Urteil des HessVGH vom 23.10.1986

VGH Kassel: beratung, politische verfolgung, abstimmung, ausbildung, trennung, beeinflussung, aufgabenbereich, verfahrensmangel, gerichtsverfassungsgesetz, staat

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 TE 1934/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 32 Abs 2 Nr 2 AsylVfG, §
32 Abs 2 Nr 3 AsylVfG, §
138 Nr 1 VwGO, § 173
VwGO, § 193 GVG
(Teilnahme eines Jurastudenten an Beratung einer
Kammer)
Gründe
Die auf den asylrechtlichen Verfahrensteil beschränkte Beschwerde ist zulässig,
aber nicht begründet. Denn weder weicht das angegriffene Urteil in der vom Kläger
dargelegten Weise von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 32
Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG), noch ist das erstinstanzliche Verfahren mit einem vom
Kläger geltend gemachten wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, der zur
Zulassung der Berufung führt; denn entgegen der Auffassung des Klägers war das
Verwaltungsgericht bei der Urteilsberatung nicht vorschriftswidrig besetzt (§ 32
Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO) .
Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Entscheidung von
dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 1982 - 9 C 308.81 -
(BVerwGE 65, 250 = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 37 = EZAR 200 Nr. 7)
abgewichen, indem es seiner Entscheidung nicht den erleichterten
Prognosemaßstab für Vorverfolgte zugrunde gelegt habe, vermag der Senat
dieser Argumentation nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, daß das Verwaltungsgericht
bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, daß der Kläger vor seiner Einreise
in die Bundesrepublik in den Jahren 1977 bis 1979 in drei Fällen jeweils für längere
Zeit bis zu drei Monaten in Untersuchungshaft genommen wurde, wobei ihm in
zwei Fällen Körperverletzungsdelikte zur Last gelegt worden seien. Jedoch hätte
das Verwaltungsgericht aufgrund dieser Feststellungen entgegen der Auffassung
des Klägers nicht zwangsläufig den erleichterten Prognosemaßstab für
Vorverfolgte anlegen müssen. Denn nur ein Asylbewerber, der bereits einmal
politisch verfolgt war, ist als politisch Verfolgter schon dann anzuerkennen, wenn
sich ernsthafte Bedenken nicht ausräumen lassen, daß er bei einer Rückkehr in
seine Heimat erneut (politisch) verfolgt werden wird (BVerwG, Urteil vom 25.
September 1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG
Nr. 26 = EZAR 200 Nr. 12 = InfAuslR 1985, 51; Urteil vom 23. April 1984 - 9 C
75.84 -, EZAR 200 Nr. 14). Bei Strafverfolgungsmaßnahmen handelt es sich um
politische Verfolgung indessen nur dann, wenn der verfolgende Staat seine Bürger
in ihrer politischen oder religiösen Überzeugung zu treffen oder sie aus ethnischen
oder Nationalitätsgründen zu diskriminieren sucht (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984
- 9 C 181.83 -, EZAR 201 Nr. 7). Eine derartige Verfolgungsmotivation hat das
Verwaltungsgericht hinsichtlich der gegen den Kläger gerichteten
Strafverfolgungsmaßnahmen türkischer Behörden, auch für die Zeit vor seiner
Flucht in die Bundesrepublik Deutschland, verneint. Dies ergibt sich aus den
Entscheidungsgründen, in denen auf Seite 10 oben zum Ausdruck kommt, die
Kammer halte den Kläger nicht für einen von politischen Zielen durchdrungenen
und aktiv dafür eintretenden Menschen, an dem die türkischen
Sicherheitsbehörden aus diesem Grunde ein besonderes Interesse hätten und den
sie deshalb unter dem Vorwand eines Strafverfahrens politisch ausschalten
wollten. Daß sich diese Einschätzung - was freilich in den Entscheidungsgründen
nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit zum Ausdruck kommt - auch auf die in der
Türkei bereits erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bezieht, ergibt sich auch aus
den Ausführungen auf Seite 11 des angegriffenen Urteils, wo es heißt, der Kläger
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den Ausführungen auf Seite 11 des angegriffenen Urteils, wo es heißt, der Kläger
habe keine so hervorgehobene Funktion oder Stellung innerhalb der von ihm
unterstützten politischen Gruppierung innegehabt, daß der türkische Staat
dadurch hätte veranlaßt sein können, ihn als "politischen Menschen"
auszuschalten. Auf Seiten 11 f. des angegriffenen Urteils bringt das
Verwaltungsgericht in Bezug auf alle dem Kläger gemachten strafrechtlichen
Vorwürfe zum Ausdruck, es sei für die Kammer nicht ersichtlich, daß diese
Maßnahmen möglicherweise den Zweck haben könnten, unter "Manipulation des
Strafvorwurfs" den Kläger in seiner politischen Gesinnung zu treffen und ihn als
politischen Gegner auszuschalten.
Aufgrund dieser Einschätzung hatte das Verwaltungsgericht keinen Anlaß, seiner
Entscheidung den erleichterten Prognosemaßstab für Vorverfolgte zugrunde zu
legen. Mit seiner Einschätzung, die gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen
seien nicht in asylrechtlichem Sinne politisch motiviert, ist das Verwaltungsgericht
entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht von dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 1983 - 9 C. 36.83 - (BVerwGE 67,184 =
InfAuslR 1983, 228 = NVwZ 1983, 674 = DVBl. 1983, 1007) abgewichen. Denn das
Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung nicht Rechtssätze zugrundegelegt, die
mit den vom Bundesverwaltungsgericht in der vom Kläger bezeichneten
Entscheidung aufgestellten Rechtssätzen unvereinbar sind. Zwar weist der Kläger
mit Recht darauf hin, daß sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung
mehrfach auch mit der Motivationslage des Klägers auseinandergesetzt hat, die
nach der mit der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts für die asylrechtliche Bewertung von
Strafverfolgungsmaßnahmen irrelevant ist (BVerwGE 67, 184 - 189 - m.w.N.). Das
Verwaltungsgericht hat indessen diese Überlegungen zur Motivationslage des
Klägers nicht isoliert, sondern in bezug auf die Wahrscheinlichkeit (auch) politisch
motivierter Strafverfolgungsmaßnahmen türkischer Behörden und Gerichte als
Reaktion auf das Verhalten des Klägers angestellt. Das Gericht ist dabei - vom
dogmatischen Ansatz her zutreffend - zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht
ersichtlich, daß vom Kläger bereits erlittene und noch befürchtete
Strafverfolgungsmaßnahmen möglicherweise den Zweck haben könnten, ihn in
seiner politischen Gesinnung zu treffen und ihn als politischen Gegner
auszuschalten. Das Verwaltungsgericht hat mithin nicht verkannt, daß es für die
asylrechtliche Bewertung derartiger Strafverfolgungsmaßnahmen nicht auf die
Motivation des Klägers für die ihm vorgeworfenen Straftaten, sondern auf die
staatlichen Motive für die Strafverfolgung ankommt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Zulassung der Berufung auch nicht
deswegen geboten, weil an einer der Verkündung des angefochtenen Urteils
vorausgehenden Besprechung der erkennenden Kammer des Verwaltungsgerichts
Wiesbaden neben den zur Entscheidung berufenen Richtern auch die
Rechtsstudentin K. teilgenommen hat. Insoweit liegt ein Verfahrensmangel im
Sinne der §§ 32 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 1 VwGO nicht vor, obgleich Frau K.
dem Verwaltungsgericht Wiesbaden zu ihrer juristischen Ausbildung nicht im Sinne
der §§ 173 VwGO, 193 GVG mit der Folge zugewiesen war, daß ihr die Teilnahme
an einer Beratung hätte gestattet werden können. Denn jedenfalls hat Frau K., wie
zur Überzeugung des Senats auf Grund der vorliegenden dienstlichen Erklärungen
des Präsidenten und weiterer Richter des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
feststeht, nicht an Beratung und Abstimmung im Sinne der §§ 192 ff. GVG
teilgenommen, sondern an einer von der Beratung zu trennenden
Vorbesprechung der erkennenden Kammer.
Es ist in hohem Maße zweifelhaft, kann hier aber letztlich dahinstehen, ob Frau K.
die Teilnahme an einer Beratung gemäß § 193 GVG hätte gestattet werden dürfen.
Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, neben den im Vorbereitungsdienst
nach § 5 a DRiG stehenden Rechtsreferendaren und - nach früherer Rechtslage -
den Teilnehmern an einer einstufigen Ausbildung könne auch Rechtsstudenten,
jedenfalls soweit und solange sie an vorgeschriebenen praktischen Studienzeiten
teilnähmen, die Anwesenheit bei Beratungen und Abstimmungen von Gerichten
gestattet werden (vgl. Kissel, Kommentar zum Gerichtsverfassungsgesetz, 1981,
Rdnr. 22 zu § 193 m.w.N.; Kreft, NJW 1969, 1784 f.). Die in der Rechtsprechung
überwiegend anders beurteilte Rechtsfrage, ob Rechtsstudenten generell oder in
bestimmten Fällen die Teilnahme an Beratungen und Abstimmungen gestattet
werden kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluß vom 26. September 1968, NJW 1969,
628; Hess.VGH, Urteil vom 14. Mai 1980, NJW 1981, 599; jeweils m.w.N.) kann hier
offen bleiben, weil die Rechtsstudentin K. hier nicht dem Verwaltungsgericht
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offen bleiben, weil die Rechtsstudentin K. hier nicht dem Verwaltungsgericht
Wiesbaden schlechthin zur Ausbildung zugewiesen war, sondern dem Richter am
VG Riedel in seiner Eigenschaft als Verwaltungsreferent für den Aufgabenbereich
"Angelegenheiten der Textverarbeitungsanlage" und damit als Teil der
Gerichtsverwaltung. Dies ergibt sich einerseits aus der dienstlichen Erklärung des
Richters am VG Riedel vom 10. Juli 1986, zum anderen aus den in Hessen für die
Durchführung praktischer Studienzeiten bei Rechtsstudenten geltenden Rechts-
und Verwaltungsvorschriften, die die Zuweisung von Studenten an
Verwaltungsgerichte als Teil der Judikative im Rahmen praktischer Studienzeiten
nicht vorsehen.
Nach der dienstlichen Erklärung des Richters am VG Riedel sind dem
Verwaltungsgericht Wiesbaden durch den Hessischen Minister der Justiz im Januar
1986 Studenten im Rahmen einer praktischen Studienzeit "Informationstechnik für
Juristen" zur Praxiserkundung zugeteilt worden. In seiner Funktion als
Verwaltungsreferent u.a. für den Aufgabenbereich "Angelegenheiten der
Textverarbeitungsanlage" habe ihm die Betreuung von fünf Studenten, darunter
Frau K., in der Zeit vom 17. bis 21. März 1986 oblegen. Danach war Frau K. dem
Verwaltungsgericht Wiesbaden nicht schlechthin zur Ausbildung zugewiesen,
sondern lediglich der Gerichtsverwaltung dieses Gerichts, so daß der
Ausbildungszweck jedenfalls nicht die Teilnahme an Beratungen, also einen Teil
des Kernbereichs der rechtsprechenden Tätigkeit des Gerichts, umfaßte. Eine
derart umfassende Zuweisung von Studenten an das Verwaltungsgericht auch zur
Ausbildung im Rahmen der Rechtsprechungsaufgaben wäre nach der gegebenen
Rechtslage gar nicht möglich gewesen, denn § 2 JAO sieht Praktika bei
Verwaltungsgerichten im Rahmen praktischer Studienzeiten nicht vor. Die
Gerichtspraktika (§ 2 Abs. 2 JAO) finden ausschließlich bei Amts- und
Landgerichten statt, die Verwaltungspraktika (§ 2 Abs. 3 JAO) ausschließlich bei
Verwaltungsbehörden. Auch die Wahlpraktika (§ 2 Abs. 4 JAO) können nicht bei
Verwaltungsgerichten abgeleistet werden, obwohl diese Gerichte zur Ausbildung
von Rechtsreferendaren zugelassen sind (§ 25 Abs. 3 Nr. 3 JAG). Denn Gerichte
sind als Ausbildungsstellen für das Wahlpraktikum nach § 2 Abs. 4 Satz 1 JAO
ausdrücklich ausgenommen.
Die Zuweisung der Rechtsstudentin K. an das Verwaltungsgericht Wiesbaden kann
sich nach allem nur auf die Gerichtsverwaltung als Teil der Exekutive beschränkt
haben, was letztlich auch darin Ausdruck gefunden hat, daß Frau K. dem Richter
am VG Riedel lediglich in seiner Funktion als Verwaltungsreferent zugewiesen war.
Die Beschäftigung der Studentin zu Ausbildungszwecken bezog sich mithin nicht
auf Rechtsprechungsaufgaben des Gerichts und damit nicht auf die Teilnahme an
Beratungen, so daß ihr die Anwesenheit bei der Beratung nach § 193 GVG vom
Vorsitzenden nicht hätte gestattet werden dürfen.
Dies ist indessen nach dem Inhalt der vor dem Vorsitzenden Richter am VG
Erbenich mitunterzeichneten dienstlichen Erklärung des Richters am VG Riedel
vom 10. Juli 1986 nicht der Fall gewesen. Nach dieser Erklärung hatte Frau K. zwar
den Wunsch geäußert, nach ihrer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im
vorliegenden Rechtsstreit auch bei der anschließenden Beratung zugegen zu sein.
Ihr sei die Teilnahme an der anschließenden Beratung mit der Maßgabe gestattet
worden, daß sie lediglich an der allgemeinen Aussprache über die Rechtsprobleme
des Falles zugegen sein dürfe, jedoch vor der eigentlichen Beratung und
Abstimmung den Raum verlassen müsse. Sie habe dann tatsächlich an dem
Rechtsgespräch teilgenommen und etwa eine halbe Stunde nach Beginn der
"Beratung" das Beratungszimmer verlassen. Danach habe die Kammer noch etwa
15 bis 20 Minuten für die eigentliche Beratung und Abstimmung benötigt; danach
sei nach Wiederaufruf der Sache das Urteil verkündet worden.
Der Senat hat keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Tatsachenschilderung zu
zweifeln, zumal sie hinsichtlich des Zeitablaufs mit den eigenen Beobachtungen
des Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers deckt. Im übrigen ergibt sich
aus der vor dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wiesbaden abgegebenen
Erklärung vom 10. Juli 1986, daß zumindest die Berufsrichter sich offenbar schon
längere Zeit vor dem Beratungstermin am 24. März 1986 der Problematik einer
Teilnahme von Studenten an der Beratung gewußt und darüber einig waren, daß
Frau K. keinesfalls die Teilnahme an Beratung und Abstimmung, wohl aber die
Teilnahme an einem davon zu trennenden Rechtsgespräch der Kammer gestattet
werden solle.
Die hier, von der erkennenden Kammer vorgenommene Trennung ist ohne
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Die hier, von der erkennenden Kammer vorgenommene Trennung ist ohne
Verstoß gegen § 193 GVG rechtlich möglich und praktisch durchführbar, wobei der
Senat nicht verkennt, daß diese Trennung für die Verfahrensbeteiligten hier schon
wegen des umfangreichen Prozeßstoffs und der im Verhältnis zur eigentlichen
Beratung und Abstimmung recht ausgedehnten Dauer des nicht zur Beratung
gehörenden Rechtsgesprächs schwer nachvollziehbar sein mag. Dies ändert
freilich nichts daran, daß die Beratung ein formalisierter Vorgang ist, dessen
Beginn und Ende der Vorsitzende des mehrköpfiger. Spruchkörpers, bei
Meinungsverschiedenheiten das Richterkollegium durch Beschluß bestimmt (§ 194
GVG). Innerhalb dieses Rahmens ist die in § 193 GVG angesprochene Beratung
jener Vorgang, bei dem die Richter des Spruchkollegiums alle Elemente der zu
treffenden Entscheidung erörtern, Argumente austauschen, auf Bedenken
hinweisen und dergleichen, bis schließlich die Erörterung soweit abgeschlossen ist,
daß Neues nicht mehr vorgetragen und aufgeklärt werden kann und über die zu
treffende Entscheidung lediglich noch abzustimmen ist (Kissel, Kommentar zum
GVG, 1981, Anm. 1 zu § 193). Eine Beratung liegt nur vor, wenn das Gericht als
solches eine Aussprache mit dem Ziel einer gerichtlichen Willensbildung abhält
(Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz,
23. Aufl. 1979, 5. Band, Anm. III.1. zu § 193 GVG m.w.N.). Um einen
Gedankenaustausch der Mitglieder eines mehrköpfigen Spruchkörpers als
Beratung ansehen zu können, muß mithin zu dem fallbezogenen
Erörterungsgegenstand ein finales Element hinzutreten, das hier nach den
vorliegenden dienstlichen Erklärungen nicht vorhanden war, ehe Frau K. das
Beratungszimmer verließ: Die Erörterung muß nämlich dem Zweck dienen, eine
Abstimmung unmittelbar vorzubereiten.
Diese Auslegung ist mit dem Gesetzeszweck des § 193 GVG vereinbar. Der Zweck
der Vorschrift wird allgemein darin gesehen, zu vermeiden, daß gerichtsfremde
Personen durch ihr Verhalten oder auch schon durch ihre bloße Gegenwart
beeinträchtigend auf die Unabhängigkeit und freie Entschließung der Richter
einwirken (Kissel, a.a.O., Rdnr. 30 zu § 193 GVG m.w.N.; Löwe-Rosenberg, a.a.O.,
Rdnr. 1 zu § 193; Hess. VGH, Urteil vom 14. Mai 1980 - IX OE 71 /79 -, NJW 1981,
599). Selbst wenn man den Gesetzeszweck auch darin sieht, neben einer
tatsächlichen Beeinflussung des Gerichts durch die Anwesenheit Dritter bei der
Beratung auch der Anschein einer solchen Beeinflussung zu vermeiden (so
BVerwG, Urteil vom 9 . Dezember 1981 - 8 C 29.79 - ) ist das
hier praktizierte Vorgehen des Verwaltungsgerichts noch mit der; durch § 193
VwGO verfolgten gesetzgeberischen Zielen vereinbar. Denn, indem die Mitglieder
der erkennenden Kammer des Verwaltungsgerichts nach dem Verlassen des
Beratungszimmers durch Frau K. noch etwa 15 bis 20 Minuten dort verblieben
sind, haben sie auch nach außen hin zu erkennen gegeben, daß die gerichtliche
Willensbildung bei Verlassen des Beratungszimmers durch Frau K. noch nicht
abgeschlossen war. Da eine bestimmte Dauer der Beratung durch Gesetz nicht
vorgeschrieben ist und jedenfalls bei umfangreichen Sachen eine Vorbesprechung
von Verhandlungsergebnissen für die Beratung unbedenklich ist (vgl. Karlsruher
Kommentar zur StPO und zum GVG, 1982, Anm. VII.2. zu § 258 StPO m.w.N.),
kann aus der Kürze des Zeitraums, der zwischen dem: Verlassen des
Beratungszimmers durch Frau K. und der Beendigung von Beratung und
Abstimmung lag, keinesfalls der Schluß gezogen werden, die Kammer habe nur
unzureichend beraten oder sei durch das vorausgegangene Rechtsgespräch in
Anwesenheit der Studentin bereits auf bestimmte Ergebnisse endgültig festgelegt
gewesen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch nicht aus tatsächlichen Gründen
lebensfremd oder gar unmöglich, daß ein mehrköpfiger Spruchkörper - wie hier -
nach rund siebenstündiger mündlicher Verhandlung am Beratungstag nach Schluß
dieser Verhandlung nur 15 oder 20 Minuten zur Schlußberatung und Abstimmung
benötigt. Denn es kann hier nicht außer acht bleiben, daß die erkennende Kammer
in derselben Besetzung wie am 24. März 1986 schon einmal am 21. Januar 1985
mündlich verhandelt und am Schluß dieses Verhandlungstags nach Beratung dem
Kläger durch Beschluß mehrere Auflagen gemacht hatte, wozu zwangsläufig eine
mindestens summarische Beratung des Streitstoffs erforderlich war. Ferner kann
nicht übersehen werden, daß sich die erkennende Kammer hier laut Protokoll der
Fortsetzungsverhandlung vor 24. März 1986 am Tag der Schlußberatung einmal,
und zwar in der Zeit von 16.05 Uhr bis 16.24 Uhr, zur Beratung über drei vom
Kläger gestellte Beweisanträge zurückgezogen und diese anschließend beschieden
hatte (vgl. Seite 11 des Protokolls vom 24 . März 1986, Blatt 193 GA). Da die
Kammer zwei der Beweisanträge mit Wahrunterstellungen und den dritten
Beweisantrag unter Würdigung des bisherigen Aussageverhaltens des Klägers
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Beweisantrag unter Würdigung des bisherigen Aussageverhaltens des Klägers
abgelehnt hat, ist davon auszugehen, daß die Kammer schon bei der Beratung
über die Beweisanträge den Prozeßstoff umfangreich, wenn auch ohne
Verbindlichkeit für die Schlußberatung, erörtert und bewertet hatte. Da nach
Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung um 16.24 Uhr in den verbleibenden 18
Minuten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung um 16.42 Uhr nur noch
Formalien erledigt und die aufenthaltsrechtliche Stellung der Ehefrau des Klägers
mit Blick auf die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Anfechtungsklage erörtert
wurden, ist durchaus nachvollziehbar, daß der tatsächliche Zeitaufwand für die
Schlußberatung trotz des nicht unerheblichen Prozeßstoffs so gering war, daß die
Schlußberatung in 10 bis 15 Minuten beendet werden konnte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen, weil sein
Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO)
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 13 Abs.
1 Satz 2, 25 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 32 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG; § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.