Urteil des HessVGH vom 04.10.1989
VGH Kassel: vorläufiger rechtsschutz, vertreter, qualifikation, beteiligungsrecht, probe, beamter, ermessensausübung, behandlung, entstehungsgeschichte, druck
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 2058/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 62 Abs 3 S 3 PersVG HE
vom 24.03.1988
(Beteiligung des Hauptpersonalrats im Auswahlverfahren)
Leitsatz
Die im Rahmen der Eignungsauswahl im Kultusministerium stattfindenden Gespräche
mit Bewerbern um ein Beförderungsamt stellen ein Auswahlverfahren i.S.d. § 62 Abs. 3
S 3 HPVG F. 1988 dar.
Der zuständige Hauptpersonalrat ist in angemessener Frist vorher über die Termine der
Auswahlgespräche zu informieren, damit der darüber beschließen dann, ob er gemäß §
62 Abs. 3 S. 3 HPVG F. 1988 einen Vertreter zu den Gesprächen entsendet.
Gründe
Auf die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist der erstinstanzliche
Beschluß aufzuheben und die begehrte einstweilige Anordnung mit dem aus dem
Tenor ersichtlichen Inhalt zu erlassen.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Der
Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner
beabsichtigt, die Stelle des stellvertretenden Leiters der Friedrich-Ebert-Schule in
Pfungstadt mit der Beigeladenen, nicht aber mit dem Antragsteller zu besetzen.
Mit der Besetzung der Stelle und der dann folgenden Übertragung des
entsprechenden statusrechtlichen Amtes wäre das Auswahlverfahren
abgeschlossen; die Bewerbung des Antragstellers um diese Stelle würde
gegenstandslos. Vorläufiger Rechtsschutz kann dem Antragsteller deshalb nur
über § 123 Abs. 1 VwGO gewährt werden, zumal der beschließende Senat die
Zulässigkeit der sogenannten Konkurrentenklage und damit die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO verneint (vgl. Hess.VGH,
Beschluß vom 18.2.1985 - 1 TG 252/85 -, NJW 1985, 1103 = ESVGH 35, 315 Nr.
172; Urteil vom 27.2.1985 - I DE 58/80 -, ZBR 1985, 258).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller auch
einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat durch die
Art und Weise der Auswahl der Beigeladenen für die zu besetzende Stelle von
seinem Ermessen in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht und dadurch den
Antragsteller in seinem sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt, der
einen Anspruch auf eine faire, chancengleiche Behandlung mit fehlerfreier
Ermessensausübung und unter Einbehaltung des eventuell gesetzlich
vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und
Beteiligungsrechte umfaßt (vgl. Hess.VGH, Beschluß vom 18.2.1985 - 1 TG 252/85
- a.a.O., Beschluß vom 27.3.1986 - 1 TG 678/86 -, ZBR 1986, 205 und Beschluß
vom 29.1.1987 - 1 TG 3162/86 -).
Durch die Entscheidung des Hessischen Kultusministeriums zugunsten der
Beigeladenen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt
worden, denn das gesetzliche Beteiligungsrecht des Hauptpersonalrats ist nicht in
dem gebotenen Umfang beachtet worden. Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 des
Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24.3.1988 (GVBl. I S. 103) - HPVG -
kann ein Vertreter des Personalrats an Aufnahmetests oder Auswahlverfahren,
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kann ein Vertreter des Personalrats an Aufnahmetests oder Auswahlverfahren,
denen sich Bewerber zu unterziehen haben, teilnehmen. Nach Auffassung des
Senats stellen die im Rahmen der Eignungsauswahl im Kultusministerium
stattfindenden Gespräche mit Bewerbern um ein Beförderungsamt ein
Auswahlverfahren im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 3 HPVG dar. Die Vorschrift gilt
nach ihrem Wortlaut nicht nur für Bewerber für eine Einstellung als
Beamtenanwärter oder Beamter auf Probe, sondern umfaßt auch die Bewerber für
ein Beförderungsamt. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht für
diese Auslegung. Nach der entsprechenden früheren gesetzlichen Regelung in §
57 Abs. 3 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 2.1.1979 (GVBl. I S.
2) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Hessischen
Personalvertretungsgesetzes und des Hessischen Richtergesetzes vom 11.7.1984
(GVBl. I S. 181) - HPVG F. 1984 - mußte bei Aufnahmetests oder Auswahlen,
denen sich Bewerber für eine Einstellung oder eine Ausbildung zu unterziehen
hatten, dem Prüfungsgremium ein vom Personalrat benannter Vertreter
angehören (Satz 2). Bei Auswahlverfahren zur Besetzung eines Amts mit
Funktionsbezeichnung hatte ein Vertreter des Personalrats am Auswahlverfahren
teilzunehmen (Satz 3). Wenn vor dem Hintergrund dieser differenzierten früheren
Regelung der Gesetzgeber nunmehr in § 62 Abs. 3 Satz 3 HPVG u.a. bestimmt
hat, daß ein Vertreter des Personalrats - ohne Einschränkung - an Aufnahmetests
oder Auswahlverfahren teilnehmen kann, so gilt diese Regelung umfassend für alle
Auswahlverfahren, denen sich Bewerber, gleichgültig ob für die Einstellung oder für
ein Beförderungsamt, zu unterziehen haben. Die (fakultative) Teilnahme eines
Vertreters des Personalrats erscheint geeignet, den auf den Bewerbern lastenden
psychischen Druck zu verringern; sie trägt auch zu einer größeren Transparenz
des Auswahlverfahrens bei (vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 6.12.1978 - 6 P 2.78
-, ZBR 1979, 242).
Die im Kultusministerium im Einzelfall stattfindenden Gespräche mit den
Bewerbern um ein Beförderungsamt sind neben dem vom jeweiligen
Regierungspräsidenten durchgeführten Auswahlverfahren wesentliche Grundlage
für die Eignungsauswahl des Ministeriums. In dem Gespräch erhalten die
betreffenden Beamten des Kultusministeriums einen persönlichen Eindruck von
der Qualifikation der Bewerber für die zu besetzende Beförderungsstelle. Wie der
Antragsgegner selbst vorträgt, dienen die Gespräche auch der Überprüfung der
Ergebnisse des vorgeschalteten Auswahlverfahrens des betreffenden
Regierungspräsidenten. Dem Senat ist aus früheren Verfahren bekannt, daß das
Kultusministerium auf Grund der Überprüfungsgespräche nicht selten zu einem
anderen Eignungsurteil gelangt als der Regierungspräsident in seinem
Würdigungsbericht über das von ihm durchgeführte Auswahlverfahren. Auch im
vorliegenden Fall hat das Ministerium nach den Gesprächen mit den Bewerbern
deren Qualifikation anders beurteilt als der Regierungspräsident in Darmstadt.
Entgegen seiner Auffassung hätte der Kultusminister somit einem Vertreter des
Personalrats die Möglichkeit der Teilnahme an den Auswahlgesprächen einräumen
müssen. Zuständiger Personalrat ist der betreffende Hauptpersonalrat. Der Senat
überträgt insoweit die für Prüfungen geltende Regelung in Satz 1 des § 62 Abs. 3
HPVG auf die Bestimmung für Auswahlverfahren in Satz 3 der Vorschrift. Die
Dienststelle, die das Auswahlverfahren durchführt, hat deshalb den Personalrat,
der für die Beschäftigten ihres Bereichs zuständig ist - das Kultusministerium also
den Hauptpersonalrat, die Regierungspräsidenten den betreffenden
Bezirkspersonalrat -, in angemessener Frist vorher über die Termine des
Auswahlverfahrens zu informieren, damit dieser darüber beschließen kann, ob er
gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 HPVG einen Vertreter zu den Auswahlgesprächen
entsendet.
Die Auswahlentscheidung des Kultusministeriums zugunsten der Beigeladenen ist
darüber hinaus auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil das im Verhältnis zur
Beigeladenen negative Eignungsurteil über den Antragsteller maßgeblich damit
begründet worden ist, daß es zweifelhaft sei, ob der Antragsteller den
erforderlichen Rollenwechsel vom Personalratsvorsitzenden zu einem
Schulleitungsmitglied konfliktlos vollziehen könne. Diese Pauschale, nicht näher
begründete Bewertung widerspricht dem gesetzlichen Benachteiligungsverbot des
§ 64 Abs. 1 HPVG. Nach dieser Vorschrift darf ein Personalratsmitglied wegen
seiner Tätigkeit nicht benachteiligt werden, wobei dies ausdrücklich auch für seine
berufliche Entwicklung gilt.
Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des gesamten
Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung hinsichtlich der
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Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung hinsichtlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen folgt aus § 162 Abs. 3 VwGO. Die
Billigkeit gebietet es nicht, außergerichtliche Kosten der Beigeladenen auch nur
zum Teil den übrigen Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen. Die
Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und deshalb nicht am Kostenrisiko
teilgenommen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Außerdem berücksichtigt der Senat, daß
die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen auf einem fehlerhaften
Verfahren beruht.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 analog i.V.m. §§ 13 Abs. 1 Satz 2,
20 Abs. 3, 25 Abs. 1 GKG. Der Streitwert entspricht dem Betrag, den der Senat in
ständiger Rechtsprechung in Verfahren festsetzt, bei denen es - wie hier -
zunächst nur um die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs betreffend
die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens ohne gleichzeitige Beförderung
geht.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.