Urteil des HessVGH vom 30.07.1991

VGH Kassel: asylbewerber, unterbringung, kaserne, gebäude, verwaltungsgerichtsbarkeit, rechtsschutz, zustand, auskunft, anerkennung, kontrolle

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 TH 1081/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2
GG, Art 19 Abs 4 GG, § 22
Abs 6 S 1 AsylVfG, § 25
AsylVfG
(Zur Zumutbarkeit der Zuweisung von Asylbewerbern in
neue Bundesländer)
Gründe
Der ... geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und nach seinen
Angaben Kurde. Ende November 1990 stellte er bei dem Landrat des Main-
Taunus-Kreises einen Asylantrag, wobei er gegenüber der Ausländerbehörde
angab, am 01. November 1990 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu
sein. Gleichzeitig erklärte er, Anfang Oktober 1990 "in der ehemaligen DDR" einen
Asylantrag gestellt zu haben; er habe das Ergebnis jedoch nicht abgewartet da er
Angst vor Abschiebung gehabt habe.
Die Zentrale Aufnahmestelle des Landes Hessen wies den Antragsteller mit
Zuweisungsentscheidung vom 14. Dezember 1990 dem Land Sachsen-Anhalt zu
und forderte ihn auf, sich unverzüglich bei der Zentralen Anlaufstelle für
Asylbewerber in Halberstadt einzufinden. Gegen diese Entscheidung hat der
Antragsteller mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 18. Dezember
1990 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Am 21. Dezember 1990 hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Gießen
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und zur Begründung im
wesentlichen geltend gemacht, seine Zuweisung nach Sachsen-Anhalt sei
rechtswidrig, weil er in diesem Bundesland nicht menschenwürdig untergebracht
werden könne und weil dort eine die ordnungsgemäße Durchführung eines
Asylverfahrens gewährleistende Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht existiere. Er
behauptet, am 18. Dezember 1990 zusammen mit weiteren Asylbewerbern von
seiner damaligen Unterkunft mit einem Bus abgeholt und in eine ehemalige
sowjetische Kaserne in der Nähe von Halberstadt in Sachsen-Anhalt gebracht
worden zu sein. Diese Kaserne habe zwei Stunden Fußweg von nächsten
menschlichen Ansiedlungen entfernt gelegen, es habe keine Stromversorgung und
keine Kochmöglichkeit, keine Toiletten und keine Duschen gegeben, teilweise
hätten die Türen gefehlt, die Fenster seien kaputt gewesen und die Heizung habe
nicht funktioniert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 21.
Dezember 1990 nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Antragsteller hat beantragt,
ihm für seinen Widerspruch vom 18. Dezember 1990 gegen die
Zuweisungsentscheidung des Antragsgegners vom 14. Dezember 1990
vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, ein Asylbewerber habe keinen Anspruch
darauf, sich für die Dauer des Asylverfahrens in einem bestimmten Land oder an
einem bestimmten Ort aufzuhalten. Sonderbeziehungen im Sinne des § 22 Abs. 6
Satz 1 AsylVfG oder vergleichbar gewichtige Belange hätten an der Zuweisung des
9
10
11
12
13
14
Satz 1 AsylVfG oder vergleichbar gewichtige Belange hätten an der Zuweisung des
Antragstellers nach Sachsen-Anhalt nicht gehindert. Es werde bestritten, daß der
Antragsteller in der Unterkunft in Halberstadt "menschenunwürdige Verhältnisse"
vorgefunden habe. Nach den Erkenntnissen des Antragsgegners besäßen die
Gemeinschaftsunterkünfte in den neuen Bundesländern zwar nicht den gleichen
Komfort wie entsprechende Einrichtungen in den alten Bundesländern, doch seien
sie mit den lebensnotwendigen Versorgungseinrichtungen ausgestattet. Im
übrigen gehöre die Ausstattung der jeweiligen Unterkünfte zum
Verantwortungsbereich der betreffenden Landesverwaltung und könne nicht der
zuweisenden Behörde angelastet werden. Auch ein Mindestmaß an effektiver
Justizgewährung sei nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des
Grundgesetzes im Beitrittsgebiet gewährleistet.
Das Verwaltungsgericht Gießen hat sich mit Beschluß vom 27. Dezember 1990 für
örtlich unzuständig erklärt und die Sache auf entsprechenden Antrag hin an das
Verwaltungsgericht Wiesbaden verwiesen, bei dem die Akten am 04. Januar 1991
eingegangen sind.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat mit Beschluß vom 23. April 1991 das als
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs aufgefaßte
Rechtsschutzbegehren abgelehnt und zur Begründung im wesentlichen folgendes
ausgeführt: Aufgrund des § 83 VwG0 in Verbindung mit § 17a und § 17b des
Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sei die Verweisung des Rechtsstreits durch
das Verwaltungsgericht Gießen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindend, so
daß es nicht darauf ankomme, ob richtiger Weise an ein Gericht in Sachsen-Anhalt
hätte verwiesen werden müssen. Der Antrag sei nicht begründet, da die
angefochtene Zuweisungsentscheidung offensichtlich rechtmäßig sei. Der
Antragsteller könne dem nicht die in der Kaserne bei Halberstadt vorgefundenen
Verhältnisse entgegenhalten, da es nur um die länderübergreifende Verteilung
gehe und die Unterbringung in bestimmten Unterkünften nur mit Rechtsmitteln
gegen die landesinterne Verteilung eingegriffen werden könne. Im übrigen lebten
in den Verhältnissen, die der Antragsteller angetroffen habe, mehrere Millionen
deutscher Staatsangehöriger, und in der Kaserne, in der er zunächst habe
untergebracht werden sollen, hätten sich offensichtlich sowjetische Soldaten
aufgehalten. In diesem Rahmen müsse auch der Einwand des Antragstellers
zurückgewiesen werden, in Sachsen-Anhalt bestehe keine funktionierende
Verwaltungsgerichtsbarkeit und es seien keine fachkundigen Rechtsanwälte
vorhanden. Die Aufgaben der Verwaltungsrechtspflege würden in den fünf neuen
Bundesländern von dortigen Kreisgerichten wahrgenommen, im übrigen sei der
Antragsteller nicht gehindert, sich von seinem bisherigen Prozeßbevollmächtigten
weiter vertreten zu lassen, wenn er der Zuweisung Folge leiste. § 25 Abs. 2 AsylVfG
biete in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, den Bereich der
Aufenthaltsgestattung vorübergehend zu verlassen, um Termine bei den
Prozeßbevollmächtigten wahrnehmen zu können. Persönliche Umstände, die die
Behörden bei der Zuweisungsentscheidung zugunsten des Antragstellers hätten
berücksichtigen müssen, seien nicht dargetan.
Mit seiner am 29. April 1991 bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden eingelegten
Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er bezieht sich auf
einen von ihm vorgelegten Bericht des Arztes Dr. Werner Kohlhauer über dessen
bei einer Besichtigung der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes
Sachsen-Anhalt gesammelte Eindrücke vom 24. Februar 1991, einen Bericht der
Halberstädter Zeitung vom 28. Februar 1991 über den Besuch dieses Arztes und
ein Antwortschreiben des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt
vom 21. Mai 1991, auf deren Inhalt wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
Der Senat hat mit Beschluß vom 15. Mai 1991, auf den wegen der Einzelheiten
Bezug genommen wird, das Land Sachsen-Anhalt zum Verfahren beigeladen, das
sich als Beteiligter nicht zur Sache geäußert hat. Aufgrund dieses Beschlusses hat
der Senat amtliche Auskünfte des Ministeriums der Justiz des beigeladenen
Landes vom 13. Juni 1991 zum derzeitigen Zustand der für Asylverfahren
zuständigen Gerichte des Landes und des Ministeriums des Innern des
beigeladenen Landes vom 20. Juni 1991 zu den Unterbringungsverhältnissen für
Asylbewerber im beigeladenen Land eingeholt. Auf den Inhalt dieser eingeholten
Auskünfte wird zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen.
Der Senat hat ferner durch Einnahme richterlichen Augenscheins Beweis erhoben
14
15
16
17
18
19
20
Der Senat hat ferner durch Einnahme richterlichen Augenscheins Beweis erhoben
über die Unterbringungsverhältnisse für Asylbewerber in der Zentralen Anlaufstelle
des beigeladenen Landes in Halberstadt und einer weiteren Unterkunft in
Quedlinburg. Wegen des Ergebnisses der durch den Berichterstatter als
beauftragten Richter durchgeführten Beweisaufnahme und der dabei getroffenen
Feststellungen wird auf die Niederschrift über den Termin zur Beweisaufnahme
vom 17. Juli 1991 Bezug genommen.
Dem Senat liegen die den Antragsteller betreffenden Akten des
Regierungspräsidiums Gießen (ein Band, Blatt 1 - 28) vor.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 83 Satz 1 VwG0 in Verbindung mit § 17a
Abs. 5 GVG ist im Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen, ob das
Verwaltungsgericht Gießen zu Recht an ein hessisches Verwaltungsgericht
verwiesen und damit die Zuständigkeit des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in
zweiter Instanz begründet hat.
Die Beschwerde ist nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat den
Aussetzungsantrag zu Recht abgelehnt. Die angegriffene
Zuweisungsentscheidung ist, wie nach den im Beschwerdeverfahren
durchgeführten Ermittlungen zur vollen Überzeugung des Senats feststeht, weder
hinsichtlich der darin getroffenen Regelungen noch in bezug auf den Sofortvollzug
des Bescheids zu beanstanden.
Dabei geht der Senat allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
davon aus, daß bei der hier vorliegenden Konstellation schon bei der Kontrolle der
länderübergreifenden Zuweisung und nicht erst im Zusammenhang mit der
landesinternen Zuweisung zu prüfen ist, ob das aufnahmepflichtige Bundesland
generell bereit und in der Lage ist, angemessene Unterkünfte für Asylbewerber
und funktionsfähige Gerichte zur Gewährleistung hinreichenden Rechtsschutzes
bereitzustellen. Wie der Senat bereits in seinem in dieser Sache ergangenen
Beschluß vom 15. Mai 1991 hervorgehoben hat, hat die zuweisende Behörde
nämlich auch über die Berücksichtigung besonderer familiärer Beziehungen im
Sinne des § 22 Abs. 6 Satz 1 AsylVfG hinaus im Rahmen ihrer
Ermessenserwägungen Belange des betroffenen Asylbewerbers zu
berücksichtigen, die ähnlich hohes Gewicht haben (Hess. VGH Beschluß vom 03.
Januar 1985 - 10 TH 2149/84 -, NVwZ 1985, 574 EZAR 228 Nr. 3; und vom 08. Juni
1990 - 10 TH 1317/90 -, ESVGH 40, 307 mit weiteren Nachweisen). Dem Interesse
des Asylbewerbers daran, in dem aufnehmenden Bundesland menschenwürdig
untergebracht zu werden und ein rechtsstaatlichen Anforderungen genügendes
Anerkennungsverfahren erwarten zu können, ist im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1, 2
Abs. 2 und 19 Abs. 4 Grundgesetz solcher Rang beizumessen. Es kann zwar
grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß alle Bundesländer einschließlich
der im Beitrittsgebiet liegenden ihren Verpflichtungen insofern entsprechen und es
damit einem Asylbewerber ohne weiteres zuzumuten ist, einer Zuweisung in eines
der sogenannten neuen Bundesländer zu folgen (OVG Hamburg, Beschluß vom
28. Dezember 1990 - Bs IV 532/90 -, NVwZ 1991, 397). Wird indessen von einem
Asylbewerber substantiiert behauptet, ein bestimmtes Bundesland erfülle seine
Verpflichtungen in dieser Hinsicht nicht, muß dem nachgegangen und, sofern sich
die Behauptungen des Asylbewerbers als zutreffend erweisen, vom Sofortvollzug
der Zuweisung in dieses Bundesland einstweilen abgesehen werden.
Die dahingehenden Behauptungen des Antragstellers in bezug auf das
beigeladene Land sind durch die Ermittlungen des Senats im
Beschwerdeverfahren nicht bestätigt worden.
Was die Unterbringungsfrage anlangt, hat die Beweisaufnahme in der Zentralen
Anlaufstelle des beigeladenen Landes in Halberstadt und einer weiteren Unterkunft
für Asylbewerber in Quedlinburg ergeben, daß die zuständigen Stellen des
beigeladenen Landes nach Kräften und mit Erfolg bemüht sind, die Unterbringung
der dem Lande zugewiesenen Asylbewerber in einer Weise zu regeln, die dem
Standard westlicher Bundesländer mindestens ebenbürtig ist. Die
Beweisaufnahme in Halberstadt hat ergeben, daß die dortige Einrichtung den
Anforderungen an die menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerbern in
vollem Umfang entspricht und daß insbesondere die sanitären Einrichtungen und
die Verpflegung der dort untergebrachten Menschen völlig zufriedenstellend sind.
Lediglich die Kommunikationsmöglichkeiten über Telefone sind noch
verbesserungsbedürftig, was indessen nicht allein in den Verantwortungsbereich
21
22
23
24
25
verbesserungsbedürftig, was indessen nicht allein in den Verantwortungsbereich
des beigeladenen Landes fällt und für die Entscheidung im vorliegenden
Eilverfahren zudem deshalb unerheblich ist, weil die Möglichkeit vereinfachter
telefonischer Kontaktaufnahme zwischen den untergebrachten Asylbewerbern und
Rechtsanwälten, Hilfsorganisationen und anderen für sie geschaffenen
Einrichtungen in den westlichen Bundesländern nicht zum notwendigen
Mindeststandard der Unterbringung gehört. Da nach den in Halberstadt
getroffenen Feststellungen jedenfalls eine funktionsfähige Briefzustellung
gewährleistet ist, kann die erforderliche Kommunikation auf diesem Wege
sichergestellt werden, was für die Wahrung der berechtigten Interessen der
Asylbewerber ausreichend ist.
Die in Halberstadt durchgeführte Beweisaufnahme hat zudem ergeben, daß der
Verfahrensablauf bei der dort untergebrachten Zentralen Ausländerbehörde und
der dortigen Außenstelle des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge bereits wenige Monate nach Einrichtung dieser Behörden so
funktioniert, daß für die dort untergebrachten Asylbewerbern nachteilige
Verzögerungen des Verfahrensablaufs im Anerkennungsverfahren nicht mehr zu
erwarten sind. Insbesondere ist die zügige Anhörung der neu eintreffenden
Asylbewerber gewährleistet.
Was den Zustand und die Lage der Gebäude der Zentralen Anlaufstelle des
beigeladenen Landes in Halberstadt angeht, hat die Beweisaufnahme
Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die in der Antragsschrift wiedergegebenen
Behauptungen des Antragstellers zu einem erheblichen Teil der Wahrheit zuwider
aufgestellt worden sind. Abgesehen davon, daß die Gebäude früher nicht von der
sowjetischen Armee, sondern von der Nationalen Volksarmee benutzt worden
sind, liegen sie auch nicht "zwei Stunden Fußweg von der nächsten menschlichen
Ansiedlung entfernt", wie der Antragsteller behauptet hat. Die Beweisaufnahme
hat vielmehr ergeben, daß der Gebäudekomplex etwa zwei Kilometer von der
Randbebauung der Stadt Halberstadt entfernt liegt und daß er durch öffentliche
Verkehrsmittel gut erschlossen ist. Die Gebäude selbst sind bei der
Beweisaufnahme am 17. Juli 1991 in ordnungsgemäßem Zustand angetroffen
worden, wobei deutlich wurde, daß in der Zeit seit Inbetriebnahme der Anlage
erhebliche Verbesserungen insbesondere im sanitären Bereich und bei den
Sozialeinrichtungen vorgenommen worden sind. Daß es dort aber beim Eintreffen
des Antragstellers im Dezember vergangenen Jahres keine Stromversorgung und
keine Toiletten gegeben habe, die Fenster kaputt und die Heizungen nicht
funktionstüchtig gewesen sein sollen, wie der Antragsteller hat behaupten lassen,
erscheint nach den anläßlich der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen
ausgeschlossen, zumal die Anlage bis in den Herbst vergangenen Jahres hinein als
Kaserne für deutsche Soldaten genutzt worden ist.
Ähnliches gilt für die im Rahmen der Beweisaufnahme besichtigte Unterkunft für
Asylbewerber in Quedlinburg, die der Senat als Augenscheinsobjekt willkürlich
gewählt hat, um sich ein Bild von der möglichen Unterbringung zugewiesener
Asylbewerber nach der Zeit ihrer Unterbringung in der Zentralen Anlaufstelle zu
verschaffen. Zwar ist die Bausubstanz des dortigen Unterkunftsgebäudes
schlechter als diejenige der relativ neuen ehemaligen Kasernengebäude in
Halberstadt. Jedoch sind auch die für die Unterkünfte in Quedlinburg
verantwortlichen Stellen sichtbar und mit Erfolg bemüht gewesen, die
Wohnverhältnisse und insbesondere die sanitären Einrichtungen auf einen
befriedigenden Stand zu bringen.
Aufgrund der bei der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen und der erteilten
amtlichen Auskunft des Ministeriums des Innern den beigeladenen Landes vom
20. Juni 1991 steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, daß die
verantwortlichen Behörden des beigeladenen Landes nicht nur willens sind, ihre
Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylbewerbern voll
zu erfüllen, sondern daß sie im Lande Sachsen-Anhalt auch bereits Unterkünfte für
Asylbewerber geschaffen haben, die in jeder Hinsicht zumutbar sind. Deshalb kann
der Antragsteller für den Fall, daß dies an seinem derzeitigen Unterbringungsort
anders sein sollte, auf Rechtsbehelfe gegen die landesinterne Zuweisung
verwiesen werden.
Was die Frage des Rechtsschutzes für den Antragsteller im beigeladenen Land
anlangt, ergibt sich aus der eingeholten amtlichen Auskunft des Ministeriums der
Justiz dieses Landes vom 13. Juni 1991, daß den Mindestanforderungen für
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Genüge getan ist. Wie der Auskunft zu
26
27
28
29
30
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Genüge getan ist. Wie der Auskunft zu
entnehmen ist, ist bei dem für Asylverfahren und Streitigkeiten nach dem AsylVfG
vor allem in Betracht kommenden Kreisgericht Magdeburg die nach Anlage I Kap.
III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 lit. u.) zum Einigungsvertrag vom 18. September
1990 (Bundesgesetzblatt II Seite 1239) zu bildende Kammer für
Verwaltungssachen eingerichtet und mit der erforderlichen Zahl von Berufsrichtern
besetzt, während ehrenamtliche Richter, von denen bei Entscheidungen aufgrund
mündlicher Verhandlung jeweils drei neben zwei Berufsrichtern mitwirken müßten,
noch nicht gewählt sind. Eine Ausgliederung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als
eigenständiger Gerichtszweig ist im beigeladenen Land frühestens für Ende des
Jahres 1991 vorgesehen.
Daraus ergibt sich, daß derzeit über Klagen von Asylbewerbern auf Anerkennung
als Asylberechtigte oder bei Streitigkeiten nach dem AsylVfG nicht entschieden
werden kann, während Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO, bei denen
durch Beschluß und in der Regel ohne mündliche Verhandlung entschieden wird,
von den vorhandenen Berufsrichtern erledigt werden können. Dies erscheint für
eine Übergangszeit ausreichend, zumal nach den anläßlich der Beweisaufnahme in
Halberstadt getroffenen Feststellungen Bescheide des Bundesamts für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und aufenthaltsbeendende Maßnahmen
regelnde Bescheide der Zentralen Ausländerbehörde bislang noch nicht an
Asylbewerber zugestellt worden 'sind, so daß ein Bedürfnis nach Entscheidungen in
Klageverfahren noch nicht entstanden sein dürfte.
Daß ein wirkungsvoller Rechtsschutz in Eilverfahren durch die in Sachsen-Anhalt
bestehenden Gerichte nicht gewährt werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Abgesehen von der hier nicht entscheidungserheblichen Tatsache, daß nach vom
Senat in anderen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen das Kreisgericht
Magdeburg tatsächlich schon Entscheidungen in Eilverfahren bei Streitigkeiten
nach dem AsylVfG getroffen hat, hält sich der Senat für nicht berechtigt, bei der
Kontrolle einer Verteilungsentscheidung nach § 22 AsylVfG detailliert
nachzuprüfen, ob die Arbeitsweise der vorhandenen Kammern für
Verwaltungssachen bei den beiden in Betracht kommenden Kreisgerichten des
beigeladenen Landes dem Standard des Rechtsschutzes in westlichen
Bundesländern entspricht oder auch nur den durch Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1
Grundgesetz bestimmten Mindestanforderungen genügt. Denn der Antragsteller
selbst hat die Möglichkeit, im Bedarfsfall durch Anrufung des
Bundesverfassungsgerichts, das gegebenenfalls auch schon vor Erschöpfung des
Rechtswegs nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG über eine entsprechende
Verfassungsbeschwerde entscheiden und gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG aus
wichtigem Grund eine einstweilige Anordnung erlassen könnte, auf die Gestaltung
des gerichtlichen Verfahrens Einfluß nehmen, wenn die Gewährleistung effektiven
Rechtsschutzes im beigeladenen Land ernstlich gefährdet wäre.
Die Rechtsverfolgung des Antragstellers wird durch die Zuweisung in das
beigeladene Land auch nicht deswegen unzumutbar erschwert, weil die
Kontaktaufnahme zu Prozeßbevollmächtigten in den westlichen Bundesländern
durch noch immer unzureichende Telefonverbindungen erschwert wird. Abgesehen
davon, daß die. notwendige Information zwischen Mandant und Anwalt im
Normalfall selbstverständlich auch auf schriftlichen Wege erfolgen kann, wird der
betroffene Asylbewerber bei bestehendem Bedürfnis zu einem persönlichen
Informationsgespräch mit seinem Anwalt von den Möglichkeiten des § 25 Abs. 2
AsylVfG Gebrauch machen und seinen Prozeßbevollmächtigten mit der im
Normalfall zu erteilenden Erlaubnis der zuständigen Ausländerbehörde aufsuchen
können. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, daß bei der
Betreuung von Asylbewerbern, die in östliche Bundesländer zugewiesen worden
sind, den als Prozeßbevollmächtigten fungierenden Rechtsanwälten aus westlichen
Bundesländern entsprechend ihrer Stellung als Organen der Rechtspflege eine
besondere Verantwortung zukommt und daß ihnen eine Anpassung an die
besonderen Bedürfnisse durch solche Zuweisungen betroffener Ausländer
durchaus zumutbar ist.
Nach allem hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen, weil sein
Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwG0). Der Senat sieht davon ab, die
außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes dem unterliegenden
Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwG0), weil diese
Kosten wegen der dem Antragsteller bewilligten Prozeßkostenhilfe ohnehin die
31
32
Kosten wegen der dem Antragsteller bewilligten Prozeßkostenhilfe ohnehin die
Staatskasse treffen würden.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3, 25 Abs. 1
GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.