Urteil des HessVGH vom 24.10.2006

VGH Kassel: luftfahrt, bundesamt, öffentliche sicherheit, werk, treu und glauben, grundsatz der verfahrensökonomie, politik, gemeinschaftsrechtskonforme auslegung, gefährliche stoffe, schwerer unfall

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 A 2216/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 50 BImSchG, § 27c
LuftVG, § 29 LuftVG, § 11
LuftVO, EGRL 82/96
(Flugroutenplanung und Störfallanlagen)
Leitsatz
1. Flugverfahren (bzw. Flugrouten) stellen keine Verkehrswege im Sinne des Art. 12 Abs.
1 Unterabs. 2 Seveso II-RL dar. Bei der Ausweisung von Flugverfahren handelt es sich
auch nicht um eine Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung oder eine
sonstige einschlägige Politik im Sinne des Art. 12 Seveso II-RL.
2. Art. 12 Seveso II-RL will bestimmte öffentlich genutzte Gebiete in der Nachbarschaft
einer Störfallanlage vor den Folgen eines eventuellen Störfalles schützen, aber nicht
den Betreibern von Störfallanlagen ein Abwehrrecht gegenüber Nutzungen der
Nachbarschaft der Anlage einräumen.
3. Mit der einschränkenden Formulierung, dass zwischen einer Störfallanlage einerseits
und einem wichtigen Verkehrsweg andererseits ein angemessener Abstand "so weit wie
möglich" einzuhalten ist, räumt Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Seveso II-RL dem
Planungsträger einen Gestaltungsspielraum ein, der es zulässt und gebietet, auch
andere Belange als Sicherheitsrisiken, insbesondere Lärmschutzbelange, in die
abwägende Entscheidung über die Planung eines Verkehrsweges einzustellen.
4. Das Luftfahrt-Bundesamt hat bei der Ausweisung von Flugverfahren grundsätzlich
auch das Risiko des Eintritts eines absturzbedingten Störfalles zu berücksichtigen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die jeweilige
Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen Abflugrouten vom Flughafen Frankfurt/Main, die
das von ihr betriebene Chemiewerk (T.) tangieren.
Die Klägerin, eine hundertprozentige Tochter der C. AG, gründete etwa 1962 in der
Gemeinde Kelsterbach ein Werk zur Herstellung von Kunststoffen. Seit 2002 ist
das Werk Hauptsitz des Konzerns für den Geschäftsbereich „T. Technische
Kunststoffe“. Nach eigenen Angaben hat die Klägerin in den letzten Jahren ca. 20
Mio. Euro in den Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes und ca. 5 Mio. Euro in die
Errichtung eines neuen Labors investiert. Hauptsächlich produziert die Klägerin in
dem Werk den Kunststoff Polyacetal (POM), der als Granulat unter dem
Handelsnamen „H.“ vertrieben wird. Die Produktion umfasst derzeit ca. 90.000 t
im Jahr. Im März 2002 stellte die Klägerin bei dem Regierungspräsidium Darmstadt
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im Jahr. Im März 2002 stellte die Klägerin bei dem Regierungspräsidium Darmstadt
den Antrag auf Genehmigung einer Kapazitätserweiterung auf jährlich 130.000 t
mit einem Investitionsvolumen von ca. 25 Mio. Euro.
Bei dem Werk der Klägerin handelt es sich um eine nach § 4 des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes – BImSchG – in der Fassung vom 26. September 2002
(BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S.
1865) genehmigungspflichtige Anlage, die außerdem den Bestimmungen der 12.
VO zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (12. BImSchV) –
Störfall-VO – vom 26. April 2000 (BGBl. I S 603), zuletzt geändert durch
Verordnung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I S. 1598), unterliegt.
Der Flughafen Frankfurt/Main ist vor dem Zweiten Weltkrieg angelegt worden. Die
Betriebsgenehmigung wurde mehrfach geändert und neu gefasst. Mit Bescheid
vom 23. August 1966 genehmigte der Hessische Minister für Wirtschaft und
Verkehr im Zuge des geplanten Ausbaus des Flughafens die nochmalige
Verlängerung der (parallelen) Start- und Landebahnen auf jeweils 4.000 m mit
einer Verlegung der Schwellen 25 R und 25 L um ca. 600 bzw. 670 m nach Westen.
Die genehmigten Änderungen wurden durch ministeriellen Beschluss vom 23.
März 1971 festgestellt und 1984 in Betrieb genommen.
Die Klägerin wendet sich gegen diejenigen Flugverfahren, die dazu führen, dass ihr
Werksgelände entweder direkt oder mit geringem seitlichen Abstand überflogen
wird. Hierbei handelt es sich um Flugverfahren mit der Anweisung:
„Auf Startbahnkurs bis 5,0 DME FFM oder 800, je nach dem, was später
erreicht wird; Rechtskurve, Kurs 276° mag (bei Startbahn 25 L: Kurs 279° mag)....“
Die Angabe 5,0 DME FFM bezeichnet die Entfernung von 5 nautischen Meilen (NM)
von dem Bodennavigationspunkt (Funkfeuer) FFM. Bei dem Punkt 5,0 DME FFM
handelt es sich um einen sog. Fly-by-Punkt; d. h. der Punkt muss nicht überflogen
werden, sondern der Kurvenflug in nordwestlicher Richtung kann bei ausreichender
Höhe (800 ft) schon vor Erreichen dieses Wegpunktes aufgenommen werden.
Diese Anweisung für die erste Phase nach dem Start gilt für mehrere
Flugverfahren und wird seit 1991 verwendet.
Rechtliche Grundlage dieser Flugverfahren war vor dem 28. November 2002 die
177. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung – DVO–LuftVO –
(Verordnung zur Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge nach
Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Frankfurt/Main) mit zahlreichen
Änderungen. Mit Verordnungen vom 13. November 2002 hat das Luftfahrt-
Bundesamt, Verwaltungsstelle Flugsicherung, die 177. DVO mit Wirkung zum 28.
November 2002 aufgehoben und mit Wirkung zu demselben Zeitpunkt die 212.
DVO in Kraft gesetzt. Mit dieser Neufassung der Vorschriften ist die Anfangsphase
der hier streitigen Flugverfahren in tatsächlicher Hinsicht nicht verändert worden.
Die Änderung der Kursbezeichnung trägt allein der Änderung der Ortsmissweisung
Rechnung. Die 212. DVO-LuftVO ist seit ihrem Inkrafttreten mehrfach geändert
worden, zuletzt durch die 16. Änderungsverordnung – ÄndVO – vom 7. Juni 2006.
Durch die 15. ÄndVO vom 24. Februar 2006 sind die Flugverfahren mit Wirkung
zum 16. März 2006 ohne tatsächliche Änderung der Flugrouten teilweise
umbenannt bzw. neu gekennzeichnet worden. Im Streit sind demnach folgende
Flugverfahren:
BIBOS 6F und 6 G
TOBAK 2F, 2G und 2J,
MARUN 1F, 1G und 1J sowie
TAU 1Q
Neben diesen Flugverfahren, die die genannten Wegpunkte direkt ansteuern, legt
die 212. DVO-LuftVO in der Gestalt der 16. ÄndVO Abflugverfahren für die
Startbahnen 25 R und 25 L fest, die die vorgenannten Wegpunkte auf einem
längeren Weg erreichen: Die Flugzeuge verlassen den Startbahnkurs bei 4,5 DME
FFM nicht mit einer Rechtskurve, sondern nach links in südwestlicher Richtung, um
dann in einer oder in zwei langgezogenen Rechtskurven den angestrebten
westlichen oder nördlichen Kurs aufzunehmen (BIBOS 6N, TOBAK 3N und MARUN
1N). Diese Flugrouten werden derzeit nur nachts genutzt.
Im Juni 2003 beantragte die Beigeladene bei dem Hessischen Ministerium für
Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, den Plan für einen Ausbau des
Flughafens, insbesondere für die Herstellung einer neuen Landebahn im
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Flughafens, insbesondere für die Herstellung einer neuen Landebahn im
Nordwesten des Flughafens festzustellen. Die Klägerin erhob Einwendungen gegen
den Plan, wobei sie sich insbesondere auf die Gefahr eines Flugzeugabsturzes über
dem Werksgelände berief. Im Anschluss an ein Gutachten des TÜV Pfalz vom Juni
2004, das im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens im Auftrag des Hessischen
Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung erstellt worden ist, gab
die bei dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
gebildete Störfallkommission unter dem 18. Februar 2004 gegenüber dem
Ministerium eine Stellungnahme ab, nach der der geplante Bau einer Nordwest-
Landebahn nicht mit dem Betrieb des T.-Werkes vereinbar sei. Das Risiko eines
Störfalls infolge eines Flugzeugabsturzes sei nicht akzeptabel. Bezüglich des
aktuellen Flugbetriebs sprach die Störfallkommission die Empfehlung aus, eine
mögliche Erhöhung des Risikos für Betriebsbereiche bei der Planung von
Flugrouten in den Abwägungsprozess einzubeziehen.
Im März 2004 beauftragte das Regierungspräsidium Darmstadt – Abteilung
Staatliches Umweltamt Darmstadt den TÜV-Pfalz, die gegenwärtigen
flugbetrieblichen Auswirkungen auf die Sicherheit von Betriebsanlagen und
Arbeitsschutz der Firma T. zu untersuchen. Nach Bekanntgabe einer „Projektnotiz
zur ersten Abschätzung der Störfalleintrittswahrscheinlichkeit für den Ist-Fall“
(Anlage K10) und nach Bearbeitung ergänzender Fragen legte der TÜV Pfalz im
Februar 2005 den Entwurf - „Revision B“ - (Anlagen K5 bis 5b) und im März 2006
die – nahezu unveränderte – Endfassung des Gutachtens vor. Die Gutachten
gelangen zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass ein Flugzeugabsturz in dem
Bereich der Produktionsanlagen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem
Verlust der Anlage führen würde. Der maximale Erwartungswert für einen
absturzbedingten Störfall liege bei einem Ereignis in 61.400 Jahren. Dieser Wert sei
seit 1991 insbesondere in Folge der Zunahme der Flugbewegungen um den Faktor
1,5 gestiegen. Eine relevante Minderung der Störfallhäufigkeit lasse sich nur durch
eine weitgehende Verlegung der Abflüge auf südliche Routen erreichen.
Bereits Mitte des Jahres 2003 wandte sich die Klägerin bzw. die C. AG unter Hinweis
auf das Sicherheitsrisiko an die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH – DFS – und
später auch an das Luftfahrt-Bundesamt mit der Bitte, die das Werksgelände
tangierenden Flugrouten aufzuheben. Nachdem diese Eingaben ohne Erfolg
geblieben waren, stellte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2003
(Anlage K13) einen ausdrücklichen Antrag auf Verlegung der fraglichen Flugrouten.
Diesen lehnte das Luftfahrt-Bundesamt unter dem 27. Januar 2004 (Anlage K14)
im Wesentlichen mit der Begründung ab, den Sicherheitsbelangen werde durch die
Einhaltung der internationalen Vorschriften Rechnung getragen. Eine von der
Klägerin begehrte Freihaltung des Luftraumes über dem Werksgelände lasse sich
nur über die Anordnung eines Luftsperrgebietes oder eines Gebietes mit
Flugbeschränkungen im Sinne des § 11 LuftVO erreichen. Diese Regelung schließe
es aus, entsprechende Aspekte bei der Festsetzung von Flugrouten zu
berücksichtigen.
Am 18. August 2005 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren
festzustellen, dass die Festsetzung der über das Werksgelände führenden
Flugrouten rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze.
Während des gerichtlichen Verfahrens, mit Bescheid vom 6. April 2006 (Anlage
K17), hat das Regierungspräsidium Darmstadt für die Anlage der Klägerin eine
sicherheitstechnische Prüfung nach § 29a BImSchG angeordnet, nachdem es –
teilweise unter Bezugnahme auf den Antrag der Klägerin auf Genehmigung der
Kapazitätserweiterung – entsprechende Maßnahmen schon früher angekündigt
und die Klägerin hierzu mehrfach Stellung genommen hatte. Die
sicherheitstechnische Prüfung soll Möglichkeiten zur Verringerung der
Auswirkungen eines durch einen Flugzeugabsturz ausgelösten Störfalles ermitteln.
Zur Begründung beruft sich das Regierungspräsidium auf Sicherheitsbedenken,
die auf Grund des Gutachtens des TÜV Pfalz zur Ist-Situation bestünden. Dem
Risiko könne zwar auch durch eine Verlegung der Flugrouten begegnet werden, bei
der Festsetzung von Flugverfahren könne aber nicht dem Störfallrisiko Rechnung
getragen werden; insoweit sei es, das Regierungspräsidium, an die Entscheidung
des Bundesministeriums für Verkehr gebunden. Nachdem die Klägerin Mitte 2005
einen Bunker zur sicheren Verwahrung des sehr giftigen Bortrifluorids in Betrieb
genommen habe, sei nicht mehr mit relevanten Auswirkungen eines durch einen
Flugzeugabsturz ausgelösten Störfalls außerhalb des Werksgeländes zu rechnen.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin – stark zusammengefasst – vor: Wie
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Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin – stark zusammengefasst – vor: Wie
sich aus den zitierten Gutachten und Stellungnahmen insbesondere des Votums
der Störfallkommission ergebe, sei das T.-Werk einem nicht mehr hinnehmbaren
Risiko des Eintritts eines Störfalls in Folge eines Flugzeugabsturzes ausgesetzt. Die
Startbahnen 25 R und 25 L seien nach den Baumaßnahmen im Jahr 1984 bis auf
ca. 3.500 m an das Werksgelände herangerückt. Auch die Flugverfahren seien
stetigen Änderungen unterworfen gewesen. Im Jahr 2002 sei mit der 212. DVO-
LuftVO eine neue Rechtsgrundlage in Kraft getreten, und durch die 15. ÄndVO vom
24. Februar 2006 seien die Flugverfahren neu gekennzeichnet worden. Nach den
Feststellungen des TÜV Pfalz sei das Sicherheitsrisiko mit der Zunahme der
Überflüge über das Werk stetig angewachsen und habe ein nicht mehr
hinnehmbares Maß erreicht. Die jetzt vom Regierungspräsidium Darmstadt
angeordnete Sicherheitsüberprüfung und die noch zu erwartenden technischen
Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen eines eventuellen Störfalles seien mit
ganz erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden. Die Anordnungen, die bis
zu einer Betriebsstilllegung führen könnten, stellten einen schwerwiegenden
Eingriff in ihre Rechte als Betreiberin des Werkes dar. Die Überflüge über das Werk
könnten ohne weiteres vermieden werden. Eine Alternative bestehe darin, die
jetzigen Nachtflugstrecken auch für den Tagflugverkehr zu nutzen; das führe
lediglich zu einer durchschnittlichen Verspätung von fünf Minuten pro Flug, wie sich
aus dem Gutachten „Flughafen Frankfurt/Main – Simulation für eine geringere
Routenbelegung über T.“ vom März 2005 der HNTB Corporation (Anlage K 22),
ergebe. Es sei auch ohne Kapazitätseinbußen möglich, den Abdrehpunkt nach
dem Startbahnkurs auf 5,5 DME FFM zu verschieben, was in früheren Jahren schon
praktiziert worden sei. Schließlich könne das Störfallrisiko auch dadurch reduziert
werden, dass die Phase des Steigflugs nach dem Start verlängert werde.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Flugverfahren seien nicht mit
Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember
1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen
Stoffen (ABl. L 010/97) in der Fassung der Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2003 (ABl. L 345/03) – Seveso II–RL
– vereinbar. Diese Bestimmung werde durch das nationale Recht (insbesondere §
50 BImSchG) nur unvollständig umgesetzt und sei deshalb unmittelbar
anwendbar. Die Richtlinie gelte auch für Flugverfahren, weil Flugrouten als virtuelle
Verkehrswege im Sinne der Richtlinie anzusehen seien. Die Festsetzung von
Flugrouten stelle zumindest eine andere einschlägige Politik der
Flächenausweisung oder Flächennutzung im Sinne der Richtlinie dar. Aus dem
Gebot des Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2, einen angemessenen Abstand zwischen
dem Verkehrsweg und einer bestehenden Störfallanlage einzuhalten, ergebe sich
die strikte Pflicht, das Risiko des Eintritts eines Störfalles infolge eines
Flugzeugabsturzes zu minimieren. Dem könne hier nur durch eine Verlegung der
Flugrouten Rechnung getragen werden. Auf die Einhaltung dieses
Risikominimierungsgebotes könne sie sich auch als Betreiberin einer Störfallanlage
berufen. Das Abstandsgebot schütze auch den unter die Störfallverordnung
fallenden Betrieb gegenüber dem Heranrücken von Baugebieten oder
Verkehrswegen. Das Ziel der Regelung, Unfälle zu vermeiden, könne nur durch
eine Änderung der streitigen Flugrouten erreicht werden.
Die angegriffenen Flugverfahren verletzten darüber hinaus das nationale Recht.
Sie seien nicht mit den Grundsätzen des Abwägungsgebots vereinbar. Entgegen
der Auffassung der Beklagten müsse auch das Risiko eines Flugzeugabsturzes
über einer Störfallanlage bei der Festlegung der Routen bedacht werden, wie sich
aus § 29 LuftVG ergebe.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass § 4 Abs. 2 der 212. DVO zur LuftVO vom 13. November
2002 in der Fassung der 16. ÄndVO vom 7. Juni 2006 insoweit rechtswidrig ist und
sie in ihren Rechten verletzt, als die von den Startbahnen 25 R und 25 L nach
Nordwesten abdrehenden Abflugverfahren dazu führen, dass ihr
Betriebsgrundstück überflogen wird;
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften nach Art. 234 EGV die folgenden Fragen zur Auslegung des Art.
12 der Seveso II-RL vorzulegen:
Ist Art. 12 Abs. 1 Seveso II-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei Unfällen
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Ist Art. 12 Abs. 1 Seveso II-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei Unfällen
mit gefährlichen Stoffen in der durch die Richtlinie 2003/105/EG geänderten
Fassung (ABl. 2003 L 345/97) dahingehend auszulegen, dass
- die darin enthaltenen Pflichten, insbesondere die in Satz 3 enthaltene Pflicht
zur Wahrung eines angemessenen Abstandes zwischen „wichtigen
Verkehrswegen“ einerseits und unter diese Richtlinie fallenden Betrieben
andererseits auch die Festlegung von Abflugrouten von einem wichtigen
Verkehrsflughafen umfasst;
- sich aus dem Abstands- und Trennungsgebot des Satzes 3 in Verbindung mit
der Überwachungspflicht in Satz 2 das Gebot zu einer soweit wie möglichen
Minimierung des Störfallrisikos ergibt und daher
- die zuständigen innerstaatlichen Behörden, soweit das innerstaatliche Recht
keine entsprechende Verpflichtung enthält, bei der Wahl zwischen mehreren
Abflugrouten, diejenige auszuwählen und festzulegen haben, bei der das
Unfallrisiko für die unter die Richtlinie fallenden Betriebe so weit als möglich
begrenzt wird;
- die Vorschrift, soweit das innerstaatliche Recht keine entsprechende
Verpflichtung enthält, den zuständigen innerstaatlichen Behörden die unmittelbar
anwendbare Pflicht auferlegt, bei der Auswahl und der Festlegung von Flugrouten
das Unfallrisiko so weit als möglich zu begrenzen;
- im Falle der Verneinung der in der Klageschrift (S. 2) angeregten
Vorlagefragen (1 – 4) – die innerstaatlichen Behörden und Gerichte bei Anwendung
ihres bei der Festlegung von Abflugrouten von großen Verkehrsflughäfen
einschlägigen nationalen Rechts jedenfalls dem in Art. 12 Abs. 1 S. 1 Seveso II-
Richtlinie enthaltenen Berücksichtigungsgebot dergestalt Rechnung tragen
müssen, dass sie bei der Festlegung dieser Flugrouten das Risiko, dass es zu
einem absturzbedingten schweren Unfall im Sinne der Seveso II-Richtlinie kommt,
nicht außer Betracht lassen dürfen, sondern gehalten sind, dieses Risiko mit
besonderem Gewicht zu berücksichtigen, was auch dazu führen kann, dass eine
bestimmte Flugroutenführung nicht erfolgen darf;
- sich der Betreiber eines von dieser Vorschrift erfassten Störfallbetriebs unter
Umständen, wie sie dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegen, vor
innerstaatlichen Behörden und Gerichten darauf berufen kann, dass das in Art. 12
Abs. 1 S. 1 enthaltene Berücksichtigungsgebot und/oder das in Art. 12 Abs. 1 S. 3
enthaltene Risikominimierungsgebot (bzw. Abstandsgebot) aufgrund einer diesen
Betrieb betreffenden Planung oder Unterlassung verletzt wird;
- ein Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Seveso II-Richtlinie hierin
verankerte Berücksichtigungspflicht vorliegt, wenn die zuständige Behörde bei
Anwendung der in Art. 12 genannten Politiken diese Verpflichtung ausdrücklich
verneint (weil sie sich an diese nicht gebunden fühlt) und lediglich hilfsweise
Erwägungen zur Verhütung schwerer Unfälle bzw. zur Folgenbegrenzung anstellt
oder nachholt und
- für den Fall, dass der Gerichtshof diese Frage verneint: Ist Art. 12 Abs. 1 Satz
1 Seveso II Richtlinie im Lichte des effektiven Rechtsschutzes dahingehend
auszulegen, dass eine nationale Behörde gegen diese Vorschrift verstößt, wenn
die Art und Weise dieser hilfsweisen Berücksichtigung die Betroffenen im Unklaren
darüber lässt, ob und wie die in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 genannten Ziele
berücksichtigt worden sind?
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidern ebenfalls stark zusammengefasst: Die angegriffenen Flugverfahren
würden seit 1991 unverändert praktiziert. Aber auch schon vorher sei das Werk der
Klägerin auf Grund der Streuung der Flugspuren überflogen worden, zumal die
Abweichungen von der Ideallinie früher stärker als heute ausgefallen seien. Die
Verlängerung der Parallelbahnen habe sich nur unerheblich auf die Zahl der
Überflüge ausgewirkt; insoweit komme es nicht auf die Landeschwelle, sondern
den Abhebepunkt an. Auch die Lage des Abdrehpunktes wirke sich nicht wesentlich
darauf aus, wie häufig das Werksgelände überflogen werde. Die von der Klägerin
vorgeschlagenen Alternativen seien ungeeignet. Sie führten zu einer
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vorgeschlagenen Alternativen seien ungeeignet. Sie führten zu einer
vermeidbaren Lärmbelastung der betroffenen Bevölkerung, insbesondere der
Kommunen Raunheim, Rüsselsheim, Mainz und Wiesbaden. Gegen eine ständige
Nutzung der Nachtflugrouten sprächen auch erhebliche betriebliche Gründe. Sie
erforderten einen hohen Koordinierungsaufwand und führten zu
Kapazitätsverlusten. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten sei schon wegen
fehlender Kalibrierung ungeeignet.
Die Klage sei wegen fehlender Klagebefugnis und wegen Verwirkung unzulässig.
Jedenfalls sei sie nicht begründet. Art. 12 der Seveso II-RL sei aus mehreren
Gründen nicht anwendbar. Sie sei vollständig in nationales Recht umgesetzt
worden, und sie begründe nur Pflichten, aber keine Rechte der Betreiber von
Störfallanlagen. Flugverfahren dürften weder als Politik der Flächennutzung noch
als sonstige einschlägige Politik betrachtet werden. Flugverfahren stellten auch
keine Verkehrswege im Sinne der Richtlinie dar. Darunter seien nur verkörperte
und auf eine gewisse Dauerhaftigkeit angelegte Verkehrsverbindungen zu
verstehen. Bei der Festlegung von Flugverfahren, tragen die Beklagte und die
Beigeladene weiter vor, sei das Luftfahrt-Bundesamt nicht verpflichtet, das Risiko
eines Flugzeugabsturzes und die daraus möglicherweise entstehenden Schäden
zu berücksichtigen. Dafür fehle eine gesetzliche Ermächtigung; darüber hinaus
enthalte § 11 LuftVO eine abschließende Regelung für die Errichtung von
Sperrgebieten oder von Gebieten mit eingeschränktem Flugbetrieb. Schließlich
müssten Maßnahmen der Schadensbegrenzung an der Störfallanlage selbst
ansetzen. Die von dem Regierungspräsidium Darmstadt insoweit ergriffenen
Maßnahmen müsse die Klägerin als Betreiberin der Anlage hinnehmen; eine
Rechtsbeeinträchtigung könne darin nicht gesehen werden.
Wegen des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf
deren Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Behördenvorgänge der Beklagten
(2 Ordner) und des Regierungspräsidiums Darmstadt (2 Ordner) verwiesen, die
beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden
sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig.
In ihrem Hauptantrag hat die Klägerin die angegriffenen Flugverfahren zwar nicht
im Einzelnen bezeichnet, sondern nach dem Überflugkriterium zusammenfassend
beschrieben, gleichwohl genügt der Antrag dem Bestimmtheitserfordernis, weil
sich aus dem Vortrag der Klägerin (vgl. Schriftsatz v. 28.04.2006, S. 6 - Bl. II/311
der Akten -) klar ergibt, welche Verfahren im Einzelnen von dem Antrag erfasst
sein sollen.
Die auch für die Feststellungsklage entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche
Klagebefugnis steht der Klägerin zu. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen,
dass bei der Festlegung von Flugverfahren nach den luftverkehrsrechtlichen
Bestimmungen Sicherheitsbelange zu berücksichtigen und hier nicht in
ausreichendem Maße beachtet worden sind. Somit kann die Klägerin die
Möglichkeit einer Rechtsverletzung geltend machen.
Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt. Auszugehen ist davon, dass die
allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO nicht fristgebunden ist. Eine
analoge Anwendung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht, weil
die Klage zwar gegen eine Rechtsnorm gerichtet, gleichwohl nicht als
Normenkontrollverfahren oder sonstiges (objektives) Beanstandungsverfahren zu
qualifizieren ist. Das Rechtsschutzbegehren zielt letztlich auf Abwehr einer
Verletzung subjektiver Rechte (vgl. BVerwG, Beschluss v. 04.05.2005 - 4 C 6.04 -,
juris, Rdnr. 34 a. E.).
Der Klägerin kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, sie habe ihr
Klagerecht illoyal verspätet ausgeübt und somit verwirkt. In zeitlicher Hinsicht
kommt es hier entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen
nicht darauf an, dass die streitigen Flugverfahren tatsächlich seit 1991
unverändert angewendet werden. Die Klage richtet sich nicht gegen das
tatsächliche Flugverhalten der Piloten (oder tatsächliche Anordnungen der
Fluglotsen), sondern gegen die rechtliche Grundlage der Flugbewegungen, also die
212. DVO-LuftVO in der Gestalt der im Tatbestand zitierten
Änderungsverordnungen. Diese Rechtsverordnung ist erst im November 2002 bei
gleichzeitiger ausdrücklicher Aufhebung der 177. DVO-LuftVO in Kraft getreten.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die für die Beurteilung des
Sicherheitsrisikos nicht unerhebliche Zahl der Flugbewegungen seit 1991 ständig
verändert hat und dass die Klägerin eine hinreichend sichere Kenntnis über das
Sicherheitsrisiko erst durch die nach Inkrafttreten der 212. DVO-LuftVO erstellten
Gutachten des TÜV Pfalz, insbesondere das Gutachten vom Februar 2005, erlangt
hat.
Dem Einwand der Verwirkung stehen auch die Umstände des Falles entgegen. Die
sonst bei der Verwirkung maßgeblichen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes
(Treu und Glauben) kommen hier nicht zum tragen. Einerseits handelt das
Luftfahrt-Bundesamt nicht im Vertrauen auf den Bestand bestimmter Maßnahmen
oder auf das Verhalten bestimmter Betroffener, sondern es macht lediglich von
seiner Rechtssetzungsbefugnis Gebrauch. Andererseits hat auch die Klägerin
keinen Anlass gegeben, darauf zu vertrauen, sie werde die Flugverfahren klaglos
hinnehmen. Denn sie hat sich ab Mitte des Jahres 2003 an die
Flugsicherungsstelle, das zuständige Bundesministerium und letztlich auch an das
Luftfahrt-Bundesamt gewandt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet; die angegriffenen Flugverfahren verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die 212. DVO-LuftVO vom 13. November 2002 in der Gestalt der 16. ÄndVO vom
7. Juni 2006 findet ihre Rechtsgrundlage in § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO. Danach ist
das Luftfahrt-Bundesamt ermächtigt, bei An- und Abflügen zu und von Flugplätzen
mit Flugverkehrskontrolle die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flughöhen
und Meldepunkte durch Rechtsverordnung festzulegen. Die Vorschrift beruht auf §
32 Abs. 1 Satz 1 LuftVG. Danach ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen u.a. ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über
das Verhalten im Luftraum und am Boden unter Einfluss von Starts und Landung
zu treffen. § 32 Abs. 3 Satz 3 LuftVG lässt es zu, die Regelung der Einzelheiten
über die Durchführung dieser Verhaltenspflichten durch Rechtsverordnung auf das
Luftfahrt-Bundesamt zu übertragen.
Die Klägerin stützt ihr Feststellungsbegehren in erster Linie auf die Erwägung, das
Luftfahrt-Bundesamt habe bei seiner Entscheidung über die Festlegung der
Nordwestrouten Vorgaben aus Art. 12 der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9.
Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit
gefährlichen Stoffen (ABl. L 010 vom 14.01.1997) in der Fassung der Richtlinie
2003/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember
2003 (ABl. L 345 vom 31.12.2003) - Seveso II-RL - nicht beachtet. Die Absätze 1
und 1a dieser Bestimmung lauten in der derzeit gültigen Fassung:
Artikel 12
Überwachung der Ansiedlung
(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Politiken der
Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken
das Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen,
Berücksichtigung findet. Dazu überwachen sie
a) die Ansiedlung neuer Betriebe,
b) Änderungen bestehender Betriebe im Sinne des Artikels 10,
c) neue Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebe wie
beispielsweise Verkehrswege, Örtlichkeiten mit Publikumsverkehr, Wohngebiete,
wenn diese Ansiedlungen oder Maßnahmen das Risiko eines schweren Unfalls
vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihrer Politik der Flächenausweisung
oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken sowie den
Verfahren für die Durchführung dieser Politiken langfristig dem Erfordernis
Rechnung getragen wird, dass zwischen den unter diese Richtlinie fallenden
Betrieben einerseits und Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und
Gebieten, wichtigen Verkehrswegen (so weit wie möglich), Freizeitgebieten und
unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen bzw. besonders
empfindlichen Gebieten andererseits ein angemessener Abstand gewahrt bleibt
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empfindlichen Gebieten andererseits ein angemessener Abstand gewahrt bleibt
und dass bei bestehenden Betrieben zusätzliche technische Maßnahmen nach
Artikel 5 ergriffen werden, damit es zu keiner Zunahme der Gefährdung der
Bevölkerung kommt.
(1a) Die Kommission wird ersucht, bis zum 31. Dezember 2006 in enger
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Leitlinien zur Definition einer
technischen Datenbank einschließlich Risikodaten und Risikoszenarien
aufzustellen, die der Beurteilung der Vereinbarkeit zwischen den unter diese
Richtlinie fallenden Betrieben und den in Absatz 1 genannten Gebieten dient.
Das Begehren der Klägerin lässt sich schon deshalb nicht mit Erfolg auf Art. 12
Seveso II-RL stützen, weil diese Regelung nicht auf Flugverfahren (bzw. Flugrouten)
anwendbar ist. Art. 12 Abs. 1 gilt für Politiken der Flächenausweisung oder
Flächennutzung sowie für andere einschlägige Politiken, wobei unter dem Begriff
der Politik verbindliche Planungen im weiteren Sinne zu verstehen sind. Im
Unterabs. 2 werden außerdem Verfahren zur Durchführung dieser Politiken (z.B.
Genehmigungsverfahren) genannt sowie im Zusammenhang mit dem
Abstandsgebot bestimmte Bereiche benannt (z.B. Wohngebiete, öffentlich
genutzte Gebäude und Gebiete sowie Freizeitgebiete). Auch wenn diese Bereiche
im Unterabs. 2 nicht (wie im Falle des Unterabs. 1 Satz 2 lit. c) ausdrücklich als
Beispielsfälle bezeichnet werden, stellen sie doch typische Produkte oder
Ergebnisse von flächenbezogenen Planungen dar, so dass diese Einzelfälle auch
zur Auslegung des Begriffs der „einschlägigen“ Politik herangezogen werden
können. Für diese Auslegung spricht deutlich, dass die Aufnahme weiterer Fälle in
den Katalog des Unterabs. 2 durch die Änderungsrichtlinie vom 16. Dezember
2003 ausdrücklich als „Präzisierung“ und nicht als Erweiterung verstanden wird
(vgl. Erwägung 14 zu der Änderungsrichtlinie vom 16.12.2003).
Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter einem Verkehrsweg ein
körperlich-gegenständlicher Bereich als Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der
hergestellt wird oder in der Natur vorhanden ist, und der der Abwicklung von
Verkehrsabläufen - in der Regel nach bestimmten Verkehrsregeln - dient. Die
Eigenschaft der Beanspruchung bestimmter oder zumindest bestimmbarer
Flächen teilen die Verkehrswege mit den sonstigen in Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2
Seveso II-RL genannten Gebieten (Baugebiete, Gebäude, Freizeitgebiete,
naturschutzrechtlich besonders bedeutsame oder empfindliche Gebiete). Der
Richtliniengeber betrachtet Verkehrswege selbst als Gebiete. Denn er fasst die
Verkehrswege, die öffentlich genutzten Gebäude und die im Unterabs. 2
ausdrücklich als solche bezeichneten Gebiete sowohl in Art. 12 Abs. 1a Seveso II-
RL als auch in der Erwägung Nr. 22 mit dem Begriff „Gebiete“ zusammen und
stellt sie den Störfallanlagen gegenüber. Der Schienenverkehr, der Schiffsverkehr
und grundsätzlich auch der Straßenverkehr sind auf die gegenständliche Existenz
der Verkehrswege angewiesen, um ihre Verkehrsfunktion erfüllen zu können.
Flugverfahren dagegen erschöpfen sich in Verkehrsregelungen oder
Verhaltensvorschriften für die Luftfahrzeugführer (und nach Auffassung des
erkennenden Senats auch für die Fluglotsen); sie beschreiben eine virtuelle Linie,
auf der ein Flugzeug im Idealfall das Ziel erreichen soll. Tatsächlich aber kann
diese Ideallinie aus unterschiedlichen Gründen nicht strikt eingehalten werden. Es
kommt zu einer Streuung der Flugspuren sowohl zur Seite als auch in der Höhe.
Nach den Ermittlungen des TÜV Pfalz (vgl. Anlage K5b) liegt die laterale
Ausdehnung der Streubereiche über dem Werksgelände der Klägerin bei 600 bis
1200 m, wobei dieser Bereich als Durchschnittswert angegeben wird, von dem
Ausnahmen möglich sind. Als Beispiel für die horizontale Auffächerung kann die in
der mündlichen Verhandlung von der Beklagten überreichte
Radarspuraufzeichnung - Summe der Höhenprofile - vom 11. Juli 2003 (Bl. IV/915
d.A.) angeführt werden. Diese Streuung liegt in der Natur des Flugverkehrs
begründet; sie stellt keine Abweichung von den Flugverfahren, sondern eine (nach
den Regeln der ICAO) normgerechte Nutzung der Routen dar. Dieses
flugroutenspezifische Phänomen verbietet es, die durch die Flugverfahren
festgelegten Ideallinien als - virtuelle - Verkehrswege im Sinne des Art. 12 Abs. 1
Unterabs. 2 Seveso II-RL zu qualifizieren. Gerade das Abstandsgebot des Art. 12
Abs. 1 Unterabs. 2 kann nur sinnvoll angewendet werden, wenn das der Störanlage
gegenübergestellte Gebiet - wie in den im Unterabs. 2 genannten Fällen - klar
abgegrenzt oder zumindest abgrenzbar ist.
Das Problem des fehlenden Flächenbezugs und der mangelnden Abgrenzbarkeit
kann nicht in der Weise gelöst werden, dass der gesamte Korridor als
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kann nicht in der Weise gelöst werden, dass der gesamte Korridor als
dreidimensionaler Raum, in dem Flugbewegungen stattfinden, oder gar der Raum,
in dem Flugbewegungen stattfinden dürfen, insgesamt als Verkehrsweg eingestuft
wird. Denn dann würden diese Verkehrswege Ausmaße annehmen, die eine
sinnvolle Anwendung sowohl des Abstandsgebots als auch des
Berücksichtigungsgebots ausschließen würden. Ebenso wenig lässt sich das
Problem des fehlenden Flächen- oder Raumsbezugs und der fehlenden
Flächenabgrenzung mit der Erwägung ausräumen, nur Flugrouten in relativ
niedriger Höhe, also nur Flugrouten in der Nähe von Flughäfen, als Verkehrswege
zu betrachten (so Repkewitz, VBlBW 2005, 1). Abgesehen davon, dass sich der von
dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 28.06.2000, BVerwGE 111, 276, 283)
geprägte Begriff des „Flugerwartungsgebiets“ auf den Luftraum und nicht auf den
Boden bezieht (dann müsste von einem Fluglärmerwartungsgebiet gesprochen
werden), löst diese Betrachtung auch nicht das Problem der fehlenden
Abgrenzbarkeit, sondern projiziert es lediglich auf den Boden. Diese Auffassung
kann auch nicht überzeugend begründen, bis zu welcher Höhe Flugrouten
Verkehrswege sein sollen, und sie kann auch nicht erklären, warum ein Flugzeug
bei Erreichen einer bestimmten Höhe den vorher benutzten Verkehrsweg verlässt,
obwohl die die Flugroute beschreibenden Verhaltensvorschriften fortbestehen.
Die Besonderheiten der Flugroutenplanung, die nach den vorstehenden
Ausführungen insbesondere in dem fehlenden Flächen- oder Raumbezug und in
der mangelnden oder nicht ausreichenden Abgrenzbarkeit liegen, stehen nicht nur
der Qualifizierung der Flugrouten als Verkehrswege im Sinne des Art. 12 Abs. 1
Unterabs. 2 Seveso II-RL entgegen, sondern schließen es auch aus, die Festlegung
von Flugverfahren als andere „einschlägige“ Politik im Sinne des Art. 12 Abs. 1
Satz 1 und Unterabs. 2 einzuordnen. Mit dem Begriff einschlägig wird der
Auffangtatbestand der anderen Politiken dahingehend eingegrenzt, dass ein
Bezug zu dem Merkmal Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung und
damit auch, wie dargelegt, zu den im Unterabs. 2 aufgelisteten Anwendungsfällen
hergestellt wird. Nur wenn die Grundstruktur einer Planung mit der
Flächenausweisung im Allgemeinen oder mit der Festsetzung von den im
Unterabs. 2 genannten Gebieten prinzipiell vergleichbar ist, kann sie als
einschlägig im Sinne des Art. 12 Seveso II-RL aufgefasst werden. Das ist hier aber
gerade nicht der Fall.
Die Klägerin wendet demgegenüber ein, Flugrouten müssten schon deshalb als
Verkehrswege oder zumindest als andere einschlägige Politiken angesehen
werden, weil nur diese Interpretation dem Grundanliegen der Richtlinie, nämlich
Störfälle möglichst zu vermeiden, Rechnung tragen könne. Dieser Argumentation
vermag sich der erkennende Senat aus im wesentlichen zwei Gründen nicht
anzuschließen:
Zum einen wäre eine so weit gefasste Zielsetzung, unterstellt sie läge der Seveso
II-RL wirklich zu Grunde, keine ausreichende Rechtsgrundlage, Flugrouten entgegen
der oben entwickelten Interpretation als Verkehrswege oder andere einschlägige
Politiken aufzufassen. Die Beklagte und die Beigeladene haben der Argumentation
der Klägerin zu Recht entgegengehalten, dass bestimmte Tatbestände, z. B. der
Transport gefährlicher Stoffe, ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der Seveso II-
RL ausgeklammert worden sind (vgl. Art. 4), obwohl diese Tätigkeiten nicht weniger
riskant sind als das Vorhandensein gefährlicher Stoffe in Anlagen. Die
Nichtanwendbarkeit der Seveso II-RL hat nicht zur Folge, dass ein eventuelles
Risiko unbewältigt bleibt, sondern anderweitigen Regelungen im
gemeinschaftlichen oder nationalen Recht überlassen wird.
Zum anderen trifft auch die Prämisse der Klägerin nicht zu, dass Art. 12 Seveso II-
RL auf eine Minimierung des Störfallrisikos mit der Konsequenz abzielt, dass diese
Norm dem Betreiber einer Anlage einen Abwehranspruch gegenüber dem
Heranrücken geschützter Gebiete einräumt.
Die Seveso II-RL wird insgesamt, wie schon die - zuvor geltende - Richtlinie
82/501/EWG des Rates vom 24. Juli 1982 über die Gefahren schwerer Unfälle bei
bestimmten Industrietätigkeiten (ABl. L 230 vom 05.08.1982) von der Intention
getragen, die Betreiber von Anlagen wegen der aus der Verarbeitung von
gefährlichen Stoffen resultierenden Risiken für den Betrieb und für die Umgebung
des Betriebes in die Pflicht zu nehmen. Kern der Richtlinie ist die Normierung der
allgemeinen Betreiberpflichten in Art. 5, die durch die Art. 6 ff. ergänzt werden.
Durch Art. 8 wird der Verantwortungsbereich auf benachbarte Betriebe erstreckt,
um bei schweren Unfällen einen „Domino-Effekt“ möglichst zu verhindern.
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um bei schweren Unfällen einen „Domino-Effekt“ möglichst zu verhindern.
Erwähnenswert ist auch die Regelung in Art. 9 Abs. 1 lit. e) Seveso II-RL, nach der
der Sicherheitsbericht des Betreibers auch Informationen über Entwicklungen in
der Nachbarschaft bestehender Betriebe enthalten muss. Die Pflichten des
Betreibers einer unter die Richtlinie fallenden Anlage bestehen in zweifacher
Hinsicht in zwei Richtungen. Zum einen „haftet“ er für Risiken, die ihre Ursache
sowohl innerhalb als auch außerhalb des Betriebes haben können. Für externe
Risken, z.B. Unfälle außerhalb des Werksgeländes oder unbefugte Eingriffe in den
Betrieb, ist er unabhängig davon verantwortlich, in welchem Maß er Einfluss auf
mögliche Risikoquellen nehmen kann. Zum anderen können sich die Folgen eines
Unfalls sowohl innerhalb als auch außerhalb des Werkes auswirken.
Dementsprechend erfasst die Definition des Begriffes „schwerer Unfall“ in Art. 3
Nr. 5 Seveso II-RL interne und externe Gefahrenlagen. Deshalb ist es auch
konsequent, wenn der Betreiber sowohl für die internen als auch für die externen
Folgen eines schweren Unfalls verantwortlich gemacht wird (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit.
a) und b) Seveso II-RL sowie die Erwägungen 20 und 21). Aus der Definition des
schweren Unfalls lässt sich aber entgegen der Auffassung der Klägerin kein
Argument für ihre Auffassung herleiten, die Richtlinie begründe auch
Rechtspositionen zu Gunsten der Betreiber von Anlagen. Mit der Pflicht zur
Abwendung externer Schäden korrespondiert nicht zwangsläufig ein Recht,
bestimmte Nutzungen in der Nachbarschaft der Anlage abwehren zu können.
Diese weitgehende Verantwortung des Betreibers einer Störfallanlage für interne
und externe Risiken sowie für Auswirkungen innerhalb und außerhalb des
Werksgeländes findet ihre Rechtfertigung in dem Umstand, dass er den
wirtschaftlichen Nutzen aus der Verarbeitung gefährlicher Stoffe zieht.
Gegen die These, dass Art. 12 Seveso II-RL Abwehrrechte des Anlagenbetreibers
gegenüber bestimmten Nutzungen in der Nachbarschaft des Werkes begründet,
sprechen schließlich Wortlaut und Systematik des Unterabs. 2 des Art. 12 Seveso
II-RL. Dort werden als Konkretisierung des allgemeinen Berücksichtigungsgebots
des Abs. 1 Satz 1 zwei sich ergänzende Anforderungen aufgestellt. Zum einen das
Gebot, zwischen Störfallanlage einerseits und schutzwürdigen Gebieten
andererseits einen angemessenen Abstand einzuhalten, und zum anderen das
Gebot, bei bestehenden Betrieben zusätzliche technische Maßnahmen nach Art. 5
zu ergreifen. Beide Prinzipien stehen in einer Wechselbeziehung. Je größer der
Abstand zwischen der Anlage und dem schutzwürdigen Gebiet ist, desto weniger
müssen technische Maßnahmen im Betrieb ergriffen werden. Durch das
Trennungsgebot wird der Betreiber einer Anlage zwar tatsächlich begünstigt,
dieser Effekt ist aber kein Anliegen, das der Richtliniengeber mit der Normierung
verfolgt. Das ergibt sich deutlich aus dem letzten Satzteil des Unterabs. 2, der
ausdrücklich als Ziel der Regelung bestimmt, dass es zu keiner Zunahme der
Gefährdung der „Bevölkerung“ kommt. Dieser letzte Teil des Unterabs. 2 gilt nicht
nur für das Gebot der Anordnung technischer Maßnahmen im Betrieb, sondern
auch für das Abstandsgebot. Das folgt schon aus dem grammatikalischen Aufbau
des Unterabs. 2. Darüber hinaus entspricht diese Zielvorgabe der oben
beschriebenen Intention der Richtlinie insgesamt. Insoweit deckt sich somit die
Schutzrichtung des Abstandsgebots des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Seveso II-RL
mit dem Trennungsgebot des § 50 BImSchG. Nach dieser Vorschrift sind bei
raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen Flächen einander so zuzuordnen,
dass die u.a. von schweren Unfällen hervorgerufenen Auswirkungen auf Wohn- und
sonstige schutzwürdige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden.
Aus der Gegenüberstellung der Störfallanlagen und der schutzwürdigen Gebiete in
der Nachbarschaft des Betriebes ergibt sich, dass mit dem Begriff „Bevölkerung“
im Sinne des letzten Satzteils des Unterabs. 2 des Art. 12 Seveso II-RL diejenigen
Menschen gemeint sind, die in den benachbarten Baugebieten wohnen, die die
öffentlich genutzten Gebäude und Gebiete aufsuchen, die sich in den
Freizeitanlagen aufhalten und die die Verkehrswege benutzen. Mit diesem Begriff
werden - wie mit der sonst in der Richtlinie häufig gebrauchten Formulierung
„Mensch und Umwelt“ - die externen Schutzgüter gleichsam auf einen
gemeinsamen Nenner gebracht. Diese am Zweck der Richtlinie orientierte
einschränkende Interpretation des Begriffes Bevölkerung versagt nicht der
Belegschaft oder den Besuchern des Werkes den gebotenen Schutz. Die Pflicht
des Betreibers umfasst, wie oben dargelegt, auch den Schutz der internen
Rechtsgüter. Auf den Arbeitsschutz oder - in der Terminologie der Richtlinie - „den
Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz“ (vgl. z.B. die Erwägung 10)
erstreckt sich aber nicht das normative Anliegen des Art. 12 Seveso II-RL, wie sich
aus Art. 2 Abs. 2 ergibt.
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Somit ist als Zwischenergebnis festzustellen, dass Flugverfahren auch unter
Berücksichtigung der Intention der Richtlinie weder als Verkehrswege noch als
Ergebnis einer anderen einschlägigen Politik im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1
und Unterabs. 2 Seveso II-RL angesehen werden dürfen, so dass diese
Bestimmung bei der Überprüfung der 212. DVO-LuftVO weder unmittelbar
anwendbar ist noch als Maßstab für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung
des nationalen Rechts herangezogen werden darf. Daraus folgt nicht, wie bereits
erwähnt, dass die Klägerin die Flugverfahren ohne Rechtsschutzmöglichkeit
hinnehmen muss; darauf ist später zurückzukommen.
Aber selbst wenn man unterstellt, dass Flugrouten als Verkehrswege im Sinne des
Art. 12 Seveso II-RL einzuordnen seien, würden sich aus dieser Norm keine
konkreten Vorgaben herleiten lassen, die hier nicht beachtet worden wären. Das
ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
Das Abstandsgebot des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Seveso II-RL ist in mehrfacher
Hinsicht eingeschränkt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass für die Ermittlung
eines angemessenen Abstandes nur sicherheitstechnische Aspekte berücksichtigt
werden dürfen (so Weidemann/Freytag, StoffR 2004, 225; Jarass, BImSchG, 6. Aufl.,
§ 50, Rdnr. 22) wäre ein Verstoß nicht festzustellen, weil es hier, wie oben
dargelegt, allein auf die Folgen eines eventuellen Störfalles für die Benutzer des
Verkehrsweges ankommt und nicht erkennbar ist, dass sich ein solcher Unfall in
dem Werk der Klägerin auf die Sicherheit des Luftverkehrs auswirken würde. Die
Frage nach der Einhaltung eines angemessenen Abstandes stellt sich daher nur,
wenn man zusätzlich unterstellt, dass Art. 12 Seveso II-RL ein Abwehrrecht des
Betreibers gegenüber einer Nutzung in der Nachbarschaft der Anlage zu
begründen vermag. Aber auch für diese Fallkonstellation bedarf es keiner
Entscheidung, wie ein angemessener Abstand letztlich zu ermitteln ist. Denn
zwischen Störfallanlagen einerseits und Verkehrswegen andererseits muss ein
angemessener Abstand nur „so weit wie möglich“ gewahrt werden. Dieser Zusatz
ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Verschärfung des Gebots auf
den technisch möglichen Abstand zu verstehen, sondern als eine Relativierung in
dem Sinne, dass auch andere als sicherheitsrelevante Belange bei der Ermittlung
des einzuhaltenden Abstandes Bedeutung erlangen können. Diese Relativierung
trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Planung von Verkehrswegen in
größerem Maße Zwangspunkte für die Trassierung bestehen als bei der
Standortwahl für die sonstigen im Unterabs. 2 genannten Gebiete.
Für die somit vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des
Anlagenbetreibers auf Einhaltung eines möglichst großen Abstandes und den
dagegen sprechenden Belangen gilt nach Auffassung der Klägerin ein
uneingeschränkter Vorrang der von ihr geltend gemachten Sicherheitsbelange vor
allen anderen Belangen, soweit sie nicht die Sicherheit des Flugverkehrs selbst
betreffen. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob Art. 12 Seveso II-RL, seine
Anwendbarkeit unterstellt, eine derart strikte Abwägungsdirektive zu entnehmen
ist. Angesichts der Umstände, dass auf der einen Seite sowohl die Ermittlung als
auch die Bewertung der Sicherheitsrisiken mit nicht unerheblichen Unwägbarkeiten
verbunden sind und andererseits erhebliche bis an die Grenze der Unzumutbarkeit
reichende und teilweise diese Schwelle sogar überschreitende Lärmbelastungen
real bestehen, erscheint es nicht als von vornherein abwägungsfehlerhaft, wenn
das Luftfahrt-Bundesamt bei der Festlegung von Flugverfahren im Einzelfall
Lärmschutzbelangen den Vorrang einräumt.
Die Frage nach dem Rang der widerstreitenden Belange bedarf hier keiner
abschließenden Beurteilung. Denn diese von der Klägerin aufgeworfene Frage stellt
sich so für den Senat nicht. Entscheidungserheblich ist hier bei genauer
Betrachtung nicht das Verhältnis zwischen Sicherheits- und sonstigen Belangen,
sondern die Frage, wer für bestimmte Risiken verantwortlich ist und demzufolge
die Aufwendungen oder sonstigen Nachteile für die Bewältigung dieser Risiken zu
tragen hat:
Auszugehen ist davon, dass das Risiko eines Flugzeugabsturzes über dem
Werksgelände der Klägerin nicht größer ist als über vergleichbaren Bereichen der
anderen An- und Abflugrouten (auch in Relation zu den Abflugrouten 07-N, vgl.
„den von der Beigeladenen herausgegebenen Fluglärmreport“, Ausgabe 1/2006,
S. 6 f.).
Das erhöhte, den vorliegenden Rechtsstreit auslösende Risiko, dass ein
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Das erhöhte, den vorliegenden Rechtsstreit auslösende Risiko, dass ein
eventueller Absturz eines Flugzeugs auf eine Betriebsfläche des T.-Werkes mit
hoher Wahrscheinlichkeit den Verlust der Anlage bewirken wird, beruht allein auf
der Tatsache, dass in dem Werk der Klägerin in erheblichem Umfang gefährliche
Stoffe gelagert und verarbeitet werden. Die Klägerin kann zwar nicht die Risiken
eines Flugzeugabsturzes beeinflussen, wohl aber die Folgen eines solchen
Unglücks eindämmen. Diese Maßnahmen zur vorsorglichen Schadensbegrenzung
gehören, wie oben ausführlich dargelegt, zu dem Kernbereich der Pflichten des
Betreibers einer Störfallanlage, und zwar sowohl nach Art. 5 Seveso II-RL als auch
nach nationalem Immissionsschutzrecht (insbesondere §§ 3 und 5 Störfall-VO).
Deshalb hat das Regierungspräsidium Darmstadt als für die Anlagensicherheit
zuständige Behörde ein Verfahren eingeleitet, das darauf abzielt, die
erforderlichen Schutzvorkehrungen im Betrieb zu ergreifen. Die Klägerin beruft sich
zur Darlegung ihrer subjektiven Rechtsbetroffenheit auch ausdrücklich darauf, dass
dieses Verfahren zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen und
Betriebseinschränkungen bis hin zu einer Betriebsstilllegung führen könne. Dieser
Vortrag verdeutlicht, dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Frage
gestritten wird, ob Sicherheitsrisiken in Kauf zu nehmen sind, sondern um die
Entscheidung, wer für die Beseitigung oder Minimierung der Risiken verantwortlich
ist. Letztlich stehen sich betriebliche Belange der Klägerin auf der einen und
betriebliche Interessen der Beigeladenen und der Flugsicherung auf der anderen
Seite gegenüber. Diesen Konflikt löst Art. 5 Seveso II-RL grundsätzlich zu Lasten
des Betreibers einer Störfallanlage.
Zur Vermeidung von Missverständnissen besteht in diesem Zusammenhang
Anlass klarzustellen, dass nach den Erkenntnissen der Fachbehörde auf der
Grundlage der vorliegenden Gutachten nicht damit zu rechnen ist, dass ein
eventueller absturzbedingter Störfall zu relevanten Auswirkungen außerhalb des
Werksgeländes führen wird, nachdem die Klägerin im Sommer 2005 das Lager für
das sehr giftige Bortrifluorid eingebunkert hat.
Die Pflicht der Klägerin, auch Vorsorge für einen eventuellen absturzbedingten
Störfall zu treffen, wird allerdings durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
begrenzt. Die Inanspruchnahme der Klägerin würde sich als unverhältnismäßig
erweisen, wenn das Luftfahrt-Bundesamt die streitigen Abflugrouten - gleichsam
mit einem Federstrich - verlegen könnte, ohne dass sich erhebliche Nachteile für
andere Belange ergeben. Das trifft aber auf keine der von der Klägerin
vorgeschlagenen Alternativen zu.
Als Variante zu den aktuell geltenden Flugverfahren schlägt die Klägerin zunächst
vor, den Punkt, an dem die Flugzeuge den Startbahnkurs verlassen und nach
Nordwesten abdrehen, um 0,5 NM auf 5,5 DME FFM zu verschieben. Diesem
Vorschlag stehen erhebliche Nachteile gegenüber. Es ist schon zweifelhaft, ob
diese Alternative überhaupt geeignet ist, das Störfallrisiko für das T. Werk
hinreichend zu reduzieren. Diese Bedenken resultieren entgegen der Auffassung
der Beklagten und der Beigeladenen nicht schon daraus, dass ein großer Teil der
Flugzeuge das T.-Gelände auch im Falle der vorgeschlagenen Verschiebung des
Abdrehpunktes überfliegen würden. Denn mit der Verschiebung der Ideallinie
dürfte auch eine Verlagerung der Flugbewegungen einhergehen mit der weiteren
Folge, dass sich - jedenfalls rechnerisch - das Risiko des Eintritts eines Störfalles
reduzieren würde.
Zweifel bestehen jedoch, ob diese Veränderung einen Umfang erreichen kann, der
es rechtfertigt, die Maßnahme als geeignete Alternative erscheinen zu lassen.
Dem steht die Aussage in dem Gutachten des TÜV Pfalz (Anlage K5, S. 86)
entgegen, dass eine geringfügige Veränderung der jetzigen Nordwestrouten zu
keiner relevanten Minderung der Störfallhäufigkeit führen und nur eine
weitgehende Verlagerung auf südliche Routen eine wesentliche Entlastung
bedeuten würde. Es besteht keine Veranlassung, zu dieser Frage entsprechend
dem Beweisantrag der Klägerin zu 1) (Bl. IV/905 der Akten) ein weiteres
Sachverständigengutachten einzuholen. Das wäre nur dann geboten, wenn die
Klägerin das vorliegende Gutachten des TÜV Pfalz vom Februar 2005 erschüttert
hätte, wofür aber die bloße Behauptung des Gegenteils nicht ausreicht. Die in dem
Beweisantrag zu 3) (Bl. 907 der Akten) aufgestellten Behauptungen zu der Zahl
der Überflüge über das Werksgelände und der Zahl der Flugbewegungen
insgesamt kann als wahr unterstellt werden, ohne dass sich daraus Rückschlüsse
auf die konkreten Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahme herleiten lassen.
Darüber hinaus sind die Beweisanträge zu 1) bis 3) auch deshalb abzulehnen, weil
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Darüber hinaus sind die Beweisanträge zu 1) bis 3) auch deshalb abzulehnen, weil
es auf die Richtigkeit dieser Behauptungen letztlich nicht ankommt. Selbst wenn
diese Alternative zu einer relevanten Reduzierung des Sicherheitsrisikos beitragen
könnte, stünden ihr erhebliche Nachteile entgegen. Das gilt in erster Linie für den
Lärmschutz. Die Verkürzung des Startbahnkurses bis zu der heutigen Marke ist im
Jahr 1991 auf Vorschlag der Lärmschutzkommission verordnet worden, um die
Fluglärmbelastung der Stadt Raunheim zu reduzieren. Nach den Bescheiden des
Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.
April 2001 und 25. November 2002 ist der größte Teil der Wohngebiete in den
Nachtschutzbereich einbezogen worden mit der Folge, dass die Beigeladene
passiven Schallschutz zu gewähren hat, um eine sonst unzumutbare
Lärmbelastung auszugleichen (vgl. Bl. II/430 ff. und 437 ff. der Akten). Die hohe
Belastung ergibt sich auch aus den Lärmwerten, die in dem von der Beigeladenen
herausgegeben Fluglärmreport (Ausgabe 1/2006) ausgewiesen sind. Aufgrund der
Form der Lärmkonturen ist es für den Senat ohne weiteres nachzuvollziehen, dass
die Verschiebung des Abdrehpunktes auf 5,5 DME FFM eine Steigerung der schon
hohen Lärmbelastung bewirken würde.
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dieser Nachteil könne
durch Einführung eines anderen Abflugverfahrens - Verlängerung der ersten
Steigphase - ausgeglichen werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein
solches Verfahren tatsächlich eine spürbare Lärmentlastung bewirken und ob es
ohne flugbetriebliche Nachteile eingeführt werden kann. Denn wenn das so wäre,
müsste dem das Luftfahrt-Bundesamt unabhängig von anderweitigen
Veränderungen Rechnung tragen. Schon deshalb darf eine mögliche
Lärmentlastung nicht - nach Art einer Aufrechnung - den Nachteilen einer
alternativen Flugroutenführung entgegengesetzt werden.
Darüber hinaus tragen die Beklagte und die Beigeladene zu Recht vor, dass sich
eine Verlegung des Abdrehpunktes auf 5,5 DME FFM auch insoweit nachteilig
auswirken würde, als die Flugbewegungen dichter an ein - ebenfalls unter die
Seveso II-RL fallendes - Tanklager heranrücken würden. Das Tanklager und seine
Konfiguration zu den Flugrouten sind auf der Abbildung 2 der von der Klägerin
vorgelegten „Dokumentation“ über den Verlauf der Flugrouten (Anlage K23, S. 2)
deutlich zu erkennen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war das Luftfahrt-
Bundesamt nicht gehalten, Einzelheiten der Lärmbelastung und der
Sicherheitsrisiken zu ermitteln. Die Besonderheiten bei der Festlegung von
Flugverfahren gebieten eine eher pauschalierende Ermittlung und Bewertung der
betroffenen Belange (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.06.2004, BVerwGE 121, 152, 166 f.).
Diese Betrachtung rechtfertigt auch die Schlussfolgerung, dass die mit einer
Verlegung des Abdrehpunktes verbundenen Nachteile jedenfalls so beachtlich
sind, dass sie die Beibehaltung der streitigen Nordwestrouten insgesamt als
abwägungsfehlerfrei erscheinen lassen. Daraus folgt auch zwangsläufig, dass es
nicht als unverhältnismäßig anzusehen ist, wenn die Klägerin verpflichtet wird, die
zur Eindämmung der Folgen eines Unfalles erforderlichen Schutzvorkehrungen im
Betrieb zu ergreifen. Weder dem Berücksichtigungsgebot des Art. 12 Abs. 1 Satz 1
Seveso II-RL noch der Soweitregelung im Unterabs. 2 lassen sich Anhaltspunkte
dafür entnehmen, dass insoweit andere Verfahrensgrundsätze anzuwenden sind.
Daher führt auch die - hier ohnehin unterstellte - Anwendbarkeit des Art. 12
Seveso II-RL auf die Planung von Flugrouten nicht dazu, die Inanspruchnahme der
Klägerin als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen.
Das gilt auch für den Vorschlag der Klägerin, die jetzt nur für den nächtlichen
Flugverkehr genutzten Routen (N-Routen) auch für den Tagesverkehr zu nutzen.
Ob, wie die Klägerin behauptet, diese Variante ohne Kapazitätsverlust realisiert
werden könnte, ist sehr fraglich. Die Aussagen in dem HNTB-Gutachten haben die
Beklagte und die Beigeladene durch den Einwand fehlender Kalibrierung
erschüttert. Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen,
diese ergebe sich aus dem von der Beigeladenen im Ausbauverfahren vorgelegten
FAA-Gutachten. Denn Gegenstand dieses Gutachtens ist allein die
„Betonkapazität“ des Flughafens (vgl. Abschlussbericht vom August 1999, Anlage
B10 - Bl. IV/869 der Akten). Die bloße Behauptung, dass gleichwohl eine
Kalibrierung stattgefunden habe, gibt daher keinen hinreichenden Anlass für eine
Beweisaufnahme. Somit stellt sich auch der Beweisantrag zu 4) als ein
unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar. Im Übrigen kommt es auf die
Beweisthemen der Anträge zu 4) bis 7) nicht an. Denn auch wenn der Vorschlag
der Klägerin kapazitätsneutral realisiert werden könnte, stünden der vollständigen
oder teilweisen Verlegung der Flüge auf die N-Routen so erhebliche Nachteile
gegenüber, dass sich die Beibehaltung der hier streitigen Flugverfahren als
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gegenüber, dass sich die Beibehaltung der hier streitigen Flugverfahren als
abwägungsfehlerfrei und die Heranziehung der Klägerin zu Schutzvorkehrungen im
Betrieb nicht als unverhältnismäßig erweisen würde. Die Beklagte und die
Beigeladene führen insoweit zu Recht an, dass bei Verwirklichung des klägerischen
Vorschlags ein erheblicher Koordinierungsaufwand entstehen würde. Diese
Argumentation lässt sich leicht nachvollziehen, weil dann neben der Koordination
der An- und Abflüge auf den Parallelbahnen auch eine Koordinierung mit den
Abflügen von der Startbahn 18 erforderlich wird. Ca. 1/3 dieser Abflugverfahren
vereinen sich auf einem Abschnitt in südwestlicher Richtung mit den N-Routen.
Vor allem aber stehen auch dieser Alternative Lärmschutzbelange entgegen.
Durch das aktuelle System der Routenführung und Routenbelegung werden die
Abflüge unter Lärmschutzaspekten ausgewogen verteilt. Das ergibt sich schon aus
der Darstellung und der Belegung der wichtigsten Routen auf den Seiten 4 bis 7
des bereits zitierten Fluglärmreports. Ca. 2/3 der Abflüge werden über die
Startbahn 18 abgewickelt und von dort auf drei Routen aufgeteilt. Die restlichen
Abflüge, also ca. 1/3, entfallen bei Westwind auf die Nordwestrouten, die ihrerseits
in Tag- und Nachtflugrouten unterteilt sind. Dieses ausgewogene System der
Verteilung des Fluglärms würde bei Verwirklichung des Vorschlags der Klägerin
empfindlich gestört. Die Menschen, die jetzt den nächtlichen Fluglärm infolge der
N-Routen hinnehmen müssen, würden auch noch mit dem am Tag verursachten
Fluglärm belastet, obwohl ein Teil der insoweit betroffenen Bereiche bei Ostbetrieb
auch durch die landenden Flugzeuge beeinträchtigt wird.
Hinzu kommt, dass die N-Routen nicht den gesamten verlagerten Verkehr
aufnehmen können, sondern dass ein Teil der Abflüge auf die Startbahn 18 gelegt
werden muss (vgl. S- und T-Routen), wie sich aus dem Ausbauplan ergibt (vgl.
Anlage K15). Das hätte zur Folge, dass die durch die südlichen Abflugrouten stark
belasteten Wohngebiete eine weitere - und vermeidbare - Beeinträchtigung
hinnehmen müssten.
Auch der dritte Alternativvorschlag der Klägerin lässt die bestehenden
Flugverfahren nicht als abwägungsfehlerhaft und die Heranziehung der Klägerin zu
betrieblichen Schutzvorkehrungen nicht als unverhältnismäßig erscheinen.
Die Klägerin schlägt insoweit vor, den Piloten vorzuschreiben, die anfängliche
Steigrate auch über eine Flughöhe von 1.500 Fuß hinaus einzuhalten. Es bestehen
erhebliche Bedenken, ob diese Alternative geeignet ist, das in dem Gutachten des
TÜV Pfalz beschriebene Sicherheitsrisiko für das T.-Werk spürbar zu reduzieren.
Wie bereits mehrfach dargelegt, legen die jetzt vorgeschriebenen Flugverfahren
Ideallinien fest, von denen auch horizontal abgewichen werden darf und auch
tatsächlich in nicht unerheblichem Umfang abgewichen wird. Die Verfahren
schließen es deshalb nicht aus, dass Piloten das von der Klägerin geforderte
Verfahren schon jetzt einhalten. Herr H., der sachverständige Beistand der
Klägerin, hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass diese Verfahren schon
jetzt von einem Teil der Piloten, insbesondere von den aus den skandinavischen
Ländern, eingehalten werde. Auf der anderen Seite ist es bei einem Abstand von
ca. 3,5 km zwischen den Startbahnen und dem Werksgelände nachvollziehbar,
dass ein großer Teil der Flugzeuge die Höhe von 1500 Fuß erst gewonnen hat,
wenn die Flugzeuge das Werksgelände schon oder nahezu erreicht haben. Bei
beiden Gruppen würde sich aus einer obligatorischen Einführung des ICAO-A-
Verfahrens keine tatsächliche Veränderung ergeben. Die Bandbreite der
Flughöhen über dem Werksgelände wird - wenn auch nur beispielhaft - durch die
von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufzeichnung der
Höhenprofile belegt (vgl. IV/915 der Akten).
Vor allem aber sind keine Anhaltspunkte dafür von der Klägerin vorgetragen
worden oder sonst ersichtlich, dass die obligatorische Einführung des ICAO-A-
Verfahrens die Überflughöhen insgesamt derart verändern könnte, dass die in
dem Gutachten des TÜV Pfalz vom Februar 2005 geäußerten Sicherheitsrisiken
entfallen würden. Dem steht die in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse
getroffene Aussage der Gutachter des TÜV Pfalz entgegen, dass eine hinreichende
Reduzierung der Risiken für die Anlage nicht durch Veränderung der Flugverfahren,
sondern nur durch eine Verlagerung auf südliche Routen erreicht werden könne.
Diese Aussage hat die Klägerin, wie bereits ausgeführt, nicht zu erschüttert
vermocht. Die in dem Beweisantrag zu 8) (mit den zu Protokoll erklärten
Ergänzungen) aufgestellten Behauptungen entbehren jeglicher fachlicher
Erläuterung; sie sind schlicht aus der Luft gegriffen. Bei diesem Beweisantrag
handelt es sich somit auch um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag;
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handelt es sich somit auch um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag;
das gilt im Übrigen auch für den Antrag zu 9). Auf die Frage, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang die obligatorische Einführung des ICAO-A-
Verfahrens Lärmentlastungen für die Stadt Raunheim bewirken würde, kommt es
im Übrigen nicht an. Es wurde bereits dargelegt, dass eine Lärmentlastung durch
ein geeignetes und fliegbares Verfahrens unabhängig von den hier streitigen
Fragen zu realisieren wäre.
Schließlich spricht der folgende Einwand deutlich gegen den Vorschlag der
Klägerin, das Sicherheitsrisiko für ihren Betrieb durch eine Einflussnahme auf die
Flughöhe auszuräumen. Eine obligatorische Einführung dieses Verfahrens wäre nur
in der Gestalt möglich, dass bestimmte Mindestflughöhen festgelegt werden.
Diese müssten aber, um nach den vorstehenden Ausführungen überhaupt eine
Reduzierung des Sicherheitsrisikos als möglich erscheinen zu lassen, so deutlich
ausfallen, dass sie von einem Teil der Flugzeuge nicht sicher erreicht werden
könnten. Das wiederum hätte einen, wie ebenfalls dargelegt, aus
Lärmschutzgründen unerwünschten Verdrängungseffekt auf andere Routen zur
Folge. Insgesamt betrachtet kann auch eine Einflussnahme auf die Überflughöhe
nicht als geeignete Alternative angesehen werden. Das Luftfahrt-Bundesamt hat
nicht abwägungsfehlerhaft gehandelt, wenn es diesem Alternativvorschlag der
Klägerin nicht gefolgt ist. Gleichzeitig ist es auch unter dem Aspekt dieser
Alternative nicht unverhältnismäßig, wenn die Klägerin zur Beherrschung der
Sicherheitsrisiken selbst Schutzvorkehrungen in ihrem Betrieb treffen muss.
Weitere Varianten hat die Klägerin nicht vorgeschlagen; sie mussten sich dem
Luftfahrt-Bundesamt auch nicht aufdrängen. Der Luftraum in der Umgebung des
Flughafens Frankfurt/Main ist, wie sich auch aus dem Fluglärmreport ergibt, sehr
stark durch Flugverkehr belastet. Jede auch kleine Veränderung eines
Flugverfahrens wirkt sich zwangsläufig auf die anderen Routen aus. Die jetzigen
Verfahren stellen das Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzungen in und
außerhalb der Fluglärmkommission dar. Die Routen sind auch Gegenstand
mehrerer gerichtlicher Verfahren gewesen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24.06.2004, 4
C 11.03 - BVerwGE 121, 152 -, sowie 4 C 15.03; Hess. VGH, Urteile vom
12.12.2002 - 2 A 717/01 -, vom 14.03.2006 - 12 A 2659/04 - sowie vom 16.03.2006
- 12 A 3258/04 und 12 A 3260/04 -). Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, dass
das Luftfahrt-Bundesamt dadurch gegen das Abwägungsgebot verstoßen hat,
dass es eine weitere Alternative nicht in Betracht gezogen hat. Auch für den Senat
ist keine Route ersichtlich, die das T.-Werk meidet, ohne sich zugleich erheblich
nachteilig auf andere Belange auszuwirken.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die durch die 212. DVO-LuftVO
festgelegten Nordwest-Abflugrouten auch nicht wegen eines Abwägungsausfalls
rechtswidrig. Das Luftfahrt-Bundesamt hat zwar auch während des gerichtlichen
Verfahrens seinen Rechtsstandpunkt aufrecht erhalten, dass bei der Festsetzung
der Flugverfahren Störfallrisiken infolge des Überflugs von Störfallanlagen generell
unbeachtlich seien. Gleichwohl hat es - gleichsam hilfsweise - insbesondere
während des gerichtlichen Verfahrens deutlich zu erkennen gegeben, dass und
aus welchen Gründen es trotz der von der Klägerin geltend gemachten Interessen
und vorgeschlagenen Alternativrouten an den festgesetzten Flugverfahren
festhält. Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren ihre Einwendungen gegen die
aktuellen Nordwest-Routen dargelegt und drei Varianten vorgeschlagen. Das
Luftfahrt-Bundesamt hat die streitigen Routen insbesondere durch die 15. ÄndVO
vom 24. Februar 2006 zum Teil umbenannt und neu festgesetzt. Auch mit Erlass
der 16. ÄndVO vom 7. Juni 2006 hat es diese Routen - durch Unterlassen einer
Änderung - in der Sache bestätigt. Mit diesen Rechtssetzungsakten hat das
Luftfahrt-Bundesamt deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es diese Verfahren
auch in Kenntnis der Einwendungen und Alternativvorschläge der Klägerin
beibehalten will. Da es sich mit diesen Gesichtspunkten im gerichtlichen Verfahren
auseinandergesetzt hat, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass
diese Argumente auch für die Beibehaltung der Flugverfahren maßgeblich
gewesen sind. Damit ist hinreichend erkennbar, dass das Luftfahrt-Bundesamt die
für und gegen die Beibehaltung der Routen streitenden Belange abgewogen hat.
Dass es die Sachargumente im Prozess gleichsam nur hilfsweise vorgetragen und
grundsätzlich seine Rechtsauffassung aufrecht erhalten hat, wonach die von der
Klägerin geltend gemachten Risikobelange schon vom rechtlichen Ansatz her nicht
beachtlich seien, berührt nicht die Rechtmäßigkeit des Abwägungsvorgangs. Diese
Verfahrensweise unterliegt weder bei der Ermessensbetätigung noch bei
Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit rechtlichen Bedenken; sie
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Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit rechtlichen Bedenken; sie
entspricht vielmehr dem Grundsatz der Verfahrensökonomie. Es ist auch kein
Anhaltspunkt dafür von der Klägerin vorgebracht worden oder sonst erkennbar,
dass diese Verfahrensgrundsätze keine Geltung beanspruchen können, wenn man
unterstellt, dass Art. 12 Seveso II-RL anwendbar ist und eine Rechtsposition zu
Gunsten der Klägerin zu begründen vermag.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund war der Senat nicht gehalten, dem
Beweisantrag der Klägerin zu 10) (Bl. IV/914 der Akten) nachzugehen. Es wurde
bereits im Zusammenhang mit den einzelnen Alternativen dargelegt, dass die die
Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes tragenden tatsächlichen Umstände
ohne weiteres dem Prozessstoff entnommen werden konnten und dass keine
weitergehenden Ermittlungen in Bezug auf die nachteiligen Auswirkungen der
Alternativen, insbesondere hinsichtlich der Lärmschutzbelange und des Tanklagers
in Raunheim, geboten waren. Auch die Sicherheitsrisiken für das Werk der Klägerin
können den im Prozess vorgelegten Gutachten hinreichend sicher entnommen
werden. Soweit die für die Abwägung maßgeblichen tatsächlichen Umstände
bekannt oder ohne weiteres erkennbar sind, bedarf es keiner Ermittlung und
deshalb auch keiner Beweiserhebung darüber, ob Ermittlungen stattgefunden
haben.
Rechtlich relevant kann in diesem Zusammenhang nur die Frage sein, ob die
bekannten Tatsachen ausreichen, um die widerstreitenden Belange angemessen
bewerten zu können. In diese Richtung zielt die Behauptung der Klägerin, das
Luftfahrt-Bundesamt habe keine „Ermittlungen und Bewertungen“ alternativer
Flugverfahren vorgenommen. Die Frage aber, ob eine (gebotene) Ermittlung und
Beurteilung und damit letztlich eine Abwägung stattgefunden hat, ist keine der
Beweisaufnahme zugängliche Sach-, sondern eine Rechtsfrage. Die Entscheidung
kann nur im Wege einer umfassenden rechtlichen Bewertung aller Umstände des
Falles getroffen werden. Schließlich sind auch die zu dem Beweisantrag zu 10)
angegebenen Beweismittel von vornherein untauglich. Auf den Inhalt der Akten zu
der 12. bis 16. ÄndVO zur 212. DVO-LuftVO kommt es nicht an, weil sich der
Abwägungsvorgang auch aus anderen Umständen ergeben kann und hier auch,
wie dargelegt, tatsächlich ergibt. Für die allein entscheidungserhebliche Frage, ob
der Sachverhalt ausreichend ermittelt und angemessen bewertet worden ist,
kommt es auch nicht auf die subjektive Betrachtung des Leiters der
Verwaltungsstelle Flugsicherung des Luftfahrt-Bundesamtes an.
Nach allem würden die durch die 212. DVO-LuftVO festgesetzten Nordwest-
Abflugrouten auch dann nicht gegen Art. 12 Seveso II-RL verstoßen, wenn man
unterstellt, dass diese Richtlinie überhaupt auf Flugrouten anwendbar ist und die
Richtlinie eine Rechtsposition zu Gunsten der Klägerin begründen könnte. Das gilt
sowohl für das Abstandsgebot des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Seveso II-RL als auch
- erst recht - für das Berücksichtigungsgebot des Art. 12 Abs. 1 Satz 1, das der
Klägerin, wenn überhaupt, jedenfalls keine weitergehende Rechtsposition als das
Abstandsgebot verleiht. Aus diesen Gründen besteht für den Senat auch keine
Veranlassung die Rechtssache wegen der in dem Hilfsantrag formulierten Fragen
dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vorzulegen. Die Vorlage wäre
angesichts der Zulassung der Revision auch nicht zweckmäßig.
Im Ergebnis sind die durch die 212. DVO-LuftVO in der Gestalt der 16. ÄndVO
festgelegten Nordwest-Abflugrouten auch mit dem nationalen Luftverkehrsrecht
vereinbar. Allerdings teilt der Senat nicht die grundsätzliche Rechtsposition der
Beklagten und der Beigeladenen, dass bei der Festlegung von Flugverfahren ganz
generell Sicherheitsrisiken nicht zu berücksichtigen seien.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom
24.06.2004, BVerwGE 121, 152, 157 f., sowie Beschluss v. 02.08.2006 - 4 B 69.05 -
, juris, Rdnr. 6) anerkannt, dass das Luftfahrt-Bundesamt bei der Festlegung einer
Flugroute eine abwägende Entscheidung zu treffen hat, die allerdings strukturell
nicht den Anforderungen genügen muss, die im Fach- und Bauplanungsrecht
entwickelt worden sind. In welchem Umfang das Luftfahrt-Bundesamt bei der
Festlegung von Flugrouten einer Abwägungspflicht unterliegt, „richtet sich nach
den gesetzlichen Vorgaben und im Übrigen nach dem rechtsstaatlich für jede
Abwägung unabdingbar Gebotenen“ (BVerwG, Urteil v. 24.06.2004, a.a.O., S. 157
f.). Als eine das Abwägungsprogramm determinierende Vorschrift zieht das
Bundesverwaltungsgericht § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG heran (a.a.O., S. 158) und
zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Luftfahrtbehörden, also auch das
Luftfahrt-Bundesamt, bei der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des
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Luftfahrt-Bundesamt, bei der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des
Luftverkehrs nicht aus den Augen verlieren dürfen, dass Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung auch durch die Luftfahrt drohen können (a.a.O.,
S. 159). Aus § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG folgt daher die grundsätzliche Verpflichtung
des Luftfahrt-Bundesamtes, bei der Planung von Flugrouten auch eventuelle
Gefahren zu beachten, die Störfallanlagen infolge eines Flugzeugabsturzes drohen
können.
Dem können die Beklagte und die Beigeladene nicht mit Erfolg entgegenhalten,
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits seien keine Gefahrenlagen, sondern
lediglich Risiken. Denn damit ist kein struktureller, sondern ein lediglich gradueller
Unterschied angesprochen. Wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung in die Abwägung einzustellen sind, gilt das grundsätzlich - wenn auch mit
eventuell anderer Gewichtung - für erkennbare Risiken als potenzielle Vorstadien
von Gefahrenlagen (vgl. z.B. die Definitionen dieser Begriffe in Art. 3 Nr. 6 Seveso
II-RL einerseits und Nr. 7 andererseits), soweit sie nicht nach den Umständen des
Falles von vornherein als so gering einzustufen sind, dass sie schon unter diesem
Aspekt keine Abwägungserheblichkeit beanspruchen können. Insoweit gilt für
Absturzrisiken grundsätzlich nichts anderes als für Lärmschutzbelange, die, soweit
sie nicht als geringfügig einzustufen sind, unabhängig davon in die planerische
Abwägung einzustellen sind, ob sie die Gesundheitsgefährdungs- oder lediglich die
Erheblichkeitsschwelle erreichen. Auch bei Sicherheitsbelangen und Gefahrenlagen
können unterschiedliche Abstufungen auch unterschiedliche Anforderungen an die
Ermittlung und Bewertung im Rahmen der Abwägung auslösen. Dieser graduelle
Unterschied rechtfertigt es aber nicht, Risikobelange ohne konkrete
Gefährdungssituation von vornherein aus der Abwägung der für und gegen die
Routen sprechenden Belange auszugrenzen.
Um das Institut der planerischen Gestaltungsfreiheit überhaupt von einer
schrankenlosen Planungsbefugnis abgrenzen und mit den Anforderungen des
Rechtsstaatsprinzips vereinbaren zu können, hat es die Rechtsprechung den
Anforderungen des Abwägungsgebots unterworfen. Auch unter diesem Aspekt
erscheint es als nicht zulässig, den Belang des Absturzrisikos generell aus dem
Abwägungsprozess bei der Festlegung von Flugrouten auszuklammern. Denn
diesem Aspekt kann nach Lage der Dinge im Einzelfall ein ganz beachtliches
Gewicht zukommen, so dass er auch nicht von vornherein als nicht
„rechtsstaatlich unabdingbar“ ausgeklammert werden darf.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten und der
Beigeladenen auch nicht aus § 11 LuftVO. Nach dieser Vorschrift legt das
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Luftsperrgebiete und
Gebiete mit Flugbeschränkungen fest, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für die Sicherheit des
Luftverkehrs erforderlich ist. Es ist zwar richtig, dass Festsetzungen nach dieser
Regelung den Gestaltungsspielraum des Luftfahrt-Bundesamtes eingrenzen.
Umgekehrt lässt sich der Vorschrift aber nicht entnehmen, dass Sachverhalte, die
Maßnahmen nach § 11 LuftVO rechtfertigen könnten, nicht auch bei der Planung
von Flugrouten berücksichtigt werden dürfen. Es besteht keine Kongruenz der
Regelungsgegenstände. Während die Anordnung eines Sperrgebiets oder eines
Gebiets mit Flugbeschränkungen (z.B. bis zu einer bestimmten Flughöhe) strikt zu
beachten ist, erweist sich die Flugroutenführung als flexiblere Lösung, mit der ein
Gebiet von Flugverkehr entlastet werden kann, ohne, wegen der zulässigen
Abweichungen von der Normallinie, ein striktes Verbot auszusprechen. Der
Unterschied besteht insbesondere darin, dass die Festsetzung der Flugroute
einzelne Überflüge über ein bestimmtes Gebiet grundsätzlich zulässt, während sie
bei einem Sperr- oder Beschränkungsgebiet in jedem Einzelfall ausdrücklich
zugelassen werden müssen. Jedenfalls vermag der Senat nicht zu erkennen, dass
der Schutz bestimmter Gebiete vor möglichen Risiken ausschließlich durch
Maßnahmen nach § 11 LuftVO gewährt werden darf.
Aus der Verpflichtung des Luftfahrt-Bundesamtes, bei der Festlegung von
Flugverfahren grundsätzlich auch Sicherheitsrisiken zum Beispiel infolge des
Überfliegens von Störfallanlagen zu berücksichtigen, folgt entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht die Notwendigkeit, bei der Ausweisung neuer Routen
oder der Bestätigung bestehender Routen im Einzelnen zu ermitteln, wie viele
Störfallanlagen mit welchem Risikopotenzial und welche sonstigen Betriebe mit
ähnlichen Risiken betroffen sind. Auch insoweit gelten die - aus der Natur der
Flugroutenplanung folgenden - Einschränkungen in Bezug auf die Ermittlungs- und
Kontrolltiefe. Jedenfalls dann, wenn ein Störfallbetrieb in einer geringen Entfernung
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Kontrolltiefe. Jedenfalls dann, wenn ein Störfallbetrieb in einer geringen Entfernung
von der Startbahn überflogen wird und wenn das Sicherheitsrisiko der planenden
Behörde infolge von Gutachten bekannt ist, darf sie diesen Aspekt nicht generell
aus der Abwägung ausklammern.
Gleichwohl hat die Klage auch mit Blick auf das nationale Luftverkehrsrecht keinen
Erfolg. Das Luftfahrt-Bundesamt hat sich unter Wahrung seines
Rechtsstandpunktes letztlich mit den Sicherheitsbelangen auch unter
Berücksichtigung der Alternativvorschläge auseinandergesetzt. Das ist weder
hinsichtlich des Abwägungsergebnisses noch hinsichtlich des Abwägungsvorgangs
rechtlich zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 12 Seveso II-
RL verwiesen. Aus den luftverkehrsrechtlichen Vorschriften ergeben sich keine
strengeren Anforderungen an die Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes als
aus dem Abstandsgebot des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 und dem allgemeinen
Berücksichtigungsgebot des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Seveso II-RL, immer unterstellt,
dass diese Vorschrift überhaupt auf die Planung von Flugrouten anwendbar sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3 i.V.m. 162 Abs. 3 VwGO. Die
Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und
711 ZPO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§
132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.