Urteil des HessVGH vom 08.09.1987

VGH Kassel: heilung des verfahrensmangels, unterlassen, auflage, unmöglichkeit, zeugnisverweigerungsrecht, stadt, fahrzeugführer, anhörung, zukunft, bekanntgeben

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
2. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 UE 1147/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 31 StVZO
Leitsatz
Einzelfall einer rechtmäßigen Fahrtenbuchauflage, nachdem mit dem Pkw der Halterin
ein Rotlichtverstoß begangen worden ist, ohne daß der Fahrer ermittelt werden konnte.
Tatbestand
Die Klägerin ist Halterin des Pkw's Marke Daimler Benz, amtliches Kennzeichen F-
.... Der Fahrer dieses Pkws beachtete am 01. August 1984 um 11.28 Uhr in
Frankfurt am Main beim Befahren der Straße Deutschherrnufer Richtung Osten
nicht, daß die Lichtzeichenanlage in Höhe des Frankensteiner Platzes in seiner
Fahrtrichtung Rot zeigte. Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main
leitete deshalb gegen die Klägerin als Halterin des Pkws ein Bußgeldverfahren ein.
Die Klägerin teilte auf dem Anhörungsbogen am 24. August 1984 mit, daß sie die
Fotografien über den Verkehrsverstoß einsehen wolle, bevor sie sich äußere. Die
Aufnahmen wurden der Klägerin am 21. September 1984 vorgelegt. Sie erklärte
daraufhin, daß sie nunmehr wisse, wer das Fahrzeug gefahren habe. Sie mache
jedoch von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Der Oberbürgermeister
stellte daraufhin das Bußgeldverfahren ein.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 1984 erteilte der Oberbürgermeister der Stadt
Frankfurt am Main der Klägerin die Auflage, für die Dauer von sechs Monaten ab
Bestandskraft des Bescheides für ihren Pkw ein Fahrtenbuch zu führen. Zur
Begründung führte er aus, mit dem Pkw sei eine erhebliche
Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden. Gleichwohl habe der Fahrer nicht
festgestellt werden können. Um zu verhindern, daß sich ein derartiger Vorfall
wiederhole, sei die Fahrtenbuchauflage notwendig.
Gegen diesen am 02. November 1984 zugestellten Bescheid legte die Klägerin am
26. November 1984 Widerspruch ein, den der Regierungspräsident in Darmstadt
mit Bescheid vom 23. Mai 1985 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31 a StVZO
seien gegeben. Mit dem Pkw der Klägerin sei ein erheblicher Verkehrsverstoß
begangen worden. Da die Klägerin keine Angaben über den Fahrer gemacht habe,
habe der verantwortliche Fahrer auch nicht ermittelt werden können. Das
Fahrtenbuch sei erforderlich, um zu verhindern, daß sich zukünftig erneut ein
Fahrer mit dem Fahrzeug der Klägerin seiner Verantwortung als Fahrzeugführer
entziehe.
Gegen diesen am 29. Mai 1985 eingegangenen Bescheid erhob die Klägerin am
24. Juni 1985 Klage, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober
1984 in der Fassung des Widerspruchsbescheides erstrebte. Zur Begründung trug
sie vor, die Fahrtenbuchauflage sei rechtswidrig. Mit ihrem Pkw sei erstmals ein
Verkehrsverstoß begangen worden. Die Erteilung einer Fahrtenbuchauflage setze
voraus, daß ein Wiederholungsfall nachgewiesen werde. Entgegen ihren Angaben
auf dem Anhörungsbogen habe sie den Fahrer ihres Pkws nicht erkannt. Sie sei bei
der Abgabe ihrer Erklärung verwirrt gewesen und habe es deshalb versäumt, das
Wort "nicht" des ersten Satz beizufügen. Am 24. August habe sie sich an den
verantwortlichen Fahrer nicht mehr erinnern können. Ihr Pkw werde häufig von
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verantwortlichen Fahrer nicht mehr erinnern können. Ihr Pkw werde häufig von
Angestellten des Fuhrunternehmens ihres Vaters gefahren. Bereits bei
Übersendung des Anhörungsbogens sei nicht mehr feststellbar gewesen, wer den
Pkw am 01. August 1984 gefahren habe. Trotz Nachfrage bei den Angestellten
habe keiner eine Erklärung abgeben können.
Die Klägerin beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 1984 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 23. Mai
1985 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte,
Die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nahm sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug
und trug ergänzend vor, der Vortrag der Klägerin, sie habe am 21. September
1984 etwas anderes erklären wollen, sei im Hinblick auf die Ausführungen zum
Zeugnisverweigerungsrecht unglaubwürdig. Die Berufung auf das
Zeugnisverweigerungsrecht zeige, daß die Klägerin gewußt habe, wer der Fahrer
gewesen sei. Da der verantwortliche Fahrer nicht habe ermittelt werden können,
sei das Fahrtenbuch zu Recht auferlegt worden.
Mit am 19. März 1987 beratenem Gerichtsbescheid wies das Verwaltungsgericht
die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Fahrtenbuchauflage sei
rechtmäßig. Nach § 31 a StVZO könne die Verwaltungsbehörde die Führung eines
Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer
Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich sei. Diese
Voraussetzungen seien gegeben. Mit dem Fahrzeug der Klägerin sei eine
erhebliche Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden. Auch der
verantwortliche Fahrzeugführer habe nicht festgestellt werden können. In diesem
Zusammenhang könne der Beklagten nicht vorgehalten werden, daß sie
angemessene und zumutbare Maßnahmen zur Täterermittlung unterlassen habe.
Denn die Klägerin habe es abgelehnt, den Fahrer zu benennen, obgleich dieser ihr
bekannt gewesen sei. Bei dieser Sachlage sei die Behörde nicht gehalten, von sich
aus weitere Ermittlungen anzustellen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf
berufen, daß ihr die Erfolglosigkeit der Ermittlungen nach dem Fahrer deshalb nicht
zugerechnet werden dürfe, weil ihr im Zeitpunkt der Übersendung des
Anhörungsbogens nicht mehr zumutbar gewesen sei, sich an den Fahrer zu
erinnern. Die Klägerin habe sich im Bußgeldverfahren nicht auf Erinnerungslücken
berufen, sondern im Ergebnis ausgeführt, d aß sie den Fahrer nicht benenne.
Damit seien Erinnerungslücken nicht dafür ursächlich geworden, daß der Fahrer
nicht habe ermittelt werden können.
Gegen diesen am 23. März 1987 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin
am 22. April 1987 Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt sie auf ihr
bisheriges Vorbringen Bezug und führt ergänzend aus, die Fahrtenbuchauflage sei
bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte zumutbare Ermittlungen nach dem
verantwortlichen Fahrer unterlassen habe. Insbesondere wäre ihr zumutbar
gewesen, bei ihren näheren Verwandten nach dem Fahrer zu fragen. Davon
abgesehen sei nicht hinreichend berücksichtigt, daß es sich um ein einmaliges
Fehlverhalten handele. Damit sei die Fahrtenbuchauflage unverhältnismäßig.
Die Klägerin beantragt,
den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufzuheben und nach dem
Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und trägt
ergänzend vor, die Fahrtenbuchauflage sei nicht unverhältnismäßig. Die Klägerin
verkenne, daß mit ihrem Pkw ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden
sei, der andere Verkehrsteilnehmer gefährdet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Behördenakte der Beklagten (1
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eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Behördenakte der Beklagten (1
Heiter) hat vorgelegen und ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht worden. Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auch auf ihren
Inhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage
zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 1984 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1985, mit dem sie der Klägerin
für die Dauer von sechs Monaten aufgegeben hat, für ihr Kraftfahrzeug mit dem
amtlichen Kennzeichen F-... ein Fahrtenbuch zu führen, ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Bescheid vom 24. Oktober 1984 leidet nicht deshalb an einem
Verfahrensfehler, weil die Beklagte die Klägerin vor seinem Erlaß nicht nochmals
angehört hat. Diese Anhörung war entbehrlich. Denn die Klägerin ist bereits im
Bußgeldverfahren auf die Möglichkeit hingewiesen worden, daß ihr die Führung
eines Fahrtenbuches auferlegt werden könne, wenn sie den verantwortlichen
Fahrer nicht nenne. Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß § 28
Verwaltungsverfahrensgesetz hätte beachtet werden müssen, ist die gebotene
Anhörung gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz bis zum
Abschluß des Vorverfahrens nachgeholt und damit der Verfahrensmangel geheilt
worden. Denn die Klägerin hatte im Widerspruchsverfahren ausreichend
Gelegenheit, zur Sache Stellung zu nehmen.
Dies führt zur Heilung des Verfahrensmangels (vgl. Bundesverwaltungsgericht,
Urteil vom 17. August 1982, Buchholz 316, Nr. 5 zu § 28
Verwaltungsverfahrensgesetz; Beschluß vom 17. Juli 1986 - Az.: 7 B 6.86 -).
Rechtsgrundlage für die streitige Auflage ist § 31 a StVZO. Danach kann die
Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge die
Führung eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des
Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht
möglich ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Fahrer des Pkws der Klägerin
hat am 10. August 1984 beim Befahren der Straße Deutschherrnufer nicht
beachtet, daß die Lichtzeichenanlage in Höhe des Frankensteiner Platzes für seine
Fahrtrichtung Rot zeigte und er damit zum Anhalten verpflichtet war. Damit hat
der Fahrer des Pkws nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO
ordnungswidrig gehandelt. Der Senat hat keine Zweifel daran, daß dieser
Verkehrsverstoß mit dem Fahrzeug der Klägerin begangen worden ist. Die
gefertigten Fotografien zeigen deutlich, daß der Pkw erst bei Rot in die Kreuzung
eingefahren ist.
Zwar führt nicht jede Ordnungswidrigkeit dazu, daß dem Halter eines
Kraftfahrzeuges ein Fahrtenbuch auferlegt werden müßte. Vielmehr setzt die
Auflage bei einem erstmaligen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften voraus, daß es
sich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit von einigem Gewicht handelt. Dies ist
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der
erkennende Senat angeschlossen hat, dann der Fall, wenn sich die begangene
Verkehrsordnungswidrigkeit verkehrsgefährdend auswirken kann (vgl. zuletzt:
Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 17. Juli 1986 - Az.: 7 B 234.85 - Bayr.
Verwaltungsblätter 1986, 665 siehe ferner: Hess. VGH, Urteile vom 23.1.1979 - II
OE 13/78 - Hess. VGRspr. 1979, 60 f und vom 11.11.1986 - 2 UE 1581/84 - nicht
verneinend). Diese Voraussetzung ist bei dem Rotlichtverstoß erfüllt. Denn bei
dieser Verhaltensweise darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Verkehr in
der bis zum Farbwechsel wartepflichtigen Straße freie Fahrt erhalten hat und
darauf vertrauen darf, daß sich aus der jetzt wartepflichtigen Straße kein Fahrzeug
mehr nähert. Wird diese Verkehrslage nicht beachtet, so muß dies zwangsläufig
dazu führen, daß die anfahrenden Fahrzeuge gefährdet werden. Unerheblich ist,
ob diese Gefährdung tatsächlich eingetreten ist. Maßgebend ist insoweit die
abstrakte Gefährlichkeit der begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. November 1970, Buchholz 442.15, Nr. 5
zu § 7 StVO).
Der Beklagten war auch die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich. Es
entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß die Unmöglichkeit der
Fahrerfeststellung nicht erst dann gegeben ist, wenn im Sinne einer logischen
Unmöglichkeit alle denkbaren Ermittlungsbemühungen erfolglos verlaufen sind.
Vielmehr können von der Polizeibehörde nur angemessene Ermittlungstätigkeiten
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Vielmehr können von der Polizeibehörde nur angemessene Ermittlungstätigkeiten
erwartet werden. Bei der Frage, was angemessen ist, muß von einem verständigen
Verwaltungshandeln ausgegangen und die Frage gestellt werden, ob die
Ermittlungsmaßnahme bei verständiger Betrachtung der Verwaltung noch
zugemutet werden kann. In diesem Zusammenhang darf auch berücksichtigt
werden, daß es bei Verkehrsverstößen um die Aufklärung schnell verjährender
Ordnungswidrigkeiten geht und deshalb die Behörde zeitraubende und kaum
aussichtsreiche Ermittlungen unterlassen darf. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt deshalb Unmöglichkeit im
Sinne des § 31 a StVZO vor, wenn die Behörde nicht in der Lage gewesen ist, den
Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. April 1971, Buchholz 442.15, Nr. 7 zu § 7
StVO; Beschluß vom 17. Juli 1986 - Az.: 7 B 234.85 -, Bayr. Verwaltungsblätter
1986, 665 - Hess. VGH, a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte hier alle angemessenen und
zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers ergriffen. Sie hat der
Klägerin am 24. August 1984 einen Anhörungsbogen mit der Bitte übersandt,
diesen auszufüllen und den verantwortlichen Fahrer zu nennen, sofern andere
Personen als Fahrer in Betracht kommen. Diese Ermittlungstätigkeit ist
sachgerecht. Vom Halter ist regelmäßig zuverlässig Auskunft darüber zu erhalten,
wer das Fahrzeug geführt hat. Der Oberbürgermeister hat das Verfahren auch zu
Recht eingestellt. Die Klägerin hat nach Vorlage der Fotografien über die
Verkehrsordnungswidrigkeit im Ergebnis ausgeführt, daß sie die Personalien des
verantwortlichen Fahrers nicht bekanntgeben werde. Der Senat hat keine Zweifel,
daß die Klägerin ihre Erklärung in dem Sinne gemeint hat, wie sie sie am 21.
September 1984 schriftlich niedergelegt hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich,
wieso in dem ersten Satz das Wort "nicht" fehlen sollte. Der zweite Satz ergibt nur
einen Sinn, wenn der erste Satz so bleibt wie ihn die Klägerin formuliert hat. Erklärt
aber der Halter, er werde die Personalien des Fahrers nicht bekanntgeben, so ist
nicht zu beanstanden, wenn der Oberbürgermeister das Ermittlungsverfahren
eingestellt hat. Insbesondere war er nicht verpflichtet, weitere Ermittlungen zu
veranlassen und insbesondere in dem Familien- und Bekanntenkreis der Klägerin
nachzuforschen, wer das Fahrzeug geführt haben könnte. Denn die Polizeibehörde
darf sich bei Art und Umfang ihrer Ermittlungen an dem Verhalten des
Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser wie im Falle der Klägerin eine Mitwirkung
bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, können der Polizeibehörde keine
weiteren Ermittlungen zugemutet werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil
vom 17. Dezember 1982, Bayr. Verwaltungsblätter 1983, 310; Hess. VGH, Urteil
vom 27.1.1987, Az.: 2 UE 661/86 -).
Die Ermittlungstätigkeit der Beklagten ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie die
Klägerin nicht binnen zwei Wochen darauf hingewiesen hat, daß mit ihrem
Fahrzeug eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist. Zwar ist die
Beklagte verpflichtet, die Klägerin unverzüglich zu dem Verkehrsverstoß
anzuhören, wenn sie ihre Ermittlungstätigkeit auf die Halterauskunft beschränken
will (vgl. hierzu: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. April 1971, Buchholz
442.15, Nr. 7 zu § 7 StVO). Denn die Behörde ist bereits aus Gründen der
Verkehrssicherheit verpflichtet, den Fahrer schnell zu ermitteln. Zudem darf der
Betroffene nicht in seiner Verteidigung behindert werden. Auch kann nur nach
kurzer Zeit eine zuverlässige Antwort von dem Halter des Fahrzeuges erwartet
werden, wer sein Fahrzeug geführt hat. Aus diesen Gründen ist die Beklagte im
Regelfall gehalten, den Halter binnen zwei Wochen zu befragen (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Oktober 1978 - Az.: 7 C 77.74 - NJW
1979, 1054; Beschluß vom 12. Februar 1986 - Az.: 7 C 180.85 -). Dies ist nicht
geschehen. Denn die Klägerin ist erst am 24. August 1984 angehört worden,
obgleich der Verkehrsverstoß bereits am 01. August 1984 begangen worden ist.
Gleichwohl kann die Klägerin hieraus für sich nichts herleiten, worauf das
Verwaltungsgericht bereits zu Recht hingewiesen hat. Denn der Fristablauf ist dann
unerheblich, wenn er für das Fehlschlagen der Ermittlungen nicht ursächlich
geworden ist. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn die ergebnislosen
Ermittlungen nicht auf Erinnerungslücken des Halters beruhen, sondern auf seiner
fehlenden Bereitschaft, etwas zur Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen (vgl.
Bundesverwaltungsgericht NJW 1979, 1054). Diese Sachlage ist auch im Falle der
Klägerin gegeben. Sie hat sich am 21. September 1984 nach Vorlage der
Fotografien nicht auf Erinnerungslücken berufen, sondern ausgeführt, daß sie zwar
den Fahrer kenne, sich aber auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufe. Damit
kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß Erinnerungslücken für das
Scheitern der Ermittlungsbemühungen ursächlich waren.
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Die Beklagte hat bei der Auferlegung des Fahrtenbuches das ihr eingeräumte
Ermessen nicht überschritten. Insbesondere ist die Auferlegung des
Fahrtenbuches nicht im Hinblick darauf unverhältnismäßig, daß den Halter eines
Kraftfahrzeuges keine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Täters trifft. Denn
die Klägerin hat als Halterin ihres Kraftfahrzeuges durch Überlassung des
Fahrzeuges an einen Dritten die Gefahrenlage geschaffen, die es ermöglicht hat,
daß mit ihrem Fahrzeug ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Dieses
vorangegangene Tun verpflichtet sie, entweder an der Aufklärung des
Verkehrsverstoßes sachgerecht mitzuwirken, oder künftige Verkehrsverstöße mit
ihrem Fahrzeug dadurch zu verhindern, daß sie ein Fahrtenbuch führt. Die
Auferlegung des Fahrtenbuches ist auch nicht im Hinblick darauf
unverhältnismäßig, daß die Klägerin künftige Verkehrsverstöße mit ihrem Fahrzeug
für ausgeschlossen. hält. Von einer Unverhältnismäßigkeit kann nur dann die Rede
sein, wenn die Benutzung des Pkws durch andere Personen mit Willen des Halters
in Zukunft schlechterdings ausgeschlossen ist (vgl. BVerwGE 18, 112). Hierfür
liegen keine Anhaltspunkte vor. Sie folgen insbesondere nicht daraus, daß die
Klägerin selbst in der Vergangenheit keine Verkehrsordnungswidrigkeiten
begangen hat. Die Auferlegung des Fahrtenbuches erfolgt nicht, weil die Klägerin
die Verkehrsvorschriften mißachtet hat, sondern deshalb, weil mit ihrem Fahrzeug
eine erhebliche Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist, bei der der
verantwortliche Fahrer nicht festgestellt werden konnte. Die Klägerin kann
schließlich auch nichts daraus für sich herleiten, daß sie aus beruflichen Gründen
ihren Pkw häufig benutzen muß. Denn die Maßnahme dient dazu, einer
Gefährdung des Straßenverkehrs in der Zukunft vorzubeugen. Mit diesem Sinn
und Zweck des § 31 a StVZO ist es nicht vereinbar, von der Auferlegung eines
Fahrtenbuches dann abzusehen, wenn der Pkw, mit dem die
Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist, häufig benutzt wird.
Nach alledem ist deshalb die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus
§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die in § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2
VwGO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.