Urteil des HessVGH vom 30.01.1991

VGH Kassel: erneuerung, fahrbahn, zustand, wirtschaftliche einheit, besonderer vorteil, wesentliche veränderung, wiederherstellung, grundstück, umbau, stadt

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 2828/88
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 KAG HE, § 11
Abs 3 KAG HE
(Straßenbaubeitrag - Verbesserungsbedürfnis bei
verbesserndem Umbau und Ausbau)
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks B.
Straße ... im Stadtgebiet der Beklagten. Das aus den Flurstücken und ...
zusammengesetzte Grundstück liegt im Hintergelände der B. Straße und ist mit
dieser durch eine über die Vordergrundstücke B. Straße ... und ... führende
Zuwegung verbunden. Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen
die Heranziehung zu einem Straßenbeitrag für Straßenbauarbeiten, die die
Beklagte im Jahre 1980 in dem Abschnitt der B. Straße zwischen U. Straße und G.
straße hat durchführen lassen.
Die B. Straße war in dem genannten Abschnitt erstmals in den Jahren 1953
(Strecke zwischen U. Straße und einem von Norden einmündenden Stichweg) und
1956 (Fortsetzung der Straße bis zur G. straße) als Erschließungsanlage
hergestellt worden. Die damals hergestellte Fahrbahn setzte sich aus einer auf
dem Erdplanum aufgebrachten -- etwa 20 cm starken -- Basaltpacklage aus
gebrochenem Hartgestein, einer 12 cm starken gewalzten Schotterdecke mit
Sandabdeckung und einer "Volltränkdecke" aus Straßenteer und Edelsplitt
zusammen. Die Bürgersteige bestanden aus einer 8-10 cm starken
Schotterschicht und einer Decke aus Straßenteer und Edelsplitt.
Im Jahre 1963 wurde die B. Straße über die G. -- straße hinaus bis zum B. Weg
weitergeführt. In dem alten Streckenabschnitt zwischen U. Straße und G. -- ...
straße wurde in den Jahren 1969/1970 ein neuer Kanalhauptsammler verlegt.
Diese Arbeiten machten es erforderlich, die Fahrbahn zu etwa 60% aufzureißen. Im
Zusammenhang hiermit erhielt die Fahrbahn im Jahre 1972 einen neuen
Deckenüberzug.
Die im Jahre 1980 durchgeführten Straßenbauarbeiten im Bereich der B. Straße
zwischen U. Straße und G. -- straße bestanden darin, daß der vorhandene
Straßenbaubestand insgesamt entfernt und durch neues Material mit neuem
Aufbau ersetzt wurde. Die Fahrbahn erhielt als unterste Schicht eine ca. 30 cm
starke Frostschutzschicht, darüber eine 14 cm starke Asphalttragschicht, sodann
eine Binderschicht aus 5 cm starkem Asphaltfeinbeton und schließlich eine Deck-
oder Verschleißschicht aus 3,5 cm starkem Asphaltfeinbeton. Die Bürgersteige
erhielten als Unterbau eine 20 cm starke Hartgesteinschicht, darüber eine Schicht
aus 3-5 cm starkem Kiessand und -- als Oberflächenbefestigung -- eine
Pflasterung aus 8 cm dickem Beton-Doppelverbundsteinen. Außerdem wurden die
alten Bordsteine durch neue Betonbordsteine ersetzt.
Mit Beschluß vom 26. April 1982, der in den Tageszeitungen T., T. und F. ... jeweils
in der Ausgabe vom 4. Mai 1982 öffentlich bekanntgemacht wurde, stellte der
Magistrat der Beklagten die Fertigstellung der "Verbesserungsmaßnahme in der
Straße B. Straße (Teilstück zwischen U. Straße und G. straße) ... mit Wirkung vom
21. 4.1981" fest. Hieran anknüpfend zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid
vom 28. Juni 1982 auf der Grundlage ihrer Straßenbeitragssatzung vom 20. März
1978, geändert durch Satzung vom 18. Dezember 1981, i.V.m. §§ 1, 2 und 11 KAG
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1978, geändert durch Satzung vom 18. Dezember 1981, i.V.m. §§ 1, 2 und 11 KAG
zu einem Straßenbeitrag in Höhe von 2.656,72 DM heran. Die Klägerin erhob
daraufhin am 2. Juli 1982 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.
November 1985 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück; gleichzeitig erhöhte
sie den von der Klägerin zu zahlenden Straßenbeitrag unter Abänderung des
Beitragsbescheides vom 28. Juni 1982 auf 5.453,76 DM. Die Erhöhung begründete
sie damit, daß bei der ursprünglichen Veranlagung irrigerweise nur die Fläche des
623 qm großen Flurstücks 122/4 und nicht auch die Fläche des 757 qm großen
Flurstücks 121/24, welches zusammen mit dem erstgenannten Flurstück die für
die Veranlagung maßgebliche wirtschaftliche Einheit bilde, berücksichtigt worden
sei.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 25. November 1985 erhob die
Klägerin am 23. Dezember 1985 Klage. Sie machte im Klageverfahren geltend:
Der Erhebung von Straßenbeiträgen für die Erneuerung des Abschnitts der B.
Straße zwischen U. Straße und G. straße im Jahre 1980 stehe entgegen, daß
dieser Straßenabschnitt nicht in beitragsrelevanter Weise erneuerungsbedürftig
gewesen sei. Die Fahrbahn habe sich auf Grund der erst im Jahre 1972
durchgeführten Straßenbauarbeiten in einem befriedigenden Zustand befunden
und keinerlei Beschädigungen und Unebenheiten aufgewiesen. Dies belege ein von
der B. Straße vor dem Ausbau im Jahre 1980 erstelltes Foto. Der auf dem Foto zu
sehende Zustand der Fahrbahn sei auf keinen Fall schlechter als der Zustand, den
die B. Straße auch jetzt -- nach Durchführung der Erneuerungsarbeiten im Jahre
1980 -- aufweise. Nur die Bürgersteige im fraglichen Straßenabschnitt hätten sich
bei Durchführung der streitigen Erneuerungsarbeiten in einem mangelhaften
Zustand befunden. Die Erhebung von Straßenbeiträgen scheide aber auch hier
aus. Der schlechte Zustand der Bürgersteige gehe nämlich auf die jahrelange
Verletzung der Instandhaltungsverpflichtung der Stadt zurück. Die Stadt habe es
unterlassen, nach der Durchführung von Leitungsverlegungsarbeiten im Bereich
der Bürgersteige darauf zu achten, daß die Bürgersteigdecke ordnungsgemäß
geschlossen und wiederhergestellt werde. Als Folge mangelhafter
Reparaturarbeiten sei es dann zu Folgeschäden wie Frostaufbrüchen gekommen.
Eine Erneuerung, die ihren Grund allein in einem aufgestauten Reparaturbedarf
habe, sei nicht beitragsfähig.
Die verbesserte Qualität, die die Straßenanlage durch die im Jahre 1980
durchgeführten Straßenbauarbeiten erhalten habe, rechtfertige als solche
ebenfalls nicht die Erhebung von Straßenbeiträgen. Der Einbau der bislang
fehlenden Frostschutzschicht habe keine beitragsrelevante Verbesserung bewirkt,
da schon der ursprüngliche Straßenbaubestand bei ordnungsgemäßer
Durchführung der erforderlichen Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten nicht
frostgefährdet gewesen sei. Soweit das neue Straßenprofil im Bereich der
Fahrbahn und die Pflasterung der Bürgersteige mit Verbundsteinpflaster die
Durchführung künftiger Reparaturarbeiten erleichterten, führe dies zu Vorteilen für
die Beklagte, nicht jedoch für die Anlieger. Ein besonderer Vorteil für die Anlieger
könne auch nicht mit größerer Geräuscharmut der neuen Fahrbahndecke
begründet werden. Die 1980 aufgebrachte rauhere Fahrbahndecke führe im
Vergleich mit der früheren Asphaltfeinbetondecke im Gegenteil zu einem höheren
Abrollgeräusch beim Befahren durch Kraftfahrzeuge; die Situation für die Anlieger
habe sich dadurch nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Die Klägerin beantragte,
den Straßenbeitragsbescheid vom 28. Juni 1986 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 21. November 1985 aufzuheben und die
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie verwies zur Begründung auf ihren Schriftsatz vom 3.Februar 1988 im
Parallelverfahren G. B. e.G. ./. Stadt B. (VG Frankfurt am Main I/3 E 2921/85 =
Hess. VGH 5 UE 2829/88), in dem es heißt: Das gute Aussehen der
Fahrbahnoberfläche im streitigen Abschnitt der B. Straße auf dem vorgelegten
Foto sei mit dem provisorischen Gesamtüberzug der Fahrbahn nach Verlegung
des Kanalhauptsammlers im Jahre 1972 zu erklären. Die Notwendigkeit einer
grundlegenden Erneuerung des gesamten Straßenaufbaus einschließlich des
Unterbaus habe diese Maßnahme der Instandsetzung aber nicht entfallen lassen.
Der in den 50er Jahren durchgeführte Ausbau der B. Straße und das dabei
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Der in den 50er Jahren durchgeführte Ausbau der B. Straße und das dabei
verwendete Material hätten den gestiegenen Verkehrsanforderungen nicht mehr
genügt. Eine Verstärkung insbesondere des Unterbaus sei dringend erforderlich
gewesen, um künftig ständige Flickarbeiten zu vermeiden. Der Stadt könne auch
nicht eine Vernachlässigung ihrer Unterhaltungs- und Überwachungspflicht bei den
Gehwegen zur Last gelegt werden. Mit einer nur provisorischen Schließung von
Versorgungsleitungsgräben habe man sich seinerzeit deshalb einverstanden
erklärt, weil die gesamte Straße einschließlich der Gehwege ohnehin zur
grundlegenden Erneuerung angestanden habe. Bei der Fahrbahn sei aus Gründen
der Verkehrssicherheit -- bessere Griffigkeit -- ein rauherer Fahrbahnbelag gewählt
worden. Soweit die B. Straße nach der grundlegenden Erneuerung im Jahre
1980/81 wieder leichte Schäden aufweise, würden diese im Rahmen der
Unterhaltungsverpflichtung der Stadt noch beseitigt werden.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hob mit Urteil vom 26. Mai 1988 -- I/3 E
2961/85 -- die angefochtenen Bescheide auf. Zur Begründung heißt es in den
Entscheidungsgründen: Die Heranziehung der Klägerin zu Straßenbeiträgen sei
rechtswidrig, da es an der Erfüllung eines Straßenbeitragstatbestandes nach § 11
KAG fehle. Bei der 1980 durchgeführten Straßenbaumaßnahme handele es sich
nicht um den Fall eines beitragsfähigen Ausbaus, da eine funktionelle oder
räumliche Erweiterung der Straßenanlage nicht vorgenommen worden sei. Ein
beitragsfähiger Umbau liege ebenfalls nicht vor. Hiervon könne nur dann
gesprochen werden, wenn eine grundlegend erneuerungsbedürftige Straße mit
verbessernder Wirkung erneuert werde. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof
habe das Erfordernis der Verbesserung in seinem Beschluß vom 26. Januar 1988 --
5 TH 601/85 -- dahin erläutert, daß unnötige, gewissermaßen sachfremde Um- und
Ausbauarbeiten eine Beitragspflicht nicht auslösen könnten. Die Kammer sehe
unter Fortschreibung dieser Entscheidung als sachfremd auch solche
Straßenbauarbeiten an, deren Erforderlichkeit nicht ausschließlich auf einer
Abnutzung durch den widmungsgemäßen Gebrauch der Straße beruhe. Darauf,
daß im Fahrbahnbereich der B. Straße als Folge der Verlegung des
Kanalhauptsammlers in den Jahren 1969/70 Verwerfungen und Bodenwellen
aufgetreten seien, und daß auch die Bürgersteige durch mehrfaches Verlegen von
Versorgungsleitungen erneuerungsbedürftig geworden seien, könne daher die
Beitragserhebung für die hier streitige Straßenbaumaßnahme nicht gestützt
werden. Die Maßnahme sei nur dann beitragsfähig, wenn sich eine grundlegende
Erneuerungsbedürftigkeit des erneuerten Abschnitts der B. Straße schon für die
Zeit vor Verlegung des Kanalsammlers feststellen lasse. Dies aber sei deshalb
nicht der Fall, weil die Straße im Jahre 1972 noch nicht das Alter aufgewiesen habe,
bei welchem -- ausgehend von der normalen Lebensdauer einer Straße -- von
einer grundlegenden Erneuerungsbedürftigkeit ausgegangen werden könne.
Damals seien seit der Erstherstellung im Jahre 1953 bzw. 1956 erst 16 bzw. 19
Jahre vergangen. Als Mittelwert der normalen Lebensdauer werde aber schon bei
der Erneuerung von Hauptverkehrsstraßen ein Zeitraum von wenigstens 25 Jahren
angesehen.
Die B. Straße sei nach der Einstufung der Beklagten keine Hauptverkehrsstraße,
sondern diene lediglich der Entsorgung eines kleineren Wohnbereichs; daß sie
besonderen Belastungen ausgesetzt gewesen sei, habe die Beklagte weder
vorgetragen noch sei dies aus den Akten ersichtlich.
Zu beanstanden sei im übrigen auch das von der Beklagten praktizierte
Verteilungsverfahren bei der Erhebung der streitigen Straßenbeiträge. Da der
1980 erneuerte Streckenabschnitt der B. Straße mehr als die Hälfte der
Gesamtstrecke erfasse, hätten sämtliche Anlieger der B. Straße -- und nicht nur
die Anlieger des erneuerten Abschnitts -- belastet werden müssen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 8. Juni 1988 zugestellte Urteil am 6. Juli 1988
Berufung eingelegt. Zu deren Begründung verweist sie auf ihre
Berufungsbegründungsschrift im Parallelverfahren VG Frankfurt am Main I/3 E
2921/85 = Hess.VGH 5 UE 2829/88, in der sie ausgeführt hat: Der Auffassung des
Verwaltungsgerichts, daß bei einer durch Straßenaufbrüche als Folge von
Leitungsverlegungsarbeiten mitverursachten Erneuerungsbedürftigkeit
Straßenbeiträge nicht erhoben werden könnten, sei zu widersprechen. Diese
Auffassung lasse sich mit der Rechtsprechung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs nicht vereinbaren. Eine Erneuerung stelle sich nicht schon
dann als sachfremd dar, wenn Straßenaufbrüche zur grundlegenden
Erneuerungsbedürftigkeit beigetragen hätten. Mit dem Kriterium der
Sachfremdheit habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof eine Beitragserhebung
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Sachfremdheit habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof eine Beitragserhebung
für unnötigerweise durchgeführte Erneuerungsarbeiten ausschließen wollen.
Unnötig seien solche Erneuerungsarbeiten, für die sich keine Rechtfertigung aus
dem vorgefundenen Straßenzustand finden lasse. Die Erneuerung einer
schlechten, abgenutzten Straße wirke verbessernd, gleichviel, ob die Abnutzung
ausschließlich auf der Benutzung der Straße durch die Verkehrsteilnehmer oder
daneben auch auf Leitungsverlegungsarbeiten zurückgehe. Straßenaufbrüche zum
Zwecke der Leitungsverlegung gehörten ebenfalls zur bestimmungsgemäßen
Nutzung der Straße. Stelle man in den vorliegenden Fällen darauf ab, daß im
Zeitpunkt der streitigen Erneuerungsmaßnahme bereits 24 bzw. 27 Jahre seit der
erstmaligen Herstellung der B. Straße in diesem Streckenabschnitt abgelaufen
seien, so lasse sich die Erforderlichkeit der durchgeführten Erneuerung ohne
weiteres bejahen. Im übrigen sei auch schon im Jahre 1972 von einer
grundlegenden Erneuerungsbedürftigkeit in diesem Streckenabschnitt auszugehen
gewesen. Man habe schon damals festgestellt, daß die Straße auf Grund des
unzureichenden Unterbaus den derzeitigen Verkehrsanforderungen nicht mehr
genüge.
Das Verwaltungsgericht beanstande zu Unrecht auch die vorgenommene
Verteilung der Aufwands. Die erst 1963 hergestellte Verlängerung der B. Straße
bis zum B. Weg müsse beitragsrechtlich als selbständige Straße behandelt
werden. Demzufolge könnten für die im Abschnitt zwischen U. -- ... Straße und G.
straße durchgeführten Erneuerungsarbeiten nur die Anlieger in diesem Abschnitt
mit Straßenbeiträgen belastet werden.
Die Beklagte hat den streitigen Straßenbeitrag in der mündlichen Verhandlung des
Berufungsverfahrens auf der Grundlage einer Vergleichsberechnung, bei der die im
Hintergelände gelegenen Grundstücke B. Straße 11 a und 13 a ebenfalls in die
Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes einbezogen sind, auf 5.111,52 DM
ermäßigt. In Höhe des Ermäßigungsbetrages von 342,24 DM hat sie die Berufung
zurückgenommen.
Soweit sie die Berufung nicht zurückgenommen hat, beantragt die Beklagte,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Mai 1988 -- I/3 E
2961/85 -- aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten, soweit sie aufrechterhalten wurde,
zurückzuweisen.
Sie trägt im Berufungsverfahren ergänzend vor: Die B. Straße habe in dem
Abschnitt zwischen U. Straße und G. straße nur deshalb erneuert werden müssen,
weil der vorhandene Straßenkörper durch die Verlegung des neuen
Kanalhauptsammlers in den Jahren 1968/69 zerstört worden sei. Die Kosten der
Wiederherstellung des Straßenkörpers nach einer derartigen
Leitungsbaumaßnahme müßten aus dem Aufkommen aus der Erhebung von
Kanalbeiträgen gedeckt werden. Man habe sich im Jahre 1972 mit einer
provisorischen Ausbesserung begnügt und mit der endgültigen Wiederherstellung
bis zum Inkrafttreten einer die Erhebung von Straßenbeiträgen rechtfertigenden
Beitragssatzung zugewartet; das sei "treuwidrig". Daß der vorhandene
Straßenunterbau unzureichend gewesen sei, werde behauptet, aber nicht belegt.
Bei Straßen der vorliegenden Art sei von einer tatsächlichen Lebensdauer von
mindestens drei Jahrzehnten auszugehen. Demgemäß weise zum Beispiel die
Berliner Straße in dem Abschnitt zwischen G. straße und B. Weg noch heute -- 28
Jahre nach der Erstellung -- einen einwandfreien Zustand auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, des vorangegangenen Eilverfahrens VG
Frankfurt am Main I/2 H 5848/82 = Hess.VGH 5 TH 61/83 und der Parallelverfahren
5 UE 2829/88, 2830/88 und 2832/88 sowie auf die Verwaltungsvorgänge der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsverfahren ist gemäß §§ 125 Abs.1, 92 Abs.2 VwGO einzustellen,
soweit die Beklagte nach Ermäßigung des streitigen Straßenbeitrags auf 5.111,52
DM die Berufung zurückgenommen hat.
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Die Berufung im übrigen ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß die
Berufungsschrift vom 6. Juli 1988 keinen ausdrücklichen Berufungsantrag enthält.
An das Erfordernis des bestimmten Berufungsantrags in der Berufungsschrift (§
124 Abs.3 VwGO) sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, daß
die Berufung erkennen läßt, daß und in welchem Umfang das Urteil angegriffen
wird (vgl. Kopp, § 124 VwGO Rn.5, mit Nachweisen zur höchstrichterlichen
Rechtsprechung). Letzteres ist hier der Fall. Die Beklagte hatte in erster Instanz
Klageabweisung in vollem Umfang beantragt. Wenn sie in der Berufungsschrift
gegen das stattgebende erstinstanzliche Urteil schlicht "Berufung" einlegt, so
geschieht dies ersichtlich in Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen
Klageabweisungsantrags. Was im Berufungsverfahren beantragt wird, ergibt sich
damit aus der Tatsache der Berufungseinlegung als solcher.
Die Berufung in dem anhängig gebliebenen Umfang muß auch in der Sache Erfolg
haben. Die Heranziehung der Klägerin ist in Höhe des noch streitigen Betrages
rechtlich nicht zu beanstanden, so daß insoweit die -- zulässige -- Klage
abgewiesen werden muß.
Die Rechtsgrundlage für die angefochtene Heranziehung ergibt sich aus § 11 des
hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG) und der
Straßenbeitragssatzung der Beklagten vom 17. Dezember 1981 (StrBS 1981), die
in ihrem § 1 in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Ermächtigung die Erhebung
von Straßenbeiträgen zur Deckung des Aufwandes für den Um- und Ausbau von
öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen vorsieht. Die genannte
Straßenbeitragssatzung legt sich in ihrem § 13 gemäß § 3 Abs.2 KAG unter
ausdrücklicher Ersetzung des vorangehenden Satzungsrechts Rückwirkung auf den
1. Januar 1976 bei und erfaßt damit zeitlich den zugrundegelegten
Beitragstatbestand, der spätestens am 21. April 1981 (Eingang der letzten
Unternehmerrechnung) verwirklicht war. Die Satzung ist in formeller Hinsicht
ordnungsgemäß zustandegekommen. In materieller Hinsicht erscheint die
Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Grundstücksfläche auf eine Tiefe von 75
m bei großflächigen Grundstücken wie Dauerkleingärten, Sportplätzen und
Friedhöfen (§§ 5 a Abs.6, 5 b Abs.5 StrBS 1981) bedenklich. Der Senat hat in
seinem zum Erschließungsbeitragsrecht ergangenen Urteil vom 19. März 1980 -- V
OE 48/76 (HSGZ 1980,347 = HessVGRspr. 1980,84) darauf hingewiesen, daß eine
derartige "Tiefenbegrenzung" bei Grundstücken, die grundsätzlich über ihre ganze
Fläche vom Erschließungsvorteil Nutzen ziehen, gegen das Prinzip einer
vorteilsangemessenen Verteilung des Erschließungsaufwandes verstoßen könnte.
Eine Ungültigkeit der genannten Tiefenbegrenzungsregelung im Satzungsrecht der
Beklagten wirkt sich freilich auf die Gesamtgültigkeit der Straßenbeitragssatzung
nicht aus. Denn der Wegfall der Tiefenbegrenzungsregelung führt nicht zur
Unvollständigkeit der Verteilungsregelung und steht damit der Fortgeltung der
Satzung insgesamt nicht im Wege.
Das Verwaltungsgericht hat die Beitragsfähigkeit der im Jahre 1980 durchgeführten
Straßenbaumaßnahme im Bereich der B. Straße zwischen U. Straße und G. straße
mit der Begründung verneint, daß die Baumaßnahme die Voraussetzungen eines
zur Beitragserhebung berechtigenden Um- und Ausbaus im Sinne des § 11 Abs.3
KAG nicht erfülle. Ein Ausbau liege deshalb nicht vor, weil die Straße weder
funktionell noch räumlich erweitert worden sei. Eine als Umbau beitragsfähige
Erneuerung scheide ebenfalls aus, weil eine solche Erneuerung eine ausschließlich
auf der Abnutzung durch langjährigen widmungsgemäßen Gebrauch beruhende
Erneuerungsbedürftigkeit voraussetze; daran fehle es, wenn -- wie hier --
mitursächlich für den Eintritt der Erneuerungsbedürftigkeit Straßenaufbrüche
seien, die zum Zweck der Verlegung von Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen
hätten durchgeführt werden müssen. Um im vorliegenden Fall eine beitragsfähige
Erneuerung annehmen zu können, müsse sich daher feststellen lassen, daß die B.
Straße in dem erneuerten Straßenabschnitt schon vor Verlegung des
Kanalhauptsammlers im Jahre 1972 (tatsächlich ist die Sammelleitung schon in
den Jahren 1969/70 verlegt worden) grundlegend erneuerungsbedürftig gewesen
sei. Dies aber scheitere daran, daß die Straße im Jahre 1972 im fraglichen
Abschnitt ein Alter von erst 16 bzw. 19 Jahren aufgewiesen habe.
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine durch Straßenaufbrüche zum Zweck
der Verlegung von Leitungen mitverursachte Erneuerungsbedürftigkeit schließe
eine beitragsfähige Erneuerung aus, kann nicht gefolgt werden. Nach der
Rechtsprechung des Senats gehört auch ein auf solchen Straßenaufbrüchen
beruhender Verschleiß neben der Abnutzung durch den allgemeinen
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beruhender Verschleiß neben der Abnutzung durch den allgemeinen
Straßenverkehr zum "Lebensschicksal" einer Straße (so: Beschlüsse vom 16. Mai
1990 -- 5 TH 2125/87 --, vom 28. August 1990 -- 5 TH 1807/87 -- und vom 20.
November 1990 -- 5 TH 2213/90 --). Die Möglichkeit, für eine nach Ablauf der
normalen "Lebensdauer" der Straße -- d.h. der Nutzungsdauer, die bei
bestimmungsgemäßer Nutzung und ordnungsgemäßer Unterhaltung
erfahrungsgemäß zu erwarten ist -- erfolgende grundlegende Erneuerung der
Straße Beiträge zu erheben, geht der Gemeinde also nicht dadurch verloren, daß
auch Straßenaufbrüche wegen Verlegung von Versorgungs- und
Entsorgungsleitungen zum fortschreitenden allgemeinen Verschleiß und damit zur
grundlegenden Erneuerungsbedürftigkeit beigetragen haben.
Unabhängig davon teilt der Senat aber auch nicht die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, daß im vorliegenden Fall die Entstehung eines
Beitragsanspruchs der Beklagten von der Erfüllung der Voraussetzungen für eine
beitragsfähige Erneuerung abhängt. Ihre Rechtfertigung bezieht die streitige
Beitragserhebung vielmehr daraus, daß die B. Straße in dem Abschnitt zwischen
U. Straße und G. straße durch die Herstellung eines modernen Straßenkörpers mit
Frostschutzschicht, Trag- und Binderschicht sowie einer Deck- oder
Verschleißschicht verbessernd um- und ausgebaut worden ist. Diese Maßnahme
begründet die Beitragspflicht nach § 11 KAG auch ohne den Nachweis, daß die
Straße im Zeitpunkt des Um- und Ausbaus grundlegend erneuerungsbedürftig war
und ein der normalen Nutzungsdauer entsprechendes Alter erreicht hatte.
Die Unterscheidung zwischen der schlichten Erneuerung abgenutzter Straßen
nach Ablauf ihrer Lebensdauer und den Fällen des verändernden Um- und
Ausbaus mit dem Ziel der verkehrstechnischen Verbesserung ist auch im
hessischen Straßenbeitragsrecht vorzunehmen, obwohl sie in § 11 des hessischen
Kommunalabgabengesetzes weniger deutlich zum Ausdruck kommt als in anderen
Landesgesetzen, die zum Teil die "Verbesserung" als eigenständigen
Beitragstatbestand benennen (vgl. § 8 Abs.2 Satz 1 KAG NW, § 6 Abs.1 Satz 1
Nds.KAG, Art.5 Abs.1 Satz 1 BayKAG, § 8 Abs.2 Satz 1 SaarlKAG). In Hessen hat
das Merkmal der Verbesserung die Bedeutung einer vom Gesetz vorausgesetzten
-- ungeschriebenen -- qualitativen Anforderung bei der Beitragserhebung für Um-
und Ausbaumaßnahmen, durch die die Verkehrsanlage, verglichen mit ihrem
ursprünglichen Zustand, baulich verändert -- umgestaltet oder erweitert -- wird.
Das ungeschriebene Merkmal der Verbesserung stellt sicher, daß nur solche
verändernden Baumaßnahmen die Beitragspflicht begründen können, von denen
ein positiver Effekt für die Benutzbarkeit der Verkehrsanlage ausgeht (in diesem
Sinne, bezogen auf den Fall der baulichen Umgestaltung einer Straße zur
Fußgängerzone, erstmals: Senatsurteil vom 31. Mai 1979 -- V OE 19/78 -- ESVGH
29,238 = HSGZ 1980,22). Zu unterscheiden ist hiervon der Fall des Umbaus in der
Erscheinungsform der schlichten Erneuerung, bei dem ohne wesentliche bauliche
Änderung oder Umgestaltung des ursprünglichen Zustandes lediglich der alte
abgenutzte Straßenbestand -- soweit noch vorhanden -- weggeräumt und durch
neuwertigen Bestand ersetzt wird. Hier besteht der die Beitragserhebung
rechtfertigende positive Effekt in der Wiederherstellung der Neuwertigkeit der
Straßenanlage. Die Beitragserhebung für eine derartige Erneuerung erfordert
keine über die Wiederherstellung der Neuwertigkeit hinausgehende Verbesserung,
setzt jedoch -- im Unterschied zu verbessernden Um- und Ausbaumaßnahmen --
die grundlegende Erneuerungsbedürftigkeit der Verkehrsanlage und den Ablauf
einer der normalen Nutzungsdauer entsprechenden Zeitspanne voraus (vgl. OVG
Münster, Urteil vom 21. April 1975 -- 2 A 1112/72 -- KStZ 1976,16, Urteil vom 3.
September 1980 -- 2 A 698/79 -- KStZ 1981,72,74; OVG Koblenz, Urteil vom 11.
Dezember 1980 -- VI A 19/78 -- KStZ 1981,233; VG Kassel, Urteil vom 4. Februar
1977 -- II E 390/75 -- HSGZ 1977,71). Den Gesetzesmaterialien zum hessischen
Kommunalabgabengesetz ist zu entnehmen, daß mit der von der Formulierung
der Beitragstatbestände in § 11 Abs.1 KAG abweichenden Formulierung in § 11
Abs.3 KAG ("Um- und Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen, der über die
Straßenunterhaltung und die Straßeninstandsetzung hinausgeht") nicht etwa
beabsichtigt war, die grundlegende schlichte Erneuerung als Beitragstatbestand
bei Verkehrsanlagen auszuklammern; es sollte hiermit vielmehr nur die
Beitragsfreiheit bloßer Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten klargestellt
werden (vgl. etwa LT-Drs. Nr.2654/VI, sowie die zweite Lesung des
Gesetzesentwurfs, LT-Protokoll Nr.67/VI, S.3479).
Die vorliegend zu beurteilende Straßenbaumaßnahme erfüllt die Merkmale eines
verbessernden Um- und Ausbaus, weil ein qualitativ anderer und höherwertiger
Straßenkörper hergestellt worden ist, der die Benutzbarkeit der Straße objektiv
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Straßenkörper hergestellt worden ist, der die Benutzbarkeit der Straße objektiv
verbessert. Das gilt sowohl für die Fahrbahn als auch für die Gehwege. Im Bereich
der Fahrbahn hat die Straße erstmals einen nach heutigen Maßstäben
ordnungsgemäßen Unterbau mit einer 30 cm starken Frostschutzschicht, einer 14
cm starken Asphalttragschicht und einer Binderschicht aus 5 cm starkem
Asphaltfeinbeton erhalten. Erst darüber ist eine Deckschicht aus 3,5 cm starkem
Asphaltfeinbeton aufgebracht. Der neue Straßenkörper erhielt so eine
Gesamtstärke von 52,5 cm, wohingegen der frühere Straßenkörper nur etwa 30
cm stark war. Der neue Straßenaufbau schützt sicher vor Frostschäden und
ermöglicht eine einwandfreie Wiederherstellung der Straßenfläche auch nach
Arbeiten, bei denen die Straße aufgebrochen werden muß. Es handelt sich bei ihm
-- verglichen mit dem früheren Straßenkörper -- um eine technisch andere und
höherwertige Art der Ausführung. Für die Gehwege im streitigen Abschnitt der
Berliner Straße gilt Entsprechendes; diese sind ebenfalls erstmals mit einem nach
heutigen Maßstäben ordnungsgemäßen Unterbau, der ausreichenden Frostschutz
gewährleistet, ausgestattet worden und haben darüber hinaus als
Oberflächenbefestigung eine Pflasterung aus Doppelverbundsteinen erhalten. Die
völlige Umgestaltung des Straßenkörpers durch Herstellung eines frostsicheren
und stärker belastbaren Unterbaus, Einbau einer besonderen Tragschicht im
Fahrbahnbereich sowie Aufbringen einer neuzeitlichen Asphaltfeinbetondecke wird
in der Rechtsprechung allgemein als ein Beispielsfall für eine qualitative
Verbesserungsmaßnahme angesehen, die auch ohne vorherige
Gesamtabnutzung der alten Straßenanlage und ohne den bei einer schlichten
Erneuerung zu fordernden Zeitablauf die Beitragserhebung zu rechtfertigen
vermag (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn.312 ff, mit
Rechtsprechungsnachweisen).
Auf die von den Beteiligten kontrovers diskutierte Frage, ob die B. Straße im
Abschnitt zwischen U. Straße und G. straße vor Durchführung der
Straßenbaumaßnahme im Jahre 1980 bereits so abgenutzt war, daß ein
grundlegender Erneuerungsbedarf bestand, und ob -- bejahendenfalls -- zu diesem
Zeitpunkt die übliche Nutzungsdauer ("Lebensdauer") der Straße bereits
abgelaufen war, kommt es nach allem nicht an. Soweit das Verwaltungsgericht
meint, die Voraussetzungen der grundlegenden Erneuerungsbedürftigkeit und
eines genügend langen Zeitablaufs müßten auch bei technisch verbessernden
Um- und Ausbaumaßnahmen gelten, weil eine Erneuerung ohne gleichzeitige
technische Verbesserung ohnehin kaum denkbar sei, ist dazu folgendes zu sagen:
Richtig ist, daß mit der grundlegenden Erneuerung einer Straße nach Ablauf eines
längeren Zeitraums in der Regel ein Modernisierungseffekt verbunden ist, weil in
der Zwischenzeit neue Techniken und Materialien entwickelt worden sind, die bei
der Erneuerung des Straßenkörpers eingesetzt zu werden pflegen. Nicht jede auf
solche Weise erzielte Modernisierung erfüllt aber zugleich die Voraussetzungen
einer beitragsfähigen Verbesserung. Ein verbessernder Um- und Ausbau setzt
zum einen eine wesentliche Veränderung des Straßenzustandes voraus, die sich in
der räumlichen Ausdehnung, der funktionalen Aufteilung der Gesamtfläche oder
der Art der Befestigung äußert. Zum anderen muß mit der objektiven
Verbesserung auch ein entsprechendes Verbesserungs bedürfnis -- vergleichbar
dem Erneuerungsbedürfnis bei der schlichten Erneuerung -- einhergehen. Dieses
Verbesserungsbedürfnis besteht zum Beispiel dann nicht, wenn eine Straße zwar
technisch veraltet ist, gleichwohl aber in dem bestehenden Zustand auf Grund
geringen Verkehrs und geringer Verkehrsbedeutung den Anforderungen, die an sie
gestellt werden, vollauf genügt. In einem solchen Fall könnten für eine
Modernisierung der Straße vor Eintritt ihrer grundlegenden
Erneuerungsbedürftigkeit und vor Ablauf der normalen Nutzungsdauer keine
Beiträge erhoben werden. Die Gefahr, daß durch eine mit jeglicher Erneuerung
verbundene Verbesserung letztlich die besonderen Anforderungen an die
Beitragsfähigkeit einer schlichten Erneuerung unterlaufen und damit obsolet
werden, ist von daher nicht gegeben.
Ob ein Bedürfnis dafür besteht, eine Verkehrsanlage durch bauliche
Veränderungen -- unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine
beitragsfähige grundlegende Erneuerung, also möglicherweise schon vor Eintritt
der Erneuerungsbedürftigkeit und vor Ablauf der normalen Nutzungsdauer -- zu
verbessern, hat die Gemeinde in Ausübung ihres Ermessens bei der Entscheidung
über die Durchführung des Straßenbauvorhabens zu beurteilen. Die Einschätzung
der Beklagten, daß die Berliner Straße in dem streitigen Abschnitt baulich
verbessert werden mußte, läßt sich nicht als fehlerhaft beanstanden. Wie die
Beklagte dargelegt hat, genügte der in den 50er Jahren unter Anwendung der
damals üblichen Straßenbautechnik hergestellte Straßenkörper nicht den höheren
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damals üblichen Straßenbautechnik hergestellte Straßenkörper nicht den höheren
Anforderungen, die sich in der Folgezeit aus der Zunahme des Verkehrs und der
Belastung der Straße auch durch schwere Versorgungsfahrzeuge ergeben hatten.
Es war somit erforderlich, die Belastbarkeit der Straße durch Herstellung einer
modernen Straßenbefestigung mit ausreichendem Unterbau zu erhöhen.
Letzteres ist durch die Straßenbaumaßnahme im Jahre 1980, die nach den
Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Belastbarkeit im
Fahrbahnbereich auf 60 t und im Bürgersteigbereich auf 40 t erhöht hat, bewirkt
worden.
Die sonstigen Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragspflicht der
Klägerin dem Grunde nach sind ebenfalls erfüllt. Als Eigentümerin eines
Baugrundstücks, welches durch die B. Straße im Abschnitt zwischen U. Straße und
G. straße erschlossen wird, bezieht sie aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme
der Straßenanlage "nicht nur vorübergehende Vorteile" im Sinne des § 11 Abs.1
KAG. Daß ihr Grundstück nicht direkt an die B. Straße angrenzt, sondern über eine
unselbständige Zuwegung über die Vordergrundstücke B. Straße 12 und 14 an die
B. Straße angebunden ist, steht der Erschließung und dem daraus resultierenden
Vorteil nicht entgegen. Der Senat hat dies bereits in dem vorangegangenen
Eilverfahren der Klägerin mit Beschluß vom 30. September 1986 -- 5 TH 61/83 --
dargelegt und dabei auf Grund der von der Klägerin erhobenen Einwände darauf
hingewiesen, daß die besonderen Aufwendungen, die durch die Anlegung und
Unterhaltung der Zuwegung zum Hinterliegergrundstück entstanden sind, die
Erhebung eines Straßenbeitrags für dieses Grundstück nicht ausschließen.
Die Heranziehung der Klägerin zum Straßenbeitrag ist, nachdem die Beklagte den
Beitrag im Berufungsverfahren auf 5.111,52 DM ermäßigt hat, auch der Höhe nach
nicht zu beanstanden.
Keine Bedenken bestehen zunächst gegen die Umlegung eines Anteils von 40 %
des entstandenen berücksichtigungsfähigen Aufwands auf die Anlieger. Die
Beklagte hat die B. Straße im Abschnitt zwischen U. Straße und G. straße zu Recht
als eine überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dienende Straße
angesehen. Dieser Einstufung entspricht gemäß § 4 Abs.1 b StrBS 1981 in
Verbindung mit § 11 Abs.3 KAG ein Anliegeranteil von 40 % des Aufwands.
Bei dem von der Beklagten zugrundegelegten Abrechnungsgebiet hat das
Verwaltungsgericht -- ohne daß es hierauf von seinem Standpunkt aus für die
Entscheidung ankam -- beanstandet, daß nicht auch die erschlossenen
Grundstücke in dem -- im Jahre 1963 als Verlängerung erstmals hergestellten --
Abschnitt der B. Straße zwischen G. straße und B. Weg an dem Aufwand für die
Straßenbaumaßnahme im Jahre 1980 beteiligt worden sind. Diese Rüge ist nicht
berechtigt. In seinem Beschluß vom 4. März 1986 -- 5 TH 160/85 (ZKF 1986,207 =
GemHH 1987,20) hat der Senat entschieden, daß im Falle eines auf eine
Teilstrecke beschränkten Um- und Ausbaus Grundstücke, die außerhalb dieser
Teilstrecke gelegen und erschlossen sind, nur dann in die Verteilung des
beitragsfähigen Aufwandes einbezogen werden können, wenn das aus- oder
umgebaute Straßenstück als solches keinen gesondert abrechnungsfähigen
"Abschnitt" darstellt. Im vorliegenden Fall deckt sich die um- und ausgebaute
Strecke der B. Straße mit einem -- durch zwei Querstraßen begrenzten --
gesondert abrechnungsfähigen Abschnitt. Folglich sind nur die Anlieger in diesem
Abschnitt mit Straßenbeiträgen für die streitige Straßenbaumaßnahme zu
belasten. Ein Mangel haftete der Verteilung des Aufwands durch die Beklagte nur
insoweit an, als die im Hintergelände gelegenen Grundstücke B. Straße 11 a und
13 a nicht ebenfalls als im Bereich des fraglichen Abschnitts erschlossene
Grundstücke belastet worden waren. Diesen Mangel hat jedoch die Beklagte durch
die in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens vorgelegte
Vergleichsberechnung und die daraufhin ausgesprochene Ermäßigung des auf das
Grundstück der Klägerin entfallenden Straßenbeitrags behoben. Anders als die
vorgenannten Grundstücke B. Straße 11 a und 13 a brauchten die Grundstücke B.
Straße 5 a und 5 b sowie U. Straße 30 und 32 nicht in die Verteilung einbezogen
zu werden, da diese durch einen -- im vorliegenden Verfahren zuweilen als "Z.
weg" bezeichneten -- Stichweg erschlossen werden, dem von seiner Ausdehnung,
seiner Verkehrsfunktion und der Zahl der erschlossenen Grundstücke die
Bedeutung eines selbständig abrechnungsfähigen Abschnitts der Straßenanlage
zukommt.
Daß die Beklagte den Straßenbeitrag für das Grundstück der Klägerin im
Widerspruchsbescheid auf der Grundlage einer Neuberechnung deutlich
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Widerspruchsbescheid auf der Grundlage einer Neuberechnung deutlich
heraufgesetzt hat, begegnet schließlich ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
Diese Neuberechnung diente der Behebung von Fehlern, die der ursprünglichen
Berechnung insoweit anhafteten, als -- zum einem -- nach Maßgabe der
tatsächlich realisierten baulichen Nutzung und nicht nach Maßgabe der
höchstzulässigen Geschoßflächenzahlen gemäß § 17 Abs.1 der
Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15. September 1977, BGBl.I S.1763,
abgerechnet worden und als -- zum anderen -- bei der Bestimmung der
belastbaren Fläche des Grundstücks der Klägerin die Parzelle 121 ... mit einer
Größe von 757 qm unberücksichtigt geblieben war. Die Beklagte war durch die
niedrigere Beitragsfestsetzung im Ausgangsbescheid nicht daran gehindert, im
Widerspruchsbescheid den höheren Beitrag festzusetzen, zu dem die korrigierte
Berechnung führte. Der Senat kann in diesem Punkt auf seinen Beschluß vom 30.
September 1986 im vorangegangenen Aussetzungsverfahren 5 TH 61/83
verweisen, in dem es heißt:
"Die Höherfestsetzung scheitert -- entgegen der von der Antragstellerin im
Klageverfahren geäußerten Auffassung -- nicht an der Festsetzungsfrist, die gem.
§ 4 Abs.1 Ziff.4 Buchst.b KAG i.V.m. § 169 AO 1977 für kommunale Abgaben vier
Jahre beträgt. Da die Beitragsforderungen für den Umbau der Berliner Straße
frühestens im Jahre 1981 -- nach Eingang der Schlußrechnung der Firma Kruck
GmbH Straßenbau bei der Antragsgegnerin am 21. April 1981 -- entstanden sein
können, lief die vierjährige Festsetzungsfrist frühestens mit dem 31. Dezember
1985 ab; der die Höherveranlagung der Antragstellerin vornehmende
Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin ist aber bereits im November 1985
ergangen. Die Höherveranlagung der Antragstellerin unterlag auch nicht den sich
aus §§ 130 Abs.2, 131 Abs.2 AO 1977 ergebenden rechtlichen Schranken für den
Widerruf begünstigender Verwaltungsakte. Bescheide, die eine Abgabe in
bestimmter Höhe festsetzen, sind grundsätzlich als ausschließlich belastende
Verwaltungsakte anzusehen (vgl. Senatsbeschluß vom 2. Oktober 1980 -- V TH
13/80 --, NJW 1981 S.596 ff.). Eine Begünstigung kann daher in einem
Abgabenbescheid mit zu niedriger Belastung des Abgabepflichtigen nur dann
gesehen werden, wenn sich ihm entnehmen läßt, daß die Behörde mit dieser
Veranlagung bewußt auf einen Teil der ihr an sich zustehenden höheren Abgabe
verzichten wollte. Diese Bedeutung kommt dem an die Antragstellerin gerichteten
Heranziehungsbescheid vom 28. Juni 1982 nicht zu, da die hier getroffene zu
niedrige Beitragsfestsetzung ganz offensichtlich auf Berechnungsfehlern beruht.
Für einen Schutz des Vertrauens der Antragstellerin auf den Fortbestand der ihr
günstigeren Veranlagung vom 28. Juni 1982 ist im übrigen umso weniger Raum,
als die Antragstellerin mit ihrem Widerspruch vom 2. Juli 1982 die
Aufrechterhaltung dieses Bescheides selbst in Frage gestellt hat. Wer einen
Bescheid anficht, muß -- dies jedenfalls unter dem Blickwinkel des
verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes -- grundsätzlich auch die
Verschlechterung seiner Position in Kauf nehmen und kann deshalb ein
entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen auf Grund dieses Bescheides nicht
bilden (Bundesverwaltungsgericht, a.a.O. S.943)."
Der Berufung der Beklagten in dem nach teilweiser Berufungsrücknahme noch
anhängigen Umfang ist nach allem stattzugeben.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.