vorteil darstellt, der keineswegs zu
vernachlässigen ist. Die beiden Parzellen sind nicht nur durch die
Eigentümeridentität, sondern darüber hinaus durch eine einheitliche Nutzung
verbunden, wie sie sich in der parzellenübergreifenden Bebauung mit dem
Gebäude des ehemaligen Möbellagers, welches derzeit für den Betrieb einer
Tanzschule genutzt wird, sowie in den auf der Parzelle .../8 eingerichteten
Einstellplätzen auch für die gewerblich genutzten Parzellen .../7 und .../3
manifestiert. Eine unmittelbare Zufahrt von der Y...straße aus würde das Erreichen
der Einstellflächen erheblich erleichtern, denn die stattdessen angelegte Zufahrt
zwischen den Gebäuden X...straße 2 und X...straße 2 A von der X...straße aus ist
als solche nicht ideal, da weniger gut erkennbar und umständlich zu befahren. Das
rechtfertigt die Annahme, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit auch für das
Erreichen der Parzelle .../7 von einer über die Parzelle .../8 angelegten Zufahrt von
der Y...straße aus tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde. Daraus folgt, dass
die Parzelle .../7 als bevorteiltes Hinterliegergrundstück zur Y...straße angesehen
und in dieser Eigenschaft auch in die Verteilung des umlagefähigen Aufwands für
den Um- und Ausbau dieser Straße einbezogen werden muss.
Die von den Klägern außerdem erhobenen Einwände gegen ihre Heranziehung zu
dem streitigen Straßenbeitrag sind aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten
Gründen ebenfalls unbegründet. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt,
ist das Flurstück .../4 nicht als belastbares Grundstück in die Aufwandsverteilung
einzubeziehen, denn dieses Grundstück grenzt an das Flurstück ..., welches als
befahrbarer öffentlicher Weg gegebenenfalls in Zukunft als Erschließungsanlage
ausgebaut werden wird. Soweit des Weiteren die Kläger die Gewährung der
Eckgrundstücksvergünstigung für sich in Anspruch nehmen, scheitert dies schon
daran, dass es sich bei ihrem Grundstück aufgrund entsprechender
Gebietsausweisung um ein gewerblich nutzbares Grundstück handelt, für welches
das Satzungsrecht der Beklagten eine Vergünstigung wegen
Mehrfacherschließung ausschließt.
Die Berufung der Kläger ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich
der Kosten ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO in Verbindung mit §
167 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.