Urteil des HessVGH vom 12.08.1988

VGH Kassel: bebauungsplan, öffentliche urkunde, veröffentlichung, genehmigung, öffentliche bekanntmachung, verkündung, satzung, offenlegung, kopie, sorgfalt

1
2
3
4
5
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 N 2430/84
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 47 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 47
Abs 1 Nr 2 VwGO, § 47 Abs
6 S 1 VwGO, § 415 Abs 1
ZPO, § 418 Abs 1 ZPO
(Unstatthafter Normenkontrollantrag gegen
Bebauungsplan; Hinweisbekanntmachung allein keine
Bekanntmachung)
Gründe
I.
Die Antragsteller, deren Hofreiten ursprünglich im Außenbereich lagen, wenden
sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den am 28. Mai 1964 als Satzung
beschlossenen Bebauungsplan der ehemals, selbständigen Gemeinde Fischborn,
die heute ein Ortsteil der Antragsgegnerin ist. In der Planzeichnung ist außer dem
Geltungsbereich des Bebauungsplanes die Fläche nachrichtlich dargestellt, die
nach Auffassung der Gemeinde Fischborn als im Zusammenhang bebauter
Ortsteil anzusehen ist.
Der Antragsteller zu 1 betreibt als Nebenerwerbslandwirt auf dem Grundstück
Gemarkung Fischborn, Flur ..., Flurstücke .../3, .../4 und ... den landwirtschaftlichen
Betrieb "X...". Bei einer Gesamtbetriebsgröße von 15,5 ha stehen 12,0 ha im
Eigentum des Antragstellers zu 1; 3,5 ha sind Pachtland. 9,5 ha entfallen auf die
Hoffläche und Grünland, 6,0 ha auf Ackerland. Es werden im Jahr 35 bis 40
Schweine gemästet sowie 18 bis 22 Rinder gehalten. Die X... liegt innerhalb des
Geltungsbereichs des Bebauungsplanes an dessen östlichem Rand im Südosten
des Ortsteils Fischborn in einem als Dorfgebiet ausgewiesenen Bereich.
Der Antragsteller zu 2, dessen Hofreite im Süden von Fischborn auf dem
Grundstück Gemarkung Fischborn, Flur ..., Flurstück ..., außer halb des
Geltungsbereichs des Bebauungsplanes und an dessen westlichem Rand, aber
innerhalb der nachrichtlich als im Zusammenhang als bebauter Ortsteil
dargestellten Fläche gelegen ist, betreibt als Vollerwerbslandwirt einen
landwirtschaftlichen Betrieb von insgesamt 30,18 ha Größe, wovon 11,44 ha
Eigentumsland und 18,74 ha Pachtland sind. 68 % der Gesamtfläche entfallen auf
den Hof und Grünland, während 32 % Ackerland sind. Eigentümerin der genannten
Eigentumsflächen ist die Ehefrau des Antragstellers zu 2. Pächter der Pachtflächen
ist der Antragsteller zu 2 selbst. Er ist auch der Betriebsleiter des
landwirtschaftlichen Betriebs, in dem er zusammen mit seiner Ehefrau arbeitet.
Am 05.01.1988 wurden 61 Stück Kühe einschließlich Jungvieh und 31 Schweine
gehalten.
Der Antragsteller zu 3 betreibt im Nebenerwerb auf dem Grundstück Gemarkung
Fischborn, Flur ..., Flurstück .../1, einen landwirtschaftlichen Betrieb, der gegenüber
dem Betrieb des Antragstellers zu 2 auf der anderen Straßenseite der B 276 und
im Geltungsbereich des Bebauungsplanes gelegen ist. Die Fläche ist als Dorfgebiet
ausgewiesen. Es werden zwei ha Ackerland und ein ha Wiesenflächen
bewirtschaftet. Das Betriebsgrundstück Flurstück .../1 gehört dem Antragsteller zu
3. Die weiteren Nutzflächen gehören teils dem Antragsteller zu 3 allein, teils ihm
und Herrn V. gemeinsam. Der Viehbestand betrug am 04.06.1988 ein Rind und
drei Schweine. Außerdem hält der Antragsteller zu 3 Hühner.
Am 13.09.1984 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Sie
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Am 13.09.1984 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Sie
tragen vor, die Gemeinde Fischborn habe 1964 versäumt, den Bebauungsplan zu
veröffentlichen. Der Plan sei nicht wirksam geworden. Durch die Ausweisung des
Neubaugebietes in der Nachbarschaft der Grundstücke der Antragsteller seien im
Falle der Verwirklichung der Planungen erhebliche Nachteile für die
landwirtschaftlichen Betriebe zu erwarten. Spätere Wohnungseigentümer würdet
sich durch Geruchs- und Geräuschimmissionen belästigt fühlen und eine
Beseitigung dieses Zustands anstreben. Damit würde eine Erweiterung der
Betriebe verhindert werden. Sie, die Antragsteller, müßten zusätzlich mit
Einschränkungen ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit rechnen. Die kurze Entfernung
von 30 m zwischen dem Betrieb des Antragstellers zu 1 und den ersten
Grundstücken des Neubaugebietes entspreche nicht den gegenwärtigen
Anforderungen an einen ausreichenden Abstand zwischen Wohnbebauung und
Stallungen, wie sie in der VDI-Richtlinie Nr. 3471 niedergelegt seien. Die
Antragsgegnerin habe prüfen müssen, in welcher Entfernung von den
landwirtschaftlichen Betrieben Wohnbebauung möglich sei.
Der Antragsteller zu 1 trägt ergänzend vor, bei der Aufstellung des
Bebauungsplanes sei gegen § 25 HGO verstoßen worden. Auch seien die
Beschlüsse des Planaufstellungsverfahrens nicht in öffentlicher Sitzung gefaßt
worden. Die X... habe immer im Außenbereich gelegen. Die ehemalige Gemeinde
Fischborn habe in unmittelbarer Nähe seines landwirtschaftlichen Betriebs zwei
Bauplätze vorgesehen, ohne die Folgen dieser Planung zu bedenken. Das beplante
Gebiet müsse tatsächlich als reines Wohngebiet angesehen werden, so daß die
VDI-Richtlinie "Auswurfbegrenzung Tierhaltung" eingreife. Der von ihm, dem
Antragsteller zu 1, vorgesehene Standort für ein Fahrsilo sei abgelehnt und die
Verlegung des Standorts in das Sumpfgebiet gefordert worden; dies könne er nicht
akzeptieren. Die Auflage, diesen Standort zu wählen, beruhe auf, dem
Bebauungsplan.
Der Antragsteller zu 2 trägt ergänzend vor, das Rechtsschutzbedürfnis der
Antragsteller fehle nicht wegen des Unterbleibens der Veröffentlichung des
Bebauungsplanes. Auch der nicht veröffentlichte Plan entfalte Außenwirkung. Er sei
nicht aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Ein Flächennutzungsplan
sei erst später von der Antragsgegnerin erstellt worden. Bei seinem, des
Antragstellers zu 2, Betrieb werde angesichts der Auswirkungen der
Milchkontingentierung eine Änderung der Betriebsstruktur in Richtung
Schweinemast im Vordergrund stehen, was einen Anbau an den vorhandenen
Schweinestall notwendig machen werde. Soweit seine Hofreite außerhalb der
Grenze des Bebauungsplanes liegen sollte, sei er, der Antragsteller zu 2, dennoch
beschwert. Durch den Bebauungsplan würde die Wohnbebauung bis unmittelbar
an seine landwirtschaftliche Hofreite heranreichen. Jede Erweiterung der
Betriebstätte würde damit unmöglich gemacht. Auch hätte er wegen der von
seinem Betrieb zwangsläufig ausgehenden Immissionen mit zivilrechtlichen
Ansprüchen zu rechnen. Die Antragsgegnerin habe das Abwägungsgebot gröblich
mißachtet und die Genehmigung für ein Wohnhaus in 15 m Entfernung zum
Schweinestall erteilt. Bei der Bauleitplanung seien von ihm keine Bedenken
vorgebracht worden, weil seine Grundstücke im Aufstellungsbeschluß nicht
erwähnt worden seien. Sein Betriebsgrundstück sei von der Antragsgegnerin ohne
den dazu notwendigen Gemeindevertreterbeschluß zum "Dorfmischgebiet" erklärt
worden.
Der Antragsteller zu 3 wiederholt die Ausführungen des Antragstellers zu 1.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den am 28. Mai 1964 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan der ehemals
selbständigen Gemeinde Fischborn für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Bebauungsplan sei nicht bekanntgemacht worden. Schon
deswegen sei der Normenkontrollantrag unzulässig. Durch die weitgehend
fortgeschrittene Bebauung sei inzwischen ein im Zusammenhang bebauter
Ortsteil entstanden. Durch den Bebauungsplan könne deshalb den Antragstellern
kein Nachteil (mehr) entstehen. Das Halten von 40 bis 50 Mastschweinen und 20
Rindern würde unter Zugrundelegung der heutigen Erkenntnisse der VDI-Richtlinie
"Auswurfbegrenzung Tierhaltung-Schweine" zu keiner Einschränkung des
14
15
16
17
18
"Auswurfbegrenzung Tierhaltung-Schweine" zu keiner Einschränkung des
landwirtschaftlichen Betriebes des Antragstellers zu 1 führen, auch wenn auf dem
Nachbargrundstück ein Wohnhaus errichtet werden würde. Die im Bebauungsplan
vorgesehene Grundstücksaufteilung sei unverbindlich. Die Errichtung eines
Erweiterungsbaus zu einem landwirtschaftlichen Betrieb sei in einem festgesetzten
Dorfgebiet ohne weiteres zulässig. Eine Betroffenheit von Interessen des
Antragstellers zu 1 habe sich der Gemeinde Fischborn zum Zeitpunkt der
Aufstellung des Bebauungsplanes nicht aufgedrängt. Die Gemeinde habe nicht
davon ausgehen können, daß der Antragsteller zu 1 Interesse an der Errichtung
einer Schweinemastanlage entwickeln würde. Ihm gehe es in Wahrheit darum, sich
der Erschließungsbeitragspflicht zu entziehen. Die heutige Viehhaltung des
Antragstellers zu 2 sei ein Indiz dafür, daß er der Gemeindevertretung seine
Absicht, den Betrieb auf Intensivtierhaltung umzustellen, nicht habe aufdrängen
müssen. Anregungen und Bedenken seien von ihm im Aufstellungsverfahren nicht
vorgebracht worden, so daß auch deswegen ein Nachteil im Sinne des § 47 VwGO
nicht in Betracht komme. Der Antragsteller zu 3 betreibe eine im Hinblick, auf die
genannte VDI-Richtlinie unbedeutende Tierhaltung, die in einem Dorfgebiet völlig
unbedenklich sei. Auch er habe im Planaufstellungsverfahren keinerlei Anregungen
und Bedenken geltend gemacht.
Die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (1 Lageplan, 2 Heftstreifen und 1
Ordner), die von der Antragstellerseite eingereichten Pläne (1 Exemplar des
Bebauungsplans der Gemeinde Fischborn sowie 6 geheftete Pläne) sowie die
Akten des Erschließungsverfahrens E. gegen Gemeinde Birstein - Az.: VG Frankfurt
am Main 1/3 E 2997/83 = Hess.VGH 5 UE 3287/87- und die Akten des
Normenkontrollverfahrens P. gegen Gemeinde Birstein - Az.: Hess.VGH - 2 N
2448/84 - haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten
Unterlagen sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, da eine mündliche Verhandlung nicht
erforderlich ist (§ 47 Abs 6 Satz 1 VwGO in der durch Gesetz über das
Baugesetzbuch vom 08.12.1986 - BGBl. I S. 2191 - geänderten Fassung).
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig, denn er ist nicht statthaft.
Der Statthaftigkeit des Normenkontrollantrags steht allerdings nicht entgegen,
daß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in der durch Gesetz über das Baugesetzbuch vom
08.12.1986 geänderten Fassung nach seinem Wortlaut u.a. nur solche Satzungen
betrifft, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches erlassen worden sind,
während es sich vorliegend um einen Bebauungsplan handelt, der aufgrund des
Bundesbaugesetzes erlassen werden sollte. Zwar fehlt eine Überleitungsvorschrift.
Jedoch ist zu bedenken, daß sich das Gesetz über das Baugesetzbuch als ein
Änderungsgesetz zum Bundesbaugesetz, das weitgehend unter neuem Namen
fortgeführt wird, darstellt. Eine nähere Prüfung der Frage, ob § 47 Abs. 1 Nr. 1
VwGO auch auf nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes erlassene
Satzungen anwendbar ist, etwa weil ein redaktionelles Versehen vorliegt, ist jedoch
in Hessen entbehrlich. Denn sollte die Frage zu verneinen sein, so ist der Senat
gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO befugt, den Bebauungsplan zu überprüfen. In
Ausfüllung dieser Vorschrift bestimmt § 11 Abs. 1 des Hessischen
Ausführungsgesetzes zur VwGO - HessAGVwGO -, daß der Verwaltungsgerichtshof
in Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO über die Gültigkeit im Range unter
dem Landesgesetz stehender Rechtsvorschriften entscheidet, auch soweit diese
nicht in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO genannt sind. Der vorliegende Bebauungsplan
stellt eine "andere im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift"
dar (vgl. zu allem den Senatsbeschluß vom 17.12.1987 - 4 N 15/83 -).
Der Statthaftigkeit des Normenkontrollantrags steht entgegen, daß die
Schlußbekanntmachung des Bebauungsplanes nicht nachgewiesen ist. Die
Statthaftigkeit kann erst dann gegeben sein, wenn der Bebauungsplan erlassen,
also verkündet worden ist. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 47
Abs. 1 VwGO, in dessen Nr. 1 von Satzungen, die erlassen worden sind, sowie von
Rechtsverordnungen aufgrund des § 188 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes und
aufgrund des § 92 Abs. 2 des Städtebauförderungsgesetzes gesprochen wird,
während Nr. 2 der Vorschrift andere im Range unter dem Landesgesetz stehende
Rechtsvorschriften nennt. Diese Formulierungen setzen voraus, daß es sich um
bereits existierende Rechtsnormen handelt. Dies ist in Rechtsprechung und
19
20
21
22
bereits existierende Rechtsnormen handelt. Dies ist in Rechtsprechung und
Literatur auch anerkannt (vgl. Hess.VGH, Beschluß vom 27.01.1970 - IV N 2/69 -;
Beschluß vom 16.11.1976 - IV N 11/76 -; Beschluß vom 12.11.1981 - IV N 5/81 -
BauR 1982, 135; Beschluß vom 15.11.1982 - VIII N 2/82 - NJW 1983, 2895; Bay.
VGH, Beschluß vom, 03.03.1975 - 3 IX 74 - Bay VBI. 1975, 420 f.;
Eyermann/Fröhler, VwGO, Kommentar, 9. Aufl., 1988, Rdnr. 21 zu § 47 und Kopp,
VwGO, Kommentar, 7. Aufl., 1986, Rdnr. 15 zu § 47, jeweils mit weiteren
Nachweisen).
Der Bebauungsplan der Gemeinde Fischborn ist nicht in Kraft gesetzt worden,
denn der Veröffentlichungsvorgang ist nicht abgeschlossen. Das Verfahren bis zur
Schlußveröffentlichung hat allerdings stattgefunden. Am 28.12.1962 beschloß die
Gemeindevertretung Fischborn, einen "Bauleitplan für die gesamte Ortslage
Fischborn aufzustellen". Als Neubaugebiet wurden die "Breiten-Wiesen"
vorgesehen. Am 13.02.1963 erging ein Ergänzungsbeschluß, der das künftige
Baugebiet genauer festlegte. Am 08.02.1964 wurde durch den Ortsfunk auf die
vom 17.02. bis 17.03.1964 stattfindende Planauslegung und darauf hingewiesen,
daß Bedenken und Anregungen vorgebracht werden könnten. Anhaltspunkte für
eine sonstige Hinweisbekanntmachung - etwa in einem amtlichen
Verkündungsblatt - ergeben sich weder aus den Verwaltungsvorgängen noch aus
dem Vortrag der Antragsteller. In der Folgezeit nahmen die Träger öffentlicher
Belange und betroffene Bürger Stellung. Am 28.05.1964 beschloß die
Gemeindevertretung über die vorgebrachten Bedenken und Anregungen und faßte
den Satzungsbeschluß. Der Regierungspräsident in Wiesbaden erteilte unter dem
09.09.1964 die aufsichtsbehördliche Genehmigung. Hinsichtlich des weiteren
Verfahrens enthalten die von der Antragsgegnerin vorgelegten
Verwaltungsvorgänge keine Unterlagen. Auch die Planzeichnung und die
vorgelegten Kopien weisen keinen diesbezüglichen Vermerk auf. Lediglich die vom
Regierungspräsidenten in Darmstadt zu den Gerichtsakten gereichte beglaubigte
Kopie eines Schreibens des Gemeindevorstands Fischborn vom 15.10.1964 an den
Regierungspräsidenten in Wiesbaden liegt vor. Das Schreiben ist von
Bürgermeister L. unterschrieben; ein Dienstsiegel ist nicht beigefügt. in dem
Schreiben wird mitgeteilt, daß der am 09.09.1964 genehmigte Bebauungsplan
"zusammen mit seiner Begründung ab sofort auf die Dauer von zwei Wochen
offengelegt" werde und in den Diensträumen der Gemeindeverwaltung während
der üblichen Dienststunden von jedermann eingesehen werden könne. Die
Offenlegung sei am 01.10.1964 öffentlich bekanntgemacht worden. Mit diesem
Zeitpunkt sei der Plan rechtsverbindlich geworden.
Das Schreiben genügt nicht den an einen Veröffentlichungsnachweis zu stellenden
Anforderungen.
Dies folgt allerdings nicht aus der Form des Schreibens. Das Original stellt eine
öffentliche Urkunde dar. Öffentliche Urkunden sind nach § 415 Abs. 1 ZPO, der
auch im Verwaltungsprozeß gilt (vgl. Kopp, a.a.O., Rdnr. 18 zu § 98 VwGO), solche
Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer
Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person
innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form
aufgenommen sind. Die vorgeschriebene Form ist eingehalten. Nach § 71 Abs. 2
Satz 3 der Hessischen Gemeindeordnung vom 25.02.1952 (GVBl. S. 11), die zur
Zeit der Aufstellung des Bebauungsplanes (1964) in der Fassung des Gesetzes
vom 01.07.1960 (GVBl. S. 103, 164) galt, konnte der Bürgermeister bei
Geschäften der laufenden Verwaltung, die für die Gemeinde nicht von erheblicher
Bedeutung sind, auf die Mitwirkung eines weiteren Mitglieds des
Gemeindevorstands sowie auf die Beifügung des Dienstsiegels verzichten. Die an
die Aufsichtsbehörde gerichtete Mitteilung vom 15.10.1964 ist ein solches
Geschäft der laufenden Verwaltung von nicht erheblicher Bedeutung. Sie ist
normalerweise nicht zum Nachweis der Veröffentlichung, sondern nur zur
Unterrichtung über sie gedacht. Bei ordentlicher Amtsführung enthalten die
Verwaltungsvorgänge der Gemeinde ohnehin die Veröffentlichungsnachweise.
Gleichwohl handelt es sich bei dem Schreiben vom 15.10.1964 um eine öffentliche
Urkunde über Vorgänge im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO, nämlich um eine
öffentliche Urkunde, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten
Inhalt hat. Sie begründet nach § 418 Abs. 1 ZPO grundsätzlich vollen Beweis der
darin bezeugten Tatsachen.
Das Schreiben stellt nach seinem Inhalt lediglich einen Beweis dafür dar, daß die
Offenlegung am 01.10.1964 öffentlich bekannt gemacht wurde. Daß die Auslegung
des Bebauungsplans tatsächlich stattgefunden hat, beweist das Schreiben nicht.
23
24
des Bebauungsplans tatsächlich stattgefunden hat, beweist das Schreiben nicht.
Nur die diesbezügliche Absicht der Gemeinde Fischborn wird bekundet. Weder das
Schreiben vom 15.10.1964 noch die Verwaltungsvorgänge der ehemaligen
Gemeinde Fischborn enthalten einen Hinweis darauf, daß die Auslegung
tatsächlich stattgefunden hat. Es ist weder belegt, daß der als Satzung
beschlossene und aufsichtsbehördlich genehmigte Planentwurf bei der Gemeinde
Fischborn tatsächlich für die Dauer von zwei Wochen auslag, worauf hingewiesen
worden war, noch daß er später dauernd für eventuelle Interessenten zur
Einsichtnahme bereitgehalten wurde. Somit ist wegen des Fehlens eines
entsprechenden Nachweises davon auszugehen, daß zwar der Hinweis auf die
Auslegung (Offenlegung) des Planes erfolgt ist, daß aber die Auslegung selbst
unterblieben ist. Dies wird auch durch den übereinstimmenden Vortrag der
Beteiligten bestätigt. Sie haben in zahlreichen Schriftsätzen vorgetragen, der
Bebauungsplan sei nicht bekanntgemacht worden. Auch nach Übersendung einer
Kopie des Schreibens des Bürgermeisters L. vom 15.10.1964 haben die
Antragsteller zu 1 und zu 2 vorgetragen, eine Offenlegung des am 09..09.1964
genehmigten Bebauungsplanes habe nie stattgefunden bzw. eine Auslegung sei
bislang nicht nachgewiesen. Diesem Vortrag ist die Antragsgegnerin nicht
entgegengetreten. Das Schreiben stellt auch keine Hilfstatsache (Indiz) dar, mit
der auf die Schlußauslegung geschlossen werden könnte, denn selbst wenn man
das Schreiben als eine solche Hilfstatsache ansähe, wäre deren Wirkung durch die
weiter ermittelten Umstände entkräftet. Eine Anfrage des Berichterstatters hat
ergeben, daß das Planexemplar, das bei der Bauaufsichtsbehörde des Main-Kinzig-
Kreises (Hauptverwaltungsstelle Gelnhausen) verwahrt ist und von dem eine Kopie
zu den Gerichtsakten gereicht wurde, keinen Vermerk über die
Schlußveröffentlichung enthält. Die entsprechenden Freilassungen im Vordruck
sind nicht ausgefüllt. Es fehlt an dieser Stelle darüber hinaus die Unterschrift des
Bürgermeisters bzw. die Beglaubigung, daß auf dem Original seine Unterschrift
beigefügt ist. Der zuständige Bedienstete des Bauaufsichtsamtes des Main-Kinzig-
Kreises hat weiter mitgeteilt, sonstige Unterlagen über die Veröffentlichung lägen
ihm nicht vor. Nach allem steht fest, daß weder die Antragsgegnerin noch der
Main-Kinzig-Kreis oder der Regierungspräsident in Darmstadt über eine
Ausfertigung oder Kopie des Bebauungsplans oder sonstige Unterlagen verfügen:
in denen vermerkt wäre, daß die Schlußauslegung stattgefunden hat.
Auch die gegenüber dem Berichterstatter telefonisch abgegebenen Erklärungen
der Antragsteller vom 04./05.08.1988 widerlegen die Vermutung, die
Schlußauslegung habe doch stattgefunden. Zwar hat der Antragsteller zu 1
erklärt, er wisse nicht, ob der Bebauungsplan im Aushangkasten offengelegt
worden sei. Der Antragsteller zu 1 hat aber weiter ausgeführt, das Schreiben vom
15.10.1964 sei nicht in Fischborn geschrieben worden. Er hat sodann angedeutet,
daß der Bürgermeister das Schreiben nicht selbst verfaßt habe. Schon in den
Schriftsätzen vom 24.12.1987 haben alle drei Antragsteller vorgetragen, das
Schreiben sei auf dem Bauamt in Gelnhausen (Umlegungsstelle) geschrieben
worden. Die Antragsgegnerin hat dem nicht widersprochen. Dieser Umstand
spricht zumindest nicht dafür, daß die Schlußauslegung stattgefunden hat. Eher
läßt sich vermuten, die Mitteilung über den Abschluß des Bauleitplanverfahrens,
die vom Regierungspräsidenten regelmäßig mit der Genehmigung eines Plans
erbeten wurde, könnte als eine bloße Formsache angesehen worden sein und
einen Inhalt erhalten haben, der der Aufsichtsbehörde genügte, aber der
Wirklichkeit nicht entsprach.
Alle drei Antragsteller haben telefonisch übereinstimmend erklärt, das
Bürgermeisteramt sei damals nur zweimal in der Woche geöffnet und in der
übrigen Zeit geschlossen gewesen. Die Antragsteller zu 2 und 3 haben ergänzend
mitgeteilt, daß das Bürgermeisteramt ca. 150 bis 200 m von der Wohnung des
Bürgermeisters L. entfernt gewesen sei und daß die Sprechstunden jeweils ca. 2
Stunden gedauert hätten. Sonstige Bedienstete, etwa eine Sekretärin, habe es
nicht gegeben. Der Antragsteller zu 2 hat hinzugefügt, Pläne seien "eigentlich
überhaupt nicht ausgelegt worden". Im Glaskasten vor dem Bürgermeisteramt
seien keine Pläne ausgehängt worden. In diesem Glaskasten seien aber die
sonstigen Veröffentlichungen vorgenommen worden. Es habe die Möglichkeit
bestanden, nicht ausgehängte Schriftstücke, z.B. die Jahresabrechnung, im
Bürgermeisteramt einzusehen. Er, der Antragsteller zu 2, habe den vorliegend
streitigen Plan erstmals in Birstein gesehen. Er habe ihn vorher nicht gekannt. Der
Antragsteller zu 3, der sich nach seinen glaubhaften Bekundungen damals für die
Dinge, die im Dorf passierten, interessierte und der etwa von 1966 an selbst
Gemeindevertreter war, hat weiter angegeben, es sei weder mit dem Ortsfunk auf
die öffentliche Auslegung hingewiesen worden, noch sei der Plan öffentlich
25
26
27
28
die öffentliche Auslegung hingewiesen worden, noch sei der Plan öffentlich
ausgelegt worden. Der Plan hätte aber im Dienstzimmer des Bürgermeisters
öffentlich ausliegen müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Er, der Antragsteller
zu 3, hätte in dem kleinen Dorf mit seinen ca. 65 bis 70 Häusern gemerkt, wenn
der Plan veröffentlicht worden wäre. Nach allem hat die Schlußauslegung nicht.
stattgefunden.
Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, daß im Jahre 1964 in Fischborn kein
nachvollziehbares allgemein bekanntes Verfahren der. Veröffentlichung von Plänen
praktiziert wurde. Das Bürgermeisteramt war - außer in den kurzen Zeiten der
wöchentlichen Sprechstunden - nicht besetzt. Es war auch sonst nicht ausreichend
sichergestellt, daß ein Interessent Einblick in Pläne nehmen konnte. Dagegen, daß
allgemein ein geordnetes Veröffentlichungsverfahren praktiziert wurde, spricht
auch, daß in der am 27.02.1961 beschlossenen Hauptsatzung die Vorschriften der
§§ 14 bis 17, die die Veröffentlichungen betreffen, nicht verständlich formuliert
sind. Von den im Satzungsvordruck vorgesehenen mehreren
Veröffentlichungsarten ist keine als nicht zutreffend gestrichen. Die Freilassungen,
die die Möglichkeit anderweitiger Regelung bieten sollten, sind nicht ausgefüllt. Es
ist somit nicht geregelt, ob die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen usw.
im "amtlichen Mitteilungsblatt", in "den hierzu bestimmten Tageszeitungen", durch
"Aushang am Rathaus", durch "Anschlag an den amtlichen
Bekanntmachungstafeln" oder durch "Auslegung im Rathaus" erfolgen sollte. Der
Ortsfunk wird überhaupt nicht erwähnt. Auch die Art der Veröffentlichung von
Plänen ist in der Satzung nicht geregelt. Die Satzung enthält lediglich in § 17 die
damals häufig verwandte Formulierung, daß Vorschriften, die anstelle oder neben
der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 14 eine andere Art der
Veröffentlichung amtlicher Anordnungen bestimmen (z.B. Offenlegung), unberührt
bleiben.
Nach allem ist eine eventuell auf das Schreiben vom 15.10.1964 gestützte
Vermutung, die Schlußauslegung habe doch stattgefunden, widerlegt.
Die Hinweisbekanntmachung allein stellt jedoch keine "Bekanntmachung" des
Bebauungsplanes dar. Nach § 12 des Bundesbaugesetzes vom 23.06.1960 (BGBl.
I S. 141) mußte die Gemeinde den genehmigten Bebauungsplan mit Begründung
öffentlich auslegen und die Genehmigung sowie Ort und Zeit der Auslegung
ortsüblich bekannt machen. § 12 Satz 3 BBauG sah weiter vor, daß mit der
Bekanntmachung, die an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen
Veröffentlichung trat, der Bebauungsplan rechtsverbindlich wurde. Der Senat hat
in ständiger Rechtsprechung zu § 12 BBauG a.F. entschieden, diese Vorschrift sei
verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß unter Bekanntmachung die
Auslegung und die Hinweisbekanntmachung zu verstehen sei st. Rspr seit dem
Urteil vom 21.10.1966 - OS IV 38/65- ESVGH 17, 198; Urteil vom 13.07.1973 - IV
OG 40/73 -; Urteil vom 26.10.1973 - IV OE 49/72-). Die Schlußauslegung gehöre
ebenso wie die Bekanntmachung von Ort und Zeit der Auslegung und der
Genehmigung des Bebauungsplans (Hinweisbekanntmachung) als unentbehrlicher
Bestandteil einer rechtsstaatlichen Verkündung von Rechtsnormen zur
Bekanntmachung im Sinne des § 12. Bekanntmachung in diesem Sinne sei daher
die Bekanntmachung nach Satz 1 und Satz 2 der Vorschrift. Die Auslegung müsse
deswegen als notwendiger Bestandteil zu der Hinweisbekanntmachung
hinzutreten. Es bedürfe keiner Erläuterung, daß eine gesetzmäßige
Hinweisbekanntmachung nicht die Möglichkeit eröffne, von einem Bebauungsplan
Kenntnis zu nehmen, der noch gar nicht oder nicht an dem angegebenen Ort
ausliege (vgl. die zitierten Entscheidungen).
Dem steht im Ergebnis auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht
nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar die Auffassung vertreten,
bei der Bekanntmachung von "Ort und Zeit" der Auslegung (§ 12 Satz 2 BBauG
1960) sei der Begriff der "Zeit" nicht dahin zu verstehen, daß die "Dauer" der
Auslegung bekanntzumachen sei; vielmehr meine das Gesetz die Tagesstunden,
in denen der Plan ausliege (BVerwG, Urteil vom 14.12.1973 - IV C 71/71 - NJW
1974, 811 ff., 813). Dementsprechend hänge die Rechtsfolge des § 12 BBauG, das
Rechtsverbindlich werden des Bebauungsplanes, nur von der Bekanntmachung
und von der sie begleitenden Zugänglichkeit des Planes, nicht aber auch davon
ab, daß die Zugänglichkeit einen bestimmten Zeitraum andauere. Dem
Ortsgesetzgeber sei aber unbenommen, diese zeitlich unbegrenzte Auslegung auf
eine zeitlich begrenzte zurückzuführen (BVerwG, a.a.O.). Damit übereinstimmend
haben die Bausenate des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes die
Anforderungen an das "Wie" der Bekanntmachung der Vorschrift des § 5 Abs. 4
29
30
31
32
33
34
35
Anforderungen an das "Wie" der Bekanntmachung der Vorschrift des § 5 Abs. 4
HGO a.F. und damit nicht revisiblem Landesrecht entnommen (Hess. VGH,
Beschluß vom 07.06.1988 - 4 N 4/83 - m.w.N.). Einen Verstoß gegen § 12 BBauG
hat das Bundesverwaltungsgericht darin nicht gesehen (BVerwG, Beschluß vom
23.09.1974 - IV B 113.74 - Buchholz, 2. Folge, 406.11, § 12 BBauG Nr. 4; bestätigt
durch Urteil vom 26.05.1978 - BVerwG - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 ff., 374 =
BauR 1978, 276 f.). Auch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts folgt
somit aus § 12 BBauG 1960, daß das Inkrafttreten des Bebauungsplanes nicht nur
von der Bekanntmachung der Genehmigung sowie des Ortes und der Zeit der
Auslegung abhing, sondern auch davon, daß die Auslegung durchgeführt wurde.
Nach allem handelt es sich vorliegend nicht lediglich um eine fehlerhafte
Verkündung, die gleichwohl als Verkündung anzusehen wäre und damit zur
Existenz des Bebauungsplans geführt haben würde. Vielmehr ist die
Bekanntmachung selbst, zu deren Vollendung nach früherem Recht zwei
Tatbestandsmerkmale erfüllt sein mußten: nämlich die Hinweisbekanntmachung
und die Auslegung, mangels Auslegung nicht abgeschlossen worden. Dies hat der
Senat bereits in den Beschlüssen vom 27.01.1970 - IV N 2/69 - und 16.11.1976 -
IV-N 11/76 - so gesehen. Auch in diesen Beschlüssen wurde der gestellte
Normenkontrollantrag als unzulässig zurückgewiesen. im Beschluß vom
27.01.1970 hat der Senat darauf hingewiesen, daß das Aufstellungsverfahren des
angegriffenen Bebauungsplanes noch nicht abgeschlossen sei. Die Genehmigung
der höheren Verwaltungsbehörde sei noch nicht erteilt. Weiter sei nach § 12 Satz 1
und 2 BBauG erforderlich, daß die Gemeinde den genehmigten Bebauungsplan
mit Begründung öffentlich auslege und die Genehmigung sowie Ort und Zeit der
Auslegung ortsüblich bekannt mache. Im Beschluß vom 16.11.1976 hat der Senat
ebenfalls darauf hingewiesen, daß die Genehmigung der höheren
Verwaltungsbehörde noch nicht erfolgt sei. Er hat aber weiter auf das Fehlen der
Veröffentlichung abgestellt. Hierzu hat er ausgeführt:
"Darüber hinaus ist nach § 12 Sätze 1 und 2 BBauG erforderlich, daß die
Gemeinde den genehmigten Bebauungsplan mit Begründung öffentlich auslegt
und die Genehmigung sowie Ort und Zeit der Auslegung ortsüblich bekannt macht.
Erst wenn dies geschehen sein wird, liegt eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 47
VwGO vor. Daran fehlt es hier, so daß der Normenkontrollantrag als unzulässig
abgewiesen werden muß."
Der Senat hat seine Auffassung im Beschluß vom 12.11.1981 bekräftigt und einen
Bebauungsplan erst dann als erlassen angesehen, wenn die ortsübliche
Bekanntmachung durchgeführt ist. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, mit
dieser Bekanntmachung, vergleichbar mit einer Verkündung im
Bundesgesetzblatt, werde der Bebauungsplan im Normalfall rechtsverbindlich und
im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO angreifbar ( - IV N 5/81 -,
insofern nicht abgedruckt in BauR 1982, 135).
Unabhängig von der Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags mangels
Nachweises der Veröffentlichung des Bebauungsplanes haben die Antragsteller die
Möglichkeit, mit Widerspruch und Anfechtungsklage bzw. mit Eilanträgen nach §
123 VwGO als Nachbarn gegen erteilte Baugenehmigungen Rechtsschutz zu
erlangen, falls sie geltend machen können, in Rechten verletzt zu sein.
Darüber hinaus dürfte den Antragstellern mit einer Entscheidung wie der
vorliegenden fast ebenso gedient sein, wie mit einer aufgrund Verkündungsfehlern
stattgebenden Entscheidung, denn in den Entscheidungsgründen des Beschlusses
des Senats wird hinreichend dargelegt, daß der Bebauungsplan keine Wirkung
entfaltet. Ein Nachteil besteht lediglich darin, daß die Entscheidung nicht allgemein
verbindlich ist und deshalb auch nicht nach § 47 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz VwGO
durch Veröffentlichung der Entscheidungsformel bekanntzumachen ist.
Die Voraussetzungen für eine Vorlage der Sache an das
Bundesverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, Abs. 5, 159 VwGO, 100 ZPO.
Grundsätzlich hätten die Antragsteller nach § 154 Abs. 1 VwGO die gesamten
Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen sind. Der Senat macht
jedoch von der Möglichkeit des § 155 Abs. 5 VwGO Gebrauch und erlegt die Hälfte
der Kosten der Antragsgegnerin auf. Voraussetzung der Haftung aus § 155 Abs. 5
VwGO ist, daß ein Beteiligter unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm
zumutbaren Sorgfalt durch eigenes Verhalten einen anderen Beteiligten oder das
Gericht zu Prozeßhandlungen oder Entscheidungen veranlaßt hat, die an sich nicht
36
37
Gericht zu Prozeßhandlungen oder Entscheidungen veranlaßt hat, die an sich nicht
erforderliche Kosten verursachen (Redeker/von Oertzen, VwGO, 8. Aufl., 1985, 3, 5
zu § 155). Der Verschuldensbegriff ist mit dem des § 60 identisch (Redeker/von
Oertzen, a.a.O.; Kopp, VwGO, 7. Aufl., 1986, Rdnr. 19 zu § 155). Verschulden ist
danach grundsätzlich anzunehmen, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer
acht läßt, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Prozeßführenden geboten ist
und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten war (Redeker/von Oertzen,
a.a.0. Rdnr. 3 zu § 6.0 VwGO und Kopp, a.a.O., Rdnr. 9 zu § 60 m.w.N.). Diese
Voraussetzungen liegen vor. Die ehemals selbständige Gemeinde Fischborn,
deren Handlungen der Antragsgegnerin als Rechtsnachfolgerin zuzurechnen sind,
hat durch die Hinweisbekanntmachung einen gewissen Rechtsschein erzeugt und
auch durch Übersendung des noch nicht verkündeten Planes bei der zuständigen
Bauaufsichtsbehörde und bei der Kommunalaufsichtsbehörde den Eindruck
erweckt, daß der Plan ordnungsgemäß verkündet werde. Gleichwohl ist die
Auslegung nicht erfolgt. Die Gemeinde Fischborn und später die Antragsgegnerin
haben es trotzdem zugelassen, daß der Plan jahrelang im Rahmen von
Baugenehmigungsverfahren angewendet wurde. Die Antragsgegnerin hat auch
nicht den Satzungsbeschluß aufgehoben, obwohl dies möglich gewesen wäre. Sie
hat damit die Stellung des vorliegenden Normenkontrollantrags mitverursacht.
Diese Mitverursachung erfolgte auch schuldhaft, denn die Gemeinde Fischborn
bzw. die Antragsgegnerin ließen diejenige Sorgfalt außer acht, die ihnen nach den
gesamten Umständen zuzumuten war. Bei ordnungsgemäßer Verwaltungsführung
wäre vor der Stellung des Normenkontrollantrags die Verkündung abgeschlossen
oder der Satzungsbeschluß aufgehoben worden.
Aber auch die Antragsteller trifft ein Mitverschulden daran, daß Kosten entstanden
sind. Sie haben schon in ihrem am 13.09.1984 eingegangenen
Normenkontrollantrag vorgetragen, die Gemeinde Fischborn habe es im Jahre
1964 versäumt, den Bebauungsplan zu veröffentlichen. Falls sie davon tatsächlich
überzeugt waren, hätten sie den Antrag nicht zu stellen brauchen. Zugunsten der
Antragsteller ist allerdings zu berücksichtigen, daß im vorliegenden
Normenkontrollverfahren ein Beweis für die Verkündung des Bebauungsplanes
hätte gefunden werden können. Trotz des Fehlens eines Verkündungsnachweises
auf dem bei der Antragsgegnerin verwahrten Exemplar des Planes hätte sich aus
den bei der Bauaufsichtsbehörde bzw. der Kommunalaufsichtsbehörde
befindlichen Aufstellungs- und Planunterlagen ein Nachweis für die Verkündung
finden können. Nach allem ist es angemessen, die Kosten des Verfahrens den
Antragstellern und der Antragsgegnerin je zur Hälfte aufzuerlegen, was im Falle
der Antragsteller nach § 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung dazu führt,
daß sie für die von ihnen zu tragende Hälfte der Kosten nach Kopfteilen haften.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 1 Satz 1 GKG
a.F.. Die Neufassung des Gerichtskostengesetzes ist nicht anzuwenden, weil der
vorliegende Normenkontrollantrag vor der Gesetzesänderung anhängig geworden
ist (vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen die alte Fassung des
Gerichtskostengesetzes weiter gilt, § 73 Abs. 1 GKG a.F.). Mangels näherer,
bezifferbarer Anhaltspunkte für das Interesse der Antragsteller an einem
erfolgreichen Verfahrensausgang hat der Senat für jeden der Antragsteller den
Hilfsstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in seiner früheren Fassung angesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.