Urteil des HessVGH vom 04.05.1995

VGH Kassel: architektur, hessen, verordnung, verfügung, wissenschaft, fachhochschule, kunst, verminderung, lehrer, offenkundig

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Hk 24087/94.NC
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10 KapVO HE vom
29.06.1994, § 10
ZulZ1994/95V HE
(Kapazitätsberechnung: Anrechnung der Lehrleistungen
von Honorarprofessoren)
Gründe
Die Beschwerde, mit der die antragstellende Partei ihr Ziel weiterverfolgt, im Wege
einer einstweiligen Anordnung vorläufig zum Architekturstudium bei der
Antragsgegnerin im 1. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des
Wintersemesters 1994/95 zugelassen zu werden, hat Erfolg.
Durch die Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen an den
Hochschulen des Landes Hessen im Wintersemester 1994/95
(Zulassungszahlenverordnung 1994/95) vom 29. Juni 1994 (GVBl. I Seite 288) ist
die Zahl der Studienanfänger im Studiengang Architektur der Antragsgegnerin nur
auf 118 festgesetzt worden. Die Berechnung der Aufnahmekapazität der
Antragsgegnerin im Studiengang Architektur nach den Bestimmungen der
Kapazitätsverordnung - KapVO - vom 13. Januar 1994 (GVBl. I Seite 1) führt jedoch
zur Ermittlung zusätzlicher Studienplätze, die die Zulassung der antragstellenden
Partei ermöglichen.
Lehrangebot
Nach den von der Antragsgegnerin zu den Akten 7 Hk 24005/94 und 24088/94
vorgelegten Unterlagen ist bei der Berechnung des Lehrangebots von 22
Fachhochschullehrerstellen auszugehen. Zwar hat die Antragsgegnerin zu dem
Berechnungsstichtag (1. Februar 1994) nur 20 Planstellen und das Hessische
Ministerium für Wissenschaft und Kunst nur 21 Planstellen (10 Professoren C 3 und
11 Professoren C 2) zugrundegelegt. Aus dem "Vorlesungsverzeichnis und
Personalverzeichnis Winter 1994/95" ergibt sich jedoch, daß 22
Fachhochschullehrerstellen vorhanden sind. Wenn die Antragsgegnerin
demgegenüber geltend macht, die 22. Stelle sei erst am 01.09.1994 besetzt
worden, verkennt sie, daß bei der Kapazitätsberechnung auf die verfügbaren
Stellen abzustellen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KapVO) und nicht darauf, ob diese Stellen
besetzt sind und wann dies erkennbar wurde. Es kann auch offen bleiben, wann der
Antragsgegnerin die 22. Fachhochschullehrerstelle zugewiesen wurde, denn
jedenfalls bei der Drucklegung des Vorlesungsverzeichnisses (nach Angaben der
Antragsgegnerin Ende Juli/ Anfang August 1994) war offenkundig, daß sie zum
Wintersemester zur Verfügung stehen werde. Damit war diese wesentliche
Änderung vor dem Vergabetermin für das Wintersemester 1994/95 erkennbar und
daher gemäß § 5 Abs. 2 KapVO zu berücksichtigen. Die 22. Stelle hätte gemäß § 8
Abs. 3 KapVO nur dann nicht berücksichtigt werden können, wenn sie aus
haushaltsrechtlichen Gründen nicht besetzbar gewesen wäre. Sie war jedoch
besetzbar und besetzt.
Die Multiplikation der 22 Fachhochschullehrerstellen mit dem Lehrdeputat von 18
SWS je Stelle ergibt 396 Semesterwochenstunden (SWS). Rechtsgrundlage für die
Berechnung ist § 6 KapVO in Verbindung mit Anlage 1 Nr. I.1 zur KapVO. Das
Lehrdeputat ist die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzte
Regellehrverpflichtung, die für Fachhochschullehrer in der Verordnung über den
Umfang der Lehrverpflichtungen der Fachhochschullehrer und der sonstigen
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Umfang der Lehrverpflichtungen der Fachhochschullehrer und der sonstigen
Lehrer an Fachhochschulen vom 18. Dezember 1975 (GVBl. I Seite 335) festgelegt
ist (§ 9 Abs. 1 KapVO).
Gemäß § 9 Abs. 2 KapVO ist das Lehrangebot nach Maßgabe der Verordnung über
den Umfang der Lehrverpflichtungen der Fachhochschullehrer zu vermindern. Die
Antragsgegnerin sowie das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sind
bei der Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität zutreffend von einer
Verminderung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1c um 9 Wochenstunden (Fachbereich mit mehr
als 500 Studenten) ausgegangen. Nach den Angaben in den
Schwundberechnungen für die Studiengänge Architektur und Innenarchitektur ist
davon auszugehen, daß dem Fachbereich über 500 Studierende angehören.
Weitere Kapazitätsverminderungen sind im Rahmen des § 9 Abs. 2 KapVO in
Verbindung mit der Verordnung über den Umfang der Lehrverpflichtungen der
Fachhochschullehrer und der sonstigen Lehrer an Fachhochschulen nicht
vorgesehen, so daß dienstrechtliche Verminderungen der Regellehrverpflichtung,
wie sie etwa für Schwerbehinderte erfolgen können, die Kapazitätsermittlung nicht
beeinflussen. Auch nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Staatsvertrages über die
Vergabe von Studienplätzen vom 12. März 1992 (GVBl. 1993 Seite 161) sind nur
die "festgelegten Reduzierungen" zu berücksichtigen.
Lehrauftragsstunden sind nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten
Unterlagen im Umfang von 36 SWS gemäß § 10 Satz 1 KapVO bei der Berechnung
des Lehrangebots zu berücksichtigen.
In entsprechender Anwendung des § 10 sind weiter 2 SWS Pflichtlehre eines
Honorarprofessors zu berücksichtigen. Die seitens der Antragsteller vertretene
Auffassung, bei einem Honorarprofessor an einer Fachhochschule müsse eine
höhere Stundenzahl angesetzt werden, kann nicht gefolgt werden.
Honorarprofessoren haben kein "Lehrdeputat", das heißt keine dienstrechtlich
festgelegte Lehrverpflichtung. Sie sind zwar nach § 31 Abs. 1 Satz 3 "berechtigt
und verpflichtet, an der Fachhochschule zu lehren". Insoweit handelt es sich jedoch
um eine hochschulrechtliche Verpflichtung, deren Verletzung nur zur Folge hat,
daß sie das Recht, die Bezeichnung "Honorarprofessor" zu führen, verlieren (§ 31
Abs. 2 Satz 1). Außerdem sind Honorarprofessoren weder verpflichtet, jedes
Semester zu lehren, noch Lehrveranstaltungen im Pflichtlehrbereich
durchzuführen. Infolgedessen sind ihre Lehrleistungen nicht aufgrund eines
Lehrdeputats, sondern nur in entsprechender Anwendung des § 10 KapVO nach
Maßgabe der tatsächlich erbrachten Lehre im Pflichtlehrbereich zu
berücksichtigen.
Insgesamt errechnet sich ein Lehrangebot der Lehreinheit Architektur in
Deputatstunden von 425 SWS.
Dienstleistungen
Nach der Studienordnung des Fachbereichs Bauingenieurwesen der
Fachhochschule Darmstadt vom 06. Dezember 1991 (ABl. 1992, 132) in der
Fassung vom 14. April 1994 (ABl. Seite 1056) gehören zu den
Pflichtveranstaltungen die Vorlesungen Baukonstruktion I und II mit jeweils 2 SWS.
Nach Anlage 1 Nr. II des "Kapazitätserlasses" des Hessischen Ministeriums für
Wissenschaft und Kunst vom 17. Februar 1994 für die Ermittlung der jährlichen
Aufnahmekapazität für das Studienjahr 1994/95 ist bei Vorlesungen an
Fachhochschulen die Lehrveranstaltungsart K zugrundezulegen und somit von
einer Betreuungsrelation von 60 und einem Anrechnungsfaktor 1 auszugehen, so
daß sich der Curricularanteil nach der Formel "Zahl der Lehrveranstaltungsstunden
x Anrechnungsfaktor : Betreuungsrelation" wie folgt errechnet:
4 SWS x 1 : 60 = 0,0667.
Soweit die Antragsgegnerin bei der Berechnung des Dienstleistungsexports von
einer Studienanfängerzahl von 232 ausgegangen ist, ist dies im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Zwar ist durch die Zulassungszahlenverordnung 1994/95 für den
Studiengang Bauingenieurwesen eine Zulassungszahl von nur 175 festgesetzt
worden. Daß es sich dabei nicht etwa nur um einen "Richtwert" handelt, wie die
Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 29. März 1995 meint, sondern nach der
kapazitätsrechtlichen Terminologie um eine Höchstzahl, ergibt sich aus Art. 7 Abs.
1 Satz 2 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen. Wenn
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1 Satz 2 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen. Wenn
dennoch ein Verteilungsverfahren stattgefunden hat, obwohl der Studiengang
Bauingenieurwesen für das Wintersemester 1994/95 nicht nach Art. 1 Abs. 2 des
Staatsvertrages dem Verfahren der Zentralstelle für die Fachhochschulen des
Landes Hessen unterlag (vgl. Anlage 1a zur Vergabeverordnung ZVS vom 10.
Januar 1994 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 27. Juni 1994, GVBl. I S.
287) und tatsächlich 231 Studierende bei der Antragsgegnerin eingeschrieben
worden sind, dann besteht keine Veranlassung gemäß § 5 Abs. 2 KapVO von der
für den Zeitraum vor dem Vergabestichtag (01. Februar 1994) ermittelten
Studienanfängerzahl 232 abzuweichen, weil die Zahl der 231 zum Wintersemester
1994/95 zugelassenen Studierenden keine wesentliche, sondern nur eine
unwesentliche Änderung darstellt.
Infolgedessen ist der Dienstleistungsexport aus dem rechnerischen Durchschnitt
der Studienanfänger pro Semester (232 : 2) durch Multiplikation mit dem
Schwundfaktor und dem Curricularanteil wie folgt zu errechnen:
232 : 2 x 0,8949 x 0,0667 = 6,9240.
Danach errechnet sich ein bereinigtes Lehrangebot je Semester von 418,0760
SWS.
Ausfüllung des Curricularnormwerts, Anteilquoten und gewichteter Curricularanteil
In ihrer Stellungnahme zu der Verfügung des Verwaltungsgerichts Darmstadt hat
die Antragsgegnerin am 23. November 1994 eine CNW-Berechnung vorgelegt und
ist dabei im Bereich der Lehreinheit Architektur für den Studiengang Architektur zu
folgenden Curricularanteilen gelangt:
Pflichtbereich
4,9139
Wahlpflichtbereich 0,0940
Diplomarbeit
0,4064
BPS-Betreuung
0,2000
5,6143
Bei den Berechnungen für den Pflichtbereich hat sie für die Vorlesungen in
Gebäudekunde I bis IV mit Stehgreif 4 SWS bei einer Gruppengröße von 35
zugrundegelegt. Hier ist nach dem Kapazitätserlaß von einer Gruppengröße von
60 auszugehen (k = 18), so daß sich eine Verminderung um 0,0475 errechnet. Für
die Diplomarbeit gilt ein Betreuungsfaktor 0,4 (k = 30). Hinsichtlich der "BPS-
Betreuung" hat die Antragsgegnerin auf die Bitte darzulegen, welche
Lehrleistungen der Berechnung dieses Curricularanteils zugrundelägen, erklärt, es
handele sich dabei um die Einzelbetreuung am Praxisplatz, dh für auftretende
Fragen und Probleme am Praxisplatz, die klärungsbedürftig und
erörterungsbedürftig seien, stehe der Seminarleiter den Studenten zur Verfügung.
Da die berufspraktischen Studiensemester jedoch von zweistündigen Seminaren
begleitet werden, in denen nach der Äußerung des Vorsitzenden des
Prüfungsausschusses des Fachbereichs Architektur vom 15. März 1995 "die
individuellen Erfahrungen der Studenten in seminaristischer Form gesammelt und
verarbeitet werden, bleibt unklar, wie die "BPS- Betreuung" im einzelnen gestaltet
ist und woraus sich der von der Antragsgegnerin dafür angesetzte
Curricularnormwertanteil von 0,2000 ableiten läßt. Insoweit bedürfte es genauerer
Darlegungen.
Die etwas zu hohen Ansätze und verbleibenden Zweifelsfragen sind jedoch nicht
entscheidungserheblich, denn selbst wenn der Senat von einem
Curriculareigenanteil der Lehreinheit Architektur für den Studiengang Architektur
von 5,6143 ausgeht, hat die Beschwerde Erfolg. Nach den von der
Antragsgegnerin für das Wintersemester 1993/94 angegebenen
Studienanfängerzahlen für den Studiengang Architektur (146) und den
Studiengang Innenarchitektur (62), errechnen sich Anteilquoten von 70,19 bzw.
29,81, die multipliziert mit den Eigenanteilen 3,9408 bzw. 1,6971 ergeben. Die
Summe dieser Produkte ergibt den gewichteten CNW-Eigenanteil (vgl. Zeilen 10
bis 15 des Berechnungsbogens am Ende dieses Beschlusses). Unter
Berücksichtigung des Eigenanteils und der Anteilsquote errechnet sich eine
jährliche Aufnahmekapazität von 104,1014 (vgl. Zeilen 16 bis 18 des
Berechnungsbogens).
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Überprüfung des Berechnungsergebnisses
Im Rahmen der Überprüfung des Berechnungsergebnisses ist gemäß § 14 Abs. 3
Nr. 3 i. V. m. § 16 KapVO die Zahl der Studienanfänger zu erhöhen, denn es ist zu
erwarten, daß wegen Aufgabe des Studiums, Fachwechsels oder
Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studenten in höheren
Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote).
Das Verwaltungsgericht hat den Schwundfaktor zutreffend mit 0,8274 errechnet.
Die Teilung der jährlichen Aufnahmekapazität durch den Schwundfaktor ergibt
125,8, gerundet 126 Studienplätze. Da nach den Angaben der Antragsgegnerin im
Schriftsatz vom 29. März 1995 unter Nr. V am 21. November 1994 nur 122
Studierende eingeschrieben waren, schon damals 4 Studienplätze wieder
verfügbar, die die Antragsgegnerin gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über
die Vergabe von Studienplätzen in zulassungsbeschränkten Studiengängen
außerhalb zentraler Verfahren an den Hochschulen des Landes Hessen
(Vergabeverordnung Hessen vom 28. Juni 1991, GVBl. I S. 238, in der Fassung der
Änderungsverordnung vom 21. Dezember 1994, GVBl. I. 1995 S. 14) hätte
vergeben können. Da im Rahmen der vom Senat errechneten Kapazität
Studienplätze wieder verfügbar geworden sind, die als Restkapazität hätten
vergeben werden können, und die Zahl der noch anhängigen Verfahren diese
"Reststudienplätze" nicht übersteigt, kann die antragstellende Partei ihre
Zulassung nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 1994/95
beanspruchen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu
tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf entsprechender Anwendung des § 14
Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. §§ 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.