Urteil des HessVGH vom 27.07.2006
VGH Kassel: wiedereinsetzung in den vorigen stand, rechtsmittelbelehrung, verschulden, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, dokumentation, gerichtsakte, form
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TG 1526/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 60 VwGO, § 146 Abs 4 S 1
VwGO, § 146 Abs 4 S 2
VwGO
(Rechtsanwalt; Rechtsmittelschrift; Fristversäumung;
Adressierung; Wiedereinsetzung)
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 2006 wird als unzulässig
verworfen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 40.000,- Euro
festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der
einmonatigen Begründungsfrist bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
eingegangen ist und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht
gewährt werden kann.
Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni
2006 wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich des
Empfangsbekenntnisses (Bl. 159 a) der Gerichtsakte) am 14. Juni 2006 zugestellt;
die einmonatige Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO)
lief demzufolge am 14. Juli 2006 ab. Eine Beschwerdebegründung ist bis zu diesem
Zeitpunkt bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof - bei dem sie gemäß § 146
Abs. 4 Satz 2 VwGO hätte eingereicht werden müssen - nicht eingegangen. Der
Wortlaut der vorgenannten Vorschrift ist in der Rechtsmittelbelehrung des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main auch zutreffend wiedergegeben und die
Postanschrift des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs korrekt und vollständig
angegeben worden.
Der Antragstellerin ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60
VwGO - wie mit Schriftsatz vom 25. Juli 2006 beantragt - nicht zu gewähren, da sie
nicht ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründung form- und
fristgerecht bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Dabei muss
sich die Antragstellerin ein Verschulden ihrer Bevollmächtigten gemäß § 173 VwGO
i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 2
VwGO und der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main konnte und durfte die Bevollmächtigte der Antragstellerin nicht
im Unklaren darüber sein, bei welchem Gericht die Beschwerdebegründung
einzureichen ist, wo das entsprechende Gericht seinen Sitz hat und wie die
Postanschrift lautet. Dementsprechend kann unterstellt werden, dass die
Bevollmächtigte der Antragstellerin - wie in ihrer eigenen eidesstattlichen
Versicherung sowie der eidesstattlichen Versicherung ihrer Angestellten bestätigt -
die Beschwerdebegründung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zutreffend
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die Beschwerdebegründung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zutreffend
mit voller Anschrift diktiert hat. Aufgrund welcher Umstände es dennoch zu einer
falschen Adressierung gekommen ist, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls muss
von einem Rechtsanwalt verlangt werden, dass er die von seinem Büropersonal
gefertigten fristgebundenen Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsschriften
nicht ungeprüft unterschreibt (Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung,
Kommentar, 14. Aufl., 2004, § 60 Rdnr. 8 m.w.N.). Dabei muss sich die
Überprüfung auch darauf erstrecken, ob die Rechtsmittel- oder
Rechtsmittelbegründungsschrift an das richtige Gericht adressiert ist (so schon:
BVerwG, 16.11.1982 - 9 B 14473.82 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 128; OVG
Hamburg, 04.09.1997 - Bs 4 68/97 -, NJW 1998, 696; Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Aufl., 2005, § 60 Rdnr. 20 m.w.N.).
Von dieser Verpflichtung entbindet den Rechtsanwalt weder der Einsatz
zuverlässigen und gut geschulten Personals noch die Verwendung eines
Computer-Programms (OVG Hamburg, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und
2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG; dabei orientiert sich der Senat an der von den Beteiligten
nicht angegriffenen Festsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.