Urteil des HessVGH vom 29.09.1994

VGH Kassel: ausgleichsabgabe, genehmigung, rechtliches gehör, eingriff, verfügung, rückbau, begriff, naturschutzgebiet, landschaft, wiederherstellung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 24/92
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 6 Abs 3 NatSchG HE
(Naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe für Natureingriffe
durch Freileitungen)
Tatbestand
Mit Bescheid vom 30.05.1984 erteilte der Beklagte der Klägerin eine
naturschutzrechtliche Genehmigung gemäß den §§ 5, 6 und 7 HENatG zur
Errichtung einer 110 KV-Hochspannungsfreileitung vom Umspannwerk K bis zum
Umspannwerk W. Die Genehmigung schloß die nach § 3 Abs. 3 der Verordnung
zum Schutze von Landschaftsteilen im Landkreis W - Landschaftsschutzgebiet
"Naturpark D" - (LSchVO) vom 14.03.1969 (Amtl. Kreisblatt Nr. 66 vom
19.03.1969) i.d.F. der II. Änderungs-VO vom 31.07.1991 (StAnz. 1991, S. 2110)
erforderliche Zustimmung ein. Die zugehörigen 17 Blatt Maßnahmenpläne im
Maßstab 1:2000 weisen für die insgesamt 20,2742 km lange Leitungstrasse 67
Masten aus, die gemäß den dem Genehmigungsantrag beigefügten Mastbildern
32 bis 36 m hoch sind, mit einem Gestänge für zwei bzw. vier Systeme versehen
und mit ihren vier Eckstielen auf betonierten zylindrischen Fundamentkörpern im
Erdreich stehen.
Die inzwischen bestandskräftige naturschutzrechtliche Genehmigung vom
30.05.1984 enthält unter Nr. 2 die Bestimmung, daß die im Erörterungstermin
vom 23.03.1984 und dem Flurbegang vom 24.04.1984 getroffenen
Vereinbarungen gemäß den Vermerken vom 03.04.1984 und 02.05.1984
Bestandteil der Genehmigung seien. Die Genehmigung setzt weiterhin unter Nr. 3
die Auflage fest, für die im Rahmen des Leitungsbaus erforderliche Beseitigung
von Einzelbäumen, Sträuchern und Baumgruppen Ausgleichsmaßnahmen
vorzunehmen. Die Ausgleichsmaßnahmen seien im einzelnen noch in
Maßnahmenplänen darzustellen. Diese Maßnahmenpläne seien bis spätestens
15.10.1984 vorzulegen, die Maßnahmen vorher mit den Eigentümern der
betreffenden Ausgleichsflächen abzustimmen und die Bepflanzungen bis
spätestens 31.05.1985 vorzunehmen. In der Auflage Nr. 4 heißt es, die mit der
Leitungstrasse verbundenen Eingriffe in das Landschaftsbild könnten nicht durch
geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden. Nach § 6 Abs. 3 HENatG sei für nicht
ausgleichbare Eingriffe ein finanzieller Ausgleich zu zahlen. Die Entscheidung über
die Höhe der Ausgleichsabgabe für die 110 kV-Leitung K-W werde bis zum
Vorliegen entsprechender Richtlinien zurückgestellt.
Der naturschutzrechtlichen Genehmigung vom 30.05.1984 ging das Schreiben des
Regierungspräsidenten in K vom 02.02.1982 voraus, in dem dieser für die im
Raumordnungsverfahren festgelegte Linienführung eine Abweichung vom
Regionalen Raumordnungsplan der früheren Regionalen Planungsgemeinschaft
Nordhessen (StAnz. 1979, S. 734) zuließ, die Abstimmung des Vorhabens mit
raumbedeutsamen Planungen und sonstigen Maßnahmen der gemäß § 8 Abs. 2
HLPG in Frage kommenden Stellen und denen anderer Planungsträger feststellte
und die Freileitungstrasse mit den Belangen der Landesplanung für vereinbar
erklärte.
Im Anschluß an den Abschluß des Raumordnungsverfahrens erfolgte auf die unter
dem 02.09.1980 eingereichte Anzeige der Klägerin nach § 4 EnWG der
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dem 02.09.1980 eingereichte Anzeige der Klägerin nach § 4 EnWG der
Nichtbeanstandungsbescheid des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik
vom 11.10.1982.
Die frühere Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in K erteilte der Klägerin
mit Bescheid vom 20.12.1984 eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung
für die Errichtung zweier Masten im Bereich der Verordnung über das
Naturschutzgebiet "O" vom 07.01.1982 (StAnz. 1982, S. 237). In diesem
bestandskräftigen Bescheid ist ausgeführt, daß für die Beeinträchtigungen des
Naturschutzgebietes eine Ausgleichsabgabe gemäß § 6 Abs. 3 HENatG zu leisten
sei. Die Höhe der Abgabe werde gesondert geregelt. Das später als obere
Naturschutzbehörde zuständige Regierungspräsidium K teilte dem Beklagten mit
Schreiben vom 20.02.1989 mit, aus verwaltungsökonomischen Gründen sei die
Ausgleichsabgabe für die beiden im Naturschutzgebiet "O" liegenden Masten
zusammen mit der Ausgleichsabgabe für die nicht auszugleichenden Eingriffe im
Landschaftsschutzgebiet "Naturpark D" festzusetzen und zu erheben.
Die nahezu durchgängig im Außenbereich und im Landschaftsschutzgebiet
verlaufende Freileitung ist inzwischen errichtet worden. Das neu errichtete
Umspannwerk W ist in einem speziellen Baugenehmigungsverfahren mit
naturschutzbehördlichem Einvernehmen und einem landschaftspflegerischen
Begleitplan isoliert genehmigt worden und in diesen Rechtsstreit nicht einbezogen.
Für den Ausgleich der Natureingriffe durch die Leitungstrasse ist es zu der in Nr. 3
der Verfügung vom 30.05.1984 geforderten Vorlage von Maßnahmenplänen nicht
gekommen. Zwischen den Beteiligten sind mehrfach Gespräche über
Ausgleichsmaßnahmen und Ausgleichsflächen einschließlich entsprechender
Ortstermine durchgeführt worden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die
Klägerin als Ausgleichsmaßnahmen lediglich eine auf eine Rodungsgenehmigung
des Hessischen Forstamts K vom 25.06.1984 zurückgehende Ersatzaufforstung
auf dem Grundstück Gemarkung R, Flur, Flurstück mit Kosten von 2.520,-- DM
sowie durch Rechnung belegte wegbegleitende Bepflanzungen im Bereich U. für
34.578,91 DM durchgeführt hat.
Mit Verfügung vom 18.08.1990 setzte der Beklagte gemäß § 6 Abs. 3 HENatG eine
Ausgleichsabgabe in Höhe von 1.141.067,49 DM fest, wobei er die durch zwei
Rechnungen der Firma K belegten Bepflanzungsmaßnahmen in U in Höhe von
34.578,91 DM abzog und die zu zahlende Ausgleichsabgabe mit 1.106.488,58 DM
bestimmte. Bei der Höhe der Abgabe ging der Beklagte von den Rückbaukosten
der Leitungsanlage und dafür von folgenden Teilbeträgen aus: 344.661,40 DM für
die Demontage von 20,2742 km Leiterseil € 17.000,-- DM pro km, 574.200,-- DM
für den Abbau von 67 Stahlgittermasten mit insgesamt 522 Tonnen € 1.100,-- DM
pro Tonne und 82.075,-- DM für die Beseitigung von 67 Fundamenten, das
Verfüllen der Löcher und den Transport zur nächsten Bauschuttdeponie € 3,5 cbm
x 350,-- DM, woraus sich mit 14 % Mehrwertsteuer = 140.131,09 DM die dann
noch reduzierte Gesamtabgabe mit 1.141.067,49 DM ergibt.
Der Beklagte gab den Bescheid vom 18.08.1990 am 20.08.1990 als Einschreiben
zur Post, das der Klägerin ausweislich des Rückscheins am 21.08.1990 zuging. Mit
Schreiben vom 21.09.1990, eingegangen am 24.09.1990, legte die Klägerin beim
Regierungspräsidium K Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid ein. Zur
Begründung führte sie aus, der Bescheid verstoße gegen § 6 Abs. 3 HENatG, weil
er die Ausgleichsabgabe nach den fiktiven Rückbaukosten ermittele. Dies stimme
zwar mit Nr. 3.1 und Nr. 4 der "Richtlinie zur Bewertung des Ausgleichs und
Bemessung der Abgaben bei Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 6 Abs. 3
HENatG) nach dem Differenzverfahren" des Hessischen Ministers für
Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 17.12.1987 (Az.: V B 4 - 46 d
4.04.05-n.v.) überein. Der Begriff der fiktiven Rückbaukosten gehe aber über den
Begriff der ersparten Rekultivierungskosten in § 6 Abs. 3 HENatG hinaus, so daß
der Bescheid mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig sei.
Das Regierungspräsidium K wies den klägerischen Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 15.11.1990, zugestellt am 19.11.1990, wegen
Verfristung als unzulässig zurück. Nachdem die Widerspruchsfrist für den am
21.08.1990 zugestellten Festsetzungsbescheid am 22.08.1990 zu laufen
begonnen habe, sei der am 24.09.1990 eingelegte Widerspruch verspätet.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat die am 18.12.1990 erhobene Anfechtungsklage
abgewiesen. Zwar sei der Widerspruch wie die Klage zulässig, da der Klägerin die
gesetzliche Fiktion des § 4 VwZG für den Zugang von Einschreibebriefen auch
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gesetzliche Fiktion des § 4 VwZG für den Zugang von Einschreibebriefen auch
dann zugute komme, wenn feststehe, daß ein Bescheid dem Empfänger vorher
zugegangen sei. In der Sache sei die festgesetzte Ausgleichsabgabe jedoch nicht
zu beanstanden. Ihre Rechtsgrundlage sei die bestandskräftige Auflage Nr. 4 der
naturschutzrechtlichen Genehmigung vom 30.05.1984 i.V.m. § 6 Abs. 3 HENatG.
Der Begriff der "ersparten Rekultivierungskosten" könne durch Auslegung
hinreichend präzise ermittelt werden. Die entsprechende gesetzliche Regelung in
Hessen genüge den Anforderungen des verfassungsrechtlichen
Bestimmtheitsgebots. Da die 20 km lange Leitungsanlage mit Leiterseilen und 67
Stahlgittermasten in Betonfundamenten das Landschaftsbild und den
Naturhaushalt erheblich bzw. nachhaltig beeinträchtige, setze der Begriff der
ersparten Rekultivierungskosten voraus, daß der durch die bauliche Anlage
verursachte Eingriff zunächst zu beseitigen wäre, um eine anschließende
Rekultivierung ermöglichen zu können. Der Rückbau der Anlage sei somit als
Vorstufe zur Rekultivierung zu sehen. Der Höhe nach sei die Berechnung des
Beklagten im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.11.1991 zugestellte verwaltungsgerichtliche
Urteil am 20.12.1991 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie zunächst die
Zuständigkeit des Beklagten zum Erlaß der streitbefangenen
naturschutzrechtlichen Verfügung in Frage gestellt, diese Rüge später aber nicht
aufrecht erhalten. Jedenfalls sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
für das energiewirtschaftliche Anzeigeverfahren nach § 4 Abs. 1 EnWG nicht der
Bundeswirtschaftsminister, sondern der Wirtschaftsminister des Landes Hessen
zuständig gewesen, jetzt das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie und
Bundesangelegenheiten.
Im übrigen macht die Klägerin einen Verstoß gegen die Begründungspflicht des §
39 HVwVfG geltend, weil der Beklagte seine Berechnungsmethode und
Ermittlungsmethode bezüglich der angesetzten Rückbaukosten nicht begründet
habe. Er habe sich insbesondere nicht mit der Richtlinie zur Bewertung des
Ausgleichs und Bemessung der Abgaben bei Eingriffen in Natur und Landschaft
nach dem Differenzverfahren vom 17.12.1987 auseinandergesetzt. Der
angefochtenen Abgabenbescheid vom 18.08.1990 sei auch materiell rechtswidrig.
Die ihm zugrundeliegende Vorschrift des § 6 Abs. 3 HENatG 1980 sei wegen
mangelnder Bestimmtheit und wegen Nichtbeachtung der an eine Sonderabgabe
zu stellenden Anforderungen verfassungswidrig. Jedenfalls lasse es der gesetzliche
Begriff der ersparten Rekultivierungskosten nicht zu, fiktive Rückbaukosten als
Ausgleichsabgabe im Sinne des § 6 Abs. 3 HENatG 1980 festzusetzen. Daß das
Hessische Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten
und Naturschutz (HMLWLFN) die Richtlinie vom 17.12.1987, die unter Nr. 4 im Falle
eines objektiv nicht möglichen Ausgleichs fiktive Rückbaukosten zur Herleitung der
Ausgleichsabgabe zuließ, selbst für rechtswidrig halte, ergebe sich daraus, daß die
"Richtlinien zur Bemessung der Abgabe bei Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 6
Abs. 3 HENatG)" vom 17.05.1992 (StAnz. 1992, S. 1437) die Richtlinie vom
17.12.1987 aufgehoben und das Differenzverfahren durch das Biotopwertverfahren
ersetzt habe. Dabei seien Hochspannungsfreileitungen mit einer Spannungsebene
110 kV und höher allerdings nicht Bestandteil des Bewertungssystems der
Richtlinien vom 17.05.1992, da sich nach Nr. 3.3.1 die Berechnung der
Ausgleichsabgabe lediglich für Niederspannungsleitungen oder
Fernmeldeleitungen nach der Differenz zwischen den sich bei oberirdischer und
unterirdischer Verlegung ergebenden Kosten richte.
Im vorliegenden Fall beziehe sich die Festsetzung der Ausgleichsabgabe
ausweislich der Nr. 3 und 4 des Bescheides vom 30.05.1984 nur auf die
Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und nicht des Naturhaushaltes. Als
ersparte Rekultivierungskosten bei der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes
könnten nur diejenigen Kosten angesetzt werden, die der landschaftsgerechten
Wiederherstellung oder Neugestaltung des Landschaftsbildes dienten. Kosten für
die Entfernung von Bauteilen im Erdboden gehörten insoweit nicht zur
Rekultivierung bzw. zur landschaftsgerechten Wiederherstellung oder
Neugestaltung des Landschaftsbildes. Soweit der 4. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 12.02.1993 - 4 UE 3399/90 - NuR
1993, 334 im Leitsatz 9 Kosten zur Entfernung von Bauteilen im Erdboden zu den
ersparten Rekultivierungskosten zähle, beziehe sich dieser Ansatz nur auf die
Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, nicht auf das
Landschaftsbild. Für das Landschaftsbild bleibe es bei den Vorgaben, die der 4.
Senat im Leitsatz 12 des Urteils vom 12.02.1993 - 4 UE 2744/90 - NuR 1993, 338
(dort abgedruckt als Leitsatz 3) konkretisiert habe.
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Soweit es gleichwohl entgegen der klägerischen Auffassung auf Kosten für die
Beseitigung von Mastfundamenten ankommen sollte, sei zu berücksichtigen, daß
diese beim Abbau der Maste auf etwa 1 m unter Erdoberkante abgestemmt
würden. Der Rückbau des 1-m-Mastfundaments koste marktüblich je Maststandort
2.200,-- DM, bei 67 Maststandorten mithin 147.400,-- DM. Hätte man sämtliche
Fundamente zu beseitigen, ergebe sich ein marktüblicher Komplettpreis für die
verschiedenen Arbeitsschritte von 400,-- DM/ cbm ohne Rekultivierung der
Oberfläche. Bei 29,5 cbm Beton je Mast koste die Entfernung der Fundamente
eines Mastes mithin etwa 11.800,-- DM, bei 67 Masten ergäbe dies 790.000,-- DM.
Naturschutzrechtlich dürften die Fundamentteile jedoch unterhalb von einem
Meter im Boden verbleiben, weil sie schon keine Beeinträchtigung für den
Naturhaushalt, keinesfalls jedoch für das Landschaftsbild darstellten. Die
Demontage der Restteile der Fundamente könne nicht Gegenstand einer
Rekultivierung seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 4. November 1991 - 2/V E 1675/90
- und den Bescheid des Beklagten vom 18. August 1990 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums K vom 15. November 1990
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte bejaht seine Zuständigkeit für den Erlaß des naturschutzrechtlichen
Abgabenbescheids. Das Anzeigeverfahren nach § 4 Abs. 1 EnWG konzentriere
keine anderen Genehmigungen. Im Nichtbeanstandungsbescheid erfolge keine
Prüfung von Natureingriffen.
Sachlich sei zur Begründung der Höhe der Abgabe nicht auf das
Differenzverfahren nach der Richtlinie vom 17.12.1987 zurückgegriffen worden,
sondern direkt auf die Regelung des § 6 Abs. 3 HENatG 1980. Mit dem
streitbefangenen Abgabenbescheid habe der gesamte Restschaden für den
Naturhaushalt und das Landschaftsbild abgegolten werden sollen. Ein vollständiger
Ausgleich für die Beseitigung von Einzelbäumen, Sträuchern und Baumgruppen,
wie er unter Nr. 3 der Verfügung vom 30.05.1984 gefordert worden sei, sei nicht
zustandegekommen, weil man trotz intensiver Bemühungen zwischen den
Beteiligten Ausgleichsflächen nicht habe finden und Ausgleichsmaßnahmen nicht
habe durchsetzen können. Daß es bei der Abgabe nicht nur um das
Landschaftsbild gegangen sei, zeige sich daran, daß auf Antrag und zugunsten der
Klägerin ein Betrag von 34.578,91 DM für Bepflanzungsmaßnahmen in der
Gemarkung U. abgesetzt worden sei.
Es sei sachgerecht, die fiktiven Rückbaukosten der Freileitung als
Ausgleichsabgabe festzusetzen, deren Betrag etwa auch erforderlich gewesen
wäre, wenn der Eingriffsverursacher eine gleichartige bauliche Anlage mit gleichem
Eingriffswert an anderer Stelle als Ausgleichsmaßnahme hätte zurückbauen
müssen. Im übrigen werde mit dem gesetzlichen Hinweis auf die ersparten
Rekultivierungskosten lediglich klargestellt, daß eine Naturschutzabgabe insoweit
nicht erhoben werden könne, als mögliche Rekultivierungsmaßnahmen vom
Verursacher des Eingriffs bereits durchgeführt worden seien. Der Abgabepflichtige
solle für ein und denselben Eingriff nicht doppelt herangezogen werden. Zu den
ersparten Rekultivierungskosten gehörten auch die Kosten für den Rückbau der in
der Erde befindlichen Bauteile. Die Forderung nach einem vollständigen Rückbau
betreffe auch das Landschaftsbild. Würden nicht sämtliche Bauteile aus dem
Boden entfernt, bilde sich oberhalb der Betonrückstände trotz der aufgebrachten
Erde in der Regel eine andere Vegetation als in der unmittelbaren Umgebung des
Eingriffsortes, was sich beispielsweise die Archäologie bei der Aufspürung
versunkener Siedlungsstrukturen zunutze mache. Die Rückbaukosten der
Mastfundamente einschließlich Erdverfüllung beziffert der Beklagte auf 480,--
DM/cbm statt 400,-- DM/cbm wie die Klägerin.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
einverstanden erklärt, der die Örtlichkeiten kennt.
Dem Gericht liegen drei Hefter Unterlagen der Klägerin vor, ein Hefter und ein
Ordner des Beklagten und ein Hefter des Regierungspräsidiums K. Auf den Inhalt
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Ordner des Beklagten und ein Hefter des Regierungspräsidiums K. Auf den Inhalt
dieser Unterlagen wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Klage ist im ersten
Rechtszug zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.
Das Verwaltungsgericht ist in der vorliegenden Fallgestaltung zutreffend davon
ausgegangen, daß die Anfechtungsklage gegen den isolierten
naturschutzrechtlichen Abgabenbescheid vom 18.08.1990 statthaft ist. Der
Sachverhalt liegt hier anders als in dem mit Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 29.04.1994 - 3 UE 188/93 - NuR 1994, 451 = UPR
1994, 314; bestätigt durch BVerwG, Beschluß vom 26.08.1994 - 4 B 171.94 -
entschiedenen Fall, in dem die isolierte Anfechtung der mit einer Baugenehmigung
verknüpften naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe als unzulässig angesehen
worden ist.
Darüber hinaus wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des
Verwaltungsgerichts zur Rechtzeitigkeit des klägerischen Widerspruchs sowie zum
Rechtsschutzbedürfnis (Seite 8 bis 10 Mitte des angefochtenen Urteils) Bezug
genommen (§ 130b VwGO), womit ein Bedürfnis für eine lediglich auf isolierte
Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage zu Recht verneint worden
ist.
Der angefochtene Abgabenbescheid vom 18.08.1990 ist nach Grund und Höhe
rechtlich nicht zu beanstanden. Für den Erlaß dieses Bescheids und der ihm
zugrundeliegenden bestandskräftigen naturschutzrechtlichen Genehmigung und
landschaftsschutzrechtlichen Zustimmung vom 30.05.1984 war die untere
Naturschutzbehörde des Beklagten zuständig (§ 3 Abs. 3 LSchVO i.V.m. den §§ 6
Abs. 1 und 12, 7 Abs. 1 HENatG 1980). Genauso wie eine
landschaftsschutzrechtliche Genehmigung eine der Baugenehmigung vorgreifliche
Entscheidung ist (Hess. VGH, Urteil vom 21.09.1981 - 4 OE 32.79 - HessVGRspr.
1982, 59) und eine Konzentrationswirkung zugunsten der Bauaufsichtsbehörde
nach § 7 Abs. 1 und 3 HENatG 1980 nicht zum Zuge kommen läßt, gilt diese
Vorgreiflichkeit als verfahrensrechtlicher Vorrang der landschaftsschutzrechtlichen
Zustimmung nach § 3 Abs. 3 LSchVO auch gegenüber dem
energiewirtschaftsrechtlichen Anzeigeverfahren nach § 4 Abs. 1 EnWG, das hier
durch den Nichtbeanstandungsbescheid des damals dafür zuständigen
Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik vom 11.10.1982 beendet worden
ist. Zwar mögen keine durchgreifenden Bedenken dagegen bestehen, daß ein
Nichtbeanstandungsbescheid für eine Hochspannungsfreileitung im
Landschaftsschutzgebiet zeitlich vor der erforderlichen
landschaftsschutzrechtlichen Zustimmung bzw. Genehmigung erteilt wird. Wegen
des verfahrensrechtlichen Vorrangs des nach § 48 Abs. 2 HENatG 1980
übergeleiteten Landschaftsschutzrechts ist der Nichtbeanstandungsbescheid
rechtlich aber nicht in der Lage, die Anforderungen der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung gemäß § 7 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 3 HENatG 1980 im Benehmen
mit der oberen Naturschutzbehörde abzuarbeiten. Es bleibt vielmehr bei einem
Eingriff in Natur und Landschaft im Landschaftsschutzgebiet der insoweit
vorgreiflichen landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. Zustimmung
gemäß den §§ 6 Abs. 12, 7 Abs. 1 HENatG 1980 vorbehalten, die nach § 6 Abs. 1
HENatG erforderliche naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung einzuschließen
(Hess. VGH, Urteil vom 09.03.1989 - 3 UE 801/86 - ESVGH 39, 187 = NVwZ-RR
1989, 468 = NuR 1989, 395 = BRS 49 Nr. 240). Diesen rechtlichen
Zusammenhang nimmt die dem Abgabenbescheid vom 18.08.1990
zugrundeliegende Genehmigungsverfügung vom 30.05.1984 hinreichend deutlich
auf, auch wenn die Federführung der landschaftsschutzrechtlichen Zustimmung
nach § 3 Abs. 3 LSchVO nicht ausdrücklich genannt wird, worauf es rechtlich jedoch
nicht entscheidend ankommt.
Die gesetzliche Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG 1980, die, wie hier, bei
fehlendem vollständigen Ausgleich des Natureingriffs eine Abgabe in Höhe der
ersparten Rekultivierungskosten fordert, ist bei rahmenrechtskonformer und
verfassungskonformer Auslegung, wie sie der 4. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs in den beiden genannten Urteilen vom 12.02.1993
(a.a.O.) vorgenommen hat, hinsichtlich der Zahlungspflicht hinreichend gesetzlich
bestimmt und verfassungsgemäß, worauf Bezug genommen wird.
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bestimmt und verfassungsgemäß, worauf Bezug genommen wird.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die sogenannte Ausgleichsabgabe
bestehen auch nicht im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene Verwendung,
für die § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 HENatG 1980 hinreichend präzise vorschreibt, daß
sie nicht den allgemeinen öffentlichen Einnahmen zufließt, sondern zu speziellen
Zwecken des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwenden ist, wobei
die damit finanzierte Ersatzmaßnahme in räumlichem Zusammenhang mit dem
Eingriff stehen soll.
Der Beklagte war gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG 1980 zur Festsetzung einer
Ausgleichsabgabe verpflichtet, da die Eingriffe in den Naturhaushalt und das
Landschaftsbild nahezu vollständig nicht ausgeglichen worden sind. Dabei kann
offenbleiben, ob der Beklagte die Festsetzung der Abgabe über Jahre hinweg
aussetzen und den Erlaß einer entsprechenden Bewertungsrichtlinie abwarten
konnte, zumal die Natureingriffe damit jahrelang unkompensiert blieben. Sollte die
nachgezogene Festsetzung der Abgabe im Hinblick auf das auch zeitlich eng
verknüpfte Kompensationsmodell von Ausgleich, Abgabe und Ersatz rechtswidrig
sein, wäre die Klägerin dadurch jedoch nicht in ihren Rechten verletzt, so daß eine
Aufhebung des Abgabenbescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO insoweit nicht
in Betracht käme.
Was den fehlenden Ausgleich der Eingriffe in den Naturhaushalt und das
Landschaftsbild durch das Einbringen von 268 betonierten Mastfüßen, die
Errichtung von 67 bis zu 36 m hohen Gittermasten für eine über 20 km lange
Hochspannungsfreileitung anbelangt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig (Bl.
193 der Gerichtsakte - GA -), daß als klägerische Kompensationsmaßnahmen
lediglich eine forstrechtlich veranlaßte Ersatzaufforstung in der Gemarkung R mit
Kosten von 2.520,-- DM sowie die durch Rechnungen in Höhe von 34.578,91 DM
belegten wegbegleitenden Bepflanzungen in U durchgeführt worden sind. Dem
stehen erhebliche und nachhaltige Natureingriffe im Sinne des § 5 Abs. 1 HENatG
1980 gegenüber. Nördlich von U wird mit 2 Masten das Naturschutzgebiet O, eine
seltene Hochheidefläche, angeschnitten. In dem für den Fremdenverkehr und
Erholungszwecke wichtigen Landschaftsraum liegt bei guter Einsehbarkeit von der
in Ost-West-Richtung verlaufenden Landesstraße her nur eine optisch geringe
Vorbelastung durch drei 20 kV-Leitungen vor, die von der Masthöhe her deutlich
niedriger geführt werden und nur verhältnismäßig geringe Teilstücke des
Landschaftsraums zwischen K und W besetzen. Als landschaftsfremdes Element
ist die 110 kV-Hochspannungsfreileitung mit ihren beeinträchtigenden Wirkungen
für das Landschaftsbild mit den Niederspannungsleitungen nicht vergleichbar.
Praktisch handelt es sich um einen nahezu durchgängigen Ersteingriff mit negativ
prägendem Einfluß auf den gesamten von der Straße her einsehbaren Landstrich.
Die Leitungstrasse verläuft quer zur Zugrichtung von Zugvögeln, wobei mit
Seilhöhen von 85 m auf eine Länge von 530 m auch das D tal überspannt wird.
Sieht man die 18 Maßnahmenpläne M 1:2000 näher durch, die praktisch den
Eingriffsplan darstellen, ergibt sich, daß etwa 240 Einzelbäume und zusätzlich
Gebüsch sowie mehrfach Baumgruppen gefällt worden sind. Diese Eingriffe in die
Vegetation haben sich nicht nur beeinträchtigend auf den Naturhaushalt, sondern
in dem sensiblen Sichtraum der Hanglandschaft und Tallandschaft auch erheblich
störend auf das Landschaftsbild ausgewirkt.
Angesichts der nahezu durchgängig fehlenden naturschutzrechtlichen
Ausgleichsmaßnahmen, die mit einer Ausnahme trotz längerer Bemühungen der
Beteiligten weder im betroffenen Landschaftsraum noch anderswo herbeigeführt
werden konnten, bezieht sich die festgesetzte Abgabe auf sämtliche
beeinträchtigten Schutzgüter des § 5 Abs. 1 HENatG 1980 und nicht nur, wie die
Klägerin meint, auf das Landschaftsbild. Zwar steht die behördliche Ankündigung,
daß nach § 6 Abs. 3 HENatG für nicht ausgleichbare Eingriffe ein finanzieller
Ausgleich zu zahlen sei, in der Genehmigungsverfügung vom 30.05.1984 unter Nr.
4 im Zusammenhang mit nicht ausgeglichenen Eingriffen in das Landschaftsbild.
Dies beruhte darauf, daß man für die unter Nr. 3 angesprochene Beseitigung von
Einzelbäumen, Sträuchern und Baumgruppen in vollem Umfang
Ausgleichsmaßnahmen durch Bepflanzungen gemäß noch vorzulegenden
Maßnahmenplänen forderte, wozu es mit der genannten Ausnahme in U sämtlich
nicht gekommen ist. Folgerichtig nimmt der Abgabenbescheid vom 18.08.1990 die
ursprünglich beabsichtigte Beschränkung der Abgabenfestsetzung auf die nicht
kompensierten Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds nicht wieder auf, sondern
erwähnt von der Nummer 4 der Verfügung vom 30.05.1984 im Vorspann nur den
die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG 1980 sinngemäß
wiedergebenden Satz, daß für nicht ausgleichbare Eingriffe ein finanzieller
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wiedergebenden Satz, daß für nicht ausgleichbare Eingriffe ein finanzieller
Ausgleich zu zahlen sei. Im übrigen ist bei der Festsetzung der Ausgleichsabgabe
ein Zusammenhang mit der über die Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds
hinausgehenden Gesamtkompensation auf Antrag der Klägerin auch dadurch
hergestellt worden, daß die kostenmäßig bezifferbaren und rechnungsmäßig
belegten Pflanzmaßnahmen in U vom Gesamtbetrag der behördlich berechneten
Abgabe abgesetzt worden sind.
Im Ergebnis ist die Höhe der Abgabe hier behördlicherseits beanstandungsfrei
festgesetzt worden. In Übereinstimmung mit dem Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 12.02.1993 - 4 UE 3399/90 - (a.a.O., Leitsatz 9)
gehören zu den ersparten Rekultivierungskosten bei Gebäuden und anderen
oberirdischen Bauwerken die Kosten, die zu Entfernung von Bauteilen im Erdboden
und zur landschaftsgerechten Herstellung oder Neugestaltung des
Landschaftsbildes erforderlich wären. Die dabei zunächst ansetzbaren Kosten des
unterirdischen Rückbaus von Baustoffen und deren Beseitigung führen im Ergebnis
zu einer Begrenzung dessen, was im Rahmen der Bestimmtheit des Begriffs der
ersparten Rekultivierungskosten als Obergrenze naturschutzrechtlich verlangt
werden kann. Es handelt sich um einen Hilfsmaßstab, dem insoweit eine gewisse
Schwäche anhaftet, weil die Kosten für den Abbruch und die Entfernung von
Bauteilen, die sich über dem Erdboden befinden, nicht zu den ersparten
Rekultivierungskosten zählen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die
Rekultivierung bei einem Bauwerk zeitlich und gedanklich bei der
Nutzungsbeendigung einsetzt, also zu einem Zeitpunkt, in dem regelmäßig ein
funktionsloses, eventuell baufälliges Bauwerk vorliegt, das beseitigt werden soll.
Baurechtlich könnten dabei etwa ein unter Erdgleiche befindlicher Keller
zugeschüttet und verfüllt und die Fundamente des Gebäudes im Boden belassen
werden. Die darüber hinaus gehenden naturschutzrechtlichen Anforderungen der
Rekultivierung zielen auf die Beseitigung dessen, was baurechtlich nicht ohnehin zu
tun ist. Dies führt zu dem gedanklichen Ansatz, die Kosten der Beseitigung
unterirdischer Bauteile als ersparte Rekultivierungskosten im Sinne des § 6 Abs. 3
Satz 1 HENatG 1980 anzusehen.
Im Hinblick darauf, daß für Turmbauten (vgl. dazu VGH Mannheim, Urteil vom
02.02.1987 - 5 S 2545/86 - NuR 1987, 227 und BVerwGE 81, 220) und
Freileitungen angesichts des Mißverhältnisses zwischen starker Eingriffswirkung
und geringer Flächeninanspruchnahme und der häufig nicht ausgleichbaren
Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes geeignete, durch normative Vorgaben,
Fachkonsens oder Konvention festgelegte Maßstäbe für die Bewertung der Höhe
einer Ausgleichsabgabe nicht vorliegen, erscheint der Hilfsmaßstab der fiktiven
unterirdischen Rückbaukosten nicht unangemessen (vgl. auch zu Rückbaukosten
allgemein Nr. 3.1 und 4 der Richtlinie vom 17.12.1987, die nicht der Anlaß der
Verwerfung des Differenzverfahrens im Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 12.02.1993 - 4 UE 2744/90 - a.a.O. gewesen sind).
Immerhin besteht hier mit der kostenträchtigen Größe und Stärke der betonierten
Mastfundamente auch ein direkter Zusammenhang mit den Beeinträchtigungen
des Naturhaushalts im Bodenbereich sowie der Höhe der aufstehenden Masten
und der damit verbundenen stärkeren Beeinträchtigung des Landschaftsbildes.
Die Sichtbarkeit und die optischen Fernwirkungen nehmen mit der Masthöhe zu,
die ihrerseits in direkter Abhängigkeit zur Massivität der Fundamentierung der
Mastfüße steht.
Waren entgegen dem angefochtenen Abgabenbescheid vom 18.08.1990 die
Kosten für die Demontage und die Verschrottung der oberirdischen Leiterseile und
Stahlgittermasten nicht anzusetzen, muß das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO gleichwohl prüfen, ob der Bescheid mit einer fehlerfreien Begründung ganz
oder teilweise aufrechterhalten bleiben kann, sofern der Bescheid durch die
Berücksichtigung der geänderten Begründung nicht in seinem Wesen verändert
wird (BVerwGE 64, 356). Das ist hier der Fall, wobei den Beteiligten zu der sich
abzeichnenden gerichtlichen Änderung und Ergänzung der Berechnung der
streitbefangenen Abgabe schriftlich und mündlich rechtliches Gehör gewährt
worden ist. Die Beteiligten haben für eine ergänzende Neuberechnung der Abgabe
auch wechselseitig ihre unterschiedlichen Kostenansätze und Gesichtspunkte
vorgetragen. Gerichtlicherseits war ihnen vorab im Anschluß an den
Erörterungstermin vom 28.07.1994 eine Kopie der Entscheidung BVerwGE 64, 356
ausgehändigt worden.
Beschränkt man sich kostenmäßig auf den fiktiven Rückbau der Mastfundamente,
greift die Auffassung der Klägerin, es genüge eine Beseitigung der Betonlinsen der
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greift die Auffassung der Klägerin, es genüge eine Beseitigung der Betonlinsen der
Mastfüße bis auf 1 m Tiefe unter Erdgleiche, naturschutzrechtlich zu kurz. Die
klägerische Auffassung beruht im wesentlichen darauf, daß sie lediglich
Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes als durch die Abgabe noch zu
kompensieren ansieht, was in der Sache bereits zurückgewiesen worden ist.
Angesichts des hier fast völlig fehlenden tatsächlichen Ausgleichs der
Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds - weitgehend im
Landschaftsschutzgebiet; kraft Zuweisung des Regierungspräsidiums K vom
20.12.1989 an die untere Naturschutzbehörde des Beklagten ist auch der Eingriff
im Naturschutzgebiet O für die Abgabe noch mit maßgebend - ist das
kompensatorische Ziel der Abgabe eine Art Wiedergutmachung für die
beeinträchtigten Funktionen sämtlicher in der Eingriffsregelung genannten
Schutzgüter. Zur Abwehr schädlicher Auswirkungen für den Naturhaushalt reicht
es nicht aus, nur den belebten Oberboden bis 1 m Tiefe von Betonfundamenten
freizuhalten. Verblieben in nicht geringer Anzahl bis auf 3 - 4 m Tiefe
Fundamentreste im Boden, wäre dies mit einer gewissen Störung des
Bodenwasserhaushalts in bezug auf die Reservoirfunktion und
Austauschfunktionen für Wurzeln und das Gehölzwachstum verbunden. Da Beton
hygroskopisch wirkt, entzöge er Faserwurzeln die Bodenfeuchtigkeit. In der
Summation schränkte eine nicht unerhebliche Anzahl von Fundamentresten den
unterirdischen Lebensraum von Kleinsäugern, Insekten und Mikroorganismen ein.
Dasselbe gälte für von Fremdkörpern freizuhaltende Pflanzflächen für mögliche
Ersatzpflanzungen. So hätte etwa ein Baum mit einer Pfahlwurzel Standprobleme
auf der Betonlinse eines Mastfußes. Ohnehin entstünde oberhalb verbleibender
Fundamentreste im Boden ein verändertes Pflanzenwachstum, was sich die
Luftbildarchäologie beim Aufsuchen alter Wüstungen und Siedlungsstrukturen
zunutze macht. Bei alledem sind der Summationseffekt und die negative
Vorbildwirkung für das Verbleiben anderer unterirdischer Bauwerke im Erdreich zu
beachten, was naturschutzrechtlich abzuwehren ist. Ein umfassender Bodenschutz
gilt auch unterirdisch.
Mit der Neuberechnung der streitbefangenen Abgabe nach den Kosten für die
Entfernung sämtlicher Bauteile im Erdboden und zur landschaftsgerechten
Herstellung des Landschaftsbildes, von denen im einzelnen noch die Rede sein
wird, erfolgt keine prinzipielle Abweichung von den Grundsätzen, die der Hessische
Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 12.02.1993 - 4 UE 2744/90 - a.a.O.
(vgl. Leitsatz 3 in NuR 1993, 338) bestimmt hat. Dort handelte es sich um einen
Fall, in dem der Eingriffsverursacher durch bestimmte Maßnahmen einen
Teilausgleich des Natureingriffs erbracht hatte, so daß sich die Ausgleichsabgabe
nur auf den Restschaden beziehen konnte. In diesem Fall ist eher eine
differenzierte Bewertung der durch den Eingriff hervorgerufenen
Beeinträchtigungen der in der Eingriffsregelung genannten verschiedenen
Schutzgüter geboten als sie hier erforderlich ist, wo praktisch sämtliche
Beeinträchtigungen des Naturhaushalts, des Landschaftsbildes und des
Erholungswertes mit der Abgabe zu kompensieren sind. Im übrigen haben die
Beteiligten die an sich erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen mehrfach in
Erörterungsterminen und bei Ortsbegehungen besprochen und vorbereitet, wenn
diese letztlich auch steckengeblieben sind.
Bei der Kostenneuberechnung liegen die Beteiligten mit ihren Angaben im Grunde
nicht auseinander. Für die Entfernung sämtlicher Betonfundamente aus dem
Erdreich gibt die Klägerin ohne Neuverfüllung mit Erdreich einen Komplettpreis von
400,-- DM/cbm Beton an, während der Beklagte dafür 480,-- DM/cbm mit
Bodenverfüllung nennt, was die Klägerin nicht bestritten hat. Das Gericht hält es
deshalb für angemessen, für die Beseitigung der Betonfundamente mit
nachfolgender Erdverfüllung von folgender Berechnung auszugehen: 29,5 cbm pro
Mast x 67 Masten x 480,-- DM/cbm = 948.720,-- DM. Hinzuzusetzen ist in
Übereinstimmung mit dem Urteil des Hess. VGH vom 12.02.1993 - 4 UE 3399/90 -
a.a.O. ein Betrag zur landschaftsgerechten Herstellung des Landschaftsbildes,
wobei davon auszugehen ist, daß die in den 18 Maßnahmenplänen aufgeführten
237 gefällten größeren Einzelbäumen neben den nicht näher spezifizierten
Baumgruppen positiv zum Landschaftsbild beigetragen haben. Mithin ist ein
zusätzlicher Kostenansatz für eine Wiederanpflanzung mindestens nach einem
gewissen Zeitablauf funktional äquivalenter Bäume anzusetzen, die außer der
Wiederherstellung des Landschaftsbildes überlappend auch geeignet sind, die
durch die Baumfällungen eingetretenen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts
zu kompensieren. Legt man dazu die Richtlinie nach dem Differenzverfahren vom
17.12.1987 mit ihrer Kostendatei in Anlage 5 zugrunde, die insoweit nicht
Gegenstand der Verwerfung durch das Urteil des Hessischen
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Gegenstand der Verwerfung durch das Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 12.02.1993 - 4 UE 2744/90 - a.a.O. gewesen ist, ist
für die Pflanzung von Bäumen unter Nr. 3 der Kostendatei a. E. zu entnehmen,
daß in der freien Landschaft üblicherweise Bäume mit Stammumfängen von 18 -
25 cm verwendet werden. Dazu sind unter Nr. 3.2 und 3.3 der Kostendatei
Pflanzenmaterialpreise als Durchschnitt aller Arten einschließlich Herstellung der
Baumgruben, Düngung und Bodenverbesserung, Verdunstungsschutz und
Baumverankerung, Fertigstellungspflege zwei Jahre und Nachpflanzung für den
Stammumfang 20 - 25 cm bei Pflanzung mit Ballen von 1300,-- DM/Stück und
850,-- DM/Stück bei Pflanzung ohne Ballen angegeben, für den Stammumfang 18
- 20 cm betragen die Gesamtkosten mit Ballen 530,-- DM/Stück, ohne Ballen 400,-
- DM/Stück. Zieht man aus den verschiedenen Beträgen den Mittelwert von 770,--
DM pro Baum, ergibt sich für 237 Bäume ein zusätzlicher Kostenbetrag von
182.490,-- DM, der zusammen mit den Rückbaukosten von 948.720,-- DM einen
Gesamtbetrag von 1.131.210,-- DM führt, der bereits über dem mit der
angefochtenen Verfügung vom 18.08.1990 geforderten Betrag von 1.106.488,59
DM liegt, ohne daß die beseitigten Baumgruppen und Sträucher oder Kosten für
die Flächenbereitstellung in die Berechnung mit eingegangen sind.
Die Abweisung der Anfechtungsklage in vollem Umfang verletzt den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht. Im Verhältnis zu den Baukosten für die gesamte
Leitungsanlage, die die Klägerin mit 10 Mio. DM angibt, dürfte eine
Ausgleichsabgabe von mehr als 1 Mio. DM zwar an der Obergrenze des
naturschutzrechtlich Verlangbaren liegen, diese Summe hier aber wegen der
dargelegten erheblichen und nachhaltigen Eingriffe in einen insgesamt
hochwertigen Landschaftsraum mit einem Landschaftsschutzgebiet und
Naturschutzgebiet nicht unangemessen sein. Im übrigen ist darauf hinzuweisen,
daß der Klägerin die Abgabe erst mehrere Jahre nach der Genehmigung des
Natureingriffs und seiner Durchführung abverlangt worden ist, so daß sie nach
dem Grundsatz Mark = Mark aus der Geldentwertung einen gewissen
wirtschaftlichen Vorteil ziehen konnte und auch keinem Zinsanspruch ausgesetzt
ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.