Urteil des HessVGH vom 07.01.1988

VGH Kassel: mündliche prüfung, rüge, prüfer, prüfungskommission, schriftliche prüfung, beurteilungsspielraum, chancengleichheit, befangenheit, naturschutz, unverzüglich

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 1600/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 5 JagdPrO HE 1979
vom 01.08.1979, § 11
JagdPrO HE 1979 vom
01.08.1979, § 113 Abs 4 S
1 VwGO
(Jägerprüfung; Unverzüglichkeit der Befangenheitsrüge;
Zeitpunkt für Fairneßrüge; Sitzplatzwechsel des Prüfers
kein Fairneßverstoß)
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, seine 1985 abgelegte
Jägerprüfung für bestanden zu erklären.
Er ist Mitglied des Jagdvereins Nord/Ost in Frankfurt am Main und war Teilnehmer
der Jägerprüfung 1985 vor dem Prüfungsausschuß Frankfurt/Main. Mit Bescheid
vom 22. Mai 1985 teilte ihm die Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in
Darmstadt unter Hinweis auf § 10 Abs. 2 Hessische Jägerprüfungsordnung - JPO -
mit, daß seine Leistungen im praktischen und mündlichen Teil der Jägerprüfung in
den Sachgebieten 1 "Tierarten, Wildbiologie ..." (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 JPO) und 2
"Jagdbetrieb, Führung von Jagdhunden" (§ 5 Abs. 4 Nr. 2 JPO) mit "nicht
ausreichend" bewertet worden seien und die Prüfung als nicht bestanden gelte.
Bereits vor Zugang des Bescheides erhob der Kläger gegen die negative
Prüfungsentscheidung am 23. Mai 1985 Widerspruch. Zur Begründung führte er
aus, die Prüfung sei verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden und müsse allein
schon aus diesem Grund für bestanden gewertet werden. Zumindest müsse ihm
gestattet werden, die mündliche Prüfung zu wiederholen. Bereits 14 Tage vor der
Prüfung habe er bei einem Bläserabend des Jagdvereins Nord/Ost in Frankfurt am
Main, an dem auch die Ehefrau und die Tochter des Prüfungsvorsitzenden Müller
teilgenommen hätten, erfahren, daß von den Prüfungskandidaten des Jagdvereins
Nord/Ost bei der diesjährigen Jägerprüfung zwei durchfallen müßten, wie dies dann
auch tatsächlich der Fall gewesen sei.
Die Mitglieder der Prüfungskommission hätten am ersten Prüfungstag zwar der
Prüfungskandidatin Frau K. offensichtlich geholfen, dagegen seien sie ihm umso
weniger entgegengekommen. Während der mündlichen Prüfung in den
Sachgebieten 2 und 1, die von den Prüfern Wagner und Dorgarten vorgenommen
worden seien, habe der Prüfungsvorsitzende Müller seinen Platz am Tisch der
Prüfer verlassen und sich so hinter ihn gesetzt, daß er zu den beiden Prüfern
Blickkontakt gehabt habe. Bereits dieses Verhalten des Prüfungsvorsitzenden
mache die Prüfung unwirksam. Als man ihm ca. 5 mal 5 cm große farbige Bilder
von Greifen vorgelegt habe, sei er wegen der Sitzstellung des
Prüfungsvorsitzenden so in Aufregung geraten, daß er die Bilder nicht habe
erkennen können. Das gleiche gelte hinsichtlich der ihm vorgelegten Bilder mit
Zweigen. Durch den ständigen Blickkontakt des Prüfungsvorsitzenden mit den
anderen Prüfern habe für ihn eine psychologische Foltersituation bestanden, die zu
den von ihm gegebenen schlechten Antworten geführt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 1985 wies die Bezirksdirektion für
Forsten und Naturschutz in Darmstadt den Widerspruch des Klägers zurück. Sie
führte aus, das Vorbringen des Klägers über Prüfungsabsprache und
Ungleichbehandlung von Prüflingen stelle lediglich eine unbegründete Vermutung
dar. Die Rüge hinsichtlich des von dem Prüfungsvorsitzenden vorgenommenen
Sitzplatzwechsels sei unbegründet, weil die Prüfungsmitglieder nicht an eine
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Sitzplatzwechsels sei unbegründet, weil die Prüfungsmitglieder nicht an eine
bestimmte Sitzordnung gebunden seien. Die schlechten Antworten des Klägers
beruhten nicht auf dem Sitzplatzwechsel des Prüfungsvorsitzenden, sondern auf
dem stark lückenhaften Wissen des Klägers.
Obwohl der Kläger im praktischen Teil der Jägerprüfung ein durchaus gutes
Ergebnis habe erzielen können, habe die Gesamtbewertung der Sachgebiete 1
und 2 mit "nicht ausreichend" erfolgen müssen. Der Kläger habe im mündlichen
Prüfungsteil von 18 Fragen lediglich 5 richtig beantwortet. Dabei könne das
vorgelegte Bildmaterial mit einer durchschnittlichen Größe von ca. 8 mal 9 cm
nicht beanstandet werden, da es allgemein anerkannten Ausbildungsbüchern
entstammte. Im mündlichen Teil des Sachgebiets 2 habe der Kläger von
insgesamt 11 Fragen nur 3 richtig und 2 teilweise richtig beantwortet. Bei dieser
Leistung habe auch das bessere Ergebnis im praktischen Teil der Prüfung nicht
mehr zu einer ausreichenden Gesamtbewertung des Sachgebiets 2 führen
können.
Gegen den ihm am 6. November 1985 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der
Kläger am 6. Dezember 1985 bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage
erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und über den
Sitzplatzwechsel des Prüfungsvorsitzenden ergänzend ausgeführt, dieses
Verhalten widerspreche auch § 2 JPO, wonach die Jägerprüfung vor und nicht
zwischen einem Prüfungsausschuß abzulegen sei. Darüber hinaus hat er geltend
gemacht, nach dem Protokoll sei von 12 gestellten Fragen im Sachgebiet 1
auszugehen, von denen er die Fragen 3, 4, 10, 11 und 12 richtig und die Fragen 6,
7 und 8 teilweise richtig beantwortet habe. Frage 7 habe er entgegen dem
Protokoll richtig mit 40 % und nicht mit 25 % beantwortet. Im Sachgebiet 2 seien
nur 10 Fragen protokolliert worden. Die Frage 6, was eine Saumeute sei, habe er
richtig, die Frage 8 zumindest teilweise richtig beantwortet. Der Beklagte habe bei
der Bewertung seiner Prüfungsleistung § 8 JPO nicht beachtet und den erfolgreich
absolvierten praktischen Teil nicht gebührend berücksichtigt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 22. Mai 1985 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. November 1985 aufzuheben und ihm einen
Bescheid darüber zu erteilen, daß er die Jägerprüfung bestanden hat.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ausgeführt, das
Prüfungsverfahren leide nicht deshalb an einem Verfahrensfehler, weil der
Prüfungsvorsitzende während der Prüfung seinen Platz verlassen habe. Dieses
Verhalten verletze nicht die Gebote des fairen und sachlichen Prüfungsverfahrens.
Darüber hinaus hat er die Auffassung vertreten, im Sachgebiet 1 habe der Kläger
Frage 4 nur zum Teil richtig beantwortet, was sich aus dem Protokollvermerk "dann
o.k." ergebe. Ebenfalls nur teilweise richtig sei die Antwort des Klägers bei der
Bestimmung eines Bildes gewesen. Hierauf deute der waagrechte Strich im
Protokoll hin. Der Kläger habe danach 3 Fragen vollständig und 2 Fragen nur zum
Teil beantwortet. Die Leistung des Klägers sei mit 4 Punkten bewertet worden, was
bei 11 erzielbaren Punkten eine nicht mehr ausreichende Bewertung sei. Dabei
müsse auch die Bildbestimmung als Frage gezählt werden. An der Bewertung des
Sachgebiets 2 mit "nicht ausreichend" ändere auch das positive Ergebnis des
praktischen Teils der Prüfung nichts, weil der Kläger dann immer noch nur 8 von 15
Fragen richtig beantwortet habe. Hinzu komme, daß diese Aufgaben - das
Erkennen von Jagdsignalen sowie die Beantwortung der Fragen 6, 10, 11 und 13
des Lehrpfades - gegenüber den 11 Fragen des mündlichen Teils mindergewichtig
seien. Im Sachgebiet 1 habe der Kläger bei der Frage 6 lediglich als Antwort
"Stoffwechsel" gegeben, anstatt richtig "Somatotropin" und "Testosteron" zu
antworten. Bei der Jährlingsklasse solle der Abschuß 40 % und nicht wie der Kläger
geantwortet habe 25 % betragen. Zur Frage 8 habe sich der Kläger fehlerhaft
geäußert. Insgesamt habe er in diesem Prüfungsteil nur 5 Punkte erreicht. Zwar
habe er auch hier beim Lehrpfad besser abgeschnitten, jedoch seien die Fragen
aus diesem Bereich gegenüber den Fragen der mündlichen Prüfung von
untergeordneter Bedeutung und könnten die schwachen Leistungen der
mündlichen Prüfung nicht ausgleichen.
Durch Urteil vom 8. Mai 1987 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es
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Durch Urteil vom 8. Mai 1987 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es
hat ausgeführt, die Verpflichtungsklage sei unbegründet, denn der Kläger habe
aufgrund seiner Leistungen die Jägerprüfung zu Recht nicht bestanden. Es könne
dahingestellt bleiben, ob der Prüfungsausschußvorsitzende geäußert habe, daß
zwei Mitglieder des Jagdvereins Nord/Ost in Frankfurt am Main bei der Prüfung
durchfallen müßten, denn selbst wenn dies zuträfe, sei es hier unerheblich, weil der
Kläger diesen Mangel des Prüfungsverfahrens hätte unverzüglich rügen müssen.
Ein Prüfling dürfe nicht in Kenntnis eines Prüfungsmangels an einer Prüfung
teilnehmen, um bei fehlgeschlagene Prüfung einen weiteren Prüfungsversuch für
sich in Anspruch zu nehmen.
Die von dem Prüfungsausschußvorsitzenden Müller vorgenommene Veränderung
seiner Sitzposition habe nicht § 2 Abs. 1 JPO verletzt. Dort werde nur in einer
allgemein gebräuchlichen Formulierung gesagt, welches Gremium über das
Bestehen oder Nichtbestehen einer Jägerprüfung entscheide. Ob das Verhalten
des Prüfungsausschußvorsitzenden gegen den Grundsatz des fairen
Prüfungsverfahrens verstoßen habe, bedürfe ebenfalls keiner Entscheidung, weil
der Kläger auch diese Prüfungsmängel verspätet rüge. Die Bewertungen des
Prüfungsausschusses im praktischen und mündlichen Teil seien nicht zu
beanstanden. Solange es für den mündlichen und praktischen Teil der Prüfung
keine dem § 7 Abs. 5 JPO für den schriftlichen Teil entsprechende Bestimmung
gebe, falle die Entscheidung über Anzahl, Umfang und Gewicht der Fragen in den
Beurteilungsspielraum der Prüfer. Die Einschätzung und Bewertung der
Prüfungsleistungen im praktischen und mündlichen Teil vollziehe sich inhaltlich
nicht nach rechnerisch-schematischen Maßstäben. Ob die Leistung eines Prüflings
ausreichend sei oder nicht, bewerteten die Mitglieder des Prüfungsausschusses
nach Kriterien aufgrund ihrer Sach- und Fachkenntnisse und des persönlichen
Eindrucks des Prüflings, den sie in einer einmaligen, unwiederholbaren
Prüfungssituation gewonnen hätten. Aus diesem Grunde greife insbesondere das
klägerische Vorbringen zum Sachgebiet 2 nicht durch, daß die in der
Prüfungsniederschrift mit 4. und 6. gekennzeichneten Fragen richtig beantwortet
worden seien. Das höchstpersönliche Fachurteil der Mitglieder des
Prüfungsausschusses werde nicht schon deshalb fehlerhaft, weil andere ein
abweichendes Fachurteil abgeben, das dem Kläger vernünftiger, richtiger oder
günstiger erscheine. Auch die Überlegungen des Klägers, daß er eine bestimmte
Anzahl der Fragen im praktischen und mündlichen Teil des Sachgebiets 2
zutreffend beantwortet habe und bei entsprechender Anwendung der
Bestehensgrenze von 60 % des § 7 Abs. 5 JPO die Beurteilung dieses Sachgebiets
"ausreichend" hätte lauten müssen, seien unzutreffend, weil Gewichtung der
Fragen und Festlegung der Bestehensgrenze in den nicht überprüfbaren
Beurteilungsspielraum der Prüfer fielen.
Gegen das ihm am 5. Juni 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 1987
Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, es sei für ihn unzumutbar gewesen, das
deplazierte und entgleisende Verhalten des Prüfungsvorsitzenden bereits nach der
Prüfung zu rügen. Dieses Prüfungsverhalten stelle einen erheblichen
Verfahrensfehler dar. Im übrigen ist der Kläger der Auffassung, daß es überprüfbar
sein müsse, wenn das Ergebnis der mündlichen Prüfung für das Nichtbestehen
ausschlaggebend sein solle, obwohl ein Prüfling im praktischen Teil positive
Ergebnisse erzielt habe. Es sei auch nicht richtig, daß das Gericht nachweislich
richtig beantwortete Fragen des Prüfungsklägers nicht anerkenne, zumal hier
stümperhafte und fehlerhafte Protokollierungen vorlägen, die die Rekonstruktion
eines vernünftigen Tatbestandes überhaupt nicht zuließen. Zu Unrecht sei das
Verwaltungsgericht nicht seiner Rüge nachgegangen, die vorgelegten Bilder seien
zu klein gewesen, so daß er die abgebildeten Tiere und Pflanzen nicht habe
erkennen können. Dies habe er sofort gerügt und sich zu den abgebildeten
Darstellungen nicht geäußert. Soweit er als Verfahrensfehler geltend gemacht
habe, die Prüfung habe nicht vor dem Prüfungsausschuß stattgefunden, sei dies
scherzhaft gemeint gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Bescheid der
Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz vom 22. Mai 1985 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 4. November 1985 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, die von ihm abgelegte Jägerprüfung 1985 für
bestanden zu erklären,
hilfsweise,
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den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts eine Neubewertung der Jägerprüfung vorzunehmen,
hilfsweise,
ihn erneut zum praktischen und mündlichen Teil der Jägerprüfung in den
Sachgebieten 1 und 2 zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer
gegenseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter) sind
beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die
Prüfungsentscheidung des Prüfungsausschusses, daß der Kläger die Jägerprüfung
nicht bestanden hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger
daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Mit seinem Hauptantrag, den Beklagten zu verpflichten, die Jägerprüfung für
bestanden zu erklären, kann der Kläger keinen Erfolg haben, weil die Sache nicht
spruchreif ist (§ 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Spruchreife bedeutet, daß die in die
Kompetenz des Gerichts fallenden Feststellungen und Überlegungen eine
abschließende Entscheidung über das Klagebegehren ermöglichen (vgl. Kopp,
VwGO, 7. Aufl., § 113 RdNr. 83). Sie fehlt bei Prüfungsentscheidungen dann, wenn
sich das Prüfungsergebnis nicht rechnerisch exakt ermitteln läßt, sondern in den
der Prüfungskommission zustehenden Beurteilungsspielraum fällt. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, können
Prüfungsentscheidungen und ähnliche pädagogisch-wissenschaftliche Wertungen
inhaltlich nur darauf gerichtlich überprüft werden, ob die Prüfer den
anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen ihrer Entscheidung
verkannt haben, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind,
allgemein gültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet, gegen
Verfahrensvorschriften verstoßen, sachfremde Erwägungen angestellt oder sonst
willkürlich gehandelt haben (ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 24.04.1959 - VII C 104.58 - BVerwGE 8, 272
(274); Urteil vom 09.12.1983 - 7 C 99.82 - DÖV 1984, 805; für Jägerprüfungen:
OVG NW, Urteil vom 24.02.1981 - 18 A 2823/78 - AgrarR 1981, 266; VHG Baden-
Württemberg, Urteil vom 01.12.1983 - 5 S 1463/83 - AgrarR 1984, 254 (255);
Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 473). Das Gericht ist dann nicht
befugt, anstelle des Prüfers dessen fachlich-pädagogische Beurteilung durch eine
eigene Würdigung und Bewertung zu ersetzen. So liegt es auch hier. Die
Prüfungsleistung des Klägers läßt sich im vorliegenden Fall durch einen Ausspruch
des Gerichts nicht korrigieren, ohne daß in den Beurteilungsspielraum der
Prüfungskommission für die Jägerprüfung eingegriffen würde.
Auch der im Berufungsverfahren nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässige Hilfsantrag des
Klägers, den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung
der Gerichts zu bescheiden, hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger gegen das
Prüfungsverfahren und die Prüfungsentscheidung erhobenen Einwände greifen
nicht durch.
Seiner Behauptung, bereits 14 Tage vor der Prüfung hätten die Ehefrau und die
Tochter des Prüfungsausschußvorsitzenden Müller anläßlich eines Bläserabends
geäußert, daß zwei Prüfungskandidaten des Jagdvereins Nord-Ost Frankfurt am
Main durchfallen müßten, für die der Kläger auch Beweis durch Benennung eines
Zeugen angetreten hat, brauchte der Senat nicht mehr nachzugehen, weil der
damit von dem Kläger erhobene Verfahrensstoß der Befangenheit des Prüfers
verspätet geltend gemacht worden ist. Allerdings muß ein Prüfling die
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verspätet geltend gemacht worden ist. Allerdings muß ein Prüfling die
Befangenheit eines Prüfers grundsätzlich nicht sofort rügen. Dem Prüfungsrecht ist
ein vorsorgendes und befristetes Recht auf Ablehnung eines Prüfers wegen
Voreingenommenheit wesensfremd, weil eine Prüfung nicht der Herstellung des
Rechts und damit dem Rechtsfrieden, sondern dem Erwerb beruflicher
Berechtigungen dient und dem Prüfling Rechtsschutz insoweit durch die
Anfechtung der Prüfungsentscheidung zuteil wird (BVerwG, U. v. 26. Januar 1968
VII C 6.66 - BVerwGE 29, 70 (71) und B. v. 12. Juli 1979 - 7 B 235.78 - Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 117). Eine Befangenheitsrüge kann im Prüfungsverfahren
jedoch dann nicht mehr mit Erfolg erhoben werden, wenn der Prüfling sie durch
sein Verhalten verwirkt hat (vgl. Niehues, a.a.O., Rdnr. 399). Dies ist nach
Auffassung des Senats dann der Fall, wenn der Prüfling - wie hier - bereits 14 Tage
vor der Prüfung die Tatsachen erfährt, auf die er die Befangenheitsrüge stützt. Hier
gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit, daß der Prüfling die Rüge der
Befangenheit vor der Prüfung erhebt, damit er gegenüber anderen Prüflingen
keinen zusätzlichen Prüfungsversuch erhält.
Zu der klägerischen Rüge, § 2 Abs. 1 JPO, wonach die Jägerprüfung vor einem
Prüfungsausschuß abzulegen sei, sei verletzt worden, weil der
Prüfungsausschußvorsitzende sich zeitweise hinter ihm aufgehalten habe, bedarf
es keiner näheren Ausführungen, nachdem der Kläger in der mündlichen
Verhandlung klargestellt hat, daß dieses Vorbringen nur scherzhaft gemeint
gewesen sei.
Die von dem Kläger im Berufungsverfahren in erster Linie weiterverfolgte Rüge, der
Prüfungsvorsitzende Müller habe sich entgleisend und deplaziert verhalten, indem
er während der Prüfung seinen Platz verlassen, sich hinter den Kläger gesetzt und
mit den übrigen Prüfern Blickkontakt aufrechterhalten habe, mit der der Kläger die
Verletzung des Grundsatzes des fairen Prüfungsverfahrens geltend macht, hat
keinen Erfolg. Dieser Grundsatz, der den äußeren Verfahrensablauf des
Prüfungsverfahrens betrifft, beruht auf dem Rechtsstaatsprinzip und dem
Grundsatz der Chancengleichheit. Beide Verfassungsprinzipien sind auch für das
Verhalten eines Prüfers bei der Bewertung der Prüfungsleistungen maßgebend.
Aus ihnen folgt das Gebot der Sachlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 20. September 1984
- 7 C 57.83 - BVerwGE 70, 143 (151)). Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes
des Chancengleichheit hat der Kläger - anders als die bereits behandelte
Befangenheitsrüge - nicht verwirkt. Ein Prüfling, der die Durchführung eines
fehlerhaften Verfahrens erkennt, ist zwar grundsätzlich verpflichtet, dies
unverzüglich zu rügen, weil er sonst gegenüber anderen Prüflingen den Vorteil
eines weiteren Prüfungsversuchs hätte. Er könnte nämlich das Ergebnis der
verfahrensfehlerhaften Prüfung abwarten und bei negativem Ausgang der Prüfung
einen weiteren Prüfungsversuch starten. Aus diesem Grunde gebietet der
Grundsatz der Chancengleichheit, die von einem Prüfling verspätet erhobene Rüge
zurückzuweisen. Eine spätere Rüge ist jedoch dann noch zulässig, wenn es dem
Prüfling im Einzelfall nicht zuzumuten war, seine Einwände ohne die Gefahr
anderweitiger Nachteile schon während der Prüfung zu erheben (vgl. Niehues,
a.a.O., Rdnr. 428 m.w.N.). Eine Rüge an der persönlichen Gestaltung der Prüfung
durch den Prüfer, seiner Fragestellung, Mimik oder einen von ihm vorgenommenen
Sitzplatzwechsel ist für den Prüfling grundsätzlich nicht zumutbar, denn sie wäre
geeignet, nicht nur einen empfindlichen Prüfer, sondern auch einen
durchschnittlich reagierenden Prüfer zu treffen und könnte bei ihm ein das Gebot
der Sachlichkeit verletzendes Verhalten bewirken. Der Senat vermag dem
Verwaltungsgericht nicht zu folgen, daß es dem Kläger zumutbar gewesen wäre,
die Rüge im Anschluß an die mündliche Prüfung zu erheben, denn insoweit hat sich
seine Situation gegenüber der Prüfungssituation in der mündlichen Prüfung nur
unwesentlich geändert. Auch nach der mündlichen Prüfung mußte der Kläger
befürchten, daß sich eine von ihm erhobene Kritik an dem Prüfungsvorsitzenden
möglicherweise bei der abschließenden Bewertung seiner Prüfungsleistung negativ
für ihn auswirken könnte. Die Rüge des Klägers über das Verhalten des
Vorsitzenden der Prüfungskommission während der Prüfung ist daher nicht
verspätet.
Der von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses Müller vorgenommene
Sitzplatzwechsel und das von ihm dabei gezeigte Verhalten verletzen jedoch nicht
das Gebot des fairen Prüfungsverfahrens. Die dem Vorsitzenden des
Jägerprüfungsausschusses aufgrund der Verfahrensführung, Verfahrensgestaltung,
der Bestimmung des Prüfungsstoffes und der Prüfungsbewertung zukommende
Position der Überlegenheit gegenüber dem Prüfling gebieten zur Abwehr von
Mißbräuchen einen Anspruch des Klägers auf faire Behandlung in der Prüfung. Wer
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Mißbräuchen einen Anspruch des Klägers auf faire Behandlung in der Prüfung. Wer
als Prüfer eine Prüfungsleistung sarkastisch, spöttisch oder in ähnlich
herabsetzender Form kommentiert, verletzt das Gebot der Fairneß. Selbst völlig
unsinnige Antworten rechtfertigen es nicht, daß der Prüfer hierauf mit unsachlichen
Bemerkungen reagiert, die den Prüfling kränken (vgl. BVerwG, U. v. 28. April 1978 -
7 C 50.75 - BVerwGE, 55, 355 (360)). Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses
Müller hat durch sein Verhalten während der Prüfung des Klägers diesen Grundsatz
nicht verletzt. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Mitglied der
Prüfungskommission während einer mehrere Stunden dauernden Prüfung seinen
Sitzplatz verläßt, um sich die Beine zu vertreten. Wenn der Prüfer sich dabei - wie
hier - kurzfristig hinter den Prüfling setzt und mit den übrigen Prüfern Blickkontakt
aufrechterhält, so kann dies weder als kränkend noch herabwürdigend angesehen
werden. Der Auffassung des Klägers, der dieses Verhalten als völlig deplaziert und
entgleisend" ansieht, vermag der Senat nicht zu folgen.
Zu Unrecht macht der Kläger auch geltend, seine im praktischen Teil (Lehrpfad)
gezeigten Leistungen seien überdurchschnittlich gewesen und hätten seine
schwächeren Leistungen im mündlichen Teil der Prüfung ausgeglichen. Wenn der
Verordnungsgeber in § 7 Abs. 5 JPO für die schriftliche Prüfung bestimmt, daß die
Leistungen in einem Fachgebiet "mit ausreichend" zu bewerten sind, wenn der
Prüfling 15 Punkte erreicht, für den mündlichen Teil der Prüfung jedoch keine
entsprechende Regelung trifft, kann daraus geschlossen werden, daß sich die
Bewertung in der mündlichen Prüfung gerade nicht nach ausschließlich
arithmetischen Mitteln vollziehen soll. Nur eine derartige Auslegung wird der
Bedeutung der mündlichen und praktischen Jägerprüfung gerecht. Dabei wird dem
Umstand Rechnung getragen, daß einzelne Prüfungsfragen oder auch die
Handhabung von Waffen von solch elementarer Bedeutung sein können, daß allein
negative Ergebnisse in diesen Bereichen zum Nichtbestehen der Prüfung führen
können.
Es bedarf im einzelnen auch keiner Stellungnahme zu den von dem Kläger
erhobenen Rügen, das Protokoll enthalte nicht alle mündlichen Prüfungsfragen
vollständig und die verschiedenen Prüfungsfragen seien nicht richtig bewertet
worden, weil sie rechtlich unerheblich sind. Für eine den Anforderungen des § 11
JPO gerecht werdende Prüfungsniederschrift über die mündliche Prüfung genügt
es, wenn, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, die einzelnen Aufgaben und
Fragen stichwortartig niedergelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 7. Mai
1971 - VII C 51.70 - BVerwGE, 38, 105 (116) und 1. Oktober 1971 - VII C 5.71 -
BVerwGE 38, 322 (325)). Die Angriffe des Klägers zielen im übrigen auf den vom
Gericht nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum der Prüfungskommission, die
ausschließlich dazu berufen ist, die Schwierigkeit einer Prüfungsaufgabe zu
bewerten und ihre Lösung durch den Prüfling zu gewichten. Der Kläger listet
insoweit die in den Sachgebieten 1 und 2 protokollierten Fragen auf und stellt den
von der sachkundigen Prüfungskommission vorgenommenen Bewertungen der
Prüfungsaufgaben die subjektive Einschätzung seiner eigenen Leistung gegenüber,
insbesondere nimmt er eine eigene Gewichtung der von ihm erbrachten
Gesamtprüfungsleistung vor. Eine derartige Betrachtungsweise ist rechtlich jedoch
nicht zulässig, weil sie zu Unrecht in den der Prüfungskommission allein
zustehenden Beurteilungsspielraum eingreifen würde. Wie oben bereits erwähnt,
kann die Beantwortung einer oder mehrerer Fragen für die Prüfung derart
gewichtig sein, daß von ihr das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung abhängt.
So sind etwa die Fragen, die den sachgemäßen Umgang mit der Jagdwaffe
betreffen oder auf das Erkennen von Wildarten zielen gewichtiger, als etwa die
Bestimmung von Pflanzen. Diese Bewertung darf jedoch nur die
Prüfungskommission aufgrund ihrer Sach- und Fachkompetenz im Rahmen ihres
Beurteilungsspielraums vornehmen.
Die Rüge des Klägers, der Prüfer Dorgarten habe in der mündlichen Prüfung
Bildmaterial vorgelegt, das nicht dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten
entsprochen habe und wegen der geringen Größe der zu bestimmenden Objekte
völlig ungeeignet gewesen sei, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen und
diesen zwischen den Beteiligten streitigen Sachverhalt auch nicht näher
aufzuklären, denn selbst wenn das in der Prüfung verwendete Bildmaterial
ungeeignet gewesen sein sollte - die Beantwortung dieser Frage ist allerdings nur
von dem Prüfer bzw. Prüfungsgremium im Rahmen seines Beurteilungsspielraums
zu treffen (vgl. BVerwG, U. v. 9. Dezember 1983 - 7 C 99.82 - DÖV 1984, 804
(806)) -, ist die Prüfung zu Recht mit "nicht ausreichend" bewertet worden, weil sich
die Rüge des Klägers insoweit nur auf die mündliche Prüfung des Sachgebietes 1
"Tierarten, Wildbiologie ..." und nicht auf die ebenfalls mit "nicht ausreichend"
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"Tierarten, Wildbiologie ..." und nicht auf die ebenfalls mit "nicht ausreichend"
bewertete mündliche Prüfung im Sachgebiet 2 "Jagdbetrieb ..." bezieht.
Da die Prüfungsentscheidung der Prüfungskommission rechtlich nicht zu
beanstanden ist, ist auch der weitere Hilfsantrag des Klägers, ihn erneut zum
praktischen und mündlichen Teil der Jägerprüfung in den Sachgebieten 1 und 2
zuzulassen, nicht begründet.
Die Berufung des Klägers ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
sind nicht erfüllt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats
nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist
durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der
die Entscheidung abweicht, oder ein Verfahrensmangel bezeichnet werden, auf
dem das Urteil beruhen kann (vgl. § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
und § 18 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der
obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 - BGBl. I S. 661).
Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO
genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen und
spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die
angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die
Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, ferner die verletzte Rechtsnorm
und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben.
Beschwerde und Revision sind einzulegen bei dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof
Brüder-Grimm-Platz 1
3500 Kassel
3500 Kassel
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.