Urteil des HessVGH vom 16.05.1991

VGH Kassel: verkündung, rechtsverordnung, naturschutzgebiet, hessen, gemeinde, vorrang, bestandteil, beratung, ausweisung, anwendungsbereich

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 N 1638/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 47 VwGO
Leitsatz
Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1991 in dem
Normenkontrollverfahren zur Prüfung der Gültigkeit der Verordnung über das
Naturschutzgebiet "Waizenberg bei Hohenzell" vom 6. November 1985 (StAnz S. 2186)
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die von der
früheren Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Darmstadt - BFN -
erlassene Verordnung über das Naturschutzgebiet "Waizenberg bei Hohenzell"
vom 06.11.1985 (StAnz. 1985, 2186) - NaturschutzVO -. Die Antragstellerin ist
Eigentümerin von Grundstücken im Geltungsbereich der NaturschutzVO.
§ 1 der NaturschutzVO lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Der Waizenberg und das Katzental südwestlich der Ortslage Hohenzell werden
in den sich aus Abs. 2 und 3 ergebenden Grenzen zum Naturschutzgebiet erklärt.
(2) Das Naturschutzgebiet "Waizenberg bei Hohenzell" besteht aus dem
gleichnamigen Bergrücken und einem angrenzenden Talzug in den Gemarkungen
Bellings, Stadt Steinau a. d. Straße und Hohenzell, Stadt Schlüchtern im Main-
Kinzig-Kreis. Es hat eine Größe von 28,62 ha. Die örtliche Lage des
Naturschutzgebietes ergibt sich aus der als Anlage zu dieser Verordnung
veröffentlichten Übersichtskarte im Maßstab 1:25000.
(3) Diese Verordnung gilt für das in einer Karte im Maßstab 1:2000 rot begrenzte
Gebiet. Die Karte ist Bestandteil dieser Verordnung. Sie wird von der
Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Darmstadt, oberer
Naturschutzbehörde, Orangerieallee 12, 6100 Darmstadt, verwahrt.
(4) ...
§ 2 umschreibt den Zweck der Unterschutzstellung,
§ 3 enthält u. a. ein Verbot von Handlungen, die zu einer Zerstörung,
Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes führen können.
§ 4 regelt die Ausnahmen von den Verboten des § 3,
§ 5 gewährt die Möglichkeit von Befreiungen nach § 31 BNatSchG, § 6 enthält
einen Ordnungswidrigkeitenkatalog und
§ 7 hebt die Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen in den Landkreisen
Gießen, Main-Kinzig, Vogelsberg und Wetterau - Landschaftsschutzgebiet
Vogelsberg/Hessischer Spessart vom 31.07.1975 für den Geltungsbereich der
NaturschutzVO auf, § 8 bestimmt das Inkrafttreten der Verordnung.
Das Verfahren zur Aufstellung der NaturschutzVO vom 06.11.1985 stellt sich wie
folgt dar:
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Mit Schreiben vom 08.03.1984 beantragte die Hessische Gesellschaft für
Ornithologie und Naturschutz e.V. zugleich im Namen des Deutschen Bundes für
Naturschutz, Landesverband Hessen und der Botanischen Vereinigung für
Naturschutz in Hessen (BVNH) e.V. bei der BFN die Ausweisung eines
Naturschutzgebietes "Waizenberg". Sie begründete die Schutzwürdigkeit des
Gebietes mit einem in ihrem Auftrag erstatteten Gutachten des Dipl.-Biologen Dr.
Günter Sonntag vom 19.12.1983, das die Ergebnisse einer Bestandsaufnahme der
Fauna in einem ca. 15 ha großen Areal im Bereich des Waizenberges
zusammenfaßte.
Unter dem 20.09.1984 teilte die BFN Trägern öffentlicher Belange, den
anerkannten Naturschutzverbänden sowie den Eigentümern und einem Pächter
der Grundstücke im vorgesehenen Geltungsbereich der Verordnung mit, sie
beabsichtigte, das nach den naturschutzrechtlichen Bestimmungen erforderliche
Verfahren zu eröffnen. Sie übersandte den von ihr erarbeiteten Entwurf der
Verordnung zur Kenntnis und Stellungnahme. Am 13.11.1984 führte die BFN einen
Anhörungstermin durch. Im Anschluß daran und auf der Grundlage der
eingegangenen Anregungen und Bedenken überarbeitete die BFN den Entwurf und
legte ihn dem Hessischen Minister für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz zur
Genehmigung vor.
Am 07.08.1985 genehmigte der Hessische Minister für Landwirtschaft, Forsten und
Naturschutz den von ihm in mehreren Punkten geänderten Entwurf nach § 16 Abs.
4 des Hessischen Naturschutzgesetzes - HeNatG -. Am 06.11.1985 erließ die BFN
die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Waizenberg bei Hohenzell".
Die Rechtsverordnung wurde im Staatsanzeiger für das Land Hessen 1985, S.
2186 öffentlich bekanntgemacht.
Der vorliegende Normenkontrollantrag ist am 23.06.1986 bei Gericht
eingegangen. Die Antragstellerin macht geltend, sie sei sowohl in ihrer
Eigentümerposition als auch in der kommunalen Planungshoheit verletzt. Die
Verordnung sei formell fehlerhaft zustandegekommen. Sie, die Antragstellerin,
habe gegen den ihr am 20.09.1984 zugeleiteten Verordnungsentwurf, der ein
Gebiet von ca. 15 ha betroffen habe, keine Einwendungen gehabt. Dieser Entwurf
sei von der obersten Naturschutzbehörde so gravierend geändert worden, daß
dies der erstmaligen Einleitung eines naturschutzrechtlichen Verfahrens
gleichkomme. Zu diesem Veränderungen sei sie, die Antragstellerin, nicht
rechtzeitig gehört worden. Ein derartiges Verfahren verletze die kommunale
Planungshoheit. Auch materiellrechtlich könne die Verordnung keinen Bestand
haben. Sie verletze insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Waizenberg bei Hohenzell" vom
6. November 1985 (StAnz. 1985, 2186) für nichtig zu erklären, soweit sie die
Grundstücke
- Gemarkung Hohenzell Flur 11 Flurstücke 19 und 23 umfaßt.
Der Antragsgegner, endvertreten durch das Regierungspräsidium, in das die BFN
eingegliedert worden ist, beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er führt im wesentlichen aus, die Verordnung sei weder formell noch materiell zu
beanstanden. Insbesondere sei die Antragstellerin in ausreichendem Maße
angehört worden. Im Normenkontrollverfahren 4 N 1608/86, das dieselbe
Naturschutzverordnung zum Gegenstand hat, trägt der Antragsgegner darüber
hinaus vor, die Verordnung sei ordnungsgemäß entsprechend den Regelungen des
§ 16 Abs. 5 des HeNatG verkündet worden. Im vorliegenden Fall sei § 6a des
Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen,
Organisationsanordnungen und Anstaltsordnungen vom 02.11.1971 (GVBl. I S.
258), kurz: Verkündungsgesetz - VerkG -, nicht anwendbar.
Zwar sei auf diese Vorschrift seit 1983 bei der Verkündung von
Naturschutzverordnungen zunehmend Rücksicht genommen worden. Dies sei
jedoch nicht zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, sondern aus praktischen
Erwägungen und wegen des Grundsatzes der bürgerfreundlichen Verwaltung
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Erwägungen und wegen des Grundsatzes der bürgerfreundlichen Verwaltung
geschehen. Im Jahr 1983 sei es im Hinblick auf ein Verfahren, das die Europäische
Gemeinschaft beim Europäischen Gerichtshof gegen die Bundesrepublik
Deutschland angestrengt habe, erforderlich gewesen, eine praktikable
Ersatzverkündungsmöglichkeit für Rechtsverordnungen zu schaffen, durch die
Weinanbaugebiete möglichst nach Parzellen oder Rebflächen abgegrenzt werden
sollten. Ähnliche Schwierigkeiten hätten sich bei der Festsetzung von
Wasserschutzgebieten und Heilquellenschutzgebieten sowie bei der Festlegung
von Überschwemmungsgebieten ergeben. Bei dieser Lage habe es sich
angeboten, einen Gesetzesantrag aus der Mitte des Landtages einzubringen.
Dieser Antrag sei von der Verwaltung vorformuliert worden. In diesem
Verfahrensstadium sei von dem für das Naturschutzrecht zuständigen Referenten
im Ministerium die Einfügung der Worte "soweit gesetzlich nichts anderes
bestimmt ist" in § 6a veranlaßt worden. Einziger Zweck dieser Einfügung sei
gewesen, der bis dahin geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 5 HeNatG, aber auch §
7 Abs. 5 des Landesplanungsgesetzes sowie allen späteren besonderen
Verkündungsvorschriften Vorrang vor § 6a des VerkG zu verschaffen. Der
Antragsgegner hat zur Erläuterung dieses Vortrages eine Kopie eines
maschinenschriftlichen Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über
die Verkündung von Rechtsverordnungen, Organisationsanordnungen und
Anstaltsordnungen vorgelegt. In diesem Schriftstück, dessen Verfasser und
Bearbeiter nicht erkennbar sind, befindet sich in § 6a Abs. 1 nach dem Wort "kann"
die handschriftliche Einfügung "soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist".
Außer weiteren Ergänzungen befindet sich auf diesem Schriftstück noch ein
handschriftlicher Hinweis auf besondere Verkündungsformen in § 7 Abs. 5 des
Landesplanungsgesetzes und in § 16 Abs. 5 HeNatG.
Der Antragsgegner macht weiterhin geltend, nicht nur die Entstehungsgeschichte
der Vorschrift belege, daß anderen Verkündungsvorschriften der Vorrang gebühre,
sondern auch der insofern eindeutige Wortlaut des § 6a Abs. 1 VerkG. Die
Formulierung "soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist" werde in der
Rechtssetzung regelmäßig dazu gebraucht, den Vorrang anderer Normen zu
sichern. Der fragliche Satzteil bringe zum Ausdruck, daß § 6a VerkG nicht
angewendet werden solle, wenn andere gesetzliche Bestimmungen vergleichbarer
Art vorhanden seien. Ein Zurücktreten des § 6a VerkG sei auch von der Sache her
sinnvoll, denn im Falle des Landesplanungsrechts und des Naturschutzrechts
lägen besondere Bedingungen vor, die die Fortgeltung der fraglichen Vorschriften
geboten erscheinen ließen. So sei im Naturschutzrecht regelmäßig keine Behörde
im Geltungsbereich der Verordnung belegen; schon deshalb wäre allenfalls eine
analoge Anwendung von § 6a VerkG möglich gewesen. Auch die Vielzahl der
Verordnungen lege einen Erhalt der einfachen Regelung des § 16 Abs 5 HeNatG
nahe. Diese Regelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die die Naturschutzverordnung betreffenden Verwaltungsvorgänge des
Antragsgegners (2 Hefter) liegen vor und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, da eine mündliche Verhandlung nicht
erforderlich ist (§ 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO).
Die Antragstellerin ist jedenfalls als Grundstückseigentümerin antragsbefugt (§ 47
Abs. 2 Satz 1 VwGO). denn sie ist durch die in der Naturschutzverordnung
enthaltenen Beschränkungen (§ 3 NaturschutzVO) nachteilig betroffen.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die Verordnung über das
Naturschutzgebiet "Waizenberg bei Hohenzell" leidet an einem Verfahrensmangel.
Sie ist nicht ordnungsgemäß verkündet worden.
Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 HeNatG werden Naturschutzgebiete durch
Rechtsverordnung der oberen Naturschutzbehörde im Benehmen mit der oberen
Behörde der Landesplanung ausgewiesen. Die Naturschutzverordnung bedarf
gemäß § 16 Abs. 4 HeNatG der Genehmigung der nächsthöheren
Naturschutzbehörde.
Nach § 1 Abs. 2 VerkG werden Rechtsverordnungen von Behörden, die einem
Minister unmittelbar nachgeordnet sind, im Staatsanzeiger für das Land Hessen
verkündet. Dies ist hier geschehen, denn die Naturschutzverordnung ist im
Staatsanzeiger für das Land Hessen 1985, 2186 verkündet worden.
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Zur Beschreibung der örtlichen Lage des Geltungsbereichs der Verordnung hat der
Antragsgegner in rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Übersichtskarte im
Maßstab 1:25000 veröffentlicht und gemäß § 16 Abs. 5 Satz 1 HeNatG auf eine
Karte im Maßstab 1:2000, die die betroffenen Grundstücke darstellt, Bezug
genommen. Er hat damit den Anforderungen der Rechtsprechung über die
Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs von Verordnungen entsprochen.
Derartige Verordnungen müssen die Abgrenzung bei bloß grober Umschreibung
des Gebietes im Wortlaut - wie hier durch Verweisung auf eine an der zu
benennenden Amtsstelle niedergelegte und dort in den Dienststunden für
jedermann einsehbare Landkarte, deren archivmäßige Verwahrung zu sichern ist,
angeben (vgl. BVerwG, Beschluß vom 29.12.1982, BRS 39, Nr. 238). Die
niedergelegte Karte enthält die einzelnen Grundstücke und erfüllt damit das Gebot
der Klarheit und Nachprüfbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs der
Verordnung.
Der Senat hat in seinem Beschluß vom 23.04.1990 - 4 N 2028/87 dargelegt, daß
die Verkündung von Rechtsverordnungen, die den Schutz, die Pflege und die
Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft nach dem 4. Abschnitt
des Hessischen Naturschutzgesetzes zum Gegenstand haben, unter Beachtung
sowohl der Vorschriften des Hessischen Naturschutzgesetzes als auch der jenigen
des Verkündungsgesetzes zu erfolgen hat.
An dieser Rechtsprechung hält der beschließende Senat auch unter Würdigung des
Vorbringens des Antragsgegners fest. Entgegen der Meinung des Antragsgegners
schließt § 16 Abs. 5 HeNatG die Geltung des § 6a Abs. 1 VerkG nicht aus.
Den vorliegenden Unterlagen zur Entstehung des § 6a VerkG läßt sich ein Wille des
Gesetzgebers dahingehend, daß diese Vorschrift im Anwendungsbereich von § 16
Abs. 5 HeNatG nicht gelten soll, nicht entnehmen. Das Dritte Gesetz zur Änderung
des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen,
Organisationsanordnungen und Anstaltsordnungen vom 07.03.1983, durch das §
6a in das Verkündungsgesetz eingefügt worden ist, ist im Hessischen Landtag
ohne mündliche Begründung und ohne Besprechung beschlossen worden
(Plenarprotokolle des Hessischen Landtags, 10. Wahlperiode, B. Sitzung, 3. März
1983, S. 377). Die dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vom 27.01.1983
beigefügte schriftliche Begründung schweigt zur Frage der Weitergeltung und des
Geltungsumfangs spezial-gesetzlicher Ersatzverkündungsvorschriften (vgl.
Hessischer Landtag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/387). Der Hinweis des
Antragsgegners, der für das Naturschutzrecht zuständige Referent im Ministerium
habe zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens die Einfügung der Worte "soweit
gesetzlich nichts anderes bestimmt ist" mit dem Ziel veranlaßt, der bis dahin
geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 5 HeNatG, aber auch § 7 Abs. 5 des
Landesplanungsgesetzes sowie allen späteren besonderen
Verkündungsvorschriften Vorrang vor § 6a VerkG zu verschaffen, führt zu keinem
anderen Ergebnis. Zum einen läßt sich aus dem vom Antragsgegner in Kopie
vorgelegten maschinenschriftlichen Entwurf sowie den darin enthaltenen
handschriftlichen Veränderungen nicht verläßlich entnehmen, daß das von dem
Antragsgegner angegebene Motiv für die Einfügung der zitierten Worte maßgeblich
war; zum anderen ist nicht erkennbar, daß diese etwaige Motivation der
Entwurfsverfasser vom Gesetzgeber selbst geteilt worden ist, da sich - wie bereits
ausgeführt - in den amtlichen Unterlagen keine Hinweise finden, die diese
Annahme rechtfertigen könnten.
Ein Ausschluß der Geltung des § 6a VerkG im sachlichen Anwendungsbereich des §
16 Abs. 5 HeNatG kommt auch im Wortlaut des § 6a Abs. 1 VerkG nicht eindeutig
zum Ausdruck. Hätte der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 6a VerkG in allen
Fällen ausschließen wollen, in denen anderweitige gesetzliche Regelungen über die
Ersatzverkündung bestehen, so hätte er auf die klareren Formulierungen der §§ 1
Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes- VwVfG - und 1 Abs. 1 des Hessischen
Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - zurückgreifen können. Dort ist
festgelegt, daß die Regelungen des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes
nicht gelten, soweit Rechtsvorschriften des Bundes bzw. des Landes i n h a 1 t s g
1 e i c h e o d e re n t g e g e n s t e h e n d e Bestimmungen enthalten. Auch § 1
Abs. 3 VwVfG bringt die Subsidiarität des Verwaltungsverfahrensgesetzes des
Bundes im Verhältnis zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder
sprachlich eindeutig zum Ausdruck. Dagegen ist die Bedeutung der Klausel "soweit
gesetzlich nichts anderes bestimmt ist" nicht bereits vom Wortlaut her eindeutig
und unmißverständlich. Nach dem Wortlaut liegt die Auslegung am nächsten, daß
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und unmißverständlich. Nach dem Wortlaut liegt die Auslegung am nächsten, daß
§ 6a VerkG nur "insoweit" zurücktritt, als in anderen Gesetzen eine andersartige,
eigenständige Regelung der Verkündung bzw. der Ersatzverkündung vorgesehen
ist. Diese Auslegung entspricht auch der Systematik der gesetzlichen
Regelung.Das Verkündungsgesetz enthält eine generelle Regelung für die
Verkündung u. a. von Rechtsverordnungen. Die durch das Dritte Änderungsgesetz
vom 07.03.1983 eingefügte Möglichkeit der Ersatzverkündung in § 6a VerkG stellt
innerhalb der gesetzlichen Regelung der Verkündung die Ausnahme gegenüber
der Regel der Verkündung der Rechtsverordnung mit ihrem vollständigen Inhalt im
Gesetz- und Verordnungsblatt bzw. im Staatsanzeiger dar (§ 1VerkG). Im Hinblick
auf die Bedeutung der Verkündung als rechtsstaatlicher Geltungsbedingung der
Rechtsnormen sind Vorschriften, die eine Ersatzverkündung als Ausnahme von der
regelmäßigen Form der Verkündung zulassen, restriktiv auszulegen.
Regelungszweck der Vorschrift des § 6a VerkG über die Ersatzverkündungist es, zu
gewährleisten, daß die von der Regelung betroffenen Normadressaten sich auch
von dem Inhalt der Pläne oder zeichnerischen Darstellungen, die nicht in
Originalgröße im Verkündungsblatt abgedruckt sind, verläßlich und ohne
unzumutbare Erschwernis Kenntnis verschaffen können (vgl. dazu die
Ausführungen im Beschluß des Senats vom 23.04.1990 - 4 N 2028/87 m.w.N.).
Auch wenn nicht alle Modalitäten der Ersatzverkündung, wie sie in § 6a VerkG
vorgesehen sind, rechtsstaatlich zwingend geboten sind, handelt es sich doch um
Vorkehrungen, die dazu dienen, die Nachteile der nur teilweisen Veröffentlichung
der Norm im Verkündungsorgan für die Betroffenen möglichst weitgehend zu
kompensieren. So ist zwar das zusätzliche Bereithalten gemäß § 6a Abs. 1 Satz 4
VerkG wohl nicht rechtsstaatlich zwingend geboten. Gleichwohl handelt es sich um
eine Regelung, die dem Gedanken einer möglichst bürgernahen Verwaltung
entspricht und einen gewissen Ausgleich für die erschwerte Möglichkeit der
Kenntnisnahme anhand der üblichen Verkündungsorgane bietet.
Eine an Wortlaut und Systematik des § 16 Abs. 5 HeNatG und des § 6a VerkG
orientierte Interpretation führt zu dem Ergebnis, daß § 16 Abs. 5 HeNatG durch §
6a VerkG teilweise überlagert und teilweise ergänzt wird. Beide Vorschriften
müssen zusammen gesehen und gemeinsam beachtet werden. § 6a Abs. 1 Satz 1
VerkG regelt, daß die Verkündung u. a. von Karten, die Bestandteil einer
Rechtsverordnung sind, dann, wenn "gesetzlich nichts anderes bestimmt ist",
dadurch ersetzt werden kann, daß die Karten bei einer Verwaltungsbehörde oder
technischen Fachbehörde niedergelegt werden. Der Vorbehalt anderweitiger
gesetzlicher Regelung bezieht sich dem Wortsinne nach auf die Möglichkeit der
Ersatzverkündung überhaupt und die Art, wie die Ersatzverkündung geregelt ist.
Wenn ein Gesetz etwas anderes vorschreibt, muß eine Verkündung nach Maßgabe
jenes Gesetzes erfolgen. § 16 Abs. 5 HeNatG bestimmt jedoch nichts anderes als
das, was § 6a Abs. 1 Satz 1 VerkG vorsieht, denn gemäß § 16 Abs. 5 HeNatG
können Rechtsverordnungen nach § 16 Abs. 1 HeNatG auf Karten Bezug nehmen,
die bei einer Verwaltungsbehörde verwahrt werden. Bei dieser grundsätzlichen
Übereinstimmung kann die allgemeiner gehaltene Fassung des § 16 Abs. 5
HeNatG weder als gewollte abschließende eigenständige Regelung gegenüber der
späteren eingehenderen in § 6a VerkG, die demnach nicht subsidiär ist, noch als
die speziellere angesehen werden, da gerade das Verkündungsgesetz die Art der
Verkündung einschließlich der Ersatzverkündung sachgebietsübergreifend im
Einzelnen regelt.
Vielmehr verhält es sich so, daß die beiden genannten Vorschriften, ohne einander
zu widersprechen, unterschiedliche Detailfragen der Ersatzverkündung von Karten,
die Bestandteil von Rechtsverordnungen sind, konkret regeln. Während etwa § 6a
Abs. 1 VerkG ausdrücklich regelt, daß die verwahrende Behörde die fraglichen
Vorschriftenteile archivmäßig geordnet bereitzuhalten hat, bestimmt § 16 Abs. 5
Satz 3 HeNatG etwas genauer als § 6a Abs. 1 Satz 3 VerkG, welche Anforderungen
an eine mit der Rechtsverordnung mitzuveröffentlichende Übersichtskarte zu
stellen sind. Überlagern sich - wie hier - zwei Vorschriften, indem sie in den
Grundzügen einen Lebenssachverhalt in gleicher Weise regeln, dabei aber die
unterschiedlichen Detailfragen jeweils mit einem unterschiedlich starken
Konkretisierungsgrad normieren, ohne einander zu widersprechen, so ist
hinsichtlich jedes einzelnen Gesichtspunktes die jeweils speziellere Einzelnorm
anzuwenden; auf diese Weise wird im übrigen zugleich auch der generelleren Norm
Genüge getan.
Der Inhalt der Rechtsverordnung genügt den Anforderungen des § 6a Abs. 1 Satz
2 z. Halbsatz VerkG nicht. Nach dieser Vorschrift hat die verwahrende Behörde
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2 z. Halbsatz VerkG nicht. Nach dieser Vorschrift hat die verwahrende Behörde
Vorschriftenteile wie Karten archivmäßig geordnet während der Dienststunden zu
jedermanns Einsicht bereitzuhalten, worauf in den Rechtsverordnungen
hinzuweisen ist. Zwar enthält § 1 Abs. 3 Satz 3 der Rechtsverordnung vom
06.11.1985 den Hinweis, daß die Karte bei der Bezirksdirektion für Forsten und
Naturschutz, obere Naturschutzbehörde, Darmstadt, Orangeriealle 12, verwahrt
werden, es fehlt jedoch der Hinweis auf das Bereithalten der archivmäßig
geordneten Teile während der Dienststunden zu jedermanns Einsicht, der in später
verkündeten Rechtsverordnungen der oberen Naturschutzbehörde (vgl. etwa die
Verordnung über das Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet "Fuldatal bei
Konnefeld" vom 19.10.1989, - Naturschutz- und
Landschaftsschutz VO Fuldatal bei Konnefeld -) enthalten ist. Dies stellt einen
Verfahrensfehler dar, der zur Nichtigkeit der Verordnung führt. Dies gilt
insbesondere deshalb, weil § 6a Abs. 1 Satz 2 VerkG in seinem Kern Ausfluß des
Rechtsstaatsgebots ist, wie der beschließende Senat bereits im Beschluß vom
23.04.1990 - 4 N 2028/87 -eingehend dargelegt hat. Insoweit hat sich der Senat im
Ergebnis der Rechtsprechung des 3. Senats (Beschluß vom 27.02.1990 - 3 N
728/84 -) angeschlossen.
Die Rechtsverordnung ist auch unter Verstoß gegen § 6a Abs. 1 Satz 4 VerkG
verkündet worden. Nach dieser Vorschrift sind die nach Satz 1 verkündeten
Vorschriftenteile zusätzlich bei einer im Geltungsbereich der Vorschriftenteile
belegenen Behörde bereitzuhalten, soweit die verwahrende Behörde außerhalb
des Geltungsbereichs gelegen ist. Die Karte im Maßstab 1:2000 wird nur bei der
oberen Naturschutzbehörde in Darmstadt verwahrt. Die verwahrende Behörde -
das war hier nach § 30 Abs. 1 HeNatG i.d.F. vom 19.09.1980 (GVBl. S. 309) die
Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz und ist gemäß § 30 Abs. 3 HeNatG
i.d.F. vom 29.03.1988 (GVBl. I S. 130) das Regierungspräsidium - liegt außerhalb
des Geltungsbereichs der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Waizenberg
bei Hohenzell", so daß die Vorschriftenteile zusätzlich bei einer im Geltungsbereich
der Vorschriftenteile belegenen Behörde bereitzuhalten gewesen wären. Diese
Verpflichtung zur zusätzlichen Bereithaltung der Vorschriftenteile bei einer
weiteren Behörde entfällt nicht deshalb, weil im Geltungsbereich der
Rechtverordnung keine Behörde belegen ist. Die Rechtsfrage, wie zu verfahren ist,
wenn der Geltungsbereich der Norm noch kleiner ist als das Gebiet einer
Gemeinde oder jeweils nur Teile des Gebiets von Gemeinden und zumal
unbebaute Flächen umfaßt, ist im Wege der Analogie in der Weise zu beantworten,
daß die Karte bei einer Verwaltungsoder technischen Fachbehörde in der
Gemeinde oder - bei mehreren betroffenen Gemeinden -in einer der Gemeinden
bereitzuhalten ist, auf deren Gebiet der durch die Ausweisung geschützte
Landschaftsbestandteil liegt. Das sind hier die Städte Steinau a. d. Straße und
Schlüchtern. Anderenfalls würde § 6a Abs. 1 Satz 4 VerkG in Fällen, in denen eine
Behörde innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung nicht existiert, schlicht
und einfach nicht angewandt; der mit dieser Regelung erkennbar verfolgte Zweck,
die Kenntnisnahme des vollständigen Inhalts der Verordnung in räumlicher Nähe
zu den Betroffenen zu ermöglichen, würde nicht erreicht. Es liegt also eine
"Anordnungslücke" im Sinne von Canaris (Die Feststellung von Lücken im Gesetz,
z. Aufl., Berlin 1983, 5 . 139 ff.) vor, die stets zu schließen ist, weil sonst ein Fall
von Rechtsverweigerung eintreten würde.
Es entspricht dem erkennbaren Zweck des § 6a Abs. 1 Satz 4 VerkG, die nicht
vollständig veröffentlichten Vorschriftenteile bei einer Verwaltungsdienststelle im
Gebiet der von der Verordnung betroffenen Gemeinde, bei Betroffenheit mehrerer
Gemeinden zumindest in einer von ihnen, bereitzuhalten. Denn die Gemeinde ist
die kleinste Gebietskörperschaft und die kleinste Gebietseinheit des Staates.
Dagegen kann nicht damit argumentiert werden, die Verwahrung bei einer
entfernter gelegenen Fachbehörde sei gleichwertig, unter funktionellen Aspekten
wegen der besseren Beratungsmöglichkeit sogar vorzuziehen. § 6a Abs. 1 Satz 4
VerkG stellt ausschließlich auf die Nähe des Auslegungsorts zum Geltungsbereich
der Norm ab. Dem funktionalen Aspekt der fachkundigen Beratung kann die
Verordnung nach § 6a Abs. 1 Satz 2 und 3 VerkG dadurch Rechnung tragen, daß
als verwahrende Behörde eine - auch entfernter liegende -Fachbehörde bestimmt
wird. Gerade für diesen Fall gilt das zusätzliche Erfordernis des Bereithaltend im
Geltungsbereich der Verordnung bzw. in größtmöglicher Nähe dieses
Geltungsbereichs nach § 6a Abs. 1 Satz 4 VerkG. Es bleibt dem Verordnungsgeber
unbenommen, die Vorschriftenteile zusätzlich bei der jeweils zuständigen unteren
Naturschutzbehörde bereitzuhalten (vgl. zu dieser Praxis bei der Bekanntmachung
von Rechtsverordnungen NaturschutzVO und LandschaftsschutzVO "Fuldatal bei
Konnefeld", a.a.O.). Diese Handhabung würde nach Auffassung des Senats auch
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Konnefeld", a.a.O.). Diese Handhabung würde nach Auffassung des Senats auch
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.1967,
BVerwGE 26, 129 <130>) und des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen
(Urteil vom 10.05.1989 - P.St. 1073 -DVBl. 1989, 656 = NVwZ 1989, 1153 =
StAnz. 1989, 1237) genügen, derzufolge die Ersatzverkündung nur dann mit dem
Rechtsstaatsprinzip in Einklang steht, wenn der Aufbewahrungsort der Karten nicht
ungebührlich weitab von dem Betroffenen liegt, worauf der 3. Senat des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluß vom 27.02.1990, a.a.O.).
zutreffend hingewiesen hat.
Wegen des Verfahrensmangels der nicht ordnungsgemäßen Verkündung ist die
Rechtsverordnung vom 06.11.1985 für nichtig zu erklären, ohne daß es noch einer
Prüfung bedarf, ob ihre inhaltliche Regelung rechtmäßig ist.
Die Voraussetzungen für die Vorlage der Sache an das Bundesverwaltungsgericht
gemäß § 47 Abs. 5 VwGO). liegen nicht vor.
Da der Antragsgegner unterlegen ist, hat er gemäß § 154 Abs. 1 VwGO). die
Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat bewertet
die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin aufgrund der von ihr geltend
gemachten Nachteile mit 4.000,-- DM.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.