Urteil des HessVGH vom 13.08.2001

VGH Kassel: aufenthaltserlaubnis, örtliche zuständigkeit, einreise, trennung, asylbewerber, präsidium, versorgung, staatsangehörigkeit, kreis, alter

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TJ 2176/01, 12 TJ
2235/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 1 AuslG 1990, § 17
Abs 1 AuslG 1990, § 23 Abs
1 AuslG 1990, § 36 AuslG
1990, § 44 Abs 1 AuslG
1990
(Aufenthaltsbeschränkung nach Asylverfahrensabschluss -
Beschwerdeausschluss nach AsylVfG 1992 § 80)
Gründe
Das mit Schriftsatz vom 23. Juli 2001 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden
Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2001 vorgebrachte
Rechtsschutzbegehren ist trotz der Formulierung ("Beschwerde") entsprechend
dem wirklichen Willen, insbesondere wegen der Geltendmachung "ernstlicher
Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses" zu Beginn der Begründung, als Antrag
auf Zulassung der Beschwerde auszulegen und als solcher zulässig (§ 146 Abs. 4
und 5 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO) und begründet.
Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Beschwerde könnten
allerdings insofern Bedenken bestehen, als Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten
nach dem Asylverfahrensgesetz gemäß § 80 AsylVfG - vorbehaltlich des hier nicht
einschlägigen § 133 VwGO - nicht mit der Beschwerde angefochten werden
können. Nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats und der
übrigen für Ausländer- und Asylrecht zuständigen Senate des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs gehören zu den Verfahren, in denen nach § 80 AsylVfG
die Beschwerde ausgeschlossen ist, auch alle selbständigen und unselbständigen
Nebenverfahren (vgl. etwa Hess. VGH, 03.02.1999 - 3 TZ 4241/98 -, 08.11.1999 - 6
TJ 2850/99.A -, 22.11.1998 - 7 TZ 3254/98 -, 30.11.1998 - 10 TZ 4030/98 -,
11.12.1997 - 12 TZ 4109/97 -, EZAR 630 Nr. 35 = NVwZ-Beil. 1998, 46 = DÖV
1998, 391, 20.01.1998 - 13 TZ 3765/97 -, NVwZ-Beil. 1998, 45). An der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung könnten allenfalls insofern Zweifel aufkommen,
als der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer asylrechtlichen
Abschiebungsandrohung zwar unter § 80 AsylVfG subsumiert worden ist, nicht
aber die gleichlautenden Anträge weiterer Familienangehöriger (Hess. VGH,
30.04.2001 - 3 TZ 757/01.A -) und das Präsidium des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs in einem Fall eine Asylverfahrensstreitigkeit
angenommen hat, in dem das Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen
Anordnung eine Ausländerbehörde zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für
einen ehemaligen Asylbewerber verpflichtet hatte, wobei mangels Bekanntgabe
der Gründe des Präsidiumsbeschlusses die dabei zugrundegelegten Kriterien
unklar erscheinen müssen.
Im vorliegenden Verfahren sprechen einige Gesichtspunkte für das Vorliegen einer
Rechtsstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne von § 80 AsylVfG, weil
die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zum einen die
Anordnung verlangt, der Ausländerbehörde die zwangsweise Durchsetzung der
Verlassenspflicht durch unmittelbaren Zwang zu untersagen, und zum anderen die
Verpflichtung der Ausländerbehörde begehrt, über ihren Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise zu entscheiden; denn beide Begehren
haben ebenso wie die angegriffenen Behördenentscheidungen ihren eigentlichen
Ursprung und Sitz in der Anwendung asylverfahrensrechtlicher Vorschriften. Die
Ausländerbehörde hat nämlich in ihrem Bescheid vom 21. März 2001 unter
Bezugnahme auf die während des Asylverfahrens der Antragstellerin ergangene
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Bezugnahme auf die während des Asylverfahrens der Antragstellerin ergangene
Zuweisungsentscheidung der Bezirksregierung Arnsberg die Antragstellerin
verpflichtet, den Landkreis Kassel, in dem sie sich der räumlichen Beschränkung
zuwider aufhalte, unverzüglich zu verlassen, und ihr für den Fall der
Nichtbeachtung bis zum 10. April 2001 die zwangsweise Durchsetzung der
Verlassenspflicht durch Einsetzung unmittelbaren Zwangs angedroht, und mit der
Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs
wäre die Abschiebungsandrohung in dem rechtskräftig gewordenen
Ablehnungsbescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 18. Juli 1997 gegenstandslos, weil die Ausreiseverpflichtung der
Antragstellerin damit entfiele. Gleichwohl hegt der beschließende Senat erhebliche
Bedenken gegen die Anwendung der Ausschlussvorschrift des § 80 AsylVfG, weil
die Ausländerbehörde ihre Verlassensaufforderung ausschließlich auf die
allgemeinen Vorschriften der §§ 36, 44 Abs. 6, 64 Abs. 2 AuslG gestützt und die
speziellen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 59 AsylVfG nicht
angewandt hat und weil es der Antragstellerin bei dem Begehren um eine
familienbezogene Aufenthaltserlaubnis um die Durchsetzung eines materiellen
Aufenthaltsanspruchs und nicht um die Beendigung einer
asylverfahrensrechtlichen Ausreiseverpflichtung geht.
Der Senat sieht hier trotz gewisser Zweifel die Voraussetzungen des § 80 AsylVfG
nicht als erfüllt an und bejaht deshalb seine eigene Zuständigkeit und nicht die des
3. Senats, der für Asylverfahren armenischer Staatsangehöriger zuständig ist. Er
hält diese Verfahrensweise für gerechtfertigt, weil sonst die Gefahr bestünde, dass
wirksamer Rechtsschutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, wenn zunächst
das Präsidium über die gerichtsinterne Zuständigkeit im vorliegenden Verfahren
betreffend Zulassung der Beschwerde wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe
entscheiden müsste und damit auch die alsbald notwendige Eilentscheidung des
Verwaltungsgerichts weiter verzögert würde.
Gegen die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses bestehen ernstliche Zweifel.
Solche Zweifel im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann
anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen
summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als
der Misserfolg (Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 625 Nr. 1 = NVwZ
1998, 195 = HessJMBl. 1997, 768; VGH Baden-Württemberg, 27.02.1998 - 7 S
216/98 -, VBlBW 1998, 378; OVG Berlin, 09.03.1999 - 4 SN 158.98 -). Die zur
Auslegung des Begriffs der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit in § 80 Abs.
4 Satz 3 VwGO und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entwickelten Grundsätze können
zur Auslegung von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Maßgabe herangezogen
werden, dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung weniger
eilbedürftig ist als die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach §
146 Abs. 4 VwGO sowie in abgabe- und asylrechtlichen Eilverfahren (§ 80 Abs. 4
Satz 3 VwGO, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Das
Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung anhand der mit dem Zulassungsantrag
vorgetragenen Beanstandungen zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel
hinreichende Aussicht auf Erfolg oder - anders formuliert - das erstinstanzliche
Gericht unrichtig entschieden hat (vgl. Sendler, DVBl. 1982, 157). Mit dieser
Auslegung wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe
des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an die gefestigte
Rechtsprechung zu dem Begriff der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Entscheidung (vgl. dazu Schenke, JZ 1996, 1155 m. Nachw. d. Rspr. u. der davon
abw. Lit. in Fußn. 729, 730; zu Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1
AsylVfG vgl. BVerfG, 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 = EZAR 632
Nr. 25) anzuknüpfen, die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. dazu Sendler,
a.a.O.) und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs.
13/3993 S. 13). Die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung ist aber damit nicht auf solche Fälle beschränkt,
die dem Rechtsmittelgericht grob ungerecht gelöst erscheinen (ähnlich Hess.
VGH, 17.02.1997 - 14 TZ 385/97 -); denn die für den Gesetzgeber ersichtlich
maßgebliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt eine derartige
qualifizierte materielle Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht voraus.
Die ernstlichen Zweifel müssen an der Richtigkeit des Ergebnisses der
erstinstanzlichen Entscheidung bestehen; ob sich die Entscheidung trotz formeller
oder materieller Fehler letztlich doch als richtig erweist, ist im Zulassungsverfahren
von Amts wegen anhand der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu prüfen (Hess.
VGH, 26.03.1998 - 6 TZ 4017/97 -,NVwZ-RR 1998, 777 = DVBl. 1998, 1033 =
ESVGH 48, 223 = InfAuslR 1998, 438 m.w.N.; Hess. VGH, 15.07.1997 - 13 TZ
1947/97 -, AuAS 1998, 6 = HessJMBl. 1997, 818; VGH Baden-Württemberg,
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1947/97 -, AuAS 1998, 6 = HessJMBl. 1997, 818; VGH Baden-Württemberg,
18.12.1997 - A 14 S 3451/97 -, NVwZ 1998, 414 = VBlBW 1998, 261; a. A. VGH
Baden-Württemberg, 22.10.1997 - NC 9 S 20/97 -, NVwZ 1998, 197). Veränderte
oder in erster Instanz nicht vorgetragene Tatsachen oder zwischenzeitliche
Rechtsänderungen können grundsätzlich nicht zur Begründung ernstlicher Zweifel
herangezogen werden (VGH Baden-Württemberg, 29.09.1999 - 7 S 1871/99 -,
VBlBW 2000, 109; Hess. VGH, 01.03.2000 - 6 TZ 214/00; OVG Nordrhein-
Westfalen, 05.11.1999 - 15 A 2923/99 -, NVwZ 2000, 334 = NWVBl. 2000, 140;
anders bei Rechtsänderung vor Ablauf der Zulassungsantragsfrist: Hess. VGH,
10.11.1999 - 5 UZ 2876/99 -, NVwZ 2000, 85).
Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die
Beiordnung von Rechtsanwalt Langefeld für das Antragsverfahren zu Unrecht
mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Soweit sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gegen die in dem Bescheid vom 21. März 2001 angedrohte
zwangsweise Durchsetzung der Verlassenspflicht durch unmittelbaren Zwang
wendet, hat dieser Antrag deswegen hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zwar die
während des Asylverfahrens angeordnete Aufenthaltsbeschränkung auf den Kreis
Gütersloh auch nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags und zweier
Folgeanträge fortwirkt (vgl. § 44 Abs. 6 AuslG; § 71 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG),
Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht aber in diesem Zusammenhang den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend beachtet haben. Das
Verlangen der Ausländerbehörde, die Antragstellerin solle entsprechend ihrer
Zuweisung während des Asylverfahrens den Landkreis Kassel verlassen, und die
Androhung der zwangsweisen Durchsetzung lassen außer Acht, dass die
Antragstellerin seit 21. Juni 2000 mit einem deutschen Staatsangehörigen
verheiratet ist und seit dieser Zeit zusammen mit ihm und dem am 12. Juli 2000
geborenen Kind im Landkreis Kassel lebt und mit der zwangsweisen Verbringung
der Antragstellerin eine unter dem besonderen Schutz von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG
stehende familiäre Lebensgemeinschaft auseinandergerissen würde. Durch die
Trennung der Familie würde der Antragstellerin sowohl die Führung der Ehe mit
ihrem deutschen Ehemann als auch die Ausübung der Personensorge über das
gemeinsame Kind, das ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und von
der Antragstellerin deren Angaben zufolge noch gestillt wird, zumindest für eine
gewisse Übergangszeit unmöglich gemacht. Wenn aber schon die kurzzeitige
Trennung eines ausländischen Vaters von seinem deutschen Kleinkind im Alter von
zwei Jahren im Blick auf Art. 6 GG nicht zu verantworten ist (vgl. BVerfG-Kammer,
31.08.1999 - 2 BvR 1523/99 -, EZAR 622 Nr. 37 = NVwZ-Beil. 2000, 59 betr. VG
Kassel, 23.07.1999 - 4 G 1922/99 -), dann gilt dies umso mehr, wenn die
ausländische Mutter von ihrem etwa 13 Monate alten Kind getrennt wird und außer
dessen sonstiger Versorgung und Betreuung sogar dessen natürliche Ernährung
unterbrochen wird. Nicht weniger unverhältnismäßig wäre eine Trennung in der
Weise, dass die Antragstellerin ihr Kind bei dem Verlassen des Landkreises Kassel
mitnimmt und dieses nicht nur der Betreuung seines Vaters entzieht, sondern
auch zusätzlich völlig ungewissen Lebensbedingungen aussetzt, weil keineswegs
gesichert ist, dass die Antragstellerin in dem ihr ursprünglich zugewiesenen
Aufenthaltsbezirk in Nordrhein-Westfalen eine Unterkunft und Versorgung findet, in
der auch ihr nicht zum Kreis der Asylbewerber gehörendes Kind seinem Alter
entsprechend versorgt werden kann. Hinzu kommt, dass - wie nachfolgend
auszuführen ist - gewichtige Bedenken auch gegen die Ansicht der
Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts bestehen, dass die Antragstellerin
das Visumsverfahren einzuhalten hat, und weil die Ausländerbehörde die
Verweigerung ihrer Zustimmung zum Zuzug der Antragstellerin in den Landkreis
Kassel ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützt.
Auch hinsichtlich der in dem weiteren Bescheid vom 21. März 2001
ausgesprochenen Weigerung einer Bescheidung der Genehmigungsanträge unter
Berufung auf die örtliche Unzuständigkeit verspricht die Rechtsverfolgung der
Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hinreichende
Erfolgsaussichten. Die Ausländerbehörde war gehalten, über die gestellten
Genehmigungsanträge zu entscheiden, und durfte sich nicht auf die Ablehnung
einer Bescheidung beschränken. Wenn sie ihre örtliche Zuständigkeit verneinen
wollte, hätte sie zumindest vorab die Antragstellerin wegen einer Zustimmung zur
Abgabe an die örtlich zuständige Behörde befragen müssen. Hätte die
Antragstellerin auf einer Bescheidung bestanden - und dies war aufgrund der
Äußerung im Anhörungsverfahren durchaus nicht sicher - blieb der
Ausländerbehörde um einer sachgerechten Antragsbehandlung Willen nur die
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Ausländerbehörde um einer sachgerechten Antragsbehandlung Willen nur die
Möglichkeit einer Sachentscheidung. Anderenfalls wäre der Antragstellerin die
Möglichkeit eröffnet worden, von der Ausländerbehörde des Landkreises Gütersloh
eine Bescheidung in der Sache zu erhalten. In beiden Fällen hätte der
Genehmigungsantrag mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Erfolg haben
müssen.
Zur Frage der Zustimmung der Ausländerbehörde in Gütersloh zu einem
Aufenthaltswechsel in den Landkreis Kassel und einer möglichen Zustimmung des
Landrats des Landkreises Kassel sowie zur Begründetheit des
Genehmigungsantrags ist festzustellen, dass gegen die Ausführungen zur
materiellen Rechtslage in dem ausländerbehördlichen Bescheid und dem
verwaltungsgerichtlichen Beschluss gewichtige Bedenken bestehen. Obwohl sich in
den vorliegenden ausländerbehördlichen Akten ein dahingehender schriftlicher
Genehmigungsantrag nicht feststellen lässt, ist zumindest für den gegenwärtigen
Verfahrensstand mit der hier für die Frage der Prozesskostenhilfe ausreichenden
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der erstmalig am 16. Juli 1998 ausgestellten
und dann zuletzt bis 30. September 2000 verlängerten ausländerbehördlichen
Bescheinigung über eine fiktive Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG ein
derartiger Genehmigungsantrag zugrundelag.
Da der Asylantrag der Antragstellerin zwar mit Bescheid des Bundesamts vom 18.
Juli 1997 abgelehnt worden war, die Zulassung der Berufung gegen das
entsprechende verwaltungsgerichtliche Urteil aber erst mit Beschluss des OVG
Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1998 abgelehnt wurde, ist jedenfalls nicht
ausgeschlossen, dass die Antragstellerin einen (damals auch mündlich zulässigen;
vgl. dazu jetzt Nr. 69.0.2 AuslG-VwV) Genehmigungsantrag zu einem Zeitpunkt
gestellt hat, in dem sie noch im Besitz einer Aufenthaltsgestattung war, wobei es
auf den Zeitpunkt des Erlöschens der Aufenthaltsgestattung nach § 67 Abs. 1 Nr.
6 AsylVfG ankommt und nicht darauf, dass tatsächlich die Bescheinigung über die
Aufenthaltsgestattung von der Ausländerbehörde in Gütersloh bis 22. Oktober
1998 verlängert worden ist. Besaß die Antragstellerin aber im Zeitpunkt ihres
Genehmigungsantrags eine Aufenthaltsgestattung, so hielt sie sich rechtmäßig in
Deutschland auf und konnte ihr Genehmigungsantrag die Aufenthaltsrechtsfiktion
des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG auslösen. Gegen diese Annahme könnte sprechen,
dass die Antragstellerin schon mit Schreiben vom 26. Juni 1998 zur Ausreise
aufgefordert worden war. Die zugrundeliegenden Verhältnisse hätten aber
zumindest durch eine Auskunft der Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh
aufgeklärt werden müssen, bevor Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht
Kassel die Rechtswidrigkeit der dann noch mehrmals verlängerten Bescheinigung
vom 16. Juli 1998 feststellen durften. Immerhin enthält die Behördenakte einige
Hinweise darauf, dass der Ausländerbehörde schon im Mai 1998 die Beziehungen
der Beschwerdeführerin zu dem späteren Ehemann und die Heiratsabsichten
bekannt waren. Da sich eine Ablehnung des in Gütersloh gestellten
Genehmigungsantrags nicht bei den Behördenakten befindet (und dieser Antrag
allenfalls mit dem ausländerbehördlichen Bescheid des Landkreises Kassel vom
20. März 2001 als abgelehnt angesehen werden könnte), hielt sich die
Antragstellerin danach jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt fiktiv erlaubt im
Bundesgebiet auf. Infolge dessen erwarb sie aufgrund der Eheschließung mit
einem deutschen Staatsangehörigen am 21. Juni 2000 einen Rechtsanspruch auf
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG, da sie
seither offenbar mit ihrem Ehemann in ehelicher Lebensgemeinschaft
zusammenlebt. Der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung steht zwar, wie
Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht zu Recht angenommen haben, der
absolute Versagungsgrund der Einreise ohne erforderliches Visum (§ 8 Abs. 1 Nr. 1
AuslG) entgegen, von dem auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG abgewichen
werden kann, weil die Antragstellerin bei ihrer Einreise wegen ihrer
Staatsangehörigkeit visumspflichtig war und nicht nur wegen des Zwecks oder der
Dauer des beabsichtigten Aufenthalts. Entgegen der Ansicht der
Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts darf der Antragstellerin aber eine
Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise aufgrund § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
DVAuslG erteilt werden, weil die Antragstellerin nach ihrer Einreise durch
Eheschließung im Bundesgebiet den erwähnten Rechtsanspruch auf
Aufenthaltserlaubnis erworben hat und aufgrund der Fiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1
AuslG sich im Zeitpunkt der Eheschließung zumindest bis Erlass des
ausländerbehördlichen Bescheids vom 20. März 2001 rechtmäßig im
Bundesgebiet aufhielt. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob
etwa die Ausreisepflicht oder die Abschiebungsandrohung des Bundesamts vom
18. Juli 1997 inzwischen nicht mehr vollziehbar war und deshalb eine
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18. Juli 1997 inzwischen nicht mehr vollziehbar war und deshalb eine
Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise auch aufgrund § 9 Abs. 2 Satz 2 DVAuslG
erteilt werden durfte. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass der
Antragstellerin inzwischen auch deswegen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise zusteht, weil sie sehr wahrscheinlich
hinsichtlich des am 12. Juli 2000 geborenen Kindes sorgeberechtigt ist (vgl. § 9
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG i. d. F. von Art. 1 Nr. 3 Bst. b der 10. Verordnung zur
Änderung der DVAuslG vom 02.12.2000, in Kraft seit 15.12.2000; BGBl. I S. 1682).
Das Verfahren wird gemäß § 124 Abs. 2 Satz 4 VwGO als Beschwerdeverfahren
fortgesetzt, ohne dass es der Einlegung einer Beschwerde bedarf. Angesichts der
Eilbedürftigkeit wird sogleich über die Beschwerde entschieden. Die notwendige
weitere Aufklärung kann im Eilverfahren selbst erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung von
Kosten findet nicht statt (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Gerichtsgebühren
werden nur in Höhe einer Festgebühr von 50,- DM fällig (entsprechen Nr. 2502 der
Anlage I zum GKG; vgl. VGH Baden-Württemberg, 16.10.1998 - 10 S 2222/98 - und
02.05.1995 - 9 S 3481/94 -; Hess. VGH, 08.09.1997 - 13 TJH 3004/97 -; OVG
Sachsen-Anhalt, 09.02.1998 - F 2 S 810/97 -, JMBl ST 1998, 442; OVG Thüringen,
23.07.1998 - 3 ZZO 161/97 -). Daher bedarf es auch keiner Streitwertfestsetzung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.