Urteil des HessVGH vom 25.09.1984

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, bekanntgabe, wiedereinsetzung in den vorigen stand, öffentliches interesse, rechtsverordnung, rechtsgrundlage, ermächtigung, asylbewerber, vorläufiger rechtsschutz

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 TH 1832/84
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 72 Abs 1 GG, Art 74 Nr
1 GG, Art 74 Nr 4 GG, Art
80 Abs 1 S 1 GG, Art 80
Abs 3 GG
(Fehlende Ermächtigungsgrundlage für die zentrale
Verteilung von Asylbewerbern in Hessen; Bekanntgabe der
Verteilungsverfügung; vorläufiger Rechtsschutz)
Gründe
Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger kurdischen Volkstums. Sein
erstes Asylverfahren endete mit der Rücknahme seiner gegen den
Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge erhobenen Klage. Durch Beschluß des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
vom 12. Juli 1982 (VIII/2 E 6424/81) wurde das Verfahren eingestellt.
Mit einer Grenzübertrittsbescheinigung vom 29. November 1982 forderte der
Oberbürgermeister der Stadt, Frankfurt den Antragsteller zum Verlassen der
Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin bis spätestens 29.
Dezember 1982 auf.
Unter näherer Darlegung seines Verfolgungsschicksals stellte der Antragsteller mit
Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21. Dezember 1982, dem eine
unterschriebene Vollmacht beilag, einen erneuten Asylantrag, gerichtet an die
Stadt Frankfurt. Deren Oberbürgermeister teilte mit Schreiben vom 28. Januar
1983 den Bevollmächtigten des Antragstellers mit, daß er den Folgeantrag vom
21. Dezember 1982 und die Ausländerakte des Antragstellers
zuständigkeitshalber an die Ausländerbehörde des Landrats des Main-Taunus-
Kreises - Außenstelle Schwalbach - weitergeleitet habe.
Am 17. Februar 1983 erteilte der Landrat des Main-Taunus-Kreises dem
Antragsteller eine Duldungsbescheinigung, wonach seine Abschiebung bis zum 1.
März 1983, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluß seines Asylverfahrens
ausgesetzt wurde. Sein Aufenthalt wurde zugleich auf den Bereich der Gemeinden
Eschborn, Sulzbach und Schwalbach/Ts. beschränkt.
Unter "Bedingungen/Auflagen" wurde er aufgefordert, seinen Wohnsitz in der
Hessischen Gemeinschaftsunterkunft in Schwalbach/Ts. zu nehmen. Zugleich
wurde ihm die schriftliche Erlaubnis erteilt, sich vom 17. - 28. Februar 1983 nach
Frankfurt zur Wohnungsauflösung und Klärung des Aufenthaltes in Frankfurt am
Main zu begeben und dort aufzuhalten. Sein türkischer Reisepaß wurde wegen
seines erneuten Asylantrages am 17. Februar 1983 eingezogen. In dem Deckblatt
einer ebenfalls am 17. Februar 1983 aufgenommenen Niederschrift zu einem
Asylbegehren wurde seine gegenwärtige Anschrift mit "Schwalbach/Ts. Haus"
angegeben.
Mit Schreiben vom 28. Februar 1983 an den Landrat des Main-Taunus-Kreises
legte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Widerspruch gegen die
"Unterbringungsverfügung in die Gemeinschaftsunterkunft Bad Schwalbach" vom
17. Februar 1983 ein. Mit Schreiben vom 4. März 1983- teilte der
Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt dem Antragsteller über seine
Bevollmächtigten auf Anfrage mit, daß der weitere Aufenthalt des Antragstellers
im Stadtgebiet Frankfurt am Main nicht gestattet werde. Die Erlaubnis des
Landrats des Main-Taunus-Kreises vom 17. Februar 1983 sei ohne seine, des
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Landrats des Main-Taunus-Kreises vom 17. Februar 1983 sei ohne seine, des
Oberbürgermeisters, vorherige Zustimmung erteilt worden.
Bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung am 22. Juni 1983 in Schwalbach
gab der Antragsteller u.a. an, er sei nach der Stellung eines neuen Asylantrags in
das Lager Schwalbach, eingewiesen und beurlaubt worden und wohne in Frankfurt
am Main in der Koselstraße 18.
Mit Verteilungsbescheid des Hess. Sozialministers vom 23. August 1983 wurde der
Antragsteller, gestützt auf § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Aufnahme
ausländischer Flüchtlinge, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg zur Aufnahme und
Unterbringung zugewiesen. Im Einvernehmen mit dem Kreisausschuß dieses
Kreises wurde er aufgefordert, seinen Aufenthalt in 6115 Münster, Frankfurter
Straße 17, zu nehmen. Am 1. September 1983 habe er sich mit einem
Sammeltransport dorthin zu begeben. Dieser Bescheid war adressiert an den
Antragsteller, als Anschrift wurde angegeben "in der Hessischen
Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge, Am Weißen Stein, 6231
Schwalbach am Taunus". Die vorgesehene Rubrik über Bevollmächtigte enthält
keine Eintragung. Dieser Bescheid wurde vom 26. August 1983 bis zum 12.
September 1983 in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft in
Schwalbach/Taunus ausgehängt.
Am 10. Februar 1984 hat der Antragsteller gegen den Verteilungsbescheid Klage
erhoben, die beim Verwaltungsgericht Wiesbaden unter dem Az.: X/1 E 20050/84 -
anhängig ist. Zugleich hat er Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen Versäumung der Klagefrist gestellt. Zur Begründung dieses Antrags trug er
vor, seine Bevollmächtigten hätten erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens
gegen die "Unterbringungsverfügung" am 23. Januar 1984 Kenntnis von dem
Verteilungsbescheid erhalten. Ihm selbst sei er erst bei einer Vorsprache am
30./31 Januar 1984 übersetzt worden.
Am 16. Februar 1984 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und vorgetragen, er habe sich zu keiner Zeit
in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft in Schwalbach aufgehalten. Ein
öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Verteilung könne daher nicht
angenommen werden, da der Lagerbetrieb durch ihn nicht tangiert werde. Der
Antragsgegner habe formelhaft und offenbar unter Verkennung des ihm
eingeräumten Ermessens entschieden.
Der Antragsteller beantragte sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Verteilungsbescheid des
Antragsgegners vom 25. August 1983 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag zurückzuweisen.
Er vertrat die Auffassung, sein Bescheid sei bestandskräftig geworden. Da der
Zuweisungsbescheid dem Antragsteller in der Hessischen
Gemeinschaftsunterkunft wegen dessen Abwesenheit nicht habe übergeben
werden können, sei er öffentlich zugestellt worden. Der Wiedereinsetzungsantrag
könne keinen Erfolg haben.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ordnete mit Beschluß vom15. Mai 1984 die
aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des
Hessischen Sozialministers vom 25. August 1983 an. Zur Begründung dieses
Beschlusses führte es aus, der Antrag sei zulässig, da der Verteilungsbescheid
dem Antragstellers bisher nicht wirksam zugestellt worden sei. Wirksam hätte er
nur den durch eine Vollmacht ausgewiesenen Bevollmächtigten des Antragstellers
zugestellt werden können. Die Frist des § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG sei daher nicht
wirksam in Lauf gesetzt worden. Der Antrag sei begründet, weil das Interesse des
Antragstellers an seinem Verbleiben in Frankfurt das öffentliche Interesse an der
Vollziehung des Verteilungsbescheides deutlich überwiege. Die Kammer habe
erhebliche Zweifel, ob der angefochtene Verteilungsbescheid auf einer
rechtsfehlerfreien Ermächtigungsgrundlage beruhe. Diese Bedenken ergäben sich
daraus, daß der Bescheid auch nach dem Inkrafttreten des § 22 Abs. 9 Satz 2
AsylVfG noch auf § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Aufnahme ausländischer
Flüchtlinge vom 15. Oktober 1980 gestützt worden sei. Weder die Hessische
Landesregierung noch eine von ihr beauftragte Stelle hatten bisher von der
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Landesregierung noch eine von ihr beauftragte Stelle hatten bisher von der
Ermächtigung Gebrauch gemacht, die der Bundesgesetzgeber ihren in § 22 Abs. 9
Satz 2 AsylVfG in Ausübung seines konkurrierenden Gesetzgebungsrechts
eingeräumt habe. Die bisher nicht erlassene Rechtsvorschrift könne auch nicht
dadurch ersetzt werden, daß das Landesgesetz insoweit für entsprechend
anwendbar angesehen, werde. Die Voraussetzungen für die Verabschiedung eines
Gesetzes und für den Erlaß einer Rechtsverordnung seien in formeller und
materieller Hinsicht derart verschieden, daß sich schon deshalb eine
entsprechende Anwendung verbiete.
Gegen den ihm am 18. Mai 1984 zugestellten Beschluß hat der Hessische
Sozialminister am 29. Mai 1984 Beschwerde eingelegt. Er weist darauf hin, daß der
Zuweisungsbescheid vom 25. August 1983 den Bevollmächtigten des
Antragstellers am 28. Juni 1984 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden sei.
Der Antragsgegner ist weiterhin der Auffassung, daß § 1 Abs. 2 Satz 2 des
Hessischen Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge auch nach
dem späteren Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes eine ordnungsgemäße
Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Verteilungsbescheid darstelle. Als
das Landesaufnahmegesetz ergangen sei, habe das Asylverfahrensgesetz noch
nicht gegolten. Das Landesgesetz habe daher nicht gegen dieses Bundesgesetz
verstoßen können. Es sei auch nicht dadurch ungültig geworden, daß nunmehr
Aufenthaltsort und Verteilung der Asylbewerber bundesrechtlich in § 22 AsylVfG
geregelt seien. Materiell enthalte das Bundesrecht Regelungen, denen das
Landesgesetz nicht widerspreche, an die das hessische Gesetz vielmehr anknüpfe;
so daß das Bundesrecht gerade wegen des Landesgesetzes ausgeführt werden
könne. Materiell-rechtlich bestehe also kein Widerspruch. Da das Landesgesetz
wirksam erlassen worden sei und materiell dem neuen Bundesrecht nicht
widerspreche, enthalte es die für die Durchführung des Asylverfahrensgesetzes
notwendige Zuständigkeitsregelung. Einer zusätzlichen Rechtsverordnung nach §
22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG bedürfe es aufgrund dieser Rechtslage nicht.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag des Antragstellers
abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung des
angefochtenen Beschlusses,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller weist ferner darauf hin, daß die Streitwertfestsetzung mit DM
500,00 der Gewichtigkeit des Verfahrens für ihn nicht gerecht werde. Hätte er der
Verteilung Folge leisten müssen, so hätte dies den Verlust seiner sozialen
Kontakte, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die Wohnungsaufgabe zur
Folge gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten, der Ausländerakten des Antragsgegners und der Akten des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden - X/1 E 20050/84 - verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des
Antragstellers ist zulässig (§§ 146 Abs. 1, 147 i.V.m. der Aufhebung des § 80 Abs.
6 Satz 2 a.F. VwGO durch Gesetz vom 20. Dezember 1982 [BGBl. I 1834]). Sie ist
jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf Antrag des
Antragstellers die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den
Bescheid vom 25. August 1983 angeordnet.
Der Antrag war statthaft, da die Klage des Antragstellers gegen den
Verteilungsbescheid keine aufschiebende Wirkung hat. Dies ergibt sich allerdings
weder aus dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 10 Abs. 2 AsylVfG
noch aus dem - möglicherweise gemeinten - § 10 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG, sondern
aus § 22 Abs. 9 Satz 3 u. Abs. 10 AsylVfG.
Der Antrag war auch im übrigen zulässig. Eine Frist lief für ihn nicht. Die vom
Verwaltungsgericht herangezogene Wochenfrist des § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG ist
nicht einschlägig. Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut bezieht sich diese Vorschrift
(nur) auf Anträge "gegen die Abschiebungsandrohung". Anträge auf Gewährung
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(nur) auf Anträge "gegen die Abschiebungsandrohung". Anträge auf Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO unterliegen in aller
Regel keinen Fristbestimmungen. Die genannte Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3
AsylVfG ist ersichtlich die einzige Ausnahme hiervon. Schon deshalb kommt eine -
direkte oder entsprechende - Anwendung über die Fälle einer
Abschiebungsandrohung nach § 10 Abs. 9. AsylVfG hinaus grundsätzlich nicht in
Betracht. In § 1O Abs. 5 AsylVfG hat der Gesetzgeber vielmehr § 10 Abs. 3- Satz 3
AsylVfG nur dort als entsprechend anwendbar erklärt, wo er es über dessen
unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus für geboten hält. Für die Regelungen
des Verteilungsverfahrens in § 22 AsylVfG fehlt eine solche Gleichstellung. Dem
Asylverfahrensgesetz läßt sich auch kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts
entnehmen, daß überall dort, wo kraft spezialgesetzlicher Regelungen die
aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ausgeschlossen ist
(vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fristgebunden
wäre.
Das Verwaltungsgericht hat den somit zulässigen Antrag auch zu Recht als
begründet angesehen. Der Senat teilt die Auffassung, daß das private
Aufschubinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung
des Verteilungsbescheides vom 25. August 1983 überwiegt. Denn an der
sofortigen Vollziehbarkeit eines bei summarischer Überprüfung als offensichtlich
rechtswidrig erscheinenden Verwaltungsaktes besteht kein besonderes
öffentliches Interesse.
Dem voraussichtlichen Erfolg der in der Hauptsache erhobenen Klage steht nicht
entgegen, daß sie erst mehrere Monate nach dem Tage des Aushängens des
angefochtenen Bescheids erhoben wurde. Entgegen der - ursprünglichen - Ansicht
des Antragsgegners ist dieser Bescheid weder bestandskräftig geworden, noch
wurde durch seine Aushängung und einen entsprechenden Fristablauf (vgl. § 41
Abs. 4 Satz 3 HVwVfG, § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG i.V.m. § 1 HessVwZG) die
Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO (i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO)
ausgelöst. Denn die Bekanntgabe war fehlerhaft.
Eine bestimmte Form der Bekanntgabe (Zustellung, einfacher Brief,
Aushändigung, öffentliche Zustellung o.ä.) für einen Verteilungsbescheid ist nicht
vorgeschrieben. § 22 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG., der nach § 22 Abs. 9 Satz 3 AsylVfG
für diesen Bescheid entsprechend gilt, schreibt nur die Schriftform vor; § 22 Abs. 7
AsylVfG, der ebenfalls entsprechend gilt, spricht von Bekanntgabe. Allgemeine
Regeln über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten enthält das
Asylverfahrensgesetz nicht. Eine Bekanntgabe durch Zustellung ist nur für
bestimmte Einzelfälle vorgeschrieben (z.B. §§ 12 Abs. 6 Satz 2; 17 Abs. 4, 28 Abs.
5 AsylVfG). Die Behörde kann daher die Form der Bekanntgabe nach ihrem
Ermessen wählen. Hierzu kann auch die öffentliche Bekanntgabe gehören (§§ 41
Abs. 3 u. 4 HVwVfG). Ob deren Voraussetzungen hier vorlagen, kann dahinstehen,
da jedenfalls ein anderer Mangel die Bekanntgabe fehlerhaft machte. Nach § 22
Abs. 7 i.V.m. Abs. 9 Satz 3 AsylVfG soll die Verteilungsverfügung "auch" dem
Ausländer bekanntgegeben werden, wenn er durch einen Bevollmächtigten
vertreten wird. Diese Soll-Vorschrift setzt, wie das Wort "auch" zwingend ergibt, die
Bekanntgabe an den Bevollmächtigten des Ausländers voraus. Dadurch wird § 41
Abs. 1 Satz 2HVwVfG modifiziert, wonach die Bekanntgabe zwar an den
Bevollmächtigten vorgenommen werden kann, nicht aber vorgenommen werden
muß. Da sich der Soll-Charakter des § 22 Abs. 7 nur auf die Bekanntgabe an den
Ausländer bezieht, nicht aber an die - stillschweigend - vorausgesetzte
Bekanntgabe an dessen Bevollmächtigte, hatte der Antragsgegner keine
rechtliche Möglichkeit, eine wirksame Bekanntgabe nur an den Antragsteller
anstelle seiner Bevollmächtigten vorzunehmen (vgl. die entsprechende, hier aber
nicht einschlägige Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG).
Fehlerhaft wäre die Zustellung aber auch dann, wenn man die genannte Soll-
Vorschrift auch auf die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten des Ausländers
beziehen würde oder wenn man ungeachtet des § 22 Abs. 7 der Behörde auch
darüber eine Ermessensentscheidung nach § 41 Abs. 1 Satz 2 HVwVfG zubilligen
würde, ob sie die Bekanntgabe gegenüber dem Ausländer oder gegenüber seinen
Bevollmächtigten vornehmen will. Denn es sind weder Gründe für ein Abweichen
von dem im Regelfall zwingenden Charakter einer Soll-Vorschrift vorgetragen oder
ersichtlich noch ist erkennbar, daß dem Antragsgegner bei der Bekanntmachung
seines Verteilungsbescheides bewußt gewesen wäre, daß der Antragsteller durch
einen Bevollmächtigten vertreten ist. Denn in dem angefochtenen Bescheid ist die
für die Angabe des Bevollmächtigten vorgesehene Rubrik leergeblieben.
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Die am 10. Februar 1984 erhobene Klage war nicht verspätet, da den
Bevollmächtigten des Antragstellers der Verteilungsbescheid vom 25. August
1983 erst durch das Schreiben des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 19.
Januar 1984 im Rahmen eines gesonderten Widerspruchsverfahrens zuging. Da als
Bekanntgabe nur die mit Wissen und Wollen der erlassenden Behörde erfolgende
Eröffnung eines Verwaltungsakts anzusehen ist (Kopp, VwVfG, 3. Aufl. 1983, Rdnr.
20 zu § 41), könnten Zweifel bestehen, ob in dieser "zur Kenntnisnahme" erfolgten
Übersendung eine formgerechte Bekanntgabe gesehen werden kann. Diesen
Zweifeln braucht jedoch nicht nachgegangen zu werden, weil etwaige Mängel der
Bekanntgabe des Verteilungsbescheides jedenfalls durch Ergreifen des gebotenen
Rechtsbehelfs geheilt wurden (Kopp, a.a.O. Rdnr. 32 u. 59 zu § 41 und Kopp,
VwGO, 6. Aufl. 1984, Rdnr. 17 zu § 56).
Soweit aus der fehlerhaften Bekanntmachung die Unwirksamkeit des
angefochtenen Verwaltungsaktes abzuleiten ist (vgl. § 43 Abs. 1 HVwVfG), dürfte
der Klage das Rechtsschutzbedürfnis gleichwohl schon deshalb nicht
abgesprochen werden können, weil die Behörden des Antragsgegners noch
während des gerichtlichen Verfahrens von der Rechtmäßigkeit der Bekanntgabe
und der Wirksamkeit des Verteilungsbescheides ausgegangen sind. Der Landrat
des Landkreises Darmstadt-Dieburg leitete im Januar 1984 sogar ein
Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Antragsteller wegen "Zuwiderhandlung
gegen die aufenthaltsbeschränkende Auflage in der Aufenthaltsgestattung für
Asylbewerber" ein, weil der Antragsteller sich nicht im Landkreis Darmstadt-
Dieburg aufhielt.
Die nach alledem als zulässig erscheinende Anfechtungsklage dürfe
voraussichtlich auch Erfolg haben. Der Senat teilt die Bedenken des
Verwaltungsgerichts gegen die vom Antragsgegner für seinen Verteilungsbescheid
herangezogene Ermächtigungsgrundlage.
Durch § 22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG wird die Landesregierung oder die von ihr
bestimmte Stelle seit dem 1. August 1982 (§ 45 Abs. 1 AsylVfG) ermächtigt, durch
Rechtsverordnung die Verteilung der zugewiesenen Asylbewerber innerhalb des
Landes zu regeln. Eine derartige Rechtsverordnung hat bisher weder die Hessische
Landesregierung noch eine von ihr bestimmte Stelle erlassen. Die Anordnung der
Hessischen Landesregierung vom 2. Dezember 1982 (GVBl. I S. 273) betrifft nach
ihrem eindeutigen Wortlaut die zuständige Landesbehörde für die
Zuweisungsentscheidung nach § 22 Abs. 5 AsylVfG. Eine entsprechende
Anwendung dieser Anordnung auf die Verteilungsentscheidung nach § 22 Abs. 9
AsylVfG erscheint bei diesem Wortlaut als ausgeschlossen. Sie war auch nicht
beabsichtigt, da der Antragsgegner davon ausging und ausgeht, daß das vor dem
Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes erlassene Landesrecht über die
Verteilung von Asylbewerbern im Lande Hessen weiterhin in Kraft ist und eine
ausreichende Rechtsgrundlage für Verteilungsbescheide darstellt. Dies dürfte
indessen nicht der Fall sein.
Sowohl das Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge vom 15. Oktober
1980 - Landesaufnahmegesetz - (GVBl. I S. 384) als auch die Verordnung über die
Verteilung ausländischer Flüchtlinge vom 2. Januar 1981 - Verteilungsverordnung -
(GVBl. I S. 14) sind vor dem Asylverfahrensgesetz in Kraft getreten, nämlich am 1.
Januar 1981 (§ 3 LandesaufnahmeG) bzw. am 15. Januar 1981 (§ 4 VerteilungsVO).
Die Verteilungsverordnung kann schon deshalb nicht in Ausfüllung der
Ermächtigung des § 22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG ergangen sein. Sie kann auch nicht
nachträglich stillschweigend auf eine andere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
gestellt werden. Die Verteilungsverordnung wurde erlassen aufgrund des § 1 Abs.
2 Satz 1 LandesaufnahmeG, wonach der Minister des Innern im Benehmen mit
dem Sozialminister durch Rechtsverordnung die Aufnahmequote verschiedener
kommunaler Gebietskörperschaften bestimmt.
Ein stillschweigendes nachträgliches Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage für
eine Rechtsverordnung ist ebenso ausgeschlossen wie die Heilung einer ohne
gesetzliche Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung durch den späteren Erlaß
einer gesetzlichen Ermächtigung. In beiden Fällen müßte die Rechtsverordnung
erneut verkündet werden (Maunz in Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz,
Stand: September 1983, Art. 80 Rdnr. 26). Um dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1
Satz 3 GG gerecht zu werden, müßte darüber hinaus in der Verordnung die (neue)
Rechtsgrundlage angegeben werden.
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Im übrigen scheidet die Verteilungsverordnung auch ihrem Inhalt nach als
Rechtsgrundlage für einen an einen bestimmten Asylbewerber gerichteten
Verteilungsbescheid aus. Ihrer Ermächtigung entsprechend befaßt sie sich
ausschließlich mit der Festlegung der nach Einwohnerzahlen differenzierten
Aufnahmequoten kommunaler Gebietskörperschaften. Sie regelt damit lediglich
die durch das Landesaufnahmegesetz den Landkreisen und Gemeinden
grundsätzlich auferlegte Pflicht zur Aufnahme und Unterbringung von
Asylbewerbern, Asylberechtigten und Ausländern, die dem Land im Rahmen
humanitärer Hilfsmaßnahmen zugewiesen werden. Als Rechtsgrundlage für
Einzelfallentscheidungen gegenüber dem betroffenen Personenkreis kommt die
Verteilungsverordnung daher inhaltlich nicht in Betracht. Außer dem
Verteilungsschlüssel enthält sie weder auf den Ausländer bezogene
Verteilungskriterien (wie § 22 Abs. 6 Satz 1 AsylVfG,), noch nähere Regeln über
den Erlaß der Zuweisungsentscheidung (wie § 22 Abs. 5 u. 7 AsylVfG) noch gar
eine nähere Ausgestaltung der Pflicht des Ausländers, sich unverzüglich zur der, in
der Verteilungsentscheidung angegebenen Stelle zu begeben (wie § 22 Abs. 8
AsylVfG). Auch eine Bestimmung der zuständigen Behörde fehlt.
Ebensowenig wie die Verteilungsverordnung dürfte das Landesaufnahmegesetz als
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Verteilungsbescheid in Betracht kommen.
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann dahinstehen, ob dem
Antragsgegner bis zum Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes am 1. August
1982 die Kompetenz zustand, gesetzliche Regelungen über die Verteilung von
Asylbewerbern zu schaffen. Bedenken hiergegen könnten sich daraus ergeben,
daß der Bund durch die §§ 40 ff. a.F. AuslG von seiner konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Nr. 4 GG) in der Weise Gebrauch gemacht
hatte, daß eine Verteilung von Ausländern auf die Bundesländer erst nach deren
Anerkennung als Asylberechtigte erfolgte. Die Tatsache, daß die §§ 40 ff. a.F.
AuslG wegen Überfüllung bzw. Schließung des Sammellagers Zirndorf in der
Verwaltungspraxis des Bundes und der Länder nicht mehr angewandt wurden,.
dürfte nichts daran geändert haben, daß der Bund in diesem Bereich durch seinen
offensichtlich erschöpfenden Gebrauch von der Gesetzgebungskompetenz den
Ländern die Möglichkeit einer eigenständigen gesetzlichen Regelung genommen
hatte.
All dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, da der Bund jedenfalls mit dem Gesetz
über das Asylverfahren vom 16. Juli 1982 von seiner Gesetzgebungskompetenz
aus Art. 74 Nr. 4 GG Gebrauch gemacht hat. Zu dem dort angeführten Gebiet
"Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer", das in einem weiten Sinn
zu verstehen ist. (von Münch, Rdnr. 16 zu Art. 74, in: von Münch, GG, Band 3, 2.
Aufl. 1983), gehört auch das Asylrecht einschließlich des Rechts des Aufenthalts
der Asylbewerber. Letzteres hat der Bundesgesetzgeber in den §§ 19 - 28 AsylVfG
geregelt. Daß der Bund für andere Teile des Asylverfahrensgesetzes (z. B. "5.
Abschn. Gerichtsverfahren", §§ 30 - 33) seine Kompetenz aus anderen Nummern
des Gebietskatalogs des Art. 74 GG ableitet (im Beispiel Nr. 1 "das gerichtliche
Verfahren"), ist im vorliegenden Fall unerheblich (zur Irrelevanz von
Zuständigkeitsüberschneidungen innerhalb des Art. 74 GG vgl. Maunz in Maunz-
Dürig, GG, Art. 74 Rdnr. 21).
Maßgeblich ist dagegen, ob und inwieweit der Bereich des Asylrechts durch das
Bundesgesetz umfassend und erschöpfend geregelt. wurde, weil nur dann und
insoweit eine Sperrwirkung für das Landesrecht eintritt (BVerfGE 1, 283 [296]). Bei
der gebotenen "Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes" (BVerfGE
7, 342 [347]) läßt sich mit einer für dieses Eilverfahren ausreichenden
Überzeugung feststellen, daß der Bundesgesetzgeber im Asylverfahrensgesetz
den materiell-rechtlichen Aufenthaltsstatus des Asylbewerbers abschließend
geregelt hat. Es sind weder bewußte noch unbewußte Regelungslücken ersichtlich,
die nicht aus dem Asylverfahrensgesetz selbst heraus oder durch einen Rückgriff
auf das Ausländergesetz zu schließen sind. Für die hier interessierenden
Verteilungsfragen ist geregelt, daß der Asylbewerber verpflichtet ist, sich
unverzüglich zu der in dem von der zuständigen Landesbehörde indem
Verteilungsbescheid angegebenen Stelle zu begeben (§§ 22 Abs. 9 Satz 3 i.V.m.
Abs. 5 Satz 1 und Abs. 8 AsylVfG). Die bei der Verteilungsentscheidung zu
berücksichtigenden Kriterien enthält der ebenfalls entsprechend anwendbare § 22
Abs. 6 Satz 1 AsylVfG.
Neben der aus Art. 74 Nr. 1 und 4 GG abzuleitenden Kompetenz des Bundes zur
Regelung des Gebiets Asylrecht in materieller Hinsicht steht ihm, ebenfalls im
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Regelung des Gebiets Asylrecht in materieller Hinsicht steht ihm, ebenfalls im
Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung, die Befugnis zu, mit Zustimmung
des Bundesrates insoweit auch "die Einrichtung der Behörden und das
Verwaltungsverfahren" für das von den Ländern als eigene Angelegenheit
auszuführende Asylverfahrensgesetz zu regeln (Art. 84 Abs 2 letzter Halbsatz GG).
Hinsichtlich des bei der Verteilung anzuwendenden Verfahrensrechts hat der Bund
von dieser Kompetenz nur insoweit Gebrauch gemacht, als er in einzelnen Punkten
(Form, Rechtsbehelfsbelehrung, Begründung, Anhörung) Abweichungen von dem
sonst geltenden Verwaltungsverfahrensrecht vorgegeben hat (§ 22 Abs. Satz 3
Abs. 5 Sätze 2 - 4 AsylVfG).Die weiteren Einzelheiten des landesinternen
Verteilungsverfahrens einschließlich der Bestimmung der hierfür zuständigen
Behörden hat der Bundesgesetzgeber dagegen nicht selbst vorgenommen.
Vielmehr gibt er in § 22 Abs. 9 Satz 2 der Landesregierung oder der von ihr
bestimmten Stelle eine Verordnungsermächtigung zu der Regelung der Verteilung
innerhalb des Landes. Es kann offen bleiben, ob in jedem Fall allein schon aus der
Einräumung einer Verordnungsermächtigung der Schluß gezogen werden kann,
der Bund habe die betreffende Materie nicht abschließend und erschöpfend
geregelt. Dies mag dort der Fall sein, wo alleiniger Inhalt der bundesgesetzlichen
Regelung eine Verordnungsermächtigung ist (vgl. hierzu OVG, Rheinland-Pfalz, AS
7, 254; Fonk, DÖV 1958, 23). Entsprechendes dürfte geltend, wenn der
Bundesgesetzgeber die Landesregierung erkennbar deshalb zum Erlaß von
Rechtsverordnungen ermächtigt hat, weil er die betreffende Materie im Hinblick auf
die Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse nicht erschöpfend regeln konnte
(vgl. hierzu: BVerfGE 18, 407 [417]). Offen bleiben können diese Fragen deshalb,
weil der Bundesgesetzgeber durch die Verordnungsermächtigung zugleich eine
Bestimmung darüber getroffen hat, durch wen und auf welche rechtssetzende Art
die vom Bundesgesetz nicht geregelten Bereiche geschlossen werden können.
Beschränkt sich der Bund auf eine Teilregelung und macht für den nicht geregelten
Teil keine Vorgaben, so bleibt der Rest für die Regelung durch den
Landesgesetzgeber frei (Art. 72 Abs. 1 GG). Anstatt die ausgesparten Regelungen
dem Landesgesetzgeber zu überlasen, kann der Bund gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz
1 GG aber auch die Landesregierungen ermächtigen, das Nähere durch
Rechtsverordnung zu regeln. Der Landesverordnungsgeber ist dann in der
Rechtsgestaltung weniger frei als es der Landesgesetzgeber wäre, wenn der
Bundesgesetzgeber auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung nur
teilweise tätig geworden ist (BVerfG a.a.O. S. 416). Denn mit der Ermächtigung
nimmt der Bund dadurch Einfluß auf die materielle Rechtsgestaltung in den
Ländern, daß er Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung in dem Gesetz
bestimmt. Dies bedeutet, daß nicht anstelle der Landesregierung auch der
Landesgesetzgeber die ergänzende Regelung treffen könnte; denn die
bundesgesetzliche Regelung enthält die, Entscheidung, daß nur der
Verordnungsgeber des Landes jene ergänzende Regelung soll erlassen können
(BVerfG a.a.O., S. 417).
Irgendein Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung, der auch bei
umfassender und erschöpfender Regelung eines Gegenstandes der
konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund möglich wäre
(BVerfGE 29, 125 [137]), läßt sich dem hier angesprochenen Teilbereich des
Asylverfahrensgesetzes nicht entnehmen.
Der Antragsgegner hatte deshalb nach Ansicht des Senats keine
Entscheidungsfreiheit mehr, die weiteren Regelungen, insbesondere auch die
Bestimmung der zuständigen Landesbehörde, entweder durch Gesetz oder durch
Rechtsverordnung zu treffen. Auch das früher verkündete und in Kraft getretene
Landesaufnahmegesetz kann nicht später, nachdem der Bund von seiner
konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, den Ländern
eine neue Aufgabe auferlegt und eine an die Landesregierung gerichtete
Verordnungsermächtigung zur weiteren Regelung geschaffen hat, als insoweit
weiterbestehend und die Ermächtigung ausfüllend angesehen werden.
Die Landesregierung war allerdings nicht verpflichtet, den ihr durch die
Verordnungsermächtigung gewährten Rahmen in vollem Umfang auszuschöpfen.
Für eine zentrale Verteilung unerläßlich war nach Auffassung des Senats jedoch
die Bestimmung der zuständigen Behörde. Eine solche Bestimmung ist im Land
Hessen nicht durch eine Rechtsverordnung auf Grundlage des § 22 Abs. 9 Abs. 2
AsylVfG erfolgt. Das Hessische Landesaufnahmegesetz konnte somit nicht
Rechtsgrundlage des angefochtenen Verteilungsbescheides sein, der Hessische
Sozialminister war für seinen Erlaß nicht zuständig.
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Die vorstehenden Erwägungen des Senats zwingen allerdings nicht zur Annahme
der Nichtigkeit des Landesaufnahmegesetzes und zur Einholung der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn
wesentliche, nach der Begründung des Gesetzentwurfs (Hessischer Landtag,
Drucksache 9/3350, S. 1 u. 6) einzige Aufgabe des Landesaufnahmegesetzes war
es, den Gemeinden die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge als "neue Pflicht" im
Sinne von § 3 Satz 1 HGO aufzuerlegen und ihnen diese Aufgabe zur Erfüllung
nach Weisung(§ 4 HGO) zu übertragen. Hierfür bedurfte es nach den genannten
kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften, eines Gesetzes (zur Funktion von §
22 Abs. 9 S. 2 AsylVfG als "Handhabe", Gebietskörperschaften zur unverzüglichen
Aufnahme zugewiesener Asylbewerber zu verpflichten, vgl. einerseits BVerwG, Urt.
vom 5. Juni 1984 BVerwG 9 C 9.84 -, andererseits Kloesel-Christ, Deutsches
Ausländerrecht, Stand: Dezember 1983, Anm. 14 aF zu § 22 AsylVfG). Diese
Funktion des Landesaufnahmegesetzes besteht nach wie vor. Da insoweit an
seiner Wirksamkeit kein Zweifel besteht, kommt eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht. Auf die Zulässigkeit einer konkreten
Normenkontrolle im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren kommt es daher nicht
an (vgl. dazu Goerlich, JZ 1983, 57).
Nach alledem steht für den Senat fest,. daß es gegenwärtig in Hessen keine die
Ermächtigung des § 22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG ausfüllende Rechtsverordnung über
die zentrale Verteilung der Asylbewerber einschließlich der zur Verteilung
zuständigen Behörde gibt. Hiervon unberührt bleibt die Befugnis der zuständigen
Ausländerbehörde zur Konkretisierung der Aufenthaltsgestattung eines
Asylbewerbers durch Einzelanordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG
gegebenenfalls auch zur Einweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft im Bezirk
einer anderen Ausländerbehörde (BVerwG a.a.O.). Der Senat ist nicht der
Auffassung, daß zeitweise auf eine wirksame Verteilungsregelung verzichtet
werden kann. Das OVG Münster hat in einem vergleichbaren Fall (EZAR 221 Nr.
16) "für eine Übergangszeit" den einschlägigen Erlaß des zuständigen Ministers als
Verteilungsgrundlage ausreichend erlassen. Die darauf gestützte
Verteilungsverfügung sei zwar ohne Rechtsgrundlage erfolgt, aber trotzdem nicht
offensichtlich rechtswidrig, weil nur so die Funktionsunfähigkeit der Verwaltung
vermieden werden könne und der Einzeleingriff der Sache nach zu billigen sei. Ob
dieser Auffassung zu folgen ist kann offen bleiben, da es hier schon an den
tatsächlichen Voraussetzungen für einen "Verzicht" auf eine Rechtsgrundlage fehlt.
Denn von einer Übergangszeit kann keine Rede mehr sein, da seit dem
Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes mehr als zwei Jahre verstrichen sind und
der Antragsgegner die von ihm beabsichtigten Zuständigkeitsregelungen zu §§ 8
und 22 Abs. 5 AsylVfG durchaus zeitnah (nämlich am 11. August bzw. 2.
Dezember 1982) erlassen hat. Im übrigen hat der Antragsgegner im vorliegenden
Verfahren seine Auffassung bekräftigt, daß das Landesaufnahmegesetz als
Rechtsgrundlage ausreiche, so daß auch nicht mit dem Erlaß einer weiteren
Rechtsverordnung zu rechnen ist.
Auf die vom Antragsteller in den Vordergrund gestellte Frage, ob bei der
Verteilungsentscheidung das Ermessen sachgerecht ausgeübt worden ist, kommt
es nach alledem nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2 und 20 Abs. 3
GKG. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt für das Verfahren in erster und
zweiter Instanz je DM 2.000,00; die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts
ist deshalb gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 GKG von Amts wegen entsprechend zu
ändern. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes setzt der Senat regelmäßig
die Hälfte des in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren zu erwartenden
Streitwertes fest. Dies ist hinsichtlich der angefochtenen Verteilungsverfügung die
Hälfte des Auffangstreitwertes aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Der Senat kann keinen
Anlaß für die Annahme einer geringerwertigen Bedeutung der Sache für den
Antragsteller erkennen. Da dieser sich darauf beruft, daß die angefochtene
Verteilung den Verlust seiner sozialen Kontakte, die Kündigung seines
Arbeitsverhältnisses und die Wohnungsaufgabe zur Folge hätte, ist jedenfalls kein
Anhaltspunkt für einen diesen Betrag unterschreitenden Streitwert ersichtlich.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 VwGO, 25 Abs. Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.