Urteil des HessVGH vom 23.01.1996

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, genehmigung, satzung, einverständnis, amtshandlung, behörde, beendigung, anfechtungsklage, gebühr, landwirtschaft

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 590/95
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, § 4 Abs 3
VwKostG HE, § 8 Abs 1
VwKostG HE
(Baugenehmigungsgebühr: erhebliche Unterschreitung der
tatsächlichen von den durchschnittlichen Rohbaukosten -
Billigkeitsentscheidung über Gebührenermäßigung;
Gebührengerechtigkeit)
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des
Verwaltungsgerichts, mit dem dieses einen Bauaufsichtsgebührenbescheid auf die
Anfechtungsklage des Klägers hin zum Teil aufgehoben hat.
Mit Bescheid vom 6. Januar 1988 erteilte der Beklagte dem Kläger auf seinen
Antrag hin eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Ausstellungs- und einer
Lagerhalle. Die tatsächlichen Rohbaukosten betrugen unstreitig für die
Ausstellungshalle 388.000,-- DM; für die Lagerhalle, die niemals errichtet wurde,
sollten sie unstreitig 186.000,-- DM betragen. Die für die Genehmigung zu
entrichtenden Bauaufsichtsgebühren berechnete der Beklagte zunächst mit
20.240,-- DM. Aufgrund der Abweichung der tatsächlich dem Kläger entstandenen
Rohbaukosten von den als Berechnungsgrundlage angenommenen
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten für derartige Hallenbauten gewährte der
Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 1988 dem Kläger einen Billigkeitserlaß
von 25 % und setzte die zu zahlenden Gebühren auf 15.186,-- DM fest. Gegen
diesen ihm am 9. Dezember 1988 zugestellten Bescheid legte der Kläger mit
Schreiben vom 14. Dezember 1988 - eingegangen beim Beklagten am 15.
Dezember 1988 - Widerspruch ein und begehrte eine Berechnung aufgrund der
tatsächlichen Rohbaukosten. Der Beklagte übersandte ihm daraufhin mit
Schreiben vom 13. Februar 1989 eine im einzelnen aufgeschlüsselte Berechnung
seines Bescheides.
Auf Antrag des Klägers ordnete das Verwaltungsgericht Kassel die aufschiebende
Wirkung seines Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid an, soweit dieser
einen Betrag von 9.184,-- DM überstieg (Beschluß vom 23. Juni 1989 - 2/2 H
387/89 -). Im Beschwerdeverfahren vor dem erkennenden Senat setzte der
Beklagte die Vollziehung des Gebührenbescheides auch in Höhe der übrigen
Gebühren gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - aus (5
TH 2510/89).
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1991 - dem Bevollmächtigten des
Klägers zugestellt am 18. Oktober 1991 - setzte der Beklagte den geforderten
Gebührenbetrag erneut herab, und zwar auf 12.032,-- DM. Dabei berücksichtigte
er, daß die genehmigte Lagerhalle - anders als die Ausstellungshalle - nicht
ausgeführt worden war, Gegenstand der Gebühr neben der Erteilung der
Genehmigung aber auch die Bauüberwachung einschließlich
Bauzustandsbesichtigung sei. Diesen Widerspruchsbescheid ergänzte der
Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 1993 um eine Kostenentscheidung, nach
der der Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 80 %, der Beklagte zu 20
% zu tragen hätte. Auch wurde die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für
notwendig erklärt.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14. November 1991 - eingegangen
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14. November 1991 - eingegangen
beim Verwaltungsgericht Kassel am 18. November 1991 - hat der Kläger Klage
bezüglich der Gebührenbemessung und mit Schriftsatz vom 12. März 1993 -
eingegangen am 16. März 1993 - auch bezüglich der Kostenregelung in dem
ergänzenden Widerspruchsbescheid erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit
Beschluß vom 15. April 1993 beide Verfahren verbunden.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im wesentlichen ausgeführt, bereits
der Ansatzpunkt für die Gebührenbemessung durch den Beklagten sei fehlerhaft,
da nicht auf die durchschnittlichen, sondern auf die tatsächlichen Rohbaukosten
abzustellen sei, da nämlich ein derartiges Mißverhältnis bestehe, daß die
Anwendung der durchschnittlichen Rohbaukosten zu offensichtlich unrichtigen
Ergebnissen führe, da die tatsächlichen Rohbaukosten nur ca. 45 % dieser Summe
erreichten.
Der Kläger hat beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 6. Dezember 1988 in der Form des
Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1991, ergänzt durch den Bescheid vom
5. Februar 1993, mit Ausnahme der dort hinsichtlich der für das Vorverfahren
ausgesprochenen Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Ansicht nach rechtfertige die hier bestehende Differenz zwischen
tatsächlichen und statistischen Rohbaukosten kein Abweichen von den
satzungsmäßigen Bestimmungen für die Baugenehmigungsgebührenermittlung.
Dieser Besonderheit sei durch die Billigkeitsentscheidung nach § 4 Abs. 3
Hessisches Verwaltungskostengesetz - HVwKostG - hinreichend Rechnung
getragen worden.
Mit Urteil vom 14. Dezember 1994 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des
Beklagten vom 6. Dezember 1988 und dessen Widerspruchsbescheid vom 16.
Oktober 1991, ergänzt durch den Bescheid vom 5. Februar 1993, aufgehoben,
soweit darin eine über den Betrag von 7.696,-- DM hinausgehende
Baugenehmigungsgebühr festgesetzt worden ist. Im übrigen hat es die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im wesentlichen
ausgeführt, bei der Berechnung der Gebühren nach den landesdurchschnittlichen
Rohbaukosten seien diese - anders als vom Beklagten zugrundegelegt - dem Erlaß
des Hessischen Ministers des Inneren vom 14. Juni 1988 (StAnz S. 1512) zu
entnehmen, da es für die Bemessung der Bauaufsichtsgebühren nach § 8 Abs. 1
Satz 1 HVwKostG auf die wirtschaftliche Bedeutung der Baugenehmigung im
Zeitpunkt der Beendigung der Amtshandlung ankomme. Daraus folgten
anzusetzende Rohbaukosten von 956.286,45 DM für die Ausstellungshalle und
604.099,44 DM für die Lagerhalle. Die tatsächlichen Rohbaukosten unterschritten
die statistischen um ca. 63 %. Bereits ein Grad einer Abweichung von 50 % sei als
eine "wesentliche" Abweichung im Sinne des Beschlusses des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 30. September 1986 anzusehen, in dem eine
derartige Abweichung jedenfalls für den Fall angenommen worden war, in dem die
tatsächlichen Rohbaukosten nur ein Sechstel der durchschnittlichen Rohbaukosten
betrugen. In diesen Fällen genüge ein Billigkeitserlaß in Höhe von 25 % der
Gebührenschuld, wie ihn der Beklagte zugrundegelegt habe, nicht. Vielmehr sei
zwingend auf die tatsächlichen Rohbaukosten abzustellen. Für eine
Ermessensentscheidung sei dort kein Raum, wo vom "groben" Maßstab der
statistischen Rohbaukosten aufgrund feststehender Erkenntnisse über die von der
Satzung vorgegebenen Bezugsgröße der Rohbaukosten eine "systemgerechte"
Berechnung möglich sei.
Gegen das ihm am 19. Januar 1995 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit
Schriftsatz vom 15. Februar 1995 - eingegangen beim Verwaltungsgericht am 20.
Februar 1995 - Berufung eingelegt.
Er wendet sich gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, in den Fällen, in denen
die tatsächlichen Rohbaukosten weniger als 50 % der durchschnittlichen
Rohbaukosten nach dem jeweiligen Ministererlaß betrügen, seien bei der
Berechnung der Bauaufsichtsgebühr die tatsächlichen Rohbaukosten
zugrundezulegen. Seiner Ansicht nach sei in einem Unterschreiten der
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zugrundezulegen. Seiner Ansicht nach sei in einem Unterschreiten der
durchschnittlichen Rohbaukosten um ca. 63 % noch keine derart wesentliche
Unterschreitung zu sehen, daß die tatsächlichen Rohbaukosten nach der
Rechtsprechung des Senats zugrundezulegen seien. Eine Billigkeitsentscheidung,
die die Gebühren um 25 % ermäßige, sei ausreichend. Auch nach der
Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für
Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 24.
August 1994 (GVBl. I S. 351 ff.) sei nach Nr. 6525 in derartigen Fällen nur eine
Gebührenreduzierung aus Billigkeitsgründen vorgesehen. Auch der Gesetzgeber
habe keinen Anlaß gesehen, verbindlich festzulegen, daß die Gebühren in diesen
Fällen auf der Basis der tatsächlichen Rohbaukosten zu errechnen seien.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. Dezember 1994 - 2/3 E
1528/91 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf seine Ausführungen in der ersten Instanz und auf die
Ausführungen des Verwaltungsgerichts.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich und zu Protokoll im Termin zur Erörterung der
Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Streitverfahrens
sowie der beigezogenen Gerichtsakten VG Kassel 2/3 E 1139/93 und VG Kassel 2/2
H 367/89 = Hess.VGH 5 TH 2510/89 und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten
(ein Hefter) verwiesen, die insgesamt Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten - über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) - ist zulässig und auch begründet, denn die
Anfechtungsklage ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene
Gebührenbescheid vom 6. Dezember 1988 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1991 setzt nämlich gegenüber dem
Kläger zumindest keine überhöhten Bauaufsichtsgebühren fest und verletzt ihn
somit nicht in seinen Rechten.
Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenfestsetzung ist die Satzung des
Beklagten über die Erhebung von Bauaufsichtsgebühren
(Bauaufsichtsgebührensatzung - BAGebS -) vom 10. Mai 1982 in Verbindung mit
dem zugehörigen Gebührenverzeichnis vom selben Tag. Die Grundlage für diese
satzungsrechtliche Regelung findet sich im Hessischen Verwaltungskostengesetz -
HVwKostG - vom 11. Juni 1972 (GVBl. I S. 235), das in der hier noch maßgeblichen
früheren Fassung (a.F.) letztmalig durch das 3. Änderungsgesetz vom 2. April
1981 (GVBl. I S. 137) geändert worden ist.
Nach § 1 Abs. 1 HVwKostG a.F. sind für Amtshandlungen, die von Landesbehörden
oder als Weisungsaufgaben von anderen Verwaltungen vorgenommen werden,
Gebühren und Auslagen nach diesem Gesetz und der Gebührenordnung nach § 21
HVwKostG a.F. zu erheben. Die Erteilung von Baugenehmigungen nahm der
Beklagte als Bauaufsichtsbehörde wahr, also als Weisungsangelegenheit gemäß §
81 Abs. 2 Hessische Bauordnung in der hier noch anzuwendenden alten Fassung.
Gemäß § 1 Abs. 4 HVwKostG a.F. können die Landkreise und
bauaufsichtsführenden Städte und Gemeinden durch Satzung die
Bauaufsichtsgebühren nach ihrem Verwaltungsaufwand festlegen und dabei von
der Gebührenordnung nach § 21 abweichen. Dies hat der Beklagte mit der
Bauaufsichtsgebührensatzung vom 10. Mai 1982 und dem zugehörigen
Gebührenverzeichnis getan. Formelle und materielle Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit dieser Gebührensatzung sind nicht ersichtlich und auch vom
Kläger nicht vorgetragen.
Die Festsetzung der Bauaufsichtsgebühren, die der Kläger angreift, bemißt sich -
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Die Festsetzung der Bauaufsichtsgebühren, die der Kläger angreift, bemißt sich -
wie in Nr. 4.2. des Gebührenverzeichnisses festgelegt - nach der Rohbausumme,
die sich aus der Vervielfachung des umbauten Raumes (nach DIN 277) mit den
statistisch für das Land ermittelten jeweiligen durchschnittlichen Rohbaukosten je
cbm umbauten Raumes ergibt. Das Hessische Ministerium des Inneren gibt die
durchschnittlichen Rohbaukosten jährlich im Staatsanzeiger bekannt.
Diese Art der Gebührenermittlung aufgrund des Maßstabs der
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten ist als solche inhaltlich nicht zu
beanstanden. Zugrunde liegt dem der Gedanke, daß die Rohbaukosten einen
Anhaltspunkt für den Nutzen des Antragstellers aus dem Bauvorhaben und für den
Genehmigungsaufwand der Behörde darstellen. Das Abstellen auf die
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten dient dabei - neben Gesichtspunkten der
Praktikabilität - insbesondere auch der Gebührengerechtigkeit, indem
Besonderheiten des einzelnen Bauvorhabens, die zwar die Rohbaukosten
beeinflussen, nicht aber den Nutzen für den Antragsteller oder den
Genehmigungsaufwand der Behörde - wie etwa besonderes kaufmännisches
Geschick oder Ungeschick des Bauherrn, besonders viele oder keine
Eigenleistungen oder ähnliches - keine Berücksichtigung finden (vgl. Urteile des
Senats vom 4. April 1990 - 5 UE 2284/87 -, Seite 13 des amtlichen Abdrucks,
ESVGH 40, 254 = HSGZ 91, 404 = NVwZ-RR 1991, 208 = ZKF 1990, 279,und vom
1. Juni 1995 - 5 UE 1089/94 -, Seite 8 f. des amtlichen Abdrucks).
Maßgebend ist für die Bemessung der Bauaufsichtsgebühren - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend mit Bezug auf das Urteil des Senats vom 4. April
1990 (a.a.O.) ausgeführt hat - gemäß § 8 Abs. 1 HVwKostG a.F. der Wert des
Gegenstandes zur Zeit der Beendigung der Amtshandlung. Das bedeutet, daß auf
die durchschnittlichen Rohbaukosten zum Zeitpunkt des Erlasses der
Baugenehmigung abzustellen ist. Diese wurde am 6. Januar 1988 - nicht wie im
Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils ausgeführt am 9. Dezember 1987
- erlassen. Damit sind die landesdurchschnittlichen Rohbaukosten nach dem vom
1. September 1987 bis zum 31. August 1988 geltenden Erlaß des Hessischen
Ministers des Inneren vom 18. August 1987 (StAnz S. 1849) zu bestimmen, den
auch der Beklagte zugrundegelegt hat, und nicht - wie das Verwaltungsgericht
angenommen hat - nach dem erst ab dem 1. September 1988 geltenden Erlaß
vom 14. Juni 1988 (StAnz S. 1512).
Daraus berechnen sich für die Ausstellungshalle durchschnittliche Rohbaukosten
von 774.136,65 DM (6.505,35 cbm x 119,-- DM nach 14.1.2 des Erlasses)
gegenüber unstreitigen tatsächlichen Rohbaukosten von 388.000,-- DM, für die
Lagerhalle durchschnittliche Rohbaukosten von 489.032,88 DM (4.109,52 cbm x
119,-- DM) gegenüber unstreitigen tatsächlichen Rohbaukosten von 186.000,--
DM.
Aufgrund von Abweichungen der gesamten tatsächlichen von den gesamten
durchschnittlichen Rohbaukosten um über 50 % hat der Beklagte die
Gesamtgebühren um 25 % ermäßigt. Das Verwaltungsgericht hat - entsprechend
der Ansicht des Klägers - wegen erheblicher Abweichung der tatsächlichen von den
durchschnittlichen Rohbaukosten die tatsächlichen Rohbaukosten zugrundegelegt
und sich dafür auf den Beschluß des Senats vom 30. September 1986 - 5 TH
855/86 - (GemHH 1987, 210 = HSGZ 1987, 9 = HessVGRspr. 1987, 31) bezogen,
in dem der Senat bei einer wesentlichen Abweichung die tatsächlichen
Rohbaukosten zugrundegelegt und eine solche "wesentliche" Abweichung
zumindest für den Fall angenommen hatte, daß die tatsächlichen Rohbaukosten
nur ca. ein Sechstel der durchschnittlichen Rohbaukosten betragen.
Dazu ist folgendes auszuführen:
Auch wenn mehrere Bauvorhaben gemeinsam in einer Baugenehmigung
beschieden werden, kann der Grad der Abweichung der tatsächlichen von den
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten nur für jedes Bauvorhaben getrennt
bestimmt werden. Da auch die Genehmigungsgebühren getrennt nach
Bauvorhaben zu berechnen sind, ist auch über eine Gebührenermäßigung für
jedes Vorhaben gesondert zu entscheiden. Die Zusammenfassung in einem
Gebührenbescheid ändert daran nichts.
Dies bedeutet, daß im vorliegenden Fall bei der Ausstellungshalle die tatsächlichen
Rohbaukosten 50,12 % der landesdurchschnittlichen Rohbaukosten betragen, bei
der Lagerhalle 38 %. Auf die vom Verwaltungsgericht angenommene
Gesamtabweichung von ca. 63 % kommt man selbst bei Zugrundelegung von
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Gesamtabweichung von ca. 63 % kommt man selbst bei Zugrundelegung von
dessen Annahmen nicht. Zu diesem Ergebnis dürfte das Verwaltungsgericht
gekommen sein, indem es nicht den Grad der Abweichung der tatsächlichen von
den durchschnittlichen Rohbaukosten, sondern den Grad der Abweichung der
aufgrund der tatsächlichen und der durchschnittlichen Rohbaukosten berechneten
unterschiedlichen Gebührenhöhen zugrundegelegt hat. Auf diese kommt es
jedoch nicht an.
Für den Fall der Abweichung der tatsächlichen von den durchschnittlichen
Rohbaukosten sehen die Bauaufsichtsgebührensatzung des Beklagten und auch
das Hessische Verwaltungskostengesetz keine ausdrückliche Regelung vor.
Grundsätzlich ist bei derartigen Abweichungen zu berücksichtigen, daß bereits
denkgesetzlich die Zugrundelegung von durchschnittlichen Rohbaukosten bei der
Berechnung der Baugenehmigungsgebühren voraussetzt, daß die tatsächlichen
Rohbaukosten im Einzelfall über, aber auch unter diesen Durchschnittswerten
liegen können. Die Gründe für diese Regelung sind bereits oben dargelegt worden.
Liegt aber eine über diesen Regelfall hinausgehende Unterschreitung der
durchschnittlichen durch die tatsächlichen Rohbaukosten vor, bietet die
Ermessensregelung des § 2 Abs. 3 BAGebS in Verbindung mit § 4 Abs. 3
HVwKostG a.F. eine ausreichende Möglichkeit, Unbilligkeiten des Einzelfalles durch
einen Billigkeitserlaß zu begegnen. Der Senat teilt die Ansicht des
Verwaltungsgerichts nicht, daß bei erheblichen Abweichungen - die das
Verwaltungsgericht bereits bei Abweichungen von 50 % annimmt - zwingend auf
die tatsächlichen Rohbaukosten abzustellen ist. Zwar ist in zeitweise ergangenen
ministeriellen Erlassen den Bauaufsichtsträgern empfohlen worden, bei
Abweichungen der tatsächlichen von den durchschnittlichen Rohbaukosten von
über 50 % einen Billigkeitserlaß von 25 % zu gewähren, wie es der Beklagte auch -
allerdings aufgrund der Gesamtberechnung für beide Hallen - getan hat. Diese
Empfehlungen binden die Bauaufsichtsträger jedoch nicht. Vielmehr haben sie in
dem Ermessen, das sie bei einer Erlaßentscheidung gemäß § 4 Abs. 3 HVwKostG
a.F. auszuüben haben, zu berücksichtigen, ob der Grad der Abweichung der
tatsächlichen von den landes durchschnitt- lichen Rohbaukosten überhaupt eine
Ermäßigung geboten erscheinen läßt und - in einem zweiten Schritt - in welchem
Umfang eine derartige Ermäßigung vorzunehmen ist. Dabei hat sich der
Bauaufsichtsträger von dem in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - zum Ausdruck
kommenden Prinzip der Gebührengerechtigkeit als Ausprägung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes leiten zu lassen. Dieses erfordert, daß der Grad
der Abweichung und der Grad der Ermäßigung zueinander in einem
angemessenen Verhältnis stehen. Diesen Anforderungen dürfte eine starre
Reduzierung um 25 % bei jeder Überschreitung eines Abweichungsgrades von 50
% nicht entsprechen, da dies einerseits bei Abweichungen, die nur geringfügig
über der 50 %-Grenze liegen, zu mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden
Bevorteilungen gegenüber denjenigen führen würde, die nur knapp unter einem
Abweichungsgrad von 50 % liegen, andererseits bei besonders großen
Abweichungen diese sich bei einer pauschalen Gebührenreduzierung um 25 %
eventuell nicht in angemessenem Umfang im Grad der Ermäßigung wiederfänden.
Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 30. September 1986 - 5 TH 855/86 -
(a.a.O.) ausgeführt hat, in dem Fall, in dem die tatsächlichen die
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten w e s e n t l i c h unterschritten, müßten
die tatsächlichen Rohbaukosten bei der Berechnung der Gebühren zugrundegelegt
werden, wird an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten. Gegen die
Zugrundelegung der tatsächlichen Rohbaukosten spricht nämlich, daß die
Gebührenschuldner in diesen Fällen besonders bevorteilt würden, da sie anders als
Gebührenschuldner, deren tatsächliche Rohbaukosten in einem geringeren Grad
abweichen, ihre Gebühren exakt nach den tatsächlichen Rohbaukosten berechnet
erhielten. Dies ist jedoch weder erforderlich, noch im Hinblick auf den oben
ausgeführten Sinn der landesdurchschnittlichen Rohbaukosten -
Gebührengerechtigkeit durch Durchschnittswerte - gerechtfertigt. Vielmehr
bestehen auch insofern Bedenken, ob eine derartige Praxis mit dem
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren wäre.
Im vorliegenden Verfahren berechnen sich die Bauaufsichtsgebühren somit wie
folgt:
Ausstellungshalle:
6.505,35 cbm x 119,-- DM (14.1.2, 3. Alternative des Erlasses vom 18. August
1987) : 1000 x 16,-- DM (Richtlinien des Beklagten Nr. 13.2) = 12.386,-- DM
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Lagerhalle:
4.109,52 cbm x 119,-- DM : 1000 x 16,-- DM = 7.824,-- DM
Der Beklagte hat von diesen angefallenen Gebühren, die er - von geringen
Abweichungen abgesehen - im Widerspruchsbescheid ebenso berechnet hat,
einen Billigkeitserlaß gemäß § 2 Abs. 3 BAGebS in Verbindung mit § 4 Abs. 3
HVwKostG a.F. aufgrund der Abweichung der tatsächlichen von den
durchschnittlichen Rohbaukosten gewährt, und zwar in Höhe von 25 % der
Gesamtgebühren. Diese Ermessensentscheidung des Beklagten ist vom Senat
nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen. Solche sind zu Lasten des Klägers
nicht erkennbar.
Der Beklagte hat erkennen lassen, daß er ab der in entsprechenden ministeriellen
Erlassen, die ihn aber nicht binden, angesprochenen Grenze von 50 %, die die
tatsächlichen Rohbaukosten die im Erlaß festgesetzten landesdurchschnittlichen
Rohbaukosten unterschreiten müßten, grundsätzlich einen Billigkeitsgrund für
einen Erlaß annimmt. Dies erscheint dem Senat angesichts der oben
ausgeführten Zweckbestimmung der durchschnittlichen Rohbaukosten
ermessensfehlerfrei (vgl. auch Urteil vom 1. Juni 1995, a.a.O., S. 9 des amtlichen
Abdrucks). Im vorliegenden Fall hätte eine dementsprechende Entscheidung aber
nur zu einer Reduzierung der Gebühren für die Lagerhalle geführt, da bei der
Ausstellungshalle - bei notwendigermaßen getrennter Bewertung - kein
Unterschreiten der tatsächlichen unter die durchschnittlichen Rohbaukosten von
über 50 % vorliegt. Beim Grad der Reduzierung ist ebenfalls kein Fehler zu Lasten
des Klägers erkennbar. Dem Grad der Abweichung der tatsächlichen von den
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten bei der Lagerhalle von 62 % ist vielmehr in
besonderem Umfang Rechnung getragen. Im Ergebnis hat die Entscheidung des
Beklagten nämlich letztlich zu einer Reduzierung der Gebühren geführt, die über
das hinausgeht, was sich bei Anwendung seiner eigenen Ermessensgrundsätze
errechnet hätte. Dies aber hat sich nur zugunsten des Klägers ausgewirkt.
Zusätzlich hat der Beklagte zu Recht bei der Lagerhalle dann nur 50 % der
Gebühren angesetzt. Gegenstand der Gebühr ist nämlich nicht nur die
Genehmigung, sondern auch die Bauüberwachung einschließlich einmaliger
Rohbau- und Schlußabnahme. Da die Halle jedoch nicht errichtet worden ist,
entfällt dieser Gebührenanteil (vgl. Erlaß des Hessischen Ministers des Inneren
vom 16. August 1973, StAnz S. 1587).
Insgesamt verletzt somit der angefochtene Gebührenbescheid in der Fassung des
Widerspruchsbescheides den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts ist deshalb zu ändern und die Klage abzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.