Urteil des HessVGH vom 26.07.1993

VGH Kassel: sri lanka, politische verfolgung, amnesty international, staatliche verfolgung, genfer konvention, ausreise, armee, genfer flüchtlingskonvention, regierung, asylbewerber

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UE 141/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 AsylVfG vom
26.06.1992, § 3 AsylVfG
vom 26.06.1992, § 13 Abs
2 AsylVfG vom 26.06.1992,
§ 31 Abs 3 AsylVfG vom
26.06.1992, § 77 Abs 1
AsylVfG vom 26.06.1992
(Zur Gefahr politischer Verfolgung für Tamilen auf Sri
Lanka - inländische Fluchtalternative)
Tatbestand
Der am. 1963 in S im Norden Sri Lankas (Jaffna- Halbinsel) geborene Beigeladene
ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit und
hinduistischen Glaubens. Mit einem am 14. September 1983 in Jaffna
ausgestellten srilankischen Reisepaß mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren
verließ er am 6. Juni 1985 Sri Lanka in Colombo auf dem Luftweg und reiste über
Singapur, wo er sich sechs Tage aufhielt, Moskau und Berlin-Schönefeld (DDR) am
13. Juni 1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 15. Juni
1985 an der Grenzschutzstelle Bebra (Bahnhof) unter Vorlage einer in Tamil
handschriftlich abgefaßten Erklärung seine Anerkennung als Asylberechtigter. In
der Erklärung gab er an, daß die Tamilen wegen der Schwierigkeiten durch die
Armeeangehörigen - das Militär wurde Tamilen umbringen - in Sri Lanka nicht
leben könnten; er sei daher, wie andere Tamilen auch, als Flüchtling in ein anderes
Land gekommen.
Anläßlich seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 21. April 1986 gab der Beigeladene
neben einer Schilderung seines Reiseweges im wesentlichen an: Er habe 1982 den
Schulbesuch mit dem O-Level abgeschlossen und sei dann bis zum Juni 1984 in
Jaffna in einem Elektrogeschäft tätig gewesen, wo er die Wicklungen für
Elektromotoren hergestellt habe. Seit Juni 1984 sei er einer Arbeit nicht mehr
nachgegangen und habe bei seinen Eltern in S gewohnt, das etwa zweieinhalb
Meilen von M entfernt liege. Er sei der jüngste von insgesamt sechs Geschwistern,
vier Schwestern und einem Bruder, die alle noch in Sri Lanka lebten. Die Arbeit in
dem in der Stadtmitte von Jaffna liegenden Elektrogeschäft habe er wegen der
Schwierigkeiten seitens der Armeeangehörigen aufgegeben. Im Februar 1984 sei
er in Jaffna während einer Personenkontrolle von Armeeangehörigen angehalten
und geschlagen worden, was im Juli 1984, auf dem Weg zurück von der
Arbeitsstelle nach Hause, nochmals geschehen sei. Danach sei er noch etwa zehn
Tage zur Arbeit gegangen und habe dann seine Tätigkeit aus Angst vor weiteren
Übergriffen der Armeeangehörigen beendet. Im August 1984 sei er in Kokuvil von
Armeeangehörigen festgenommen und nach Jaffna zu einer Festung gebracht
worden, die von Soldaten als Lager benutzt worden sei. Einen Grund für die bei
einer Personenkontrolle erfolgte Festnahme könne er nicht nennen. Er sei am
gleichen Tag gegen 20 Uhr wieder freigelassen worden, nachdem sein Onkel
Bestechungsgeld in ihm unbekannter Höhe gezahlt habe. Auflagen seien ihm bei
seiner Freilassung nicht erteilt worden. Bis zu seiner Ausreise seien dann etwa zwei
bis drei Mal Soldaten zu ihm nach Hause gekommen, um nach ihm zu suchen. Er
sei jedoch jedes Mal nicht anwesend gewesen, sondern habe sich rechtzeitig im
Wald versteckt. Die Soldaten, die einen Grund für ihre Suche nach ihm nicht
angegeben hätten, hätten seine Mutter und seine Schwestern nach seinem
Verbleib gefragt. Er vermute, daß er wegen seiner Unterstützung für die
Freiheitsbewegungen gesucht worden sei. Er habe nämlich die PLOT, EPRLF und die
Tiger-Bewegung unterstützt, indem er Plakate geklebt habe. Die Ziele dieser
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Tiger-Bewegung unterstützt, indem er Plakate geklebt habe. Die Ziele dieser
Bewegungen kenne er nicht. Die Leute, die ihm die Plakate übergeben hätten,
hätten gesagt, daß sie Mitglieder von Freiheitsbewegungen seien. Er habe die
Plakate geklebt, weil die Freiheitsbewegungen für einen eigenen Staat der Tamilen
kämpfen würden. Insgesamt dreimal habe er in der Umgebung von S Plakate
geklebt. Bei dieser Tätigkeit sei er niemals festgenommen worden. Mitglied einer
Partei sei er nicht gewesen. 1984 habe er sich ohne konkreten Anlaß zur Ausreise
entschlossen, die wegen der allgemeinen schlechten Lage der Tamilen in Sri Lanka
erfolgt sei. Die Ausreise habe ein Onkel finanziert; Schwierigkeiten am Flughafen
habe er nicht gehabt, er sei nur nach dem Grund seiner Ausreise gefragt worden.
Den Paß habe er sich bereits vorher für eine beabsichtigte Urlaubsreise nach
Indien ausstellen lassen, dann aber dafür nicht genügend Geld gehabt. Weitere
Asylgründe habe er nicht anzugeben. Bei einer Rückkehr nach Sri Lanka fürchte er
seine Verhaftung, weil die Regierung nicht möchte, daß Tamilen Asyl beantragen.
Mit Entscheidung vom 7. August 1986 - dem Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten zugestellt am 18. August 1986 - erkannte das Bundesamt für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Beigeladenen als Asylberechtigten
an, weil die Volksgruppe der Tamilen zielgerichteter, politisch motivierter
Verfolgung seitens der srilankischen Sicherheitskräfte (Polizei und Armee)
unterliege. Eine inländische Fluchtalternative gebe es für die Tamilen in Sri Lanka
nicht.
Mit Schriftsatz vom 27. August 1986, der am 3. September 1986 einging, hat der
Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hiergegen Klage erhoben. Zu deren
Begründung hat er vorgetragen, daß entgegen der Ansicht in dem angefochtenen
Bescheid die Tamilen als Gruppe weder direkter staatlicher politischer Verfolgung
noch einer dem srilankischen Staat zurechenbaren Drittverfolgung ausgesetzt
seien.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 7. August 1986 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 1989 hat der informatorisch
gehörte Beigeladene im wesentlichen erklärt: Er sei nicht Mitglied in einer
Organisation gewesen, habe aber den Befreiungsbewegungen aus Freundschaft
geholfen. Bei der Festnahme in Kokuvil im August 1984 habe man ihn kontrollieren
wollen und ihn deswegen festgenommen; Fragen habe man an ihn aber nicht
gestellt. In der Festung sei es wie in einem Gefängnis gewesen; sie hätten immer
im Kreis herumlaufen müssen. Verhört worden sei er auch dort nicht. Außer
dreimaligem Kleben von Plakaten habe er nichts für die Freiheitsbewegungen
gemacht. Die Abkürzungen PLOT und EPRLF könne er nicht erläutern, er kenne nur
die tamilischen Bezeichnungen. Es handele sich um Gruppen, die den Tamilen
helfen. Das Land habe er verlassen, weil er nicht mehr zur Arbeit gehen konnte; er
habe Angst vor einer Festnahme und vor Schlägen gehabt. Weiter wolle er noch
vorbringen, daß vor einem Jahr das Haus der Familie verbrannt sei, er wisse aber
keine Einzelheiten. Ihm sei geschrieben worden, daß es Singhalesen gewesen
seien, ob Zivilisten, wisse er nicht. Seine Schwester habe dabei Verbrennungen an
beiden Armen erlitten, der eine Arm sei jetzt gelähmt. Er würde seine Schwester,
die jetzt woanders in Sri Lanka lebe, gerne hierher holen, um ihr zu helfen; er
stehe in Briefkontakt mit ihr. Vor einer Rückkehr habe er Angst wegen der
Armeeprobleme, und zwar hinsichtlich sowohl der indischen als auch der
srilankischen Armee. Diese würde alle Leute einfach schlagen.
Mit Urteil vom 12. Oktober 1989 hat das Verwaltungsgericht Kassel unter
Zulassung der Berufung den Asylanerkennungsbescheid aufgehoben und das
Asylgesuch des Beigeladenen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Beigeladene habe bis zu seiner Ausreise aus Sri Lanka im Juni 1985 politische
Verfolgung weder erlitten noch habe sie ihm gedroht; auch in Zukunft müsse er
bei Rückkehr in sein Heimatland politische Verfolgung auf absehbare Zeit nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten. Bis zur Ausreise des Beigeladenen
habe eine Gruppenverfolgung der Tamilen in Sri Lanka nicht stattgefunden. Soweit
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habe eine Gruppenverfolgung der Tamilen in Sri Lanka nicht stattgefunden. Soweit
die srilankische Armee unter Gewaltanwendung und Terror mit
menschenunwürdigen Mitteln gegen die tamilische Zivilbevölkerung vorginge, liege
darin keine unmittelbar vom Staat ausgehende Verfolgung des tamilischen
Bevölkerungsteils aus politischen Motiven; es handele sich um Gegenmaßnahmen
gegen die Bewegungen in den tamilischen Landesteilen, aus denen der
Beigeladene stamme, die mit Gewalt und Terror die Bildung eines tamilischen
Staates erzwingen wollten. Auch die Drittverfolgung der tamilischen durch die
singhalesische Bevölkerung sei dem Staat nicht zuzurechnen. Auch persönlich sei
der Beigeladene keiner gezielten politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen. Die
gegen ihn gerichteten Maßnahmen seitens der Armee seien zwar
menschenunwürdig gewesen, sie seien aber im Rahmen einer legitimen
Strafverfolgung erfolgt und hätten keine politische Motivation gehabt; den
damaligen Verhaftungen, Verhören, Razzien, Ausgangssperren und damit
einhergehenden Übergriffen der singhalesischen Armee habe die Mutmaßung
zugrunde gelegen, daß die betroffenen jungen Tamilen Mitglieder der
separatistischen Bewegungen seien, Verbindungen zu ihnen hätten oder als
Zeugen für terroristische Tätigkeiten in Frage kämen; dies seien jedoch keine
politischen Motive. Trotz der weiterhin bürgerkriegsähnlichen Zustände und der
Übernahme der Ordnungsmacht im Norden Sri Lankas durch die von der
srilankischen Regierung zu Hilfe gerufene indische Armee müsse der Beigeladene
bei einer Rückkehr auch heute nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit
politischer Verfolgung rechnen.
Gegen das ihm am 12. Dezember 1989 zugestellte Urteil hat der Beigeladene am
10. Januar 1990 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er im wesentlichen
geltend: 1972 hätten sich die politischen Gruppen der Tamilen zur TULF vereinigt,
um Grundrechte der Tamilen durchzusetzen, was den Hoffnungen der Tamilen
neuen Aufschwung gegeben habe. Obwohl er damals noch sehr jung gewesen sei,
habe er diese Ereignisse gut verstanden. Bei der Wahl 1977 habe er mit seinen
Familienmitgliedern Wahlwerbung für die TULF-Kandidaten gemacht, seine erste
politische Betätigung. Der Holocaust an den Tamilen durch Armee und
singhalesische Rowdys drei Tage vor der Distriktswahl 1981 habe den friedlichen
Weg für die Tamilen verschüttet und zum Beginn des Widerstands der jungen
Tamilen gegen den Chauvinismus der Singhalesen geführt. Militante
Gruppierungen gegen die Singhalesen, wie die PLOT und die LTTE, hätten sich zu
jener Zeit entwickelt. Da er den Führer der PLOT und diese Gruppe bewundert
habe, sei er begeisterter Anhänger der PLOT geworden und habe sie seit 1981 mit
allen Kräften unterstützt. 1982 sei er Mitglied der PLOT geworden und für das S -
Gebiet verantwortlich gewesen. Er habe politischen Unterricht für Jungen erteilt und
junge Leute für die PLOT rekrutiert, wodurch er in seinem Gebiet sehr bekannt
geworden sei. Seine zwischenzeitlich angetretene Arbeit in dem Elektrogeschäft in
Jaffna habe es ihm ermöglicht, dort die gesamte wichtige Literatur der PLOT
aufzubewahren, um sie vor der Armee zu schützen, die zu dieser Zeit alle
wichtigen Jugendhäuser durchsucht habe. Alle wichtigen Mitglieder der PLOT seien
sehr oft zu diesem Geschäft gekommen. Als die Armee schließlich seine politische
Tätigkeit herausbekommen habe, habe sie 1984 sein Haus und seinen
Arbeitsplatz durchsucht; er habe im Geschäft durch die Hintertür entkommen
können. Später habe er erfahren, daß die Soldaten das Geschäft durchsucht und
alle von ihm aufbewahrten Dokumente beschlagnahmt und den Inhaber des
Geschäfts verhört hätten. Der Inhaber habe sich daraufhin geweigert, ihn
weiterzubeschäftigen. Er sei seit dieser Zeit der Armee und den Behörden des
srilankischen Staats als aktiver Gegner und politischer Kämpfer für die tamilische
Unabhängigkeit bekannt gewesen, habe jedoch Glück gehabt, daß man ihn nicht
finden konnte. Bei einer von Soldaten in Jaffna durchgeführten Kontrolle, bei der er
zusammen mit anderen Personen angehalten und verhört worden sei, sei es nicht
gelungen ihn zu identifizieren. Hinsichtlich eines Druckerzeugnisses der PLOT, was
man bei ihm gefunden habe, habe er sich damit herausreden können, daß er
dieses an einer Bushaltestelle erhalten habe. Nach diesem Vorkommnis habe er
nicht mehr gewagt, in seinem Haus zu wohnen. Er habe erfahren, daß sein Haus
mehrmals durchsucht und alle anderen Familienmitglieder schikaniert worden
seien. Nach dem Besuch eines Gruppentreffens im August 1984 in Kokuvil sei er
auf dem Rückweg von Soldaten eines Armeelastwagens angehalten worden, wobei
ihn einer habe identifizieren können, woraufhin er verhaftet und zur Polizeistation
Jaffna gebracht worden sei. Dort sei er verhört und von Armeeangehörigen brutal
gefoltert worden. Man habe darauf bestanden, daß er über die PLOT und ihre
Aktivitäten reden solle. Da er alle Verbindungen zur PLOT geleugnet habe, sei ihm
angedroht worden, ihn in das Konzentrationslager Boosa in den Süden zu bringen.
Mit einem Rechtsanwalt sei es seinen Eltern über einen hohen Armeeoffizier am
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Mit einem Rechtsanwalt sei es seinen Eltern über einen hohen Armeeoffizier am
folgenden Tag gelungen, seine Entlassung zu erreichen. Nach der Entlassung habe
er weiter für PLOT gearbeitet, sich aber sehr vorsichtig verhalten. Nach der Tötung
von Armeeangehörigen durch eine Bombenexplosion in seinem Dorf im April 1985
sei die PLOT verdächtigt worden, woraufhin alle Dörfer bei Jaffna auf der Suche
nach prominenten Mitgliedern der PLOT durchkämmt worden seien. Er habe
erfahren, daß auch sein Name auf der Liste der Gesuchten sei, und sich daraufhin
mit anderen gesuchten Jugendlichen in den Untergrund begeben. Da die
Aktivitäten der Armee in der Folgezeit immer schlimmer geworden seien, habe er
sich auch nicht mehr weiterhin im Raum Jaffna versteckt halten können und sei
deswegen nach Colombo gewechselt. Auch dort hätten sich aber seine Landsleute
gefürchtet, ihn vor dem Zugriff der Sicherheitskräfte zu verstecken, so daß er am
5. Juni 1985 Sri Lanka verlassen habe. Als politisch aktiver engagierter Mensch für
die politischen Rechte der Tamilen und die Autonomie sei er zu einem politisch
Verfolgten geworden. Es handele sich bei ihm um ein Einzelverfolgungsschicksal.
Er sei den Sicherheitskräften Sri Lankas als politischer Gegner bekannt geworden
und werde deswegen für politische Aktionen gegen die singhalesische Regierung
und die Armee sofort verdächtigt und solle verhaftet werden. Es sei bekannt, daß
viele in vergleichbarer Situation verhaftete junge Tamilen verschwunden seien,
ohne daß ein Gerichtsurteil ergangen sei. Seine politischen Aktivitäten habe er
bisher deswegen nicht völlig enthüllt, weil ihm viele Landsleute geraten hätten,
nichts von seiner Verbindung zu PLOT zu erzählen. Sie hätten ihm gesagt, wenn er
etwas über die PLOT erzähle, werde er nach Sri Lanka zurückgeschickt. Aus Furcht
davor sei er in seinen Angaben zurückhaltend gewesen. Mittlerweile werde die
PLOT von der überlegenen LTTE massakriert, so seien der Führer der PLOT und alle
anderen wichtigen Mitglieder getötet worden. Ihm drohe damit nunmehr auch
größte Gefahr für Leib und Leben seitens der LTTE.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. Oktober 1989 aufzuheben.
Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben weder Anträge gestellt noch sich zur
Sache geäußert.
Über die Asylgründe des Beigeladenen ist Beweis erhoben worden durch dessen
Vernehmung als Beteiligter; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf die Niederschrift über den Termin vor dem Berichterstatter am 23. Juni 1993
verwiesen (Bl. 142 ff. d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die den Beigeladenen betreffenden
Behördenakten der Beklagten (Az.: 431-20310-85) und die den Beigeladenen
betreffenden Ausländerakten (ein gehefteter Vorgang) Bezug genommen. Diese
sind ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen wie die
Erkenntnisquellen, die laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 26.
Juli 1993 in das Verfahren eingeführt worden sind (29.04.1988, AA an VG Minden;
17.01.1989, AA an VG Gelsenkirchen; Jan. 1993, amnesty international - Bericht Sri
Lanka -; 05.05.1993, SZ: Polizei identifiziert Tamilen als Attentäter; 14.06.1993,
Hellmann-Rajanayagam an VG Karlsruhe), und die nachfolgend aufgeführten
Erkenntnisquellen, deren Liste den Beteiligten mit Schreiben des Gerichts vom 1.
Juli 1993 übermittelt worden ist:
1. 23.06.1982
Hofmann an VG Wiesbaden
2. 12.07.1982
Südasien-Institut an VG Wiesbaden
3. 25.10.1982
Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
4. 1983
VG Wiesbaden, Informations- und
Dokumentationsstelle für Asyl- u.
Ausländerrecht: Politische Chronologie
der Demokratischen
Sozialistischen Republik Sri Lanka,
2. Aufl. 1983, und Sonderband,
Jan. - Dez. 1983
5. 30.12.1983
Hellmann-Rajanayagam an Bundesamt
6. Februar 1984
Bericht der Internationalen
Juristen-Kommission Genf: Ethnische
Unruhen in Sri Lanka 1981 - 1983
7. 01.06.1984
amnesty-international:
"Current Human Rights Concerns and
Evidence of Extrajudicial Killings
by the Security Forces, July
1983 - April 1984"
8. 03.07.1984
Auswärtiges Amt an Bundesamt
9. 29.08.1984
Bundesamt für Polizeiwesen in Bern:
Bericht über die Abklärungen in
Sri Lanka vom 11. bis 20. August 1984
10. 17.12.1984
Auswärtiges Amt an VG Trier
11. 08.01.1985
Auswärtiges Amt (Deutsche Botschaft
vom 8. Januar 1985)
12. Februar 1985 Parliamentary Human Rights Group:
Sri Lanka - a Nation Dividing
Report of a visit
13. 01.10.1985
Auswärtiges Amt an Bundesminister
der Justiz
14. 03.01.1986
Hofmann an VG Neustadt
15. 16.02.1987
Auswärtiges Amt an VG Hamburg
16. 15.03.1987
Auswärtiges Amt: Lagebericht
17. 23.06.1987
Auswärtiges Amt: Lagebericht
18. 22.08.1987
Hofmann an VG Ansbach (Hinweis:
mit engl. Text des lankisch-indischen
Abkommens vom 29.07.1987)
19. 30.10.1987
Südasien Nr. 6-7/87: Text des
Friedensvertrags zwischen Rajiv
Gandhi und J. R. Jayewardene
20. 21.12.1987
Hofmann an VG Ansbach
21. 22.12.1987
Auswärtiges Amt an Bundesminister
der Justiz
22. 15.04.1988
Auswärtiges Amt: Lagebericht
23. 22.07.1988
Auswärtiges Amt an Hess. VGH
24. 09.08.1988
Hofmann an Hess. VGH
25. 11.08.1988
Hellmann-Rajanayagam an Hess.VGH
26. 10.02.1989
Keller vor Hess. VGH
27. 14.02.1989
Auswärtiges Amt an VG Ansbach
28. März 1989
"Flüchtlinge" 3/1989: "Zurück in
Sri Lanka: Das Leben beginnt von
vorn", u. a.
29. Mai 1989
amnesty international: Sri Lanka
-Anhaltende Menschenrechtsverletzungen
(Zusammenfassung)
30. 02.11.1989
Auswärtiges Amt: Lagebericht
31. 19.02.1990
Auswärtiges Amt: Lagebericht
32. 20.04.1990
Auswärtiges Amt an Bundesamt
33. Mai 1990
Keller: Sri Lanka - Informationen
für HilfswerksvertreterInnen
im Asylverfahren
34. 28.05.1990
Auswärtiges Amt: Lagebericht
35. 04.07.1990
Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
36. 13.07.1990
Auswärtiges Amt: Lagebericht
37. 08.08.1990
Auswärtiges Amt an Hess. VGH
38. 29.08.1990
Auswärtiges Amt: Lagebericht
39. Okt. 1990
amnesty international, Keller:
Sri Lanka - Im Würgegriff der Gewalt
(ai-info 10/90)
40. 29.11.1990
Auswärtiges Amt an VG Köln
41. 14.12.1990
Auswärtiges Amt an VG Ansbach
mit Berichtigung vom 27.12.1990
42. 14./21.12.1990 Keller vor Hess.VGH
43. 16.01.1991
Auswärtiges Amt: Lagebericht
44. 20.01.1991
Wingler an VG Köln
45. 23.01.1991
Keller-Kirchhoff an VG Köln
46. 25.01.1991
Keller-Kirchhoff an VG Ansbach
47. 12.04.1991
amnesty international an VG Ansbach
48. 23.06.1991
Wingler: Abschiebehindernisse,
Sri Lanka
49. 25.06.1991
amnesty international:
Die Menschenrechtssituation in
Sri Lanka
50. Juli 1991
Hofmann: Zur Situation der Tamilen
in Sri Lanka
51. 30.08.1991
Auswärtiges Amt an VGH
Baden-Württemberg
52. 07.09.1991
Keller-Kirchhoff an VGH
Baden-Württemberg
53. Sept. 1991
amnesty international:
Sri Lanka - Der Nordosten,
Menschenrechtsverletzungen im
Zusammenhang mit einem bewaffneten
Konflikt
54. 05.11.1991
Keller-Kirchhoff an VG Gelsenkirchen
55. 06.11.1991
Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
56. 15.11.1991
Auswärtiges Amt: Lagebericht
57. 22.01.1992
Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
58. 30.01.1992
Auswärtiges Amt an Hess. VGH
59. 31.01.1992
UNHCR, betr. De-facto-Flüchtlinge
aus Sri Lanka
60. 23.04.1992
Keller-Kirchhoff an Hess. VGH
61. 24.04.1992
amnesty international an VG Ansbach
62. 20.05.1992
Auswärtiges Amt an Hess. VGH
63. 23.06.1992
Auswärtiges Amt: Lagebericht
64. 31.08.1992
Auswärtiges Amt an Bay. VGH
65. Okt. 1992
Keller-Kirchhoff: Rückkehr in
Sicherheit und Würde? -
Situationsbericht zur Lage in Sri Lanka
66. 14.10.1992
Auswärtiges Amt: Lagebericht
67. 27.10.1992
Keller-Kirchhoff vor Bay. VGH
68. Dez. 1992
amnesty international: Einschätzung
der Menschenrechtssituation in
Sri Lanka
69. 13.01.1993
Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
70. Feb. 1993
amnesty international: Sri Lanka,
Die jüngsten Änderungen der
Notstandsverordnungen
71. März 1993
Wingler: Mitteilungen und Berichte
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zur Verfolgungssituation in
Sri Lanka
72. 04.03.1993
FAZ: Soldaten in Sri Lanka wegen
Massaker an Tamilen angeklagt
73. 08.05.1993
NZZ: Verdrängung der blutigen
Realität in Sri Lanka
74. Juni 1993
Wingler: Bericht Sri Lanka
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beigeladenen ist zulässig,
insbesondere form- und fristgerecht eingelegt; daran hat sich auch durch die
während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen
des Asylverfahrensrechts nichts geändert (§ 87 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG i.d.F. des
Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1126);
§ 87 a Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-,
ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993
(BGBl. I S. 1062)).
Die Berufung des Beigeladenen, deren Gegenstand allein der vom Beigeladenen
geltend gemachte Asylanspruch einschließlich der Feststellung nach § 51 Abs. 1
AuslG (§ 13 Abs. 2 AsylVfG) ist, ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht
hat den Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 7. August 1986 zu Recht aufgehoben. Der
Anerkennungsbescheid der Beklagten ist rechtswidrig. Das Asylbegehren ist in der
Sache nach dem am 30. Juni 1993 in Kraft getretenen Art. 16 a GG und dem am 1.
Juli 1993 in Kraft getretenen Asylverfahrensgesetz i.d.F. des Änderungsgesetzes
vom 30. Juni 1993 (a.a.O.) zu beurteilen. In Asylstreitverfahren ist, soweit
Gegenstand die Entscheidung der Beklagten über einen Asylantrag ist, auf die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
abzustellen, und zwar auch bei der Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten,
bei der es sich der Klageart nach um eine Anfechtungsklage handelt. Denn bei der
Beurteilung eines Asylbegehrens ist allein maßgeblicher Gesichtspunkt, ob eine
"gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit" vorliegt (vgl. BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR
147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1; BVerwG, 27.04.1982 - 9 C
308.81 -, BVerwGE 65, 250 = EZAR 200 Nr. 7, 03.12.1985 - 9 C 33.85 u. a. -,
BVerwGE 72, 269 = EZAR 202 Nr. 5; ob dies auch für eine auf § 28 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG 1982/1991 gestützte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
gilt - verneinend: VGH Baden-Württemberg, 07.12.1992 - A 13 S 2687/92 -;
BVerwG, 08.03.1993 - 9 C 41.92 -, kann hier dahingestellt bleiben). § 77 Abs. 1
AsylVfG gibt insoweit die bisherige Rechtsprechung wieder. Im danach
maßgeblichen Zeitpunkt liegen weder die Voraussetzungen für eine Anerkennung
des Beigeladenen als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a GG (A.) noch für die
Feststellung vor, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person
vorliegen (B.). Eine Feststellung über Abschiebehindernisse gemäß § 53 AuslG ist
im vorliegenden Verfahren nicht zu treffen (C.).
A.
Der durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 16 und
18) vom 28. Juni 1993 (BGBl. I S. 1002) in das Grundgesetz anstelle des durch Art.
1 Nr. 1 des gleichen Gesetzes aufgehobenen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG eingefügte
Art. 16 a GG enthält in seinem Absatz 1 mit dem Text "Politisch Verfolgte genießen
Asylrecht" den gleichen Wortlaut wie der aufgehobene Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, so
daß grundsätzlich auf die bisherige Rechtsprechung zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG
zurückgegriffen werden kann. Den das Asylrecht einschränkenden Regelungen des
Art. 16 a Absätze 2 bis 5 GG kommt unabhängig von der Frage ihrer
Anwendbarkeit auf vor dem 1. Juli 1993 gestellte Asylanträge (vgl. hierzu die
asylverfahrensrechtliche Regelung des § 87 a Abs. 1 AsylVfG) im vorliegenden
Verfahren schon deswegen keine Bedeutung zu, weil der Beigeladene aus keinem
sicheren Drittstaat i.S.d. Art. 16 a Abs. 2 GG (Mitgliedstaaten der Europäischen
Gemeinschaften und Staaten der Anlage I zu § 26 a AsylVfG; vgl. § 26 a Abs. 2
AsylVfG) eingereist ist, nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.d. Art. 16 a
Abs. 3 GG (vgl. die Länderliste Anlage II zu § 29 a AsylVfG) stammt und auch keine
Fallgestaltung vorliegt, für die Art. 16 a Absätze 4 und 5 GG besondere
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Fallgestaltung vorliegt, für die Art. 16 a Absätze 4 und 5 GG besondere
Regelungen treffen.
Unter Berücksichtigung der wörtlichen Gleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG mit dem
aufgehobenen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG gilt zu den Voraussetzungen des
Asylrechts nach wie vor, was der Senat in seiner bisherigen ständigen
Rechtsprechung zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ausgeführt hat (zuletzt Hess. VGH,
22.02.1993 - 12 UE 312/91 -):
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt,
wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen
Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen
seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u.a. -, a.a.O.). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1
Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anzusehen,
wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG,
01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG,
17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C
185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist
anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem
Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln
(BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20;
zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR
200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern
andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und
wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen
asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und
über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort
herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1
BvR 147/80 u.a. -, a.a.O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.; BVerwG,
18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer
derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger
Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die
Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung
abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muß (BVerwG,
03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Einem
Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine
Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von
Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist
(BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84
-, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12. m.w.N.). Der Asylbewerber ist aufgrund
der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, umfassend die in
seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern, die seiner Auffassung
zufolge geeignet sind, den Asylanspruch zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C
141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630
Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und
insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen
festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu §
28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281).
Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es
dagegen, daß die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit
politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66,
237 = EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann
schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die
Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten
individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische
Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der
Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu
berücksichtigen ist (BVerwG, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, a.a.O.).
Der erkennende Senat ist nach diesen Grundsätzen aufgrund der Angaben des
Beigeladenen, dem Ergebnis seiner Vernehmungen und dem Inhalt der zum
Verfahren beigezogenen Akten sowie der in das Verfahren eingeführten
Gutachten, Auskünfte und sonstigen Erkenntnisquellen zu der Überzeugung
gelangt, daß der Beigeladene bis zur seiner Ausreise aus Sri Lanka (I.) weder
wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Tamilen (1.) noch aus individuellen
Gründen (2.) politisch verfolgt war und daß er auch bei einer Rückkehr nach Sri
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Gründen (2.) politisch verfolgt war und daß er auch bei einer Rückkehr nach Sri
Lanka (II.) dort wegen Bestehens einer individuellen Fluchtalternative hinreichend
sicher vor einer politischen Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der
jungen Tamilen (1.) oder aus individuellen Gründen (2.) ist.
I.
Der Beigeladene hat bis zu seiner Ausreise aus Sri Lanka im Juni 1985 keine
politische Verfolgung erlitten.
1. Er wurde insbesondere nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der
Tamilen verfolgt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, daß bis zur
Ausreise des Beigeladenen aus seinem Heimatland Tamilen auf Sri Lanka weder
als Gruppe insgesamt noch als Teilgruppe - Männer im wehrfähigen Alter -
politischer Verfolgung ausgesetzt waren. Wie der bisher für Verfahren von
Asylbewerbern aus Sri Lanka zuständige 10. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs (vgl. zuletzt 11.09.1992 - 10 UE 1804/86 -) gelangt auch
der nunmehr für derartige Verfahren zuständige erkennende Senat zu der
Feststellung, daß die tamilische Bevölkerungsgruppe in Sri Lanka in der Zeit bis
zur Ausreise des Beigeladenen dem srilankischen Staat zuzurechnenden
politischen Verfolgungsmaßnahmen nicht ausgesetzt war.
Asylerhebliche Bedeutung haben nicht nur unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen
des Staates; dieser muß sich vielmehr auch Übergriffe nichtstaatlicher Personen
und Gruppen als mittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen zurechnen lassen,
wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den
Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u. a. -, a.a.O.). Eine derartige staatliche Verantwortlichkeit kommt aber nur in
Betracht, wenn der Staat wegen fehlender Schutzfähigkeit oder -willigkeit zum
Schutz gegen Ausschreitungen oder Übergriffe nicht in der Lage ist, wobei es auf
den Einsatz der ihm an sich verfügbaren Mittel ankommt (BVerfG, 10.07.1989 - 2
BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.) und dem Staat für Schutzmaßnahmen besonders bei
spontanen und schwerwiegenden Ereignissen eine gewisse Zeitspanne zugebilligt
werden muß (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 = EZAR 202 Nr.
13). Asylrelevante politische Verfolgung - und zwar sowohl unmittelbar staatlicher
als auch mittelbar staatlicher Art - kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen,
sondern auch gegen durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppen von
Menschen richten mit der regelmäßigen Folge, daß jedes Gruppenmitglied als von
dem Gruppenschicksal mitbetroffen anzusehen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR
147/80 u.a. -, a.a.O., 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O. u. 23.01.1991 - 2 BvR
902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216 = EZAR 202 Nr. 20; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C
599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1, u. 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.).
Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in
quantitativer Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen
aufweist, daß ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit jedes
Gruppenmitglieds gesprochen werden kann (BVerwG, 08.02.1989 - 9 C 33.87 -,
EZAR 202 Nr. 15 = NVwZ-RR 1989, 502, 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, DVBl. 1991,
1089 = EZAR 202 Nr. 21, u. 24.09.1992 - 9 B 130.92 -, NVwZ 1993, 192 = EZAR
202 Nr. 23). Als nicht verfolgt ist nur derjenige Gruppenangehörige anzusehen, für
den die Verfolgungsvermutung widerlegt werden kann; es kommt nicht darauf an,
ob sich die Verfolgungsmaßnahmen schon in seiner Person verwirklicht haben
(BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.). Auch eine frühere Gruppenverfolgung
führt für die Betroffenen zur Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs
hinsichtlich künftiger Verfolgung (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.).
Abgesehen davon, daß der Beigeladene als Motiv seiner Ausreise nicht eine
politische Verfolgung der Gruppe der Tamilen angegeben, sondern sich,
insbesondere in seiner Anhörung vor dem Bundesamt, befragt nach dem Anlaß für
seinen Ausreiseentschluß, ausdrücklich lediglich auf die allgemein schlechte Lage
der Tamilen in Sri Lanka berufen hat, so daß sehr zweifelhaft ist, ob bei Bejahung
einer Gruppenverfolgung, wie notwendig, deren Kausalität für den
Ausreiseentschluß des Beigeladenen bejaht werden könnte, hat nach der
Überzeugung des Senats bis zur Ausreise des Beigeladenen im Juni 1985 weder in
den Nordprovinzen noch in den übrigen Gebieten Sri Lankas eine asylrelevante
staatliche Verfolgung der Volksgruppe der Tamilen stattgefunden, die ihn zur
Ausreise gezwungen haben könnte.
Der Senat legt seiner Beurteilung der Lage der Tamilen in Sri Lanka bis zur
Ausreise des Beigeladenen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt die nachfolgend
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Ausreise des Beigeladenen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt die nachfolgend
anhand der vorliegenden schriftlichen Unterlagen (im folgenden nur noch mit der
entsprechenden Nummer der Liste von S. 10 ff. bezeichnet) auszugsweise
dargestellte historische Entwicklung Sri Lankas unter besonderer Berücksichtigung
der Volksgruppe der Tamilen zugrunde.
a) Die ehemalige britische Kronkolonie Ceylon wurde 1948 unabhängig und gab
sich 1972 den Namen Sri Lanka. Von den 1990 etwa 17 Mio. Einwohnern (33., S.
11) sind etwa 11 Mio. (74 %) zumeist buddhistische Singhalesen und etwa 2,6 Mio.
(18,2 %) überwiegend hinduistische Tamilen (53.). Diese bilden die stärkste
Minderheit, daneben gibt es noch die muslimischen Moors (1,1 Mio.; 7,1 %),
Burgher (Nachkommen der ersten Kolonisten aus Portugal und Holland) und
Malayen (insgesamt etwa 0,1 Mio.; 0,7 %). Etwa 70 % der Tamilen, die
sogenannten Ceylon-Tamilen, die auf Einwanderer aus Südindien zurückgehen, die
bereits vor mehr als tausend Jahren in das Land gekommen sind, bewohnen den
Norden und Osten der Insel. Sie gelten als Alteingesessene. Sie haben im Norden
der Insel einen Bevölkerungsanteil von über 90 %, während der Osten der Insel zu
etwa je einem Drittel von ihnen, den Singhalesen und den muslimischen Moors
besiedelt wird (12.). Das Siedlungsgebiet dieser Ceylon-Tamilen umfaßt etwa ein
Drittel des Staatsgebiets. Die restlichen 30 % der Tamilen, die sogenannten
Indien-Tamilen, besiedeln das zentrale Hochland um Kandy. Es handelt sich um die
Nachfahren von Plantagenarbeitern südindischer Herkunft, die in der britischen
Kolonialzeit seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa 1930 als billige Arbeitskräfte
für die Teeplantagen von den Briten auf die Insel geholt wurden. Ihr
Bevölkerungsanteil im zentralen Hochland schwankt zwischen 20 und 50 %. Sie
gehören im Kastensystem des Hinduismus den niedrigsten Kasten an und werden
nicht zuletzt deshalb von den Ceylon-Tamilen verachtet (33., S. 12). Da die
Asylbewerber aus Sri Lanka zumeist aus dem Norden, insbesondere der Jaffna-
Halbinsel, und dem Osten stammen, können die Indien-Tamilen für die weitere
Betrachtung außer acht gelassen werden.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Spannungen und
Auseinandersetzungen zwischen Singhalesen und Tamilen gegeben, die ihre
Ursachen in den ethnischen, sozioökonomischen und religiösen Unterschieden
hatten. Im Unterschied zu den Indien-Tamilen genossen die Ceylon-Tamilen wegen
der in ihren Siedlungsgebieten besseren Ausbildung (Christianisierung,
Missionsschulen) eine gewisse Bevorzugung seitens der britischen Kolonialherren;
sie waren daher bei Erlangung der Unabhängigkeit Ceylons 1948 in leitenden
Funktionen von Wirtschaft und Verwaltung gegenüber den Singhalesen
überrepräsentiert (2., S. 5).
Die 1948 in Kraft getretene Verfassung des unabhängigen Ceylon enthielt in Art.
29 ausdrücklich eine Gleichstellung aller Volksgruppen und Religionen sowie ein
generelles Diskriminierungs- bzw. Privilegierungsverbot (4.). Nach der
Unabhängigkeit erlassene Staatsangehörigkeits- und Wahlgesetze sahen
allerdings vor, daß nur derjenige als Staatsbürger, woran auch das Wahlrecht
anknüpfte, registriert wurde, der seit 1936 ansässig war. Als Folge durfte die
Mehrheit der Indien-Tamilen nicht wählen (4.; 33., S. 19); die volle
Staatsbürgerschaft erhielten damals lediglich 140.000 von insgesamt annähernd 1
Mio. Indien-Tamilen (4.). Bei der ersten Parlamentswahl, die noch vor diesen
Gesetzen und vor der Erlangung der Unabhängigkeit im August/September 1947
stattgefunden hatten, hatten die tamilischen Parteien dreizehn der etwa
einhundert Sitze im Repräsentantenhaus erlangen können (4.).
Bis zur Parlamentswahl im April 1956 (und dann wieder von 1965 bis 1970 und
ununterbrochen seit 1977) regierte die als liberalkonservativ eingestufte United
National Party (UNP). Bei diesen, den dritten, Parlamentswahlen siegte ein
Wahlbündnis mehrerer linksgerichteter Parteien unter der Bezeichnung "Mahajana
Eksat Peramuna" (MEP, Vereinigte Volksfront), an dem maßgeblich die Sri Lanka
Freedom Party (SLFP) des neuen Ministerpräsidenten S.W.R.D. Bandaranaike
(September 1959 durch einen fanatischen buddhistischen Mönch ermordet,
Nachfolgerin als Regierungschefin wird nach kurzzeitig amtierenden
Zwischenregierungen und Neuwahlen seine Frau Sirimawo Bandaranaike ab 7. Mai
1960) beteiligt war, die noch zwischen 1951 und 1953 für die Gleichberechtigung
von singhalesischer und tamilischer Sprache eingetreten war (33., S. 44). Das
Wahlbündnis MEP war durch eine Verbindung sozialistischer Ideen mit einem -
gerade auch gegen die hinduistischen Tamilen gerichteten - singhalesisch-
buddhistischen Nationalismus geprägt (4.; 33., S. 44). Als Folge dessen wurde im
Juli 1956 mit dem "Official Language Act" Singhalesisch als einzige Staats- und
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Juli 1956 mit dem "Official Language Act" Singhalesisch als einzige Staats- und
Unterrichtssprache statt des Englischen eingeführt. Mit einiger zeitlicher
Verzögerung kam es 1958 zu sich ausweitenden Tamilen-Demonstrationen gegen
dieses Gesetz, die im Mai 1958 zum ersten Tamilenpogrom seitens des
singhalesischen Mobs führten, das nach Ausrufung des Notstands durch die
Regierung mit Hilfe der Armee beendet wurde (4.). Mit dem "Tamil Language Act"
vom Juli 1958 wurde daraufhin Tamil in den Nord- und Ostprovinzen als
gleichrangige Unterrichts- und Behördensprache anerkannt; die offizielle Politik
wurde aber weiterhin von einer systematischen Diskriminierung der tamilischen
Bevölkerungsgruppe bestimmt. So wurde mit dem Anfang 1961 erlassenen, zwei
Jahre später in Kraft getretenen "Language of the Courts Act", das Englische als
Amts- und Gerichtssprache allein durch Singhalesisch ersetzt, was im März/April
1961 zu Protesten im Norden und Osten führte (4.). Nach dem Sieg der UNP bei
den sechsten Parlamentswahlen im März 1965, die zur Ablösung von Frau
Bandaranaike als Regierungschefin und zu einer Koalitionsregierung, der auch die
tamilische "Federal Party" (FP) angehörte, führten, kam es zu einer Übereinkunft
zwischen der UNP und der FP, daß der "Tamil Language Act" von 1958 realisiert
und der "Language of the Courts Act" von 1961 dahingehend ergänzt werden
sollte, daß in der Nord- bzw. Ostprovinz auch Tamil als Amts- und Gerichtssprache
zugelassen werden sollte (4.); die Regierung legte 1966 in
Ausführungsbestimmungen dazu fest, daß Tamil im Schriftverkehr mit amtlichen
Dienststellen im ganzen Land benutzt werden konnte; öffentliche Verlautbarungen
und Rechtsnormen sollten von nun an zweisprachig veröffentlicht werden (4.).
Bei der siebten Parlamentswahl im Mai 1970 errang die SLFP nach Angriffen gegen
die UNP wegen deren "tamilenfreundlicher" Sprachenpolitik einen erdrutschartigen
Sieg, der zur Bildung einer Koalitionsregierung unter Ministerpräsidentin
Bandaranaike führte. Die 1971 in Kraft getretene "Standardisierung-Verordnung"
regelte den Zugang zu den Universitäten nach Sprachenproporz (zu Einzelheiten
vgl. 2., S. 6). Die damals an den Universitäten überproportional vertretenen
Tamilen fühlten sich dadurch benachteiligt und protestierten; es kam zur
Radikalisierung der tamilischen Jugend (33., S. 22, 48). Die Verordnung war bis
zum UNP-Sieg bei den achten Parlamentswahlen im Juli 1977 in Kraft.
Mit der neuen Verfassung vom 22. Mai 1972, der ersten republikanischen
Verfassung, wurde die damalige konstitutionelle Monarchie Ceylon zur Republik Sri
Lanka erklärt (vgl. zum folgenden 4.). Die Verfassung enthielt keine
Schutzgarantien mehr für Minderheiten, das Diskriminierungs- bzw.
Privilegierungsverbot in Art. 29 der Verfassung aus dem Jahre 1948 trat außer
Kraft. Die Religionen sollten Kulturfreiheit genießen, es war allerdings ausdrücklich
vorgesehen, daß der Buddhismus zu schützen und zu fördern sei. Den Rechtstitel
"Staatsbürger aus Geburt" billigte die neue Verfassung nur den Singhalesen zu,
Mitglieder anderer ethnischer Gruppen erhielten den Status "Registrierte Bürger".
Danach gab es in Sri Lanka drei Kategorien von Bürgern: Die singhalesischen
"Staatsbürger aus Geburt", die "Registrierten Bürger" (überwiegend die Ceylon-
Tamilen) und fast eine Million staatenlose Indien-Tamilen. Amts- und
Gerichtssprache blieb Singhalesisch, jedoch mußten alle Gesetze in Tamil
übersetzt werden, der "Tamil Language Act" aus dem Jahr 1958 blieb in Kraft.
Als Reaktion auf diese politische Entwicklung entstand noch 1972 die Tamil United
Front (TUF) als Zusammenschluß dreier konservativer tamilischer Parteien,
darunter der FP. Im Mai 1976 erfolgte die Umbenennung der TUF in Tamil United
Liberation Front (TULF), die die Notwendigkeit der Schaffung eines freien,
souveränen, säkularen, sozialistischen Staates, genannt Tamil Eelam, der auf dem
Recht der Selbstbestimmung basiert, propagierte (33., S. 47; sog. "Vaddukoddai
Resolution").
Bei den achten Parlamentswahlen im Juli 1977, die zu einem Erdrutschsieg der
UNP (140 von 168 Sitzen) führten, wurde die TULF mit 18 Sitzen stärkste
Oppositionspartei; sie konnte im Norden fast 70 % der Stimmen und alle 14 Sitze
für die Nordprovinz und vier der 12 Sitze für die Ostprovinz erringen. Ein weiterer
Tamile kam als UNP-Abgeordneter ins Parlament und erhielt einen Ministerposten
in der UNP-Regierung unter Ministerpräsident Junius Richard Jayewardene (4.). Im
Anschluß an die Wahlen kam es im August und September 1977 erneut zu
Rassenunruhen mit Pogromen gegen Tamilen, die zwar von Jaffna ausgingen,
jedoch vornehmlich in den überwiegend von Singhalesen bewohnten Gebieten des
Südens und Südwestens stattfanden. Die Unruhen forderten nach offiziellen
Angaben 125 Tote, darunter 97 Tamilen, 4.000 Personen wurden verhaftet. Im
Verlauf der Unruhen kam es zu einer ersten Fluchtbewegung von Tamilen nach
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Verlauf der Unruhen kam es zu einer ersten Fluchtbewegung von Tamilen nach
Norden, bei der etwa 40.000 Tamilen aus den umkämpften Gebieten in die
Großstädte der Nordprovinz oder in Flüchtlingslager der Armee flohen (4.).
Mit einer Verfassungsänderung vom Oktober 1977 wurde ein Präsidialsystem nach
französischem Vorbild eingeführt. Das Amt des Präsidenten übernahm im Februar
1978 der bisherige Ministerpräsident Jayewardene, Ministerpräsident wurde
Ranasinghe Premadasa (4.; 33., S. 24, 38). Bereits die Regierung Jayewardene
hatte eine Politik begrenzter Autonomiegewährung für die tamilischen Provinzen
verfolgt und konnte hierfür teilweise auch die Kooperation der TULF gewinnen.
Dadurch verstärkte sich jedoch zugleich der Zulauf zu radikalen und militanten
Tamilenorganisationen wie den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), die das Ziel
eines souveränen Tamilen-Staates mit Terroranschlägen zu erreichen suchten
(vgl., auch zum folgenden, 33., S. 48 ff.). Neben der militärisch dominanten LTTE
sind weitere bedeutende militante tamilische Gruppierungen in der Folgezeit
entstanden, insbesondere die Eelam Peoples Revolutionary Liberation Front
(EPRLF), die Eelam Revolutionary Organisation (EROS), die Tamil Eelam Liberation
Organisation (TELO), die Peoples Liberation Organisation of Tamileelam (PLOT(E))
und die Eelam National Democratic Liberation Front (ENDLF).
Nach der, angeblich von Mitgliedern tamilischer Jugendorganisationen
durchgeführten, Ermordung von fünf Polizisten Anfang Mai 1978 bei Mannar
(Nordprovinz) erließ die Regierung am 15. Mai 1978 Haftbefehl gegen 38
mutmaßliche Mitglieder der LTTE, von denen sich 27 freiwillig stellten. Mit dem am
19. Mai 1978 vom Parlament verabschiedeten "Proscribing of Liberation Tigers of
Tamil Eelam and other Organizations Law" wurde die LTTE verboten und die
Strafprozeßordnung durch Einfügung besonderer Bestimmungen, die auch eine
einjährige Vorbeugehaft für Personen, die der Unterstützung vom Präsidenten
verbotener Organisationen verdächtig waren, verschärft; außerdem wurde die
Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit eingeschränkt (4.).
Am 7. September 1978 trat die dritte Verfassung in Kraft, mit der der Staat in
"Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka" umbenannt wurde. Das
Präsidialsystem - nunmehr mit Direktwahl des Präsidenten - wurde beibehalten.
Singhalesisch blieb offizielle Amtssprache, daneben wurde jedoch Tamil als
Nationalsprache anerkannt. Die neue Verfassung enthielt ausdrücklich ein Verbot
aller Formen von Folter oder grausamer, unmenschlicher bzw. erniedrigender
Behandlung oder Strafe, ließ aber daneben beträchtliche
Grundrechtsbeschränkungen zu, wie etwa ein Abweichen von der
Unschuldsvermutung und dem Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen aus
Gründen der nationalen Sicherheit (4.).
Mitte Juli 1979 kam es wegen andauernder lokaler Unruhen zwischen Tamilen und
Sicherheitskräften unter Beteiligung verbotener tamilischer
Untergrundorganisationen zur Verhängung des Ausnahmezustands über die
Provinz Jaffna (4.). Die Armee wurde mit dem Auftrag in den Norden entsandt,
innerhalb von sechs Monaten für Ruhe zu sorgen (33., S. 24). Am 19./20. Juli 1979
verabschiedete das Parlament in einem beschleunigten Verfahren als Reaktion auf
den aufkommenden Terrorismus den "Prevention of Terrorism (Temporary
Provisions) Act" (PTA; vgl. dazu 4.). Danach werden unter anderem bestimmte
Polizeibeamte ermächtigt, Verdächtige ohne Zeugen zu verhaften, zum Zwecke
des Verhörs an jeden anderen Ort zu verbringen und ohne richterlichen Befehl bis
zu 72 Stunden lang festzuhalten. Auf Anordnung eines Ministers können
Verdächtige wiederholt für jeweils drei Monate bis zu einer Gesamthaftdauer von
18 Monaten festgehalten werden, ohne daß hiergegen die Anrufung eines Richters
zulässig wäre (sog. incommunicado-Haft, bei der über den Namen des
Verhafteten, seinen Verbleib und die Haftgründe keine Auskunft erteilt wird). Zu
weiteren Einzelheiten des PTA wird auf die ausführliche Darstellung im Beschluß
des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u. a. - (a.a.O.,
319) Bezug genommen. Noch am Tage des Inkrafttretens des PTA wurden nach
Mitteilung der in der Opposition befindlichen TULF in der Provinz Jaffna 147
Personen festgenommen und gefoltert. Nach halbjähriger Verhängung wurden
Ende Dezember 1979 der Ausnahmezustand über die Provinz aufgehoben und
etwa 100 Inhaftierte freigelassen (4.).
Nach der Ermordung von zwei Polizisten im März 1981 durch tamilische
Jugendliche bei einem Banküberfall, auf die hin in den folgenden Wochen
mindestens 25 Tamilen in Isolationshaft genommen wurden, und der Erschießung
von zwei Polizisten auf einer Wahlversammlung der TULF am 31. Mai 1981 in Jaffna
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von zwei Polizisten auf einer Wahlversammlung der TULF am 31. Mai 1981 in Jaffna
kam es zu mehrere Tage lang andauernden Vergeltungsmaßnahmen seitens
Hunderten bewaffneter, zum Teil in Zivil gekleideter, Polizisten, wobei Dutzende
von Geschäften, Büros und Privathäusern in Jaffna, darunter das Parteibüro der
TULF und die tamilische Nationalbibliothek, die von Mitgliedern der
Sicherheitskräfte in Brand gesteckt wurde (8.), vernichtet wurden (vgl., auch zum
folgenden, 4.). Am 2. Juni 1981 verhängte die Regierung den Ausnahmezustand
und eine Ausgangssperre über die Provinz Jaffna, am 4. Juni 1981 über das ganze
Land, nachdem in der Nacht zuvor fünf junge Tamilen in Jaffna von Armee-
Einheiten wegen Verstoßes gegen das Ausgangsverbot erschossen worden waren.
Der Ausnahmezustand über das ganze Land wurde am 9. Juni 1981 aufgehoben,
am folgenden Tag auch der Ausnahmezustand für die Provinz Jaffna. Nachdem es
Mitte August 1981 in den Ostprovinzen und in Colombo wieder zu Angriffen des
singhalesischen Mobs auf Läden von Tamilen gekommen war, übertrug
Staatspräsident Jayewardene am 12. August 1981 die Polizeibefugnisse
einschließlich Untersuchung und Festnahme der Armee, die in den folgenden
Tagen einige hundert Personen aufgrund der neuen Sondervollmachten festnahm.
Am 17. August 1981 verhängte die Regierung erneut den Ausnahmezustand über
das ganze Land und setzte Notstandsgesetze in Kraft, die für Brandstiftung und
Plünderung schwerere Strafen bis hin zur Todesstrafe vorsahen. Der
Ausnahmezustand wurde am 17. Januar 1982 aufgehoben. Im März 1982 beschloß
das Parlament eine nicht mehr befristete Neufassung des PTA aus dem Jahr 1979,
die insbesondere erweiterte Vollmachten für den Verteidigungsminister vorsah,
der nunmehr die Inhaftierung eines mutmaßlichen Terroristen bis zu 18 Monaten
ohne richterliche Anordnung und ohne Begründung der Untersuchungshaft
veranlassen konnte (1.; 4.).
Eine Kommission unter Leitung des Staatspräsidenten, der neben 15 Ministern
auch fünf Vertreter der TULF angehörten, erarbeitete im Laufe des Jahres 1982
eine Reihe von Vorschlägen zur Lösung der Konflikte zwischen den
Bevölkerungsgruppen (3.). Dazu gehörte auch die Regelung der finanziellen
Entschädigung der tamilischen Opfer der Ausschreitungen im Mai/Juni 1981.
Präsident Jayewardene stellte aus eigenen Mitteln eine Million Rupien für den
Wiederaufbau der bei den Ausschreitungen zerstörten Bücherei in Jaffna bereit und
rief zur Einzahlung weiterer Spenden auf. Mit der Auszahlung der staatlichen
Entschädigungsleistungen an tamilische Opfer der Ausschreitungen, denen ein
auch von tamilischer Seite als insgesamt angemessener Gesamtschadensbetrag
von 22,6 Mio. Rupien zugrunde lag (1.; 3.), wurde 1982 begonnen.
Gleichwohl wuchsen die Spannungen weiter und eskalierten im Juli/August 1983
zum bislang größten Tamilen-Pogrom seit Erlangung der Unabhängigkeit (vgl.
dazu insbesondere 4. Sonderband Jan. - Dez. 1983; 5.; 6.; 8. und 9.). Den Anfang
dieser schweren ethnischen Auseinandersetzungen bildeten seit April 1983 ständig
auftretende blutige Unruhen in der schließlich unter die Verwaltung der Marine
gestellten Stadt Trincomalee, bei denen vor allem singhalesische Banden Tamilen
angriffen. Die am 1. Juli 1983 in Jaffna erfolgte Verhaftung zweier tamilischer
Politiker, die wegen der Ereignisse in Trincomalee zum Proteststreik aufgerufen
und die Entsendung einer UN-Friedenstruppe verlangt hatten, führte in den
folgenden Tagen zu mehreren bewaffneten Racheaktionen militanter Tamilen im
Jaffna-Distrikt. Am 15. Juli 1983 wurde bei einem bewaffneten Zusammenstoß
zwischen tamilischen Separatisten und einem Suchtrupp der Armee neben
anderen Tamilen der Führer des militärischen Flügels der LTTE, Anton, getötet. Am
23. Juli 1983 wurden bei Thinnavely in der Provinz Jaffna 13 Soldaten Opfer eines
Überfalls tamilischer Extremisten der LTTE. Dieses Vorkommnis löste dann
seinerseits ein vom 24. Juli bis zum 2. August 1983 dauerndes Pogrom gegen die
tamilische Minderheit aus. Ausgangspunkt dieser Massaker war die am nächsten
Tag erfolgte Beisetzung der getöteten Soldaten in Colombo, wo größere Banden
von Singhalesen planmäßig Tamilen und tamilisches Eigentum angriffen, innerhalb
der ersten 24 Stunden bereits mehr als hundert Menschen töteten und Hunderte
von Häusern und Geschäften niederbrannten. Am 25. Juli 1983 griffen die
Ausschreitungen auf weitere Städte des Landes über. In Trincomalee zogen 130
marodierenden Marinesoldaten durch die Stadt, demolierten 175 Häuser und
Geschäfte, töteten einen Menschen und verletzten weitere zehn, bis sie in ihren
Kasernen unter Arrest gestellt werden konnten. Insgesamt wurden an diesem Tage
in den Nordprovinzen 20 unbewaffnete tamilische Zivilisten von Soldaten
erschossen. Im Welikada-Gefängnis in Colombo wurden 35 von insgesamt 73
wegen terroristischer Handlungen verurteilten oder angeklagten Tamilen von
singhalesischen Mithäftlingen ermordet. Zwei Tage später wurden in demselben
Gefängnis nochmals 18 Tamilen umgebracht. Ihren Höhepunkt erreichten die
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Gefängnis nochmals 18 Tamilen umgebracht. Ihren Höhepunkt erreichten die
pogromartigen Ausschreitungen gegen Tamilen am 29. Juli 1983, als allein in
Colombo 15 Tamilen von singhalesischem Mob erschlagen, 15 Plünderer von
Sicherheitskräften erschossen und mehrere Hundert verhaftet wurden. Nach im
Februar 1984 veröffentlichten amtlichen Zahlen fielen den pogromartigen
Ausschreitungen insgesamt 471 Menschen zum Opfer; im Zuge der
Auseinandersetzungen sei es zu rund 8.000 Brandstiftungen und fast 4.000
Plünderungen gekommen. 79.000 obdachlos gewordene Tamilen seien in 18
Notaufnahmelagern bei Colombo untergebracht worden, mehrere tausend andere
seien aus südlichen Landesteilen in den Jaffna-Distrikt verschickt worden. In der
Zeit von Juli bis November 1983 sollen 24.000 Tamilen aus Sri Lanka nach Indien
geflohen sein. TULF- Generalsekretär Amirthalingam bezifferte demgegenüber in
einer am 14. September 1983 veröffentlichten Stellungnahme die Zahl der
getöteten Tamilen auf 2.000, die Zahl der Obdachlosen auf 155.000 und die
Summe der zerstörten Häuser auf 10.000.
Die nach dem Abflauen der Unruhen vom Parlament verabschiedete sechste
Verfassungsänderung (zu deren Einzelheiten vgl. BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR
502/86 u. a. -, 320 f.), die den Einsatz für einen unabhängigen Staat unter Strafe
stellte, verlangte von allen Parlamentsabgeordneten einen Eid auf den
Einheitsstaat. Da die 14 Abgeordneten der TULF diesen im Hinblick auf die
separatistischen Ziele ihrer Partei verweigerten und den Parlamentssitzungen drei
Monate lang fernblieben, verloren sie Ende 1983 ihre Mandate.
Am 7. August 1983 gab die Regierung zu, daß nach dem Anschlag der LTTE am
23. Juli 1983 wütende Soldaten 20 Zivilisten im Jaffna-Distrikt erschossen hätten.
Zur Behebung der durch die Unruhen entstandenen Schäden erließ die Regierung
ein Notstandsgesetz, das die Durchführung der notwendigen Schadensregulierung
durch eine besondere Behörde vorsah. Bis zum Jahresende 1983 dauerten die
Unruhen in allen Teilen Sri Lankas, wenn auch mit verminderter Heftigkeit, an, so
daß der immer wieder verlängerte Ausnahmezustand beibehalten wurde, wobei
verschiedentlich die Bestimmungen insbesondere über Ausgangssperren - ebenso
wie die bis Mitte September 1983 geltende Pressezensur - wiederholt gelockert
wurden. Zum Jahresende 1983 berichtete amnesty international London, daß
während des letzten Quartals 1983 insgesamt 170 Personen nach den
Vorschriften des PTA in sog. incommunicado- Haft genommen worden seien (7., S.
6). Ende des Jahres 1983 zeigte Präsident Jayewardene sichtlich Tendenzen zu
einer friedlichen Beilegung des Konflikts unter Einbeziehung der gemäßigten TULF,
die an der das ganze Jahr 1984, jedoch ohne Ergebnisse, tagenden Allparteien-
Konferenz teilnahm (33., S. 25).
Das Jahr 1984 brachte im Süden Sri Lankas, verglichen mit dem Vorjahr, eine
merkliche Beruhigung der innenpolitischen Situation mit andauernden
Bemühungen um eine politische Lösung für ein Zusammenleben der
verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Wegen der häufigen Terroranschläge
vorwiegend tamilischer Extremisten blieben jedoch der Ausnahmezustand und die
hierdurch bedingten Sonderbestimmungen in Kraft (vgl. zum folgenden
insbesondere 7.; 9.; 13. und 14.). In den tamilischen Gebieten des Nordens und
Ostens weiteten sich die Anschläge militanter Separatistenorganisationen jedoch
aus. Die Sicherheitskräfte antworteten auf sie regelmäßig mit
Vergeltungsschlägen (Brandstiftungen, zum Teil Abbrennen ganzer Dörfer und
Stadtteile, mitunter auch wahlloses Erschießen von Verdächtigen) und unterzogen
im übrigen im Zuge von Razzien die von ihnen anhand von Alter und Geschlecht
des Terrorismus besonders Verdächtigen (junge männliche Tamilen etwa im Alter
zwischen 16 und 35 Jahren) ständigen Überprüfungen mit teils kürzeren, teils
längeren Inhaftnahmen. Diese Auseinandersetzungen nahmen im Verlaufe des
Jahres 1984 an Häufigkeit und Intensität zu, Willkür und Brutalität der
Sicherheitskräfte steigerten sich. Seit August 1984 kam es im Norden und Osten
sogar zu Massenrazzien, bei denen über den Kreis der bisher Getroffenen hinaus
auch Minderjährige und Frauen betroffen wurden (14.). Es kam zu verbreitetem
Foltereinsatz, die Haftdauer steigerte sich oft auf einige Monate, während anfangs
die meisten Verhafteten innerhalb von 48 Stunden freigelassen worden. Auf der
Jaffna-Halbinsel kam die Zivilverwaltung zu Jahresbeginn 1985 praktisch zum
Erliegen, die Sicherheitskräfte, überwiegend die Armee, wurden mehr und mehr in
die Forts zurückgedrängt.
b) Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklung kann nicht festgestellt
werden, daß die tamilische Bevölkerung in Sri Lanka und insbesondere im Norden
des Landes in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zur Ausreise des
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des Landes in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zur Ausreise des
Beigeladenen unter einer an ihrer Volkszugehörigkeit anknüpfenden
Gruppenverfolgung zu leiden hatte; dies gilt sowohl hinsichtlich einer unmittelbaren
staatlichen Verfolgung als auch hinsichtlich einer vom srilankischen Staat
gebilligten oder geduldeten Verfolgung durch die singhalesische
Bevölkerungsmehrheit.
Trotz der schwierigen Lage, in der sich die tamilische Bevölkerungsminderheit in
Sri Lanka seit Jahrzehnten wegen der strikten Ablehnung ihrer
Autonomiebestrebungen seitens der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit
befindet, und trotz des seit Anfang der 80er Jahre zunehmend gewalttätigeren und
in weiten Teilen völkerrechtswidrigen Vorgehens der srilankischen Sicherheitskräfte
gerade auch im Norden der Insel, der Heimatregion des Beigeladenen, vermag der
Senat nicht zu der Überzeugung zu gelangen, daß bis zur Ausreise des
Beigeladenen eine staatliche Verfolgung der ethnischen Minderheit der Tamilen
erfolgt ist. Nach Auffassung des Senats läßt sich aus den in das Verfahren
eingeführten Erkenntnisquellen nicht der Schluß ziehen, der srilankische Staat
unterdrücke und verfolge die Tamilen bewußt mit dem Ziel, sie zu assimilieren, zu
vertreiben oder zu vernichten. Eine solche Schlußfolgerung wäre nur dann
gerechtfertigt, wenn etwa maßgebliche staatliche Organe zur Ausrottung oder
Vertreibung der Tamilen offen aufgefordert hätten oder ihren Äußerungen
zumindest eine Billigung oder tatenlose Hinnahme solcher Tendenzen entnommen
werden könnte oder wenn die Regierung Sri Lankas bei ihren Bemühungen,
Sicherheit und Ordnung im Land aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen,
gegen die tamilische Bevölkerungsminderheit als solche gezielt in
menschenrechtswidriger Weise vorgegangen wäre. Hierfür gibt es indessen bis
zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausreise des Beigeladenen keine ausreichenden
Anhaltspunkte und Hinweise.
Asylerheblicher Zwangsassimilierung oder gar Vertreibung oder Vernichtung waren
die Angehörigen der tamilischen Bevölkerungsminderheit bis zur Ausreise des
Beigeladenen nicht ausgesetzt (vgl. zum folgenden insbesondere, auch mit
Schilderung der Geschichte der beiden Volksgruppen, 5. "Sonderblatt ad 1.10").
Zur Ausrottung oder Vertreibung der Tamilen ist seitens maßgeblicher staatlicher
Organe Sri Lankas nie, weder offen noch versteckt, aufgefordert worden. Vielmehr
sind die Tamilen als solche als Teil der Bevölkerung Sri Lankas immer akzeptiert
worden, selbst wenn Teile von ihnen nach den ersten Verfassungen vor 1978 nicht
die Staatsbürgerschaft Sri Lankas erhielten und das Auswärtige Amt im
September 1985 faktische Diskriminierungen feststellte (13.). Allein die auf
Errichtung eines souveränen Tamilenstaates im Norden und Osten Sri Lankas
gerichteten Autonomiebestrebungen tamilischer Bevölkerungsteile hat der von der
singhalesischen Bevölkerungsmehrheit dominierte srilankische Staat nie
akzeptiert. Im Gegensatz zur Situation der Kurden in der Türkei (vgl. dazu Hess.
VGH, 23.11.1992 - 12 UE 2590/89 -) hat der srilankische Staat die Existenz der
Tamilen als eigenständige Volksgruppe zu keinem Zeitpunkt geleugnet. Sie
wurden auch in seiner Verfassungs- und Rechtsordnung jedenfalls seit dem im Juli
1977 erfolgten Amtsantritt der UNP-Regierung Jayewardene uneingeschränkt
anerkannt. Nach Ablösung der vorherigen, mehr singhalesisch-nationalistisch
orientierten SLFP-Regierung unter Führung von Frau Sirimawo Bandaranaike war
der srilankische Staat auf einen Ausgleich und zunächst für längere Zeit auf eine
friedliche Lösung des Tamilenproblems bedacht (3.). Die im September 1978 in
Kraft getretene dritte Verfassung erkannte Tamil ausdrücklich als Nationalsprache
an, bereits vorher war die den Zugang der Tamilen zu den Universitäten
einschränkende "Standardisierungs-Verordnung" aufgehoben worden. Mit der im
November 1981 einberufenen Kommission und der im Januar 1984 einberufenen
Versöhnungskonferenz bemühte sich der Staat immer wieder darum, Vorschläge
zur friedlichen Lösung der Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen, die als
solche anerkannt wurden, zu erarbeiten. Die tamilischen Opfer der
Ausschreitungen von Mitte 1981 und Mitte 1983 erhielten staatliche
Entschädigungsleistungen bzw. Versicherungssummen, Beihilfen und Darlehen zur
Wiedereröffnung ihrer Betriebe (8.; 9.); der Staatspräsident beteiligte sich mit
erheblichen eigenen Mitteln am Wiederaufbau der tamilischen Nationalbibliothek in
Jaffna, deren Existenz im Bewußtsein der tamilischen Bevölkerungsminderheit
einen besonderen Wert hat (3.).
Auch soweit die Verfolgung separatistischer Ziele durch den PTA sowie in noch
schärferer Form durch die sechste Verfassungsänderung vom August 1983
verboten wurde (siehe dazu insbesondere 4., Sonderband Jan. - Dez. 1983 mit
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verboten wurde (siehe dazu insbesondere 4., Sonderband Jan. - Dez. 1983 mit
Übersetzung des Textes), können darin keine Ansätze in der Rechtsordnung für
eine Zwangsassimilierung der Tamilen gesehen werden. Es handelt sich um
Maßnahmen zur Sicherung der staatlichen Einheit, die die Tamilen keinem
Assimilierungsdruck aussetzen oder gar zu ihrer Vertreibung oder Vernichtung
führen, da die nationale Identität und die kulturelle Eigenständigkeit der Tamilen
auch von diesen Vorschriften zu keinem Zeitpunkt berührt wurden. Eine
Gruppenverfolgung der Tamilen läßt sich damit auch aus diesen Gesetzen, die in
weiten Teilen dem Rechtsgüterschutz im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht
(a.a.O., BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 337 ff.)
herausgearbeiteten Kriterien dienen, nicht ableiten.
Die in der Heimatregion des Beigeladenen im Norden Sri Lankas im Zuge der
Unruhen Ende Juli/Anfang August 1983 erfolgten Ausschreitungen von
Armeeangehörigen und die in der Zeit danach bis zur Ausreise des Beigeladenen
insbesondere im Jaffna-Distrikt im Zuge der erheblichen Eskalierung des
bewaffneten Konflikts im Rahmen der Terrorismusbekämpfung begangenen
Übergriffe der Sicherheitskräfte (Armee, Polizei u. a.) gegenüber der zumeist
tamilischen Zivilbevölkerung vermögen nach der aus den Erkenntnisquellen
gewonnen Überzeugung des Senats ebenfalls nicht die Voraussetzungen für die
Annahme einer Gruppenverfolgung zu erfüllen. Es handelte sich damals noch nicht
um eine asylrelevante unmittelbare staatliche Verfolgung der tamilischen
Volksgruppe als solche. Bis zur Ausreise des Beigeladenen war es in seiner
Heimatregion noch nicht zu Rechtsgutbeeinträchtigungen von Tamilen in einer
Intensität und Häufigkeit gekommen, die für jedes Gruppenmitglied die Annahme
rechtfertigen konnte, selbst alsbald Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu
werden (vgl. BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, a.a.O.).
Hinsichtlich von Teilen der pogromartigen Ausschreitungen im Sommer 1983 und
hinsichtlich der in den Jahren 1984 und 1985 zunehmenden Exzesse steht die
Täterschaft staatlicher Sicherheitskräfte fest (5.; 7.; 8.). Gerade im Hinblick auf den
Exzeßcharakter ist aber fraglich, ob darin überhaupt eine unmittelbare staatliche
Verfolgung gesehen werden kann, weil eine solche die Durchsetzung eigener
staatlicher Ziele voraussetzt (BVerwG, 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139
= EZAR 202 Nr. 18). Vielmehr ist insoweit eine Drittverfolgung durch einzelne
Angehörige der überwiegend singhalesischen Sicherheitskräfte anzunehmen, weil
keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß den srilankischen Sicherheitskräften
damals, sei es offen oder versteckt, vorgegeben worden war, die tamilische
Bevölkerungsgruppe oder jedenfalls Teile von ihr, etwa junge männliche Tamilen im
Alter von etwa 16 bis 35 Jahren, jederzeit festzunehmen und verschwinden zu
lassen oder unter Vortäuschung von Exzessen zu töten. Als Drittverfolgung ist sie
dem srilankischen Staat nicht zuzurechnen, weil er sich insoweit im Rahmen der
ihm zur Verfügung stehenden Mittel grundsätzlich schutzbereit gezeigt hat (vgl.
dazu BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 335 f.). So wurden die am
25. Juli 1983 in Trincomalee marodierenden Matrosen alsbald arrestiert und
teilweise entlassen, und gegen die Armeeangehörigen, die in Jaffna als Vergeltung
für den Terroranschlag vom 23. Juli 1983 51 Zivilpersonen umgebracht hatten,
wurde ein Kriegsgerichtsverfahren eingeleitet (8.). Außerdem wurden wiederholt
Versuche zur Disziplinierung der schlecht ausgebildeten und in der Regel, auch
infolge häufigen Alkoholgenusses, undisziplinierten Sicherheitskräfte
unternommen (11.). Jedenfalls aber waren die Ausschreitungen der staatlichen
Kräfte im Juli 1983 wie auch die zahlreichen Vergeltungsaktionen in den Jahren
danach in der Regel jeweils Reaktionen auf die in erster Linie gegen staatliche
Sicherheitskräfte (mit Anschlägen auf singhalesische Zivilisten begann die LTTE
erst 1985) gerichteten Anschläge und Angriffe der aus dem Schutz der
Bevölkerung heraus insbesondere mit "Hit-and-run-Aktionen" (33., S. 50)
operierenden tamilischen Befreiungsbewegung, vor allem der LTTE (vgl. zu Art und
Umfang des damaligen Kampfes 9.). Diese Maßnahmen, wenn auch oft von
hilfloser Wut und wahllosen Zerstörungen geprägt, waren somit anlaßbezogen und
grundsätzlich durch eine von den Betroffenen ausgehende reale oder
vermeintliche Gefahr motiviert und stellten deshalb keine von einem besonderen
Anlaß völlig losgelöste, überwiegend oder ausschließlich an die tamilische
Volkszugehörigkeit anknüpfende kollektive Gruppenverfolgung der Tamilen in den
Nordprovinzen dar, die für jedes Mitglied dieser Gruppe eine jederzeitige
unmittelbar drohende eigene Verfolgung hätte ergeben können. Asylbegründend
ist die Verfolgung des politischen Feindes, nicht die Abwehr des Terrors (BVerfG,
10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 339).
Zweifelsfrei um unmittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen handelt es sich
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Zweifelsfrei um unmittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen handelt es sich
aber, soweit zur Terrorismusbekämpfung seit Anfang der 80er Jahre in
zunehmenden Maße gezielt Razzien durchgeführt und junge männliche Tamilen
etwa im Alter zwischen 16 und 35 Jahren festgenommen und in Armeelagern
verhört wurden. Angesichts des Umstandes, daß sich die damals noch mehreren
militanten tamilischen Befreiungsbewegungen, vor allem die LTTE, in erster Linie
aus diesem Bevölkerungskreis rekrutierten, müssen diese Maßnahmen aber
grundsätzlich als asylirrelevante präventive Maßnahmen zur Abwehr des
Terrorismus angesehen werden, soweit sie nicht wegen einer außergewöhnlichen
Härte und Intensität oder wegen der Inanspruchnahme erkennbar Unbeteiligter
diesen Rahmen überschritten. Zwar sollen die verhafteten Männer innerhalb von
48 Stunden entlassen worden sein, wenn eine erste Befragung durch Spezialisten
des militärischen Nachrichtendienstes offensichtlich keinen Verdacht begründet
hatte, und im übrigen entlassen worden seien, wenn die dezentralen weiteren
Abklärungen durch den zivilen nationalen Sicherheitsdienst CID im Raum Colombo
keine Verdachtsgründe ergeben hatten (9.). Andererseits mußten jüngere
Tamilen, wie zahllose Fälle zeigen, damit rechnen, bei den häufigen Razzien und
Verhaftungsaktionen Opfer von Willkür und Brutalität der Sicherheitskräfte zu
werden (8.), sollen Verhaftungen willkürlich erfolgt und auch Minderjährige und
Frauen betroffen worden sein, die Haftdauer oft bei einigen Monaten gelegen
haben und vielfach über die Anwendung von Folter geklagt worden sein (14.).
Der Senat geht danach davon aus, daß es ab 1983 in den Nordprovinzen zwar
keine flächendeckende staatliche kollektive Verfolgung aller Tamilen, und zwar
auch nicht der jüngeren Männer, wohl aber einzelne, dem Staat zurechenbare und
asylerheblich gezielt gegen Tamilen gerichtete Übergriffe staatlicher
Sicherheitskräfte gegeben hat. Begründete Verfolgungsfurcht im Sinne der
Voraussetzungen der Gruppenverfolgung (vgl. hierzu zuletzt BVerwG, 24.09.1992 -
9 B 130.92 -, a. a. O.), vermochten diese Übergriffe bei dem Beigeladenen aber
nicht hervorzurufen. Abgesehen davon, daß die damals noch geringe Zahl der
Verfolgungsschläge (Referenzfälle; vgl. dazu, auch zu den Begriffen, BVerfG,
23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, a.a.O.; BVerwG, 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, a. a.
O., u. 24.09.1992 - 9 B 130/92 -, a.a.O.) und ihre Art im Gegensatz zu dem
späteren Vorgehen der Sicherheitskräfte, bei der erforderlichen objektiven
Beurteilung noch nicht nach Intensität und Häufigkeit so dicht und eng gestreut
waren, daß sich aus ihnen begründete Furcht, selbst ein Opfer solcher
Verfolgungsmaßnahmen zu werden (sei es als Gruppenverfolgung, sei es als
Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit), hätte ableiten lassen, scheitert die
Einstufung der Maßnahmen als politische Verfolgung schon daran, daß zum
Zeitpunkt der Ausreise des Beigeladenen im Juni 1985 der srilankische Staat
bereits seit geraumer Zeit nicht mehr einen Ordnungsauftrag verfolgte, sondern
parteiischer Gegner in der im Norden Sri Lankas herrschenden
Bürgerkriegssituation war. Weil die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne
wirksamer hoheitlicher Überlegenheit Voraussetzung für eine vom Staat
ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist, fehlt es an der Möglichkeit
politischer Verfolgung, sobald und solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im
umkämpften Gebiet faktisch nurmehr die Rolle einer militärisch kämpfenden
Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht aber
nicht mehr besteht (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 340).
Gleiches gilt für den Guerilla-Bürgerkrieg (a.a.O., 341), wie ihn die LTTE mit ihrer
Offensive ab März 1984 und deren erheblicher Verstärkung ab Mitte November
1984 (11.) eingeleitet hatte. Diese Offensiven führten auf der Jaffna-Halbinsel, der
Heimatregion des Beigeladenen, dazu, daß die herkömmlichen Abwehrmittel des
Polizei- und Strafrechts nicht mehr genügten. Der srilankische Staat griff auf die
wiederholten terroristischen Angriffe der LTTE gegen die staatlichen
Sicherheitskräfte und die tamilische Bevölkerung, mit denen die LTTE deren
Unterstützung erzwingen wollte, zu militärisch-kriegerischen Mitteln. Er war
gleichzeitig außerstande, Leben, Freiheit und Eigentum der Bürger in dem
fraglichen Gebiet verläßlich zu schützen. Die staatliche Friedensordnung war damit
ab dieser Zeit prinzipiell aufgehoben, bestand als staatliche Schutz- und
Verfolgungsmächtigkeit allenfalls noch in der näheren Umgebung der Armeelager,
im übrigen konkurrierten die Sicherheitskräfte wie bei der offenen Bürgerkriegslage
mit starken und überlegenen gegnerischen Kräften (11.; 13.; 61.). Bezeichnend
dafür ist, daß die in den im Zuge der Razzien vorkommenden unkontrollierten
Übergriffen zu sehenden Verfolgungsmaßnahmen erst in dem Zeitpunkt
einsetzten, in denen die terroristischen Angriffe der LTTE das staatliche
Gewaltmonopol fortschreitend auszuhöhlen begannen. Sie sind ein gewichtiges
Indiz für das Entstehen der Guerilla-Bürgerkriegslage, in der die Maßnahmen des
Staates den Charakter asylrechtlich erheblicher Verfolgung verlieren, mögen sie
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Staates den Charakter asylrechtlich erheblicher Verfolgung verlieren, mögen sie
auch - was zweifellos in Sri Lanka der Fall war - völkerrechtswidrig sein (BVerfG,
10.04.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a. a. O., 341).
Der Senat vermag für den fraglichen Zeitraum bis zur Ausreise des Beigeladenen
auch nicht festzustellen, daß die Aktionen der srilankischen Sicherheitskräfte nach
asylerheblichen Merkmalen bestimmte Personen vornehmlich physisch zu
vernichten suchten, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisteten oder an dem
militärischen Geschehen nicht (mehr) beteiligt waren, oder daß sie gar in die
gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder
religiösen Identität des tamilischen Bevölkerungsteils umgeschlagen waren, was
zur Annahme politischer Verfolgung bei der Bekämpfung des (Guerilla-)
Bürgerkriegsgegners trotz Verlust der effektiven Gebietsgewalt des Staates führen
würde (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 340 f.). Von einer
vornehmlichen physischen Vernichtung der bei den Razzien vorübergehend
festgenommenen Tamilen kann schon deswegen keine Rede sein, weil diese zwar
Opfer von Willkür und Brutalität der Sicherheitskräfte während der Inhaftierung
wurden, jedoch in der Regel nach Tagen, Wochen oder Monaten freigelassen
wurden (9.; 14.). Überdies war die Auswahl der Festgenommenen nicht durch
asylerhebliche Merkmale bestimmt, was etwa der Fall gewesen wäre, wenn die
Sicherheitskräfte ausschließlich auf Personen zugegriffen hätten, deren Einsatz für
die Befreiungsbewegungen ihnen bekannt war. Vielmehr erfolgte das Einschreiten
durch Festnahme von Personen, besonders junger Männer bestimmter
Altersgruppen, weil sich die terroristisch vorgehenden Befreiungsbewegungen,
insbesondere die LTTE, aus meist jugendlichen Tamilen der genannten
Altersgruppe (16 bis 35 Jahre) zusammensetzten. Deren Inhaftierung beruhte
offensichtlich lediglich auf dem Verdacht der aktiven Teilnahme am Bürgerkrieg
oder geschah vorsorglich zur Verhinderung ihrer Rekrutierung für die terroristisch
vorgehenden tamilischen Kampfeinheiten, knüpfte mithin gerade nicht an das
asylrechtlich erhebliche Merkmal der Betätigung einer politischen Gesinnung an,
sondern stellte eine präventive Maßnahme zur Abwehr des Terrorismus dar.
Gleiches gilt für die Vergeltungsschläge der Sicherheitskräfte nach
Terroranschlägen, nach deren Ziellosigkeit ebenfalls offensichtlich ist, daß ihnen
keine Auswahl der Opfer nach asylerheblichen Merkmalen zugrunde lag. Auf die
Frage, ob die Opfer der Razzien und Vergeltungsschläge vornehmlich oder gar
ausschließlich Personen waren, die an dem militärischen Geschehen überhaupt
nicht beteiligt waren, kommt es daher nicht an. So unerträglich die Zustände für
die zum damaligen Zeitpunkt in den Nordprovinzen, und insbesondere auf der
Jaffna-Halbinsel, lebenden Tamilen auch gewesen sein mögen, so kann doch gar
von einer gezielten physischen Vernichtung oder Zerstörung der Identität des
tamilischen Bevölkerungsteils, zu verstehen als dessen Ausrottung, nicht die Rede
sein. Dazu hätte es eines gezielten Vorgehens gegen alle oder so gut wie alle
Tamilen bedurft, für das keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Nach den
getroffenen Feststellungen waren in der Heimatregion des Beigeladenen auch
nicht nach asylerheblichen Merkmalen bestimmte Teile der der Gegenseite
zugerechneten tamilischen Bevölkerung von den Festnahmen bei Razzien und
Vergeltungsschlägen betroffen.
Es sind auch keine Anhaltspunkte für eine vom srilankischen Staat gebilligte oder
geduldete Verfolgung der Tamilen durch die singhalesische Bevölkerungsmehrheit
ersichtlich, so daß auch die Voraussetzungen einer mittelbaren staatlichen
Gruppenverfolgung durch Dritte nicht vorliegen. Was das Tamilenpogrom vom Juli/
August 1983 betrifft, ist im Hinblick darauf, daß die gegen die Tamilen gerichteten
Gewalttaten der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit ihren Schwerpunkt im
Südwesten der Insel und im zentralen Bergland, nicht aber in der Heimatregion
des Beigeladenen hatten (5.; 8.) und eine gruppengerichtete Verfolgung durch
Dritte auch regional begrenzt sein kann (BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -,
a.a.O.), fraglich, ob deswegen dem Beigeladenen Verfolgung drohen konnte.
Unabhängig davon kann dieses Pogrom nicht dem srilankischen Staat
zugerechnet werden, weil er mit den ihm an sich zur Verfügung stehenden Kräften
Schutz gewährt und die Unruhen im wesentlichen bis zum 2. August 1983
eingedämmt hat (vgl. zum folgenden insbesondere 4., Sonderband Jan. - Dez.
1983). so wurde der seit dem 18. Mai 1983 aufgrund gewalttätiger Aktionen
anläßlich einer an diesem Tage stattfindenden Parlamentsnachwahl und
Kommunalwahl landesweit verhängte Ausnahmezustand bereits vor dem
Ausbruch des Pogroms wegen der anhaltend unruhigen Situation am 18. Juli 1983
verlängert, am 25. Juli 1983 eine Ausgangssperre über Colombo und den Jaffna-
Distrikt verhängt, am nächsten Tag auf das ganze Land ausgedehnt und der
Einsatz von Polizei und Armee gegen Unruhestifter, Plünderer und ähnliche
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Einsatz von Polizei und Armee gegen Unruhestifter, Plünderer und ähnliche
Personen angekündigt und durchgeführt. Nachdem schon am 13. Juni 1983 zwei
Notstandsverordnungen ergangen waren, mit denen sämtliche Prozessionen
verboten und für Waffen- und Sprengstoffbesitz Freiheitsstrafen nicht unter zehn
Jahren angedroht worden waren, verbot die Regierung am 30. Juli 1983 drei als
verantwortlich bezeichnete, marxistisch orientierte Parteien, gegen deren führende
Funktionäre Haftbefehle ausgestellt wurden, und schloß die Redaktion von vier
Zeitungen. Nach dem Abflauen der Unruhen beschloß das Parlament am 5.
August 1983 die sechste Verfassungsänderung, die jede Form von Separatismus
und seine Propagierung unter Strafe stellte, verkündete die Regierung am 6.
August 1983 die Todesstrafe für illegalen Waffen- und Sprengstoffbesitz und
wurden am 3. September 1983 neue Notstandsbestimmungen in Kraft gesetzt,
die die Todes- bzw. lebenslange Freiheitsstrafe für Brandstiftung, Plünderung und
einige andere Delikte, darunter auch Hervorrufen von Unzufriedenheit, Verbreitung
von Gerüchten und falschen Erklärungen sowie Verteilung von Flugblättern
vorsahen. Hinzu kommt, daß die Regierung und caritative Organisationen
umgehend in der näheren Umgebung Colombos und auch in anderen Landesteilen
Notunterkünfte für die obdachlos gewordenen Tamilen einrichteten und diese
teilweise auch auf die Halbinsel Jaffna verschifften, wo sie weitgehend blieben.
Schließlich verbürgte sich im Frühjahr 1984 der Minister für nationale Sicherheit
mehrfach dafür, daß es nicht zu einer Wiederholung antitamilischer
Ausschreitungen wie Mitte 1983 kommen werde (8.). Der Minister gab ferner
öffentliche Garantien für die Sicherheit auch der in den singhalesischen
Mehrheitsgebieten lebenden Tamilen ab (a. a. O) und bemühte sich wiederholt um
die Wiederherstellung der ausgesprochen mangelhaften Disziplin und Moral bei
Polizei und Armee sowie ferner durch wiederholte Besuche in Jaffna, Trincomalee,
Batticaloa und Gespräche mit dortigen Tamilenrepräsentanten darum, das auf
Angst und Mißtrauen gegründete Konfliktpotential abzubauen. Auf seine Initiative
hin wurden umfassende Untersuchungen von im August 1984 erfolgten
Ausschreitungen von Sicherheitskräften angeordnet und die Notstandsregelung
vom Juni 1983 wieder aufgehoben, nach der die Sicherheitskräfte unter
bestimmten Umständen bei Todesfällen vor Bestattung der Leichen keine post
mortem-Untersuchungen mehr durchzuführen brauchten (a.a.O.).
In der Zeit danach ist es trotz mancher Befürchtungen nach terroristischen
Anschlägen der LTTE, denen Mitglieder der Sicherheitskräfte (Januar 1985 nach
Sprengung eines mit Soldaten besetzten Zuges) bzw. singhalesische Zivilisten in
erheblicher Zahl (Oktober 1984 Bombenexplosion in Colombo; 14. Mai 1985
Massaker der LTTE an über 100 singhalesischen Zivilisten, vgl. 33., S. 50) zum
Opfer fielen, nicht erneut zu Pogromen gegen Tamilen gekommen, was konkret
belegt, daß die Maßnahmen, aus denen der Senat die Schutzbereitschaft des
srilankischen Staates für die in den singhalesischen Mehrheitsgebieten lebenden
Tamilen abgeleitet hat, effektiv waren (10.). Berücksichtigt man, daß es keiner
staatlichen Ordnungsmacht möglich ist, einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und
Gewalt zu garantieren (BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -, BVerfGE 81, 58
= EZAR 203 Nr. 5), so ist es im Rahmen der Anforderungen, die danach an die
Schutzbereitschaft des srilankischen Staates zu knüpfen sind, dem srilankischen
Staat durch die von ihm getroffenen Maßnahmen gelungen, die Tamilen in den
singhalesischen Mehrheitsgebieten vor Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche
Dritte, insbesondere Pogromen, zu schützen; da ein lückenloser Schutz nicht
verlangt werden kann, ist es ohne Bedeutung, wenn es in Einzelfällen noch zu
Übergriffen gekommen ist, jedenfalls Pogrome oder ähnliche massenhafte
Ausschreitungen sind bis zur Ausreise des Beigeladenen (und auch in der Zeit
danach) ausgeblieben.
2. Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der
Beigeladene bis zu seiner Ausreise im Juni 1985 aus individuellen Gründen politisch
verfolgt war oder ihm seinerzeit - was eingetretener Verfolgung gleichstünde
(BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, a.a.O.) - unmittelbar solche Verfolgung
drohte.
Der Senat kommt zu dieser Beurteilung aufgrund der Aussagen des Beigeladenen
bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung bei dem Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 21. April 1986, seinen Darlegungen im
Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 12. Oktober
1989 und seiner Aussage bei der Vernehmung im Rahmen der Beweisaufnahme
am 23. Juni 1993. Auffällig ist zunächst, daß das Vorbringen des Beigeladenen zu
seinem Verfolgungsschicksal widersprüchlich und teilweise erheblich gesteigert ist.
So hat der Beigeladene bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung dargelegt,
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So hat der Beigeladene bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung dargelegt,
dreimal für die PLOT, EPRLF und die Tiger-Bewegung Plakate geklebt zu haben
ohne die Ziele dieser Bewegung zu kennen und ohne Mitglied in einer der
Organisationen zu sein. In der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht hat der Beigeladene auf ausdrückliches Befragen nochmals
erklärt, außer dem Plakatekleben habe er nichts für die Organisationen gemacht.
Im Gegensatz dazu hat er in der von seinem Anwalt mit Schriftsatz vom 2. April
1990 abgegebenen Berufungsbegründung eine umfangreiche Tätigkeit seit 1982
für die PLOT, deren Mitglied er gewesen sei, dargestellt. Die Mitgliedschaft bei der
PLOT, die Mitgliederwerbung für diese und die Unterstützung von deren
Schulungsveranstaltungen durch das Organisieren von Räumen hat der
Beigeladene in der Beweisaufnahme am 23. Juni 1993 bestätigt, hat dagegen trotz
ausdrücklichen Befragens des Berichterstatters nach weiteren Aktivitäten für die
PLOT die in der Berufungsbegründung behauptete Erteilung politischen Unterrichts
nicht erwähnt. Ferner hat er auch auf Vorhalt daran festgehalten, keine Plakate
geklebt zu haben. Auf die bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung vor dem
Bundesamt noch behauptete Tätigkeit (Plakatekleben) für andere Organisationen
als die PLOT, nämlich die EPRLF und die Tiger-Bewegung, ist der Beigeladene bei
späteren Vernehmungen nicht zurückgekommen. Bei keiner seiner Schilderungen
erwähnt hat er den in der Berufungsbegründung enthaltenen Vortrag, er sei im
April 1985 nach einer Bombenexplosion zusammen mit anderen gesuchten
Jugendlichen in den Untergrund gegangen. Nach seinen Angaben bei den drei
Vernehmungen hat er, bis er kurz vor seiner Ausreise nach Colombo ging, bei
seinen Eltern gelebt. Weitere Widersprüche ergeben sich hinsichtlich der eintägigen
Inhaftierung in der Festung Jaffna nach seiner Festnahme in K im August 1984. So
hat er als Grund für die Festnahme sowohl bei seiner Anhörung vor dem
Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
angegeben, es habe sich um eine Personenkontrolle bzw. eine Kontrolle
gehandelt. Auf den Vortrag in der Berufungsbegründung, er sei auf dem Rückweg
von einem Gruppentreffen der PLOT von Soldaten eines Armeelastwagens
angehalten worden, wobei ihn ein Soldat identifiziert habe, was zu seiner
Verhaftung geführt habe, ist er in der Beweisaufnahme vor dem Berichterstatter
nicht mehr zurückgekommen. Zu der eintägigen Inhaftierung in der Festung Jaffna
selbst hat der Beigeladene bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung nichts
weiter vorgetragen, außer daß ihm eine Auflage bei seiner Freilassung nicht erteilt
worden sei. Bei seinem Vortrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht hat der Beigeladene ausdrücklich erklärt, es seien keine
Fragen an ihn gestellt worden, er sei nicht verhört worden. Erstmals in der
Berufungsbegründung ist von einem Verhör und von brutaler Folterung durch
Armeeangehörige die Rede. In seiner Aussage bei der Vernehmung im Rahmen
der Beweisaufnahme am 23. Juni 1993 hat der Beigeladene erstmals selber davon
gesprochen, daß er verhört worden sei, indem er auf die Frage des
Berichterstatters, was die Soldaten mit ihm gemacht hätten, angegeben hat, sie
hätten Informationen über die PLOT-Bewegung gewollt; erst auf ausdrückliches
Befragen seines Bevollmächtigten nach Schlägen und Folter während dieser
eintägigen Verhaftung hat er angegeben, geschlagen und gefoltert worden zu sein
und erst auf nochmaliges Befragen angegeben, er sei überall geschlagen und an
den Füßen mit dem Kopf nach unten aufgehängt worden.
Den erheblich differierenden Aussagen des Beigeladenen zu seinem
Verfolgungsschicksal läßt sich im Kern entnehmen, daß er im Februar und Juli 1984
jeweils in Personenkontrollen von Armeeangehörigen geriet, wobei er geschlagen,
dann aber gleich wieder freigelassen wurde, daß er im August 1984 nach der
Festnahme in K für einen Tag auf der Festung Jaffna inhaftiert, nach Bezahlung von
Bestechungsgeld seitens eines Onkels aber wieder freigelassen wurde und daß er
jedenfalls Unterstützungsaktivitäten für die PLOT durch Flugblattverteilung oder
Kleben von Plakaten erbracht hat. Ferner legt der Senat zugrunde, daß
Sicherheitskräfte in der Zeit zwischen August 1984 und Juni 1985 zwei bis drei Mal
das Haus aufsuchten, in dem der Kläger mit seiner Familie wohnte, und nach ihm
fragten.
Diesen Kern der Verfolgungsbehauptung des Beigeladenen hält der Senat
aufgrund der insoweit im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen für
glaubhaft, obwohl die Darstellungen des Beigeladenen zu den näheren Umständen
auch insoweit teilweise nicht übereinstimmen.
Eine politische Verfolgung des Beigeladenen läßt sich daraus jedoch nicht
entnehmen. Das bloße Anhalten bei Personenkontrollen im Februar und Juli 1984
stellt schon mangels jeglichen Eingriffs keine Verfolgungsmaßnahme dar; der
stellt schon mangels jeglichen Eingriffs keine Verfolgungsmaßnahme dar; der
Beigeladene konnte seinen Weg nach der Kontrolle ungehindert fortsetzen, selbst
das von ihm - erst im Berufungsverfahren vorgebrachte - Auffinden eines
Flugblattes der PLOT bei ihm bei einer dieser Kontrollen führte zu keiner
Maßnahme gegen ihn, nachdem er sich dahingehend herausreden konnte, das
Druckwerk erst soeben von einem Flugblattverteiler erhalten zu haben. Soweit sich
der Beigeladene darauf berufen hat, bei diesen Kontrollen jeweils geschlagen
worden zu sein, ist diese Behauptung nicht substantiiert genug, um daraus
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Intensität des Eingriffs die Asylrelevanz
einer solchen Maßnahme zu begründen. Trotz der erheblichen Steigerung seines
Vortrags im Berufungsverfahren hinsichtlich seiner politischen Tätigkeit und der
Umstände einzelner Verfolgungsmaßnahmen hat der Beigeladene bis zuletzt
keine weiteren Einzelheiten dazu vorgebracht. In der Beweisaufnahme am 23. Juni
1993 hat der Beigeladene, obwohl er vom Berichterstatter im Laufe der
Vernehmung nochmals auf die Notwendigkeit hingewiesen worden war, in seiner
Vernehmung alles zu erzählen, was er für die Stützung seines Asylantrags für
notwendig erachte, bezeichnenderweise die Schläge bei den beiden
Personenkontrollen überhaupt nicht erwähnt, obwohl er, wenn auch erst nach
mehrmaligem Nachfragen, auf die Kontrolle, bei der bei ihm die Flugblätter
gefunden worden waren, zu sprechen gekommen ist. Im Hinblick auf mangelnde
Intensität des Eingriffs asylrechtlich unerheblich ist auch die Freiheitsentziehung
des Beigeladenen durch die höchstens eintägige Inhaftierung auf der Festung
Jaffna im August 1984 nach vorheriger, am gleichen Tage erfolgter Festnahme bei
K. Ob der Beigeladene dabei verhört worden ist, wie er in der
Berufungsbegründung vorgetragen und in seiner Vernehmung im Rahmen der
Beweisaufnahme am 23. Juni 1993 bestätigt hat, oder ob ihm, wie er in seiner
Aussage vor dem Verwaltungsgericht am 12. Oktober 1989 angegeben hat, weder
bei der Festnahme noch während der Inhaftierung Fragen gestellt worden sind,
kann der Senat offen lassen, da bei keiner der beiden Fallgestaltungen eine über
die asylrechtlich unerhebliche eintägige Freiheitsentziehung hinausgehende
asylrelevante persönliche Beeinträchtigung des Klägers, die als gegen ihn
gerichtete politische Verfolgungsmaßnahmen zu qualifizieren wäre, festzustellen
ist. Was das dreimalige Plakatekleben oder Flugblattverteilen angeht -
diesbezüglich sind die Angaben des Beigeladenen zuletzt sogar innerhalb seiner
Vernehmung im Rahmen der Beweisaufnahme am 23. Juni 1993 widersprüchlich
gewesen -, legt der Senat zugrunde, daß der Beigeladene in dieser Form jedenfalls
für die PLOT tätig geworden ist. Soweit er sich bei seiner Anhörung im Rahmen der
Vorprüfung vor dem Bundesamt am 21. April 1986 diesbezüglich auch noch darauf
berufen hat, für die EPRLF und die LTTE tätig geworden zu sein, ist er darauf in
seinen späteren Anhörungen und Vernehmungen und auch in der
Berufungsbegründung nicht zurückgekommen, so daß, auch im Hinblick auf seine
mehrfache Aussage, die Ziele dieser Bewegungen im einzelnen nicht zu kennen,
der Senat zu der Überzeugung gelangt ist, daß der Beigeladene jedenfalls für
diese beiden Befreiungsbewegungen keine Unterstützungshandlungen geleistet
hat; dies auch vor dem Hintergrund, daß er sich im Berufungsverfahren
ausschließlich auf eine Tätigkeit für die PLOT festgelegt hat. Deren Unterstützung
durch Plakatekleben bzw. Flugblattverteilen blieb jedoch für den Beigeladenen
folgenlos; nach seinen diesbezüglich durchgängig während des gesamten
Verfahrens gemachten Angaben ist es während dieser Tätigkeiten für ihn zu
keinem Kontakt mit staatlichen Sicherheitskräften gekommen, er ist dabei niemals
"erwischt" oder gar festgenommen worden. Eine politische Verfolgung des
Beigeladenen kann damit auch insoweit nicht festgestellt werden. Soweit er
schließlich durchgängig davon berichtet hat, die Armee habe nach ihm zwei- bis
dreimal durch Aufsuchen seines Arbeitsplatzes bzw. des Hauses, in dem er mit
seiner Familie wohnte, gesucht und dabei seine Familie nach seinem
Aufenthaltsort gefragt, kann daraus nicht entnommen werden, daß dies
politischen Verfolgungsmaßnahmen dienen sollte. Schon im Hinblick darauf, daß
der Beigeladene jedes Mal nicht gefunden werden konnte, weil er entweder durch
den Hinterausgang entwischen konnte (beim Aufsuchen seines Arbeitsplatzes in
der Elektrowerkstatt) oder sich, offensichtlich vorgewarnt, jeweils "rechtzeitig im
Wald versteckt" hatte (Anhörung im Rahmen der Vorprüfung am 21. April 1986; Bl.
20 der Behördenakte des Bundesamtes), ist davon auszugehen, daß die
Sicherheitskräfte nicht mit besonderer Intensität nach ihm gesucht haben können.
Der Beigeladene ist offensichtlich nicht in das Visier der Sicherheitskräfte geraten;
anderenfalls ist nicht erklärlich, warum er sich nach seinen Angaben im Rahmen
der Vorprüfung vor dem Bundesamt noch fast ein Jahr bei seinen Eltern lebend
aufhalten konnte, ohne nach dem August 1984 nochmals festgenommen zu
werden. Daß er, wie erstmals in der Berufungsbegründung behauptet, in dieser
Zeit teilweise im Untergrund gelebt hat, hält der Senat wegen der späten Berufung
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Zeit teilweise im Untergrund gelebt hat, hält der Senat wegen der späten Berufung
des Beigeladenen auf diesen Umstand für unglaubhaft, ganz abgesehen davon,
daß der Beigeladene darauf in seiner Vernehmung im Rahmen der
Beweisaufnahme im Berufungsverfahren am 23. Juni 1993 nicht zurückgekommen
ist. Es sind keine intensiven und nachhaltigen Maßnahmen der Sicherheitskräfte
dargelegt, des Beigeladenen habhaft zu werden. Die bloßen Nachfragen der
Sicherheitskräfte nach ihm sind keine Maßnahmen, die eine gegen den
Beigeladenen gerichtete politische Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der
Intensität bzw. der an ein asylrelevantes Merkmal anknüpfenden Gerichtetheit der
Maßnahme begründen könnten. Daß der Beigeladene bis zu seiner Ausreise
weitere Fahndung der Sicherheitskräfte nach ihm fürchtete, begründet auch keine
ihm unmittelbar drohende politische Verfolgung. Solche kann allein aus dem
Umstand, daß die Sicherheitskräfte den Betreffenden suchten bzw. wiederholt
befragten, nicht hergeleitet werden (BVerwG, 09.04.1991 - 9 C 91.90 u. a. -, NVwZ
1992, 270 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 143).
Daß für die Ausreise des Beigeladenen nicht erlittene politische Verfolgung im
Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG oder die Furcht vor deren unmittelbarem Drohen,
sondern andere Gründe maßgebend waren, wird aus seinen zu Beginn des
Asylverfahrens gemachten Angaben besonders deutlich. So hat er sich in seiner
handschriftlichen, undatierten Asylantragsbegründung (Bl. 7 der Akte des
Bundesamtes) allein ganz allgemein darauf berufen, die Tamilen könnten in Sri
Lanka wegen der Schwierigkeiten durch die Armeeangehörigen nicht leben, weil
das Militär Tamilen umbringe. Ein individueller Bezug wurde von ihm selber nicht
hergestellt. Noch deutlicher wird dies bei seinen Angaben bei der Anhörung im
Rahmen der Vorprüfung vor dem Bundesamt am 21. April 1986, bei der er einen
konkreten Anlaß zur Ausreise ausdrücklich in Abrede gestellt, diese vielmehr allein
mit der "allgemeinen schlechten Lage der Tamilen in Sri Lanka" begründet hat (Bl.
20 des Bundesamtes).
Soweit der Beigeladene über diesen Kern hinaus den Vortrag zu seinem
Verfolgungsschicksal im Berufungsverfahren erheblich gesteigert hat, hat er nach
der Überzeugung des Senats politische Verfolgung nicht glaubhaft dargetan.
Steigerungen im Sachvortrag können dem Asylsuchenden nur bei einer
überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (BVerwG,
20.08.1974 - 1 B 15.74 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 6). Einen in Ansehung
seiner Mitwirkungspflicht, von Anfang an umfassend die in seine eigene Sphäre
fallenden Ereignisse zu schildern, die seiner Auffassung zufolge geeignet sind, den
Asylanspruch zu tragen (vgl. oben S. 15), nachvollziehbaren Grund für die
erhebliche Steigerung seines Tatsachenvortrags hat der Beigeladene nicht
dargelegt; ein solcher Grund ist dafür auch im übrigen nicht ersichtlich. Die
Steigerung betrifft im wesentlichen die Komplexe der eintägigen Inhaftierung auf
der Festung Jaffna im August 1984, wo der Kläger brutal gefoltert worden sein will,
und die Behauptung seiner Mitgliedschaft bei PLOT, bei der er
Gebietsverantwortlicher für das Sandilipay- Gebiet gewesen sein und Unterricht
erteilt sowie Mitglieder rekrutiert haben will. Von beiden Komplexen ist erstmals in
der von seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten abgegebenen
Berufungsbegründung vom 2. April 1990 die Rede, also erstmals fast fünf Jahre
nach der Asylantragstellung. In seinen beiden vorhergehenden Vernehmungen vor
dem Bundesamt im Rahmen der Vorprüfung am 21. April 1986 (zehn Monate nach
seiner Asylantragstellung) und in der mündlichen Verhandlung des
Verwaltungsgerichts am 12. Oktober 1989 ist von beiden Komplexen auch nur
ansatzweise nicht die Rede, genausowenig in seiner bei der Grenzschutzstelle
abgegebenen handschriftlichen Asylantragsbegründung, wo insbesondere die
Erwähnung vor einem knappen Jahr erlittener Folter - bei eigenem Erleben - zu
erwarten gewesen wäre. Hinsichtlich der Inhaftierung auf der Festung Jaffna gab
der Beigeladene im Rahmen der Vorprüfung am 21. April 1986 nur an, in K von
Armeeangehörigen festgenommen und nach Jaffna zu einer Festung gebracht
worden zu sein, die von den Soldaten als Lager benutzt worden sei. Noch am
selben Tag etwa gegen 20 Uhr sei er wieder freigelassen worden. Den Grund für
die Festnahme könne er nicht nennen, sie sei im Rahmen einer Personenkontrolle
erfolgt. Freigelassen worden sei er nach der Zahlung von Bestechungsgeld in ihm
unbekannter Höhe durch seinen Onkel. Eine Auflage sei ihm bei seiner Freilassung
nicht erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
am 12. Oktober 1989 gab er hierzu an, er sei festgenommen worden, weil man ihn
habe kontrollieren wollen. Man habe keine Fragen an ihn gestellt. In der Festung
sei es wie in einem Gefängnis gewesen, sie hätten immer im Kreis herumlaufen
müssen. Verhört worden sei er nicht. Das pauschale, erstmalige Vorbringen in der
Berufungsbegründung vom 2. April 1990 (Bl. 96 d. A.), in der die Festung als
67
Berufungsbegründung vom 2. April 1990 (Bl. 96 d. A.), in der die Festung als
"Polizeistation Jaffna" bezeichnet wird, er sei verhört und "von Armeeangehörigen
brutal gefoltert" worden, hat er zunächst nicht näher konkretisiert und erst auf
wiederholtes, gezieltes Nachfragen seines jetzigen Prozeßbevollmächtigten in
seiner Vernehmung im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem Berichterstatter am
23. Juni 1993 dahingehend ergänzt, "überall geschlagen ... (und) an den Füßen mit
dem Kopf nach unten aufgehängt" worden zu sein. Hinsichtlich der Mitgliedschaft
bei PLOT und den Organisationstätigkeiten für diese hat der Beigeladene sowohl
vor dem Bundesamt am 21. April 1986 als auch vor dem Verwaltungsgericht am
12. Oktober 1989 ausdrücklich erklärt, nicht Mitglied in dieser oder einer anderen
Organisation oder Partei gewesen zu sein und, auf Befragen nach seiner
Motivation für das Plakatekleben für eine Freiheitsbewegung (bei beiden
Anhörungen hatte er ausgesagt, nur Plakate geklebt zu haben), nur angegeben,
aus Freundschaft den für einen eigenen Staat der Tamilen kämpfenden
Freiheitsbewegungen geholfen zu haben. Erstmals in der Berufungsbegründung
vom 2. April 1990 hat der Beigeladene eine PLOT-Mitgliedschaft behauptet und
seine Aufgaben innerhalb dieser Organisation dahingehend geschildert, daß er
Verantwortlicher für das Sandilipay-Gebiet gewesen sei und die Aufgabe gehabt
habe, "politischen Unterricht für Jungen zu erteilen und junge Leute für die PLOT zu
rekrutieren, ... (wodurch) er in seinem Gebiet sehr bekannt" geworden sei (Bl. 95 d.
A.). In seiner Vernehmung im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem
Berichterstatter am 23. Juni 1993 ist der Beigeladene dann auf die angebliche
Erteilung politischen Unterrichts nicht zurückgekommen, hat vielmehr insoweit
angegeben, lediglich "geholfen (zu haben) Räume zu finden, damit die Bewegung
Leute unterrichten kann" (Niederschrift über den Beweisaufnahmetermin am 23.
Juni 1993, Bl. 146 d. A.).
Die vom Beigeladenen angegebene Begründung für die erhebliche Steigerung des
Tatsachenvortrags hinsichtlich beider Komplexe vermag der Senat nicht
nachzuvollziehen. In der Berufungsbegründung vom 2. April 1990 hat sich der
Beigeladene darauf berufen, bislang seine politischen Aktivitäten auf den Rat vieler
Landsleute hin nicht völlig enthüllt zu haben, weil diese ihm geraten hätten, nichts
von seiner Verbindung zu PLOT zu erzählen, weil er sonst nach Sri Lanka
zurückgeschickt würde; aus Furcht davor, versichert er, in seinen Angaben
zurückhaltend gewesen zu sein (Bl. 97 d. A.). Dies ist, ganz abgesehen davon, daß
damit das bisherige Nichterwähnen der angeblich erlittenen Folter nicht erklärt ist,
in Ansehung seiner Mitwirkungspflicht im Asylverfahren, schon bei der
Beantragung politischen Asyls bei oder nach der Einreise umfassend sein eigenes
politisches Verfolgungsschicksal zu schildern, keine rechtlich relevante,
nachvollziehbare Begründung. Gegenüber seiner Pflicht, im Asylverfahren von
Anfang an umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern,
kann sich der Beigeladene nicht auf entgegenstehende Ratschläge Dritter berufen,
um darzutun, warum er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Es fällt ferner auf
und bestärkt den Senat in seiner Überzeugung von der Unglaubhaftigkeit des
gesteigerten Vorbringens des Beigeladenen, daß dieser noch bei seinen Angaben
vor dem Verwaltungsgericht am 12. Oktober 1989, zu einem Zeitpunkt, in dem er
über vier Jahre bereits in der Bundesrepublik war und Kenntnis über seinen
rechtlichen Status als Asylbewerber gehabt haben muß, nichts über seine PLOT-
Mitgliedschaft und die angeblich während der Inhaftierung auf der Festung Jaffna
erlittene Folter erzählt hat und beide Komplexe erstmals erst in der
Berufungsbegründung angesprochen werden, nachdem nämlich das
erstinstanzliche Verfahren mit der Aufhebung des den Beigeladenen als
Asylberechtigten anerkennenden Bescheides des Bundesamtes einen für ihn
negativen Ausgang genommen hatte. Vor diesem Hintergrund erscheint die von
seinem Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 8. Juli 1993 eingeräumte Unfähigkeit
des Beigeladenen, in seiner Vernehmung im Rahmen der Beweisaufnahme am 23.
Juni 1993 einen zusammenhängenden Sachvortrag vorzunehmen, in einem
anderen Licht als dem der übergroßen Nervosität, auf die der Bevollmächtigte
abhebt. Der Beigeladene mag zwar nervös gewesen sein, er war aber
offensichtlich, wie die Abfolge von Fragen und Antworten in der Niederschrift über
den Beweisaufnahmetermin belegt, nicht in der Lage, den Inhalt des
Tatsachenvortrags der Berufungsbegründung vom 2. April 1990 als selbsterlebtes
Verfolgungsschicksal darzustellen. So hat er bezeichnenderweise auch die
angebliche Folter während der eintägigen Inhaftierung auf der Festung Jaffna erst
auf ausdrückliches Befragen seines Bevollmächtigten nach einer Folterung
angegeben und ist auch beim nochmaligen Befragen nach Schlägen und Folter
mehr im Allgemeinen geblieben und hat detailreiche, konkretisierte Angaben, die
bei eigenem Erleben zu erwarten gewesen wären, nicht gemacht.
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Schließlich läßt sich auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der
Beigeladene nach seinen eigenen Angaben keine Schwierigkeiten bei seiner
Ausreise hatte und mit einem ordnungsgemäßen Paß legal vom Flughafen
Colombo ausreisen konnte, nicht feststellen, daß er bei seiner Ausreise politischer
Verfolgung ausgesetzt war oder ihm Maßnahmen politischer Verfolgung
unmittelbar bevorstanden.
II.
Da der Beigeladene somit bis zu seiner Ausreise aus Sri Lanka nicht politisch
verfolgt war, kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter nur in Betracht, wenn
asylrechtlich beachtliche Nachfluchtgründe vorliegen. Dies setzt voraus, daß dem
Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem
Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in
absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Dabei ist zu unterscheiden zwischen
objektiven Nachfluchtgründen, die durch Vorgänge im Heimatland des
Asylbewerbers unabhängig von seiner Person ausgelöst wurden, und subjektiven
Nachfluchtgründen im Sinne des § 28 AsylVfG, die der Asylbewerber nach
Verlassen des Heimatstaates aus eigenem Entschluß geschaffen hat (BVerfG,
26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18). Für die
Prognose der Verfolgungsgefahr ist der Maßstab anzulegen, ob dem unverfolgt
ausgereisten Asylbewerber politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein
Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, 31.03.1981 - 9 C
286.80 -, EZAR 200 Nr. 3, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, a.a.O., 03.12.1985 - 9 C 22.85
-, a.a.O.).
Bei Anlegung dieses Maßstabes ist festzustellen, daß der Beigeladene nach der
Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in sein Heimatland, und zwar
in den Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere in den Großraum Colombo,
zurückkehren kann, ohne dort von politischer Verfolgung bedroht zu sein. Nach
Auffassung des Senats ist für den unverfolgt ausgereisten Beigeladenen der
Maßstab einer ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden politischen
Verfolgung bei Rückkehr auch unter Berücksichtigung des Umstandes zugrunde zu
legen, daß ihm als Angehörigen der Volksgruppe der Tamilen in einem Teil seines
Heimatlandes, nämlich auf der Jaffna-Halbinsel, politische Verfolgung durch das
Handeln der srilankischen Regierungstruppen als Kriegspartei droht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings der
herabgestufte Prognosemaßstab der notwendigen Feststellung hinreichender
Sicherheit vor politischer Verfolgung anzuwenden, wenn einem Asylbewerber in
einem Teil seines Heimatstaates bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht
(BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, AuAS 1993, 125). Danach ist für die Prognose
einer Verfolgung bei Rückkehr in das Heimatland das jeweilige Staatsgebiet in
seiner Gesamtheit zu betrachten. Ist dieses unter Berücksichtigung des von dem
Asylsuchenden geltend gemachten Verfolgungsgrundes nach dem jeweils
anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab insgesamt frei von politischer
Verfolgung, scheidet ein Asylanspruch aus. Droht jedoch in einem Teil des
Staatsgebietes politische Verfolgung, so erweist sich der Heimatstaat als ein
Verfolgerstaat mit der Folge, daß auch ein unverfolgt ausgereister Asylsuchender
auf andere Gebiete seines Heimatstaates nur dann verwiesen werden kann, wenn
er dort vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm dort auch keine
anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere
einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht
bestünde (BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, a.a.O, unter Hinweis auf BVerfG,
10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.; BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -
, a.a.O.; BVerwG, 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, a.a.O.).
Der Senat hat Bedenken, ob die Anwendung des herabgesetzten
Prognosemaßstabes der hinreichenden Sicherheit vor politischer Verfolgung bei
einer Rückkehr in das Heimatland gerechtfertigt ist, wenn der unverfolgt
ausgereiste Asylbewerber bei einer Rückkehr jedenfalls in einem Teil seines
Heimatlandes verfolgungsfrei leben kann. Die generelle Anwendung des
"herabgestuften" Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch für unverfolgt ausgereiste
Asylbewerber, denen eine Rückkehr an den Ort einer inländischen Fluchtalternative
im Heimatland zugemutet wird, setzte voraus, daß die mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in das Heimatland in einzelnen Gebieten
drohende politische Verfolgung im Hinblick auf das Kriterium der Zumutbarkeit
73
drohende politische Verfolgung im Hinblick auf das Kriterium der Zumutbarkeit
einer solchen Rückkehr gleich zu gewichten wäre wie eine tatsächlich vor der
Ausreise erlittene politische Verfolgung. Insoweit wird auch bei der Untersuchung
einer möglichen inländischen Fluchtalternative vor der Ausreise auf den
geminderten Prognosemaßstab abgestellt (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.
a. -, a.a.O.). Es erscheint fraglich, ob nach dem Sinn und Zweck der
Asylgewährung dem Asylsuchenden eine Rückkehr in verfolgungsfreie Gebiete
seines Heimatlandes nur dann zumutbar sein soll, wenn er unter Berücksichtigung
der ihm in anderen Landesteilen drohenden politischen Verfolgung in den
verfolgungsfreien Gebieten hinreichend sicher vor Verfolgung ist. Nach Auffassung
des Senats kommt es vielmehr darauf an, ob einem - wie im vorliegenden Falle -
unverfolgt ausgereisten Asylbewerber bei einer Rückkehr in verfolgungsfreie
Gebiete seines Heimatlandes politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht. Die zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr bei einer
Rückkehr in das Heimatland des Asylsuchenden anzuwendenden unterschiedlichen
Prognosemaßstäbe hängen unmittelbar mit dem Kriterium der Zumutbarkeit einer
Rückkehr des Asylsuchenden in sein Heimatland zusammen. Die Zumutbarkeit
einer Rückkehr hängt vor allem davon ab, ob der Asylsuchende vor seiner Ausreise
Maßnahmen politischer Verfolgung ausgesetzt war. Mit der Gewährleistung des
Art. 16 a Abs. 1 GG ist es nicht zu vereinbaren, einen schon einmal von
Verfolgungsmaßnahmen betroffenen Menschen wiederum den
Zugriffsmöglichkeiten des Verfolgerstaats auszusetzen, es sei denn, er kann dort
vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein. Dieser herabgesetzte
Prognosemaßstab bezieht sich damit auf das Risiko der Wiederholung einer
politischen Verfolgung, das dem schon einmal verfolgten Asylsuchenden nicht
aufgebürdet werden soll (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, a.a.O.). Die
Anwendung dieses Maßstabes setzt somit die Feststellung voraus, daß der
Asylbewerber vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland politisch verfolgt war
oder daß ihm eine solche Verfolgung unmittelbar drohte. Dieser Sachlage nicht
vergleichbar ist die einem Asylsuchenden bei einer Rückkehr in bestimmte Teile
seines Heimatlandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politische
Verfolgung, wenn er ohne weiteres in Gebiete seines Heimatlandes zurückkehren
kann, in denen ihm bei Anwendung dieses Maßstabes keine politische Verfolgung
droht.
Die gegenteilige Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint zweifelhaft.
Ein Staat ist zwar verpflichtet, seinen Bürgern Schutz vor Maßnahmen zu
gewähren, die als politische Verfolgung zu charakterisieren sind, und er verletzt
diese Schutzpflicht, wenn es tatsächlich zu politischer Verfolgung eines seiner
Bürger kommt. Andererseits gewährt der Staat ausreichend Schutz, wenn
Staatsbürger, die unverfolgt aus ihrem Heimatland ausgereist sind, tatsächlich
verfolgungsfrei in einem Teil des Heimatstaates leben können. Dabei ist für die
Zumutbarkeit des Aufenthalts im Heimatstaat im Hinblick auf Vorflucht- oder
Nachfluchtgründe nicht von maßgeblicher Bedeutung, ob dem Asylbewerber in
anderen Teilen seines Heimatstaates mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische Verfolgung drohte. So gilt ein Asylbewerber als unverfolgt aus seinem
Heimatstaat ausgereist, wenn er tatsächlich politischen Verfolgungsmaßnahmen
nicht ausgesetzt und auch nicht von ihnen unmittelbar bedroht war, ohne daß es
darauf ankommt, ob ihm in bestimmten Landesteilen, in denen er sich tatsächlich
nicht aufgehalten hat, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung
gedroht hätte. Insoweit erfolgt unter dem Gesichtspunkt möglicher politischer
Verfolgung vor der Ausreise ebenfalls keine Betrachtung des Heimatstaates des
Asylbewerbers in seiner Gesamtheit mit der Folge, daß ein Asylbewerber als
vorverfolgt einzustufen wäre, weil ihm in bestimmten Teilen seines Heimatlandes
politische Verfolgung drohte und sich damit sein Heimatstaat als "Verfolgerstaat"
darstellte, obwohl er tatsächlich nicht von politischen Verfolgungsmaßnahmen
betroffen war und diese ihm auch nicht unmittelbar bevorstanden. Wird deshalb
unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit asylrechtlicher Schutzgewährung ein
in seinem Heimatland tatsächlich nicht von politischen Verfolgungsmaßnahmen
betroffener Asylbewerber als unverfolgt ausgereist angesehen, obwohl ihm in
bestimmten Teilen seines Heimatlandes politische Verfolgung (potentiell) gedroht
hätte, so ist kein durchgreifender Gesichtspunkt dafür erkennbar, daß die
Zumutbarkeit der Rückkehr eines unverfolgt ausgereisten Asylbewerbers in sein
Heimatland nach anderen Maßstäben zu beurteilen wäre. Er bedarf keiner
asylrechtlichen Schutzgewährung, wenn ihm - wie vor seiner Ausreise - nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in bestimmten Gebieten
seines Heimatlandes droht, auch wenn er in anderen Landesteilen nach diesem
Wahrscheinlichkeitsmaßstab mit politischer Verfolgung rechnen muß. Der
Heimatstaat des Asylbewerbers erfüllt seine Schutzpflichten ausreichend, wenn er
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Heimatstaat des Asylbewerbers erfüllt seine Schutzpflichten ausreichend, wenn er
dem Asylbewerber ein verfolgungsfreies Leben in bestimmten Teilen des
Staatsgebietes ermöglicht. Wer den gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung
auch im eigenen Land finden kann, bedarf dieser Schutzgewährung im Ausland
nicht (BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 599.81 -, a.a.O.). Dabei kommt es für die
Prognose im Hinblick auf die Rückkehr in das Heimatland nicht auf bestimmte Orte
oder Regionen des Heimatstaates an. Insoweit gibt es keine Grundlage für eine
lokale Zuordnung der zu prognostizierenden politischen Verfolgung zu einem
bestimmten Ort (BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, a.a.O.). Ebenso wie es für die
staatliche Schutzgewährung vor der Ausreise ausreichend ist, daß der
Asylbewerber an seinem Aufenthaltsort unbeeinträchtigt von politischen
Verfolgungsmaßnahmen leben konnte, kann der unverfolgt ausgereiste
Asylbewerber ohne weitere Einschränkungen darauf verwiesen werden, in Gebiete
seines Heimatlandes zurückzukehren, in denen ihm politische Verfolgung nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Schutzgewährung durch Asyl ist nicht schon
dann erforderlich, wenn ein Asylbewerber nicht im gesamten Gebiet seines
Heimatstaates verfolgungsfrei leben kann. Kann der Asylbewerber somit in einen
Teil seines Heimatlandes zurückkehren, in dem ihm politische Verfolgung nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, ist ihm eine solche Rückkehr auch ohne
weitere Einschränkungen - umgesetzt in einen herabgestuften Prognosemaßstab -
zuzumuten. Eine möglicherweise drohende politische Verfolgung in anderen
Landesteilen führt wie bei der Beurteilung der Vorfluchtgründe nicht dazu, daß
deshalb der Prognosemaßstab der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung"
anzuwenden wäre.
Für die Entscheidung im vorliegenden Falle ist die Frage der Anwendung des
normalen oder des herabgestuften Prognosemaßstabes aber nicht erheblich, weil
der Beigeladene bei einer Rückkehr in den Süden und Westen seines
Heimatlandes, insbesondere in den Großraum Colombo, dort auch hinreichend
sicher vor politischer Verfolgung ist; damit steht auch fest, daß ihm nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung dort droht.
1. Dies gilt zunächst für eine dem Beigeladenen als Mitglied der Gruppe der
tamilischen Volkszugehörigen drohende Gruppenverfolgung. Insoweit ist aber
festzustellen, daß Tamilen als Volksgruppe auf der Jaffna-Halbinsel politischer
Verfolgung durch den srilankischen Staat ausgesetzt sind. Allerdings besteht für
Tamilen, auch im Alter zwischen 11 und 35 Jahren, eine inländische
Fluchtalternative im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum
Colombo.
a) Dem Beigeladenen droht in seiner Heimatregion auf der Jaffna- Halbinsel
politische Verfolgung wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit sowohl in den
von der LTTE beherrschten als auch in den von den srilankischen Streitkräften
kontrollierten Gebieten durch an seine Volkszugehörigkeit anknüpfende Übergriffe
der srilankischen Regierungstruppen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die
LTTE.
Dieser Beurteilung liegt zugrunde, daß der srilankische Staat auf der Jaffna-
Halbinsel nur in einigen Bereichen die Gebietsgewalt inne hat, sie aber im
überwiegenden Gebiet dort an die LTTE verloren hat. Dies beruht auf einer
Entwicklung, die sich seit etwa Ende 1984 vollzog. Bis dahin hatte der srilankische
Staat noch überwiegend die Herrschaftsmacht auf der Jaffna-Halbinsel, verlor aber
in der Folgezeit zunehmend die Möglichkeit der Durchsetzung seiner
Hoheitsgewalt. Dies war vor allem Folge der massiven Reaktion der srilankischen
Regierung auf eine am 19. November 1984 eröffnete Offensive der LTTE, vor allem
durch Razzien und Massenverhaftungen (10.; 11.). In der Folge kam es zu großen
Versorgungsschwierigkeiten; die Zivilverwaltung brach zusammen, auch die
Gerichte arbeiteten vielfach nicht mehr. Als von Indien nach Vereinbarung eines
dreimonatigen Waffenstillstandes initiierte Verhandlungen zwischen Tamilen und
Singhalesen im August 1985 ergebnislos abgebrochen worden waren, flammten
die Kämpfe zwischen den srilankischen Streitkräften und tamilischen
Widerstandsgruppen, insbesondere der LTTE, wieder auf (13.). Insgesamt konnte
Ende 1985 wegen der zahlreichen Übergriffe beider kämpfenden Seiten sowie der
tatsächlich nicht mehr funktionierenden Zivilverwaltung und Rechtspflege von einer
Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung nicht mehr die Rede sein. Die
Staatsautorität war nur noch durch die Streitkräfte präsent (13.). Anfang 1986
verschärfte die srilankische Regierung den militärischen Kampf gegen die
tamilischen bewaffneten Gruppen durch erhebliche Aufrüstung der
Regierungstruppen im Norden und Osten Sri Lankas. Spätestens 1986 lag
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Regierungstruppen im Norden und Osten Sri Lankas. Spätestens 1986 lag
jedenfalls die militärische Macht in weiten Teilen der Halbinsel Jaffna in der Hand
der LTTE, die zunehmend versuchte, zivile Verwaltungsaufgaben, die bis dahin zum
Teil noch von der Zentralregierung in Colombo wahrgenommen wurden, an sich zu
ziehen (15.). Die LTTE bemühte sich, neben dem paramilitärischen
Ordnungswesen eigenständig vor allem Steuerwesen, Rechtspflege und
Verkehrswege auf- und auszubauen und die Reste der alten staatlichen
Zentralverwaltung zu beherrschen (16.). Mitte 1987 kam es zu größeren
Säuberungsaktionen des Militärs auf der Halbinsel Jaffna, bei denen auch eine
größere Zahl von Zivilisten umkam (17.).
Am 29. Juli 1987 wurde ein Abkommen zwischen Sri Lanka und Indien geschlossen
(19.), durch das der Jaffna-Distrikt mit der Ostprovinz zu einer Verwaltungseinheit
vereinigt wurde, für die neue Provinzparlamente und Provinzräte gewählt werden
sollten und die größere autonome Kompetenzen haben sollte. Zudem war eine
Generalamnestie sämtlicher tamilischen Gefangenen vorgesehen, die auf der
Grundlage des Prevention of Terrorism Act - PTA - festgenommen waren, sowie die
Abgabe der Waffen durch die tamilischen Untergrundkämpfer. Zur Kontrolle der
Einhaltung des Abkommens wurden zunächst etwa 10.000 indische Soldaten auf
der Jaffna-Halbinsel stationiert (18.). Diese übten dort in der Folgezeit faktisch die
Gebietsgewalt statt des srilankischen Staates aus (32.); zu weiteren wesentlichen
Kampfmaßnahmen zwischen srilankischen Streitkräften und tamilischen
Untergrundgruppen kam es zunächst nicht mehr (18.). Allerdings führte die
Nichteinhaltung des Abkommens durch die LTTE, vor allem ihre Weigerung, die
Waffen abzugeben, zu militärischen Aktionen der indischen Truppen gegen die
LTTE insbesondere in der Stadt Jaffna selbst, in deren Verlauf die indischen
Truppen Jaffna eroberten. Eine endgültige Befriedung der Lage trat aber nicht ein,
da die LTTE mit etwa 5.000 bis 10.000 Mitgliedern stark genug blieb, weiterhin
Aktionen und Überfälle gegen die indischen Truppen zu organisieren (20.). Ende
1987 kam es wieder zu größeren Militäraktionen zwischen den auf fast 40.000
Mann angewachsenen indischen Streitkräften und der LTTE. Die Kämpfe forderten
auch erhebliche Opfer unter der Zivilbevölkerung, nach realistischen Schätzungen
etwa 8.000 bis 10.000 Tote (21.). Auch wenn im Frühjahr 1988 das tägliche Leben
auf der Jaffna-Halbinsel relativ beruhigt erschien, war es durch die schlechte
Versorgungslage und nächtliche Ausgangssperren erschwert (22.). Die
Truppenstärke der indischen Armee war nach offiziellen Angaben Mitte 1988 auf
75.000 Mann angestiegen, nach indischen Angaben auf 52.000 (25.); die Zahl der
kämpfenden Mitglieder der LTTE wurde zu dieser Zeit auf 2.000 Mann geschätzt,
nach indischen Angaben auf 5.000 Mann, nach anderen Einschätzungen noch
erheblich höher (23.). Es kam immer wieder zu Anschlägen der LTTE auf
Einrichtungen der indischen Streitkräfte, bei deren Vergeltungsaktionen zum Teil
auch unbeteiligte Zivilpersonen umkamen (24.). Auch wenn die indischen
Streitkräfte formell unter der Oberhoheit der srilankischen Regierung standen,
übten sie doch jedenfalls im Jaffna-Distrikt tatsächlich die Macht aus. Die in dem
oben genannten Abkommen vereinbarten Wahlen zu den Provinzräten, die dann
auch ihre Arbeit aufnahmen, konnten ordnungsgemäß durchgeführt werden (26.;
zweifelnd 29.). Anfang 1989 begann Indien auf Druck der srilankischen Regierung
mit dem Abzug seiner zu diesem Zeitpunkt etwa 60.000 Mann starken Truppen
(27.), der später nach ultimativer Forderung des srilankischen Staatspräsidenten
Premadasa vom 2. Juni 1989 und einer entsprechenden Abzugsvereinbarung
zwischen Indien und Sri Lanka vom 18. September 1989 (30.) verstärkt und bis
März 1990 abgeschlossen wurde (32.). Schon während der Zeit des Abzugs der
indischen Truppen, in der zwischen diesen und der LTTE weitgehend ein
Waffenstillstand eingehalten wurde, kam es zu schweren Kämpfen zwischen
verschiedenen Tamilenorganisationen, insbesondere der LTTE und der EPRLF im
Norden und Osten Sri Lankas um die Herrschaft (31.).
Nach dem vollständigen Abzug der indischen Truppen rückte die LTTE in die
geräumten Gebiete ein (zu vorhergehenden erfolglosen Verhandlungen zwischen
Regierung und LTTE: 39.; zu den Umständen des erneuten Kampfbeginns: 50.),
übte dort die militärische Kontrolle ungehindert von der srilankischen Regierung
und eine "quasi-staatliche" Ordnungsfunktion (unter anderem Ausbau einer Polizei-
und einer Steuerverwaltung) aus (32.). Die LTTE übernahm im Frühjahr 1990 im
Norden und Nordosten Sri Lankas die "De-facto-Herrschaft" (34.). Danach kam es
wieder zu sich steigernden Auseinandersetzungen mit srilankischen Streitkräften
in diesen Gebieten, insbesondere durch Überfälle der LTTE auf Einrichtungen der
srilankischen Polizei und Armee (36.). Ende 1990 kontrollierten srilankische
Regierungstruppen nach Angaben des srilankischen Verteidigungsministeriums
nur noch 15 % der Jaffna- Halbinsel, wobei sich die effektive Gebietsgewalt im
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nur noch 15 % der Jaffna- Halbinsel, wobei sich die effektive Gebietsgewalt im
wesentlichen auf die nähere Umgebung von Armeestützpunkten beschränkte
(40.). Auf der Jaffna-Halbinsel erreichte die LTTE als Ordnungsmacht eine
staatsähnliche Überlegenheit und später die fast alleinige umfassende
Gebietsgewalt über etwa 90 % der Jaffna- Halbinsel (40.; 42.; 44.; 47.; 49.). Die
LTTE übte in den Orten Einfluß durch Dorfräte aus, die unter anderem für die
Einziehung von Steuern verantwortlich waren und sind, und durch sogenannte
"vigilance groups", die das Eindringen srilankischer Truppen verhindern und die
Dorfbevölkerung kontrollieren sollen (45.). Die Ausreise aus Jaffna war und ist nur
mit einer (u. a. gegen hohe Geldbeträge) schwierig zu erhaltenden
Ausreisegenehmigung der LTTE möglich (43.; 46.). Auch im Laufe des Jahres 1991
gelang es der Armee nicht, unter der Gebietsgewalt der LTTE stehende Gebiete
dieser zu entreißen und dort auf Dauer wieder staatliche Macht auszuüben (51.). In
den wenigen von der LTTE nicht beherrschten Gebieten der Jaffna-Halbinsel
vermochte der srilankische Staat nur noch Verwaltungsfunktionen vor allem im
humanitären Bereich (Verteilung von Lebensmitteln) auszuüben. Im übrigen war
der Staat dort Kampfpartei ohne Ordnungsmachtfunktion. Auch nach Auflösung
des Provinzrates für die Nordost-Provinz durch den srilankischen
Staatspräsidenten Premadasa und der Begründung einer alleinigen
Verwaltungszuständigkeit des Provinzgouverneurs dominierte die LTTE das
öffentliche und private Leben der Jaffna-Halbinsel bis auf Teile der Orte
Kankesanthurai (Marine-Stützpunkt), Palali (Luftwaffen-Stützpunkt), Tellipallai und
Kopay sowie kleinere der Jaffna-Halbinsel vorgelagerte Inseln wie insbesondere
Kayts, Delft und Karaitivu, dort vor allem wegen des Marine-Stützpunktes
Karainagar. Allerdings wohnte dort kaum noch tamilische Zivilbevölkerung. Zudem
kontrollierte und kontrolliert die srilankische Armee den Elephant Paß, den einzigen
Landzugang über einen Deich zur Jaffna-Halbinsel. Die LTTE beherrschte aber
weiterhin die Verwaltung der Jaffna-Halbinsel einschließlich der von der
srilankischen Regierung eingesetzten und bezahlten Beamten, auch durch
Ernennung von Dorfvorstehern (52.). Alle Nicht-Tamilen hat die LTTE von der
Jaffan-Halbinsel vertrieben (63.).
Ab Mai 1992 versuchten die staatlichen Streitkräfte durch weitreichende
Militäraktionen, an denen Tausende von Soldaten teilnahmen, von der LTTE
kontrollierte Gebiete der Jaffna-Halbinsel wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Dies gelang ihnen im Laufe des Sommers 1992 über die von ihnen schon
beherrschten, oben genannten Gebiete insbesondere um Marine- und
Luftwaffenstützpunkte hinaus vor allem im Süden der Halbinsel um Iyakachchi und
Mullivan. Der LTTE-Herrschaft entrissen wurden auch mehrere strategisch wichtige
Gebiete wie Zugänge zur Halbinsel Jaffna, in denen die Regierung versucht, wieder
eine zivile verwaltung aufzubauen (65.). Insgesamt aber stand die Jaffna- Halbinsel
auch 1992 nach wie vor ganz überwiegend unter Kontrolle der LTTE. Die
Regierungsverwaltung konnte und kann - vor allem zur Verteilung von
Versorgungsgütern - in den von der LTTE kontrollierten Gebieten weiterhin nur
insoweit tätig sein, wie die LTTE dies duldet (64.). Im Herbst 1992 wurden aufgrund
vermehrter Erfolge der LTTE der Vormarsch und weitere Gebietsgewinne der
Regierungstruppen zunächst gestoppt (66.). Bis Ende 1992 sollen die
Regierungstruppen höchstens ein Drittel der Jaffna- Halbinsel sowie die der
Halbinsel vorgelagerten Inseln unter ihre Kontrolle bekommen haben (68.). Daran
hat sich grundsätzlich auch im Frühjahr 1993 nichts geändert (74.). Auch Mitte
1993 kontrollierten die Sicherheitskräfte nur punktuell Gebiete auf der Jaffna-
Halbinsel wie den Flughafen Palali und den Hafen Kankesanthurai. Im übrigen ist
die Halbinsel, auch wenn die Streitkräfte zum Teil wieder an Boden gewonnen
haben sollen, unter Kontrolle der LTTE (14.06.1993, Hellmann-Rajanayagam an VG
Karlsruhe). Die LTTE übt weiterhin Polizeifunktionen im überwiegenden Teil der
Jaffna-Halbinsel, insbesondere auch in der Stadt Jaffna, aus, treibt Steuern ein und
betreibt weiterhin den Aufbau einer Justiz (73.). Insgesamt läßt sich feststellen, daß
der srilankische Staat im weitaus größten Teil der Jaffna-Halbinsel keine
Gebietsgewalt inne hat, sondern dort versucht, die von der LTTE beherrschten
Gebiete mit militärischen Mitteln zurückzuerobern.
In den von der LTTE und auch in den von der srilankischen Armee beherrschten
Gebieten der Jaffna-Halbinsel droht einem tamilischen Volkszugehörigen politische
Verfolgung durch Handlungen der srilankischen Regierungstruppen, die dort mit
kriegerischen Mitteln gegen die LTTE kämpfen. Die die tamilische Zivilbevölkerung
in diesen Gebieten betreffenden Maßnahmen und Übergriffe der srilankischen
Regierungstruppen stellen sich nach den oben ausgeführten Grundsätzen als eine
Gruppenverfolgung der Tamilen in diesen Bereichen dar. Auf der Grundlage dieser
Kriterien ist festzustellen, daß die srilankischen Regierungstruppen die
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Kriterien ist festzustellen, daß die srilankischen Regierungstruppen die
Angehörigen der tamilischen Zivilbevölkerung unter Anknüpfung an ihre
Volkszugehörigkeit durch schwerwiegende Rechtsverletzungen verfolgen, die
gerade auch darauf ausgerichtet sind, die dort lebenden Tamilen wegen ihrer
Volkszugehörigkeit zu verfolgen. Freilich handelt es sich dabei in den von der LTTE
beherrschten Gebieten nicht um staatliche Verfolgung seitens der srilankischen
Zentralgewalt, da die Friedensordnung dort prinzipiell aufgehoben ist. Denn der
srilankische Staat hat dort - wie oben dargestellt - keine effektive Ordnungsmacht
mehr, weshalb er gegen die LTTE dort nur mit militärischen Mitteln vorgehen kann.
Militärische Maßnahmen, die der Rückeroberung eines Gebietes dienen, das zwar
de jure noch zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat de facto die
Gebietsgewalt an die bekämpften Kräfte aber verloren hat, sind im allgemeinen
keine politische Verfolgung (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.).
Auch wenn militärische Maßnahmen der staatlichen Zentralgewalt in dieser
Situation grundsätzlich nicht mehr den Charakter asylrechtlicher Verfolgung
haben, können sie doch asylrelevant sein, wenn sie über Handlungen
hinausgehen, die im Interesse der Wiederherstellung der staatlichen
Friedensordnung notwendig sind. Dies gilt vor allem, wenn die staatlichen Kräfte
den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von nach
asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personengruppen gerichtet ist, obwohl
diese keinen Widerstand leisten oder nicht am militärischen Geschehen beteiligt
sind. Diese Voraussetzungen sind nach Einschätzungen des Senats im
gegenwärtigen Zeitpunkt und für die voraussehbare Zukunft angesichts der Art
und Weise des militärischen Handelns der srilankischen Regierungstruppen in den
von der LTTE beherrschten Gebieten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu
bejahen. Die Aktionen der Streitkräfte sind jedenfalls seit Mitte 1990 bei einer
Vielzahl von Angriffen bewußt auch gegen die tamilische Zivilbevölkerung in diesen
Gebieten gerichtet. Zwar soll sich der Kampf nach wiederholten Erklärungen der
srilankischen Zivilregierung gegen die LTTE richten und die Zivilbevölkerung dabei
soweit wie möglich geschont werden (37.; 38.; 41.; 55.). Tatsächlich kommt es in
der Praxis aber in einer Vielzahl von Fällen zu gezielten Angriffen auf Zivilpersonen
(60.). Dabei werden auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine militärische
Stellung der LTTE wahllos zivile Objekte bombardiert (sogenannte "indiscriminate
bombings", 41.; 52.). Verluste unter der Zivilbevölkerung werden dabei so bewußt
und regelmäßig in Kauf genommen, daß zwischen Angriffen auf militärische und
zivile Ziele kaum noch zu unterscheiden ist (40.). Auch nach der Einnahme von
Orten kommt es öfters zu Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, bis hin zu
Tötungen. Solche Übergriffe, die in ihrer Häufigkeit und Intensität vom
Kommandeur der jeweiligen Einheit abhängen, werden von der militärischen
Führung in der Regel hingenommen, um den Handlungsspielraum und die Moral
der einzelnen Einheiten nicht einzuengen oder zu schwächen (40.). Die von der
srilankischen Armee oft unter dem Vorwand der Bekämpfung der LTTE
vorgenommenen Aktionen, denen in einer Vielzahl von Fällen keine begründeten
Vermutungen für LTTE-Aktivitäten zugrundeliegen, dienen oft nur der
Einschüchterung und Abschreckung der tamilischen Zivilbevölkerung (45.). Zum
Teil werden zivile Ziele auch willkürlich angegriffen, oft aus Frustration über die
Unfähigkeit der Regierungstruppen, Stellungen der LTTE aufzuspüren und zu
zerstören (54.).
Insgesamt lassen die angeblich nur gegen vermutete LTTE-Ziele gerichteten
Angriffe ein hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber der Verletzung und auch
Tötung von Zivilpersonen erkennen. Die Streitkräfte nehmen in der Regel bewußt
das hohe Risiko in Kauf, unbeteiligte Zivilisten zu treffen. Dabei ist es durchaus
üblich, daß wahllos auf Menschenansammlungen geschossen wird in der Hoffnung,
ein LTTE-Kämpfer werde sich schon unter den Opfern befinden (55.). Auch wenn im
Einzelfall schwer auseinanderzuhalten sein mag, ob es tatsächlich begründete
Anhaltspunkte für LTTE-Aktivitäten gab oder diese nur willkürlich unterstellt wurden,
ist davon auszugehen, daß in einer Vielzahl von Fällen bewußt Opfer unter der
Zivilbevölkerung in Kauf genommen werden, und sei es nur, um militärische Macht
zu demonstrieren und so die Zivilbevölkerung von einer Unterstützung der LTTE
abzuhalten. Bei solchen Angriffen wurden Tempel, Kirchen, Schulen und auch
Krankenhäuser zerstört, die vor allem auch von den seit dem Mai 1992 wieder
aufgenommenen großflächigen Luftbombardements betroffen sind (65.). So
wurden etwa nach zuverlässigen Berichten am 18. Mai 1992 in einem Tempel im
Bezirk Mullaittivu 23 Zivilisten durch Granaten, die aus einem nahegelegenen
Militärcamp abgefeuert wurden, getötet und 30 verletzt (63.). Im Januar 1993 soll
es nach Darstellung der Gruppe "University teachers for human rights, Jaffna" zu
weiteren Bombardierungen ziviler Ziele auf der Halbinsel Jaffna, so unter anderem
einer Reismühle bei Vaddukoddai gekommen sein, in deren Nähe LTTE-
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einer Reismühle bei Vaddukoddai gekommen sein, in deren Nähe LTTE-
Angriffsziele nicht auszumachen gewesen sein sollen (74.). Auch bei seit Anfang
Mai 1993 verstärkten Aktionen der Armee im Norden Sri Lankas, bei denen die
Luftwaffe wieder in großem Umfange vermeintliche LTTE-Objekte bombardierte,
gab es wieder zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung (14.06.1993, Hellmann-
Rajanayagam an VG Karlsruhe). Insgesamt läßt sich aus den Berichten über die
große Zahl und die Art militärischer Angriffe der Streitkräfte auf zivile Ziele
entnehmen, daß es sich dabei nicht um zufällige oder nur gelegentlich der
gezielten Bekämpfung einer LTTE-Stellung vorgekommene Zerstörungen von
zivilen Objekten handelt, sondern daß diese Angriffe zu einem großen Teil bewußt
auch auf die Zivilbevölkerung zielen. Anders als bei den vereinzelt
bekanntgewordenen Massakern durch Soldaten an tamilischen Zivilpersonen, die
noch als exzeßhafte Einzelfälle beurteilt werden können, stellten sich die bewußte
Inkaufnahme von Opfern unter der Zivilbevölkerung bei Angriffen auf nur vage
vermutete LTTE-Stellungen und insbesondere die zum Teil wahllose
Bombardierung von Wohngebieten schon als eine Art üblicher Taktik zur
Einschüchterung der tamilischen Zivilbevölkerung unter anderem mit dem Ziel
dar, diese von einer Unterstützung der LTTE abzuhalten.
Die normativen Vorgaben durch die Zentralregierung und die Armeespitze zur
Schonung der Zivilbevölkerung werden offensichtlich in vielen Kampfsituationen
von den jeweiligen Truppenteilen nicht eingehalten. Zwar soll die Armee die
Zivilisten in der Regel vor Beginn einer Offensive zum Verlassen des Gebiets
auffordern. Solche aufforderungen werden aber oft nicht bekannt, so daß Zivilisten
überrascht und durch Luftangriffe ohne Vorwarnung in Mitleidenschaft gezogen
werden. Zum anderen spricht für die Unwirksamkeit dieser "Vorwarnungen", daß
viele öffentliche Einrichtungen durch Militäraktionen getroffen werden. So sollen in
den nördlichen Gebieten von 500 Tempeln, die teilweise nur kleinere Gebäude
sind, die meisten schwerbeschädigt worden sein (67.). Zur Erklärung der vielen
zivilen Opfer wird auch auf die LTTE-Guerillataktik der "human shields" hingewiesen,
die darin besteht, militärisches Gerät oft in dicht besiedeltem Gebiet zu plazieren
und damit die umliegend wohnende Zivilbevölkerung als menschliche
Schutzschilde vor militärischen Angriffen der Regierungstruppen zu benutzen (51.).
Die Gefahr ziviler Schäden bestehe angesichts der Zielungenauigkeit von
Luftangriffen generell bei der Nachbarschaft von militärischen Objekten und
Bewegungen (62.). Bei der Bombardierung solcher Ziele kommt es oft zu einer
großen Zahl von Opfern unter den in der Nähe sich aufhaltenden Zivilpersonen
(51.; 61.). auch bei den seit Mitte 1992 erstmals unter Einsatz von Panzern
verstärkt vorgetragenen Angriffen auf LTTE-Basen werden häufig auch zivile
Objekte getroffen (63.). Insgesamt ist bei Abwägung und Einbeziehung aller
genannten Berichte zugrunde zu legen, daß die militärischen Aktionen der
Streitkräfte der Zentralregierung in den von der LTTE beherrschten Gebieten nicht
allein unmittelbar auf die Bekämpfung dieser Organisation gerichtet sind, sondern
auch bewußt und in einer Vielzahl von Fällen zielgerichtet die Verletzung und
Tötung von Personen der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wird, um dadurch
jedenfalls auch mittelbar - durch Abschreckung und Einschüchterung der
tamilischen Zivilbevölkerung - den militärischen Kampf gegen die LTTE zu
erleichtern.
Dabei ist es für die Asylrelevanz dieser Kriegsführung nicht erforderlich, daß sie auf
die Zerstörung der Identität der gesamten der Gegenseite zugerechneten
Zivilbevölkerung ausgerichtet ist. Es ist insoweit schon asylrechtlich erheblich,
wenn von solchen Aktionen nur Teile dieser Zivilbevölkerung betroffen sind, die -
wie hier - nach asylerheblichen Merkmalen bestimmt sind (BVerwG, 27.01.1993 - 9
B 95.92 -).
Für diese Beurteilung maßgeblich sind nicht die subjektiven Gründe oder Motive
der handelnden Militärs, sondern die nach ihrem inhaltlichen Charakter erkennbare
Gerichtetheit der von den Streitkräften durchgeführten Aktionen (vgl. zu diesem
Kriterium der "Gerichtetheit" der asylrelevanten Maßnahme: BVerfG, 01.07.1987 -
2 BvR 478/86 -, a.a.O., 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 20.12.1989 - 2
BvR 958/86 -, BVerfGE 81, 142 = EZAR 200 Nr. 26). Damit ist eine objektivierte
Betrachtung der grundsätzlichen Zielrichtung der Aktionen der srilankischen
Streitkräfte erforderlich. Aus der Sicht eines objektiven Dritten stellen sich die
Aktionen der srilankischen Streitkräfte als in erheblichem Umfange auch gegen die
tamilische Zivilbevölkerung gerichtet dar. Dabei trägt die große Zahl von
Zerstörungen ziviler Objekte und von Opfern unter der Zivilbevölkerung im
Vergleich zu dem Vorgehen der srilankischen Armee im Osten, in dem die
verschiedenen Volksgruppen Singhalesen, Tamilen und Moors (Muslime)
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verschiedenen Volksgruppen Singhalesen, Tamilen und Moors (Muslime)
zusammenleben, zu der Einschätzung bei, daß diese Vorgehensweise gerade auch
deshalb erfolgt, weil es sich bei der Zivilbevölkerung praktisch ausschließlich um
Tamilen handelt. Im Osten machen die Regierungstruppen von Bombardierungen
und Flächenbeschuß mit Granaten offensichtlich deshalb nicht Gebrauch, um in
der gemischten ethnischen Besiedlung nicht auch Angehörige der
Bevölkerungsgruppen der Singhalesen und Moors zu treffen (74.). Auf der Jaffna-
Halbinsel werden dagegen zum Teil nur vage vermutete LTTE-Objekte von den
Streitkräften auch dann angegriffen, wenn die Verletzung oder Tötung unbeteiligter
Zivilpersonen zu befürchten ist (55.).
Die nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahmen der Streitkräfte an die
tamilische Volkszugehörigkeit der Zivilbevölkerung anknüpfende Verfolgung wird
durch die Zentralregierung stillschweigend geduldet bzw. billigend in Kauf
genommen und ist ihr deshalb als unmittelbare staatliche Verfolgung
zuzurechnen. Zwar setzt die srilankische Regierung bei spektakulären Übergriffen,
insbesondere bei Massakern durch einzelne Truppenteile,
Untersuchungskommissionen ein, zum Teil erfolgt auch eine offizielle
Entschuldigung der zivilen Regierungstruppen für die Zerstörung ziviler Objekte
(65.; 67.). Allerdings handelt es sich dabei nur um einzelne
Aufklärungsanstrengungen seitens der Regierung, über deren Konsequenzen in
Form von Sanktionen gegenüber Militärpersonen in größerem Umfang nichts
bekannt geworden ist (52.). Die strafrechtliche Verfolgung von Übergriffen durch
Armeeangehörige bleibt die Ausnahme. So wurden im März 1993 "erstmals seit
mehreren Jahren" 23 Soldaten wegen der Tötung von 35 tamilischen Zivilisten
angeklagt, die zur Vergeltung für die Tötung hoher Offiziere bei einer
Minenexplosion, die von tamilischen Rebellen ausgelöst worden sein soll, die Morde
an Zivilpersonen begangen hatten (72.). Gegen die Bewertung der militärischen
Aktionen gegen die tamilische Zivilbevölkerung auf der Jaffna-Halbinsel als
politische Verfolgung spricht auch nicht, daß die Zentralregierung auf der anderen
Seite versucht, die Lage der tamilischen Bevölkerung dort zu verbessern, indem
sie Lebensmittellieferungen aus dem Süden des Landes - zum Teil unter dem
Schutz internationaler Hilfsorganisationen - organisiert und auch die
medikamentöse Versorgung zuläßt, soweit es sich dabei nicht um militärisch
verwertbare Güter handelt (62.; 63.; 73.). Der srilankische Staat stellt sich insofern
als ein "mehrgesichtiger" Staat dar, der die Einheit seines Staatsgebiets dadurch
zu erhalten versucht, daß er einer Bevölkerungsminderheit grundsätzlich hilft,
überhaupt das Existenzminimum sichern zu können, andererseits es aber zuläßt,
daß durch Aktionen der unter eigener Verantwortung operierenden Militärkräfte die
tamilische Zivilbevölkerung zur Abschreckung vor der Unterstützung terroristischer
Organisationen wie der LTTE und zur generellen Einschüchterung unter "den Druck
brutaler Gewalt" gesetzt wird.
Auch soweit die srilankische Zentralgewalt in einem kleinen Teil der Jaffna-Halbinsel
die Gebietsgewalt durch die Regierungstruppen aufgrund militärischer
Machtausübung innehat, kann sie sich dort nicht als effektive innere
Ordnungsmacht im zivilen Bereich entfalten, sondern ist auch dort im wesentlichen
nur als militärisch kämpfende Bürgerkriegspartei präsent (vgl. zu dieser
Einschätzung allgemein: BVerwG, 13.05.1993 - 9 C 59.92 -). In den von der
srilankischen Zentralgewalt durch die Regierungstruppen beherrschten bzw.
kontrollierten Gebieten insbesondere um den Marine-Stützpunkt Kankesanthurai,
den Luftwaffenstützpunkt Palali sowie die Orte Tellipallai, Kopay und die der Jaffna-
Halbinsel vorgelagerten Inseln Kayts, Delft und Karaitivu kommt es nach den oben
genannten Berichten zur Abwehr vermuteter LTTE- Angriffe ebenso zu gezielten
Angriffen auf die Zivilbevölkerung wie bei Aktionen der Streitkräfte in von der LTTE
beherrschten Gebieten. Dies belegen die oben genannten Berichte, nach denen
Opfer unter der Zivilbevölkerung auch aufgrund von Angriffen aus Militärlagern der
Regierungsstreitkräfte hinaus zu beklagen sind, bei denen offenbar auch bewußt
Verluste unter der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wurden. Soweit die
Regierungstruppen zur Abwehr von LTTE-Angriffen auf von ihnen kontrollierte
Gebiete in der oben beschriebenen Weise Übergriffe auf die Zivilbevölkerung
vornehmen, um diese dadurch insbesondere einzuschüchtern und von einer
Unterstützung angreifender oder einsickernder LTTE-Trupps abzuhalten, stellt dies
dort, wo sie staatliche Gewalt tatsächlich noch ausüben können und soweit sie dort
nicht nur als kämpfende Kriegspartei auftreten, der srilankischen Zentralgewalt
zuzurechnende politische Verfolgung durch den Staat Sri Lanka dar. Soweit der
Staat seine Gebietsgewalt prinzipiell wiedererlangt, entsteht damit erneut auch
wieder die Möglichkeit asylrelevanter staatlicher Verfolgung (BVerwG, 08.09.1992 -
9 C 62.91 -).
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Der Gegenterror durch die Angriffe der Regierungstruppen, die die Zivilbevölkerung
mit gezielten Angriffen unter den Druck brutaler Gewalt setzen, ist auch ein
konkretes asylrelevantes Geschehen und nicht nur ein vorübergehender, nicht
faßbarer Stand in einem ständig wechselnden Kriegsgeschehen. Zwar ist der
ständige Wechsel der Situation als Element und Bestandteil einer kriegerischen
Auseinandersetzung nicht ein jeweils neu entstandenes Ereignis im Sinne eines
Nachfluchttatbestandes. Einen Nachfluchttatbestand stellt aber ein als
herausragendes Ereignis faßbares Geschehen dar, das eine grundlegende
Änderung eines vorherigen Zustandes darstellt und damit als ein eigenständig
faßbares, als objektiver Nachfluchttatbestand zu qualifizierendes Geschehnis zu
beurteilen ist (BVerwG, 13.05.1993 - 9 C 59.92 -). Dieses konkret faßbare
asylrelevante Geschehen liegt hier in dem verstärkt und gezielt auf die
Zivilbevölkerung ausgerichteten Vorgehen der Regierungsstreitkräfte nach dem
Abzug der indischen Truppen im Kampf gegen die LTTE seit etwa Mitte 1990. Die
bewußt auch gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Aktionen stellten eine neue
Dimension der Kriegsführung der Regierungsstreitkräfte dar, durch die als
flankierende Maßnahmen zu dem direkten Kampf gegen die LTTE die tamilische
Zivilbevölkerung mit brutaler Gewalt unter Druck gesetzt werden sollte, der LTTE
keinen Schutz zu gewähren und sie nicht zu unterstützen. Diese in großem
Umfang durch untergeordnete Truppenteile angewandte Taktik ist als solche
unverändert geblieben, unabhängig davon, wie der Stand des Kriegsgeschehens
im Hinblick auf den Grad der Überlegenheit der einzelnen Kriegspartei in Ansehung
von Geländegewinn oder Beherrschung von Gebietsteilen zu qualifizieren ist.
Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, daß einem tamilischen
Volkszugehörigen auf der Jaffna-Halbinsel mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische Verfolgung durch Aktionen der Streitkräfte sowohl in den von der LTTE
beherrschten Gebieten als auch in den von den Regierungstruppen kontrollierten
Bereichen droht, da Angriffe der Regierungstruppen gezielt auch die
Zivilbevölkerung in Anknüpfung an ihre tamilische Volkszugehörigkeit wahllos
treffen, um diese von einer gerade aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit für möglich
gehaltenen Unterstützung der LTTE abzuhalten.
b) Ein tamilischer Volkszugehöriger kann aber nach Sri Lanka zurückkehren, ohne
daß ihm dort politische Verfolgung droht, wenn er sich im Süden und Westen des
Landes, insbesondere im Großraum Colombo und Umgebung, niederläßt. In
diesem Gebiet besteht für ihn eine inländische Fluchtalternative, da er dort
hinreichend sicher vor staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ist, die wegen ihrer
Intensität und Zielgerichtetheit unter Anknüpfung an ein asylrelevantes Merkmal
politische Verfolgung darstellen könnten. Dort ist er auch nicht einer anderen
existentiellen Gefährdung ausgesetzt, die so in seiner Heimatregion nicht
bestünde.
Eine inländische Fluchtalternative besteht dann, wenn ein nur regional von
politischer Verfolgung betroffener Asylbewerber in anderen Teilen seines
Heimatstaates, in denen ihm politische Verfolgung mit hinreichender Sicherheit
nicht droht, eine zumutbare Zuflucht finden kann (BVerwG, 14.08.1981 - 9 B
1307.80 -, EZAR 200 Nr. 5). Die Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative
setzt voraus, daß der Ausländer am Ort der möglichen Fluchtalternative politische
Verfolgungsmaßnahmen nicht begründet befürchten muß. Zu dem asylrechtlich
geschützten Bereich der persönlichen Freiheit gehören dabei auch die Rechte auf
freie Religionsausübung und ungehinderte berufliche und wirtschaftliche
Betätigung. Die Beeinträchtigung dieser Rechte kann einen Asylanspruch
begründen, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde
verletzt und über das hinausgeht, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund
des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerwG,
15.02.1984 - 9 CB 191.83 -, EZAR 203 Nr. 2). Unabhängig von politischer
Verfolgung drohende Gefährdungen am Ort der inländischen Fluchtalternative sind
grundsätzlich asylirrelevant, es sei denn, der Ausländer gerät am Ort der
inländischen Fluchtalternative in eine wirtschaftliche Notlage, in der ihm kaum
mehr als das zum Leben unbedingt Notwendige gesichert ist (BVerwG, 06.10.1987
- 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4). Insoweit kommt es darauf an, ob dem Asylbewerber
am Ort einer möglichen Fluchtalternative bei generalisierender Betrachtung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum
droht, das zu Hunger, Elend und schließlich zum Tode führt (BVerwG, 16.06.1988 -
9 C 1.88 -, InfAuslR 1989, 107). Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der insoweit nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt
92
Bundesverwaltungsgerichts Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt
(BVerwG, 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, a.a.O.), setzt die inländische Fluchtalternative
voraus, daß der Asylbewerber in den in Betracht kommenden Gebieten vor
politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls auch dort keine
anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere
einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht
bestünde (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 10.11.1989 - 2 BvR
403/84 u. a. -, a.a.O.). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor allem die
nicht mögliche Wahrung eines religiösen (BVerfG, 30.12.1991 - 2 BvR 406/91 -,
InfAuslR 1992, 219) oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG,
15.05.1990 - 9 C 17.89 -, a.a.O.). Für die Feststellung einer existentiellen
Gefährdung des Asylbewerbers auch am Ort der inländischen Fluchtalternative
reicht nicht die Möglichkeit einer solchen Gefährdung aus, sondern es muß mit
dem nach dem allgemeinen Prognosemaßstab für die Nachfluchtgründe
notwendigen Überzeugungsgrad festgestellt werden, daß dem Asylbewerber dort
ein Leben unter dem Existenzminimum droht, das jedenfalls zu einer
verfolgungsunabhängigen wirtschaftlichen Verelendung führt (BVerwG, 06.10.1987
- 9 C 13.87 -, a.a.O.). Beeinträchtigungen des Rechts auf ungehinderte berufliche
und wirtschaftliche Betätigungen, die die Wahrung eines wirtschaftlichen
Existenzminimums verhindern, sind nur dann nicht hinzunehmen, wenn sie so
erheblich sind, daß sie sich als Eingriff in die Menschenwürde darstellen (BVerfG,
02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, a.a.O.; BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 844.80 -, DÖV
1983, 206). Beschränkungen der Erwerbstätigkeit sind demnach erst asylerheblich,
wenn sie die wirtschaftliche Existenz bedrohen und jenes Existenzminimum nicht
mehr gewährleisten, das ein menschenwürdiges Dasein erst ausmacht (BVerwG,
30.04.1991 - 9 C 105.90 -). Dies kann außer bei der Vernichtung der
wirtschaftlichen Existenz nur zugrunde gelegt werden, wenn gravierende
Beeinträchtigungen der beruflichen Betätigung die Menschenwürde verletzen
(BVerwG, 20.10.1987 - 9 C 42.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 75). Liegt die
Voraussetzung einer existentiellen Gefährdung am Ort der inländischen
Fluchtalternative vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob eine staatliche
Verantwortlichkeit für das Fehlen eines wirtschaftlichen oder religiösen
Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative zu bejahen ist
(BVerfG, 30.12.1991 - 2 BvR 406/91 u. a. -, a.a.O.).
Junge Tamilen können den Ort der inländischen Fluchtalternative, das Gebiet im
Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere den Großraum Colombo und
Umgebung, auch bei der Einreise über den Flughafen Colombo erreichen, ohne auf
dem Weg dorthin und dort politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Sie
unterliegen allerdings Kontrollen durch die Sicherheitskräfte auf dem Flughafen
Katunayake, über den aus Deutschland abgeschobene srilankische
Staatsangehörige in ihr Heimatland zurückkehren. Die Kriminalpolizei (Criminal
Investigation Department - CID -) führt dort Routine- und Verdachtskontrollen
durch. Insbesondere nach Attentaten, als deren Urheber die LTTE vermutet wird,
werden vor allem junge Tamilen zwischen etwa 11 und 36 Jahren, die keinen
ständigen Wohnsitz im Süden und Westen Sri Lankas haben, erkennungsdienstlich
behandelt, um feststellen zu können, ob es sich um LTTE-Unterstützer handelt
(51.). Es kommt in der Regel zu unregelmäßigen Kontrollen von aus dem Westen
einreisenden Tamilen. Dabei ist die Gefahr, sich einem Verhör unterziehen zu
müssen oder vorübergehend festgenommen zu werden - wobei bei der Anordnung
dieser Maßnahmen ein gewisses Maß an Willkür festzustellen ist -, zwar nicht
ausgeschlossen. Es kann aber nicht zugrundegelegt werden, daß aus dem Westen
einreisende Tamilen grundsätzlich mit einer Verhaftung rechnen müssen (65.).
Auch wenn Festnahmen junger Tamilen im genannten Alter insbesondere zur
erkennungsdienstlichen Behandlung vorkommen (68.), ist in einer solchen
Kontrollmaßnahme der Sicherheitsbehörden auf dem Flughafen Colombo schon
unter dem Gesichtspunkt der Intensität kein asylrelevanter Eingriff zu sehen. Im
übrigen stellen sich diese Kontrollen als vorbeugende Fahndungsmaßnahmen im
Rahmen der Bekämpfung der mit terroristischen Mitteln operierenden LTTE dar.
Insoweit handelt es sich um eine anlaßbezogene und auch präventiv dem Schutz
der Rechtsgüter der srilankischen Bürger dienende Sicherheitsmaßnahme, die
nach der erkennbaren Gerichtetheit nicht allein wegen eines asylrelevanten
Merkmals erfolgt. Soweit darüber berichtet wird, daß die Gefahr einer
vorübergehenden Verhaftung oder eines Verhörs bestehe (52.), kann daraus nicht
entnommen werden, daß die realistische Möglichkeit einer willkürlichen längeren
Verhaftung und von asylrelevanten Eingriffen wie Mißhandlungen und ähnlichem
unter Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit und das Alter des
Einreisenden besteht.
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Ein srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit, der nach der
Einreise sich im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum
Colombo und Umgebung, niederläßt, hat grundsätzlich die Möglichkeit, dort, wenn
auch unter bescheidenen Verhältnissen, verfolgungsfrei zu leben. Es finden dort
allerdings häufig sogenannte "screening actions" (Überprüfungsaktionen) statt, die
unter erkennungsdienstlicher Behandlung von verdächtigen Personen der
Feststellung der Identität, des Wohnortes, des Arbeitsplatzes u. ä. dienen. Die im
Rahmen solcher Fahndungsaktionen vorläufig festgenommenen Personen werden
zum größten Teil nach kurzer Zeit wieder freigelassen (51.; 67.). Dies gilt auch für
die den "screening actions" häufig vorausgehenden Razzien, bei denen die nach
bestimmten Kriterien besonders verdächtigen Personen, die einem "screening"
und Verhör unterzogen werden sollen, aussortiert werden. Betroffene von Razzien
können bei der Fahndung nach LTTE-Kämpfern alle jüngeren, männlichen und
weiblichen Tamilen im oben genannten kampffähigen Alter zwischen 11 und 36
Jahren sein (56.). Inhaftierungen erfolgen aber nur, wenn objektive Anhaltspunkte
für die Unterstützung von an Gewalttaten beteiligten Personen bestehen (51.).
Razzien zur Aufspürung von LTTE-Aktivisten im Süden werden meist nur aufgrund
konkreten Anlasses durchgeführt. Dabei werden kurzfristige Festnahmen (für ein
bis zwei Tage) vorgenommen. Fast alle Festgenommenen - etwa 90 % - werden
nach dem screening wieder freigelassen (64.; 52.; 60.; 71.).
Vorläufig festgenommen werden bei Razzien insbesondere junge Tamilen, die
keinen "valid reason" haben, sich im Großraum Colombo aufzuhalten,
insbesondere weil sie dort wohnen, arbeiten oder im Familienverband leben (65.).
Ein solcher Grund kann auch darin liegen, daß der Betroffene nicht "registriert" ist.
Mitte 1991 und Anfang 1992 hat das srilankische Verteidigungsministerium alle
nicht dauernd im Süden lebenden Personen, die sich außerhalb von
Flüchtlingslagern aufhielten, aufgerufen, sich registrieren zu lassen (60.). Die
Registrierung stellt mittelbar gleichzeitig einen Schutz gegen das Risiko einer
Verhaftung bei Razzien dar, die insbesondere junge Tamilen betreffen (64.). Eine
größere Zahl von Einzelfällen längerer Verhaftung im Südwesten und Süden Sri
Lankas ist informierten Berichterstattern 1992 nicht bekannt geworden (67.).
Gezielte Einzelverhaftungen dienen oft nur der Erpressung von Lösegeld von
Angehörigen der Verhafteten, die dann nach Zahlung des Lösegeldes nach
wenigen Tagen wieder freigelassen werden. Belegte Fälle von Folterungen aus
Europa zurückgekehrter Tamilen sind nach den vorliegenden Berichten nicht
ersichtlich, auch wenn Folterungen von der LTTE- Unterstützung oder
Mitgliedschaft konkret verdächtiger Tamilen im kampffähigen Alter nicht ganz
auszuschließen sind (52.).
Insgesamt ist festzustellen, daß sich die allgemeine Sicherheitslage im Süden seit
Mitte 1992 deutlich entspannt hat (65.). Menschenrechtsverletzungen sind im
Süden deutlich weniger zahlreich, als dies für den Osten und Norden Sri Lankas
festzustellen ist; zwar besteht noch das Risiko einer Folterung bei einer
Inhaftierung, aber der Gebrauch der Folter bei Internierung hat sich erheblich
reduziert (71.). Wegen der günstigeren Sicherheitslage in und um Colombo ist seit
1992 eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtsbeachtung dort eingetreten
(64.). Die knapp 300.000 im Großraum Colombo lebenden Tamilen, die dort etwa
30 % der Bevölkerung ausmachen, leben dort aufgrund der allgemein erheblichen
Verbesserung der Menschenrechtssituation im allgemeinen unbehelligt (66.). Über
Fahndungsmaßnahmen gegen zurückkehrende Tamilen ist konkret nichts bekannt
geworden. Eine Reihe von Asylberechtigten, die sich zum Urlaub in Colombo
aufgehalten haben, konnten dort ohne Beeinträchtigung leben (62.). Auch junge
Tamilen, die mit einer deutschen Aufenthaltsbefugnis zum Urlaub nach Sri Lanka
gereist sind und sich dort bei der Polizei gemeldet haben, haben bei der
Deutschen Botschaft angegeben, daß sie keinerlei Schwierigkeiten bei Einreise und
Aufenthalt im Großraum Colombo gehabt hätten. Auch an die Stellung eines
Asylantrages in Deutschland werden keine nachteiligen Folgen durch Behörden Sri
Lankas geknüpft. Dies entspricht der Einschätzung auch anderer westlicher
Botschaften und des UNHCR in Colombo (64.). Ähnlich stellt sich auch die
Sicherheitslage für die aus Indien zurückkehrenden Tamilen dar; bei 27.000
Rückkehrern sind nur 16 Fälle von Verhaftungen junger Tamilen wegen
mutmaßlicher LTTE-Mitgliedschaft bekannt geworden, die alle wieder freigelassen
wurden (66.). Auch wenn es gelegentlich zu Razzien, anschließenden Screenings
und gegebenenfalls kurzfristigen Festnahmen vor allem junger männlicher Tamilen
zwischen 11 und 36 Jahren auch im Großraum Colombo kommt, ist doch
insgesamt festzustellen, daß seit Ende 1991 in diesem Gebiet die Sicherheitslage
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insgesamt festzustellen, daß seit Ende 1991 in diesem Gebiet die Sicherheitslage
und auch die Menschenrechtssituation sich so verbessert haben, daß für dorthin
aus Europa zurückkehrende und sich dort aufhaltende junge Tamilen eine "relative
Sicherheit" besteht (54.). Darauf deutet auch hin, daß amnesty international aus
dem Süden Sri Lankas im Verlauf des Jahres 1992 kein Fall eines langfristigen
"Verschwindens" gemeldet wurde, auch wenn es nach wie vor immer noch illegale
Festnahmen gibt, durch die Folter und Mißhandlung erleichtert werden (Januar
1993, amnesty international: Sri Lanka - Bewertung der Menschenrechtslage).
Auch wenn immer noch tausende politische Häftlinge ohne Gerichtsverfahren
inhaftiert waren, ging ihre Zahl 1992 doch deutlich zurück. Bis Ende 1992 sollen
fast 5.000 politische Häftlinge freigelassen worden sein, fast ebenso viele sollen
sich aber noch in Inhaftierungslagern, Gefängnissen, Polizeigewahrsam und
Rehabilitationslagern befunden haben (Januar 1993, amnesty international: Sri
Lanka - Bewertung der Menschenrechtslage).
Daran hat sich durch die jüngste Entwicklung seit der Ermordung des srilankischen
Präsidenten Premadasa am 1. Mai 1993 nichts Grundlegendes geändert. Auch
wenn die Polizei zunächst die LTTE trotz ihres Dementis als Hauptverdächtige für
das Attentat betrachtete, sind doch keinerlei nennenswerte Übergriffe auf Tamilen
jedenfalls im Süden Sri Lankas und insbesondere im Großraum Colombo bekannt
geworden. Der damals amtierende Präsident Wijetunga versprach der tamilischen
Minderheit sofort nach dem Attentat Schutz (05.05.1993, SZ: Polizei identifiziert
Tamilen als Attentäter). Das Verteidigungsministerium verhängte zur Vermeidung
möglicher Übergriffe auf Angehörige der tamilischen Minderheit ein Ausgehverbot
(73.). Der dann zum neuen Staatspräsidenten gewählte Präsident Wijetunga stellte
in der Folgezeit vielmehr fest, daß es keinen Hinweis dafür gebe, daß die LTTE für
das Attentat auf Premadasa verantwortlich sei. Der Übergang zum neuen
Präsidenten verlief ohne Übergriffe auf Tamilen trotz gewisser Bezichtigungen
durch die staatlichen Medien unerwartet ruhig, was auch darauf zurückgeführt
wurde, daß nur wenige Singhalesen glaubten, die LTTE sei für dieses Attentat
verantwortlich gewesen (74.). Zu Vergeltungsangriffen auf Tamilen kam es nach
dem Anschlag, der von einigen Seiten auch oppositionellen singhalesischen
Kreisen angelastet wurde, nicht. Ende Mai wurde allerdings darüber berichtet, daß
etwa 500 Tamilen verhaftet worden seien, weil angeblich ihre Papiere nicht in
Ordnung seien. Größere Gefahr für Leib und Leben von Tamilen besteht aber Mitte
1993 in den singhalesischen Gebieten nicht. Die Situation der Tamilen ist im
Süden und vor allem im Raum Colombo im allgemeinen zufriedenstellend.
Insgesamt ist zugrunde zu legen, daß die Regierung durchaus die Macht besitzt,
Vergeltungsmaßnahmen zu verhindern, und dieses auch nach den letzten
Anschlägen erfolgreich getan hat (14.06.1993, Hellmann-Rajanayagam an VG
Karlsruhe).
Aufgrund der dargestellten allgemeinen Sicherheitslage im Süden und Westen Sri
Lankas, insbesondere unter Berücksichtigung der Ermittlungsmaßnahmen der
Sicherheitskräfte, ist insgesamt festzustellen, daß ein nach Sri Lanka
zurückkehrender Tamile, auch im Alter zwischen 11 und 36 Jahren, vor politischer
Verfolgung in diesem Gebiet einer inländischen Fluchtalternative hinreichend
sicher ist. Soweit ein junger Tamile oder eine junge Tamilin dort allein wegen ihrer
Volkszugehörigkeit und ihres Alters einen Eingriff in das Rechtsgut der
persönlichen Freiheit dadurch zu gewärtigen haben, daß sie bei Razzien, die - wie
oben dargestellt - in letzter Zeit, das heißt insbesondere seit 1992, jedenfalls nur
noch aus Anlaß bestimmter sicherheitsrelevanter Vorkommnisse, wie
insbesondere Attentaten und ähnlichem, stattfinden, aufgegriffen wird und im
Wege des sogenannten "screening" erkennungsdienstlich behandelt wird, handelt
es sich um grundsätzlich verhältnismäßige Maßnahmen zur Bekämpfung
terroristischer Organisationen, insbesondere der LTTE. Solche Maßnahmen
knüpfen nach ihrer objektiv erkennbaren Gerichtetheit nicht willkürlich an
asylrelevante Merkmale der Volkszugehörigkeit und Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Altersgruppe an, sondern dienen anlaßbezogen dem
Rechtsgüterschutz in einer Weise, die der Staatenpraxis geläufig ist (vgl. zu
diesem Kriterium allgemein: BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.).
Diese Maßnahmen sind objektiv nicht auf die Verfolgung dieser Tamilen wegen
ihrer Volkszugehörigkeit und ihres Alters gerichtet, sondern auf die Verhinderung
terroristischer Taten, durch die Rechtsgüter der Bürger des srilankischen Staates,
insbesondere Leben und Gesundheit, verletzt werden. Da solche Taten - vor allem
Attentate - insbesondere durch die LTTE begangen werden, die sich ausschließlich
aus jungen Tamilen im Alter zwischen 11 und 36 Jahren rekrutiert, müssen
Fahndungsmaßnahmen wie Razzien und screenings anläßlich von Gewalttaten, als
deren Urheber auch terroristische Organisationen wie vor allem die LTTE in
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deren Urheber auch terroristische Organisationen wie vor allem die LTTE in
Betracht kommen, zwar an diese Merkmale Volkszugehörigkeit und Alter
anknüpfen, sie sind aber nicht auf diese Merkmale in dem Sinne gerichtet, daß sie
allein wegen dieser Kriterien erfolgen. Diese Ermittlungsaktionen werden
grundsätzlich zur Aufklärung und Prävention weiterer Straftaten durchgeführt,
richten sich also auf an objektive Umstände anknüpfende Kriterien (vgl. dazu
grundsätzlich BVerfG, 20.12.1989 - 2 BvR 958/86 u. a. -, a.a.O.). Insoweit ist auch
nicht festzustellen, daß die von Razzien und screenings Betroffenen, soweit sie zu
etwa 90 % kurzfristig, das heißt in einem Zeitraum von bis zu ein oder zwei Tagen
freigelassen werden, einer härteren Behandlung unterlägen, als dies sonst in Sri
Lanka bei der Verfolgung von Taten vergleichbarer Gefährlichkeit üblich ist.
Soweit es bei etwa 10 % der vorläufig Festgenommenen zu längeren
Inhaftierungen kommt, beruht dies in der Regel - wie oben dargestellt - darauf, daß
es konkrete Anhaltspunkte für eine aktive Unterstützung von Organisationen gibt,
die terroristische Straftaten begehen. Einzelfälle längerer Inhaftierungen - zum Teil
sind solche, wie oben dargelegt, auch landeskundigen Sachverständigen in
jüngerer Zeit nicht bekannt geworden (67.) - erfolgen nach den oben genannten
Erkenntnissen grundsätzlich nur bei Vorliegen zusätzlicher Verdachtsmomente,
die auf eine Unterstützung terroristischer Gruppen wie der LTTE hindeuten.
Insoweit knüpft die Verfolgungsmaßnahme nicht maßgeblich an die
Volkszugehörigkeit und das Alter eines jungen Tamilen an, sondern an weitere
zusätzliche Gesichtspunkte, die aufgrund konkreter weiterer Anhaltspunkte
individuell in seiner Person begründet sind, wie vorliegenden Erkenntnissen der
Sicherheitsbehörden über Verbindungen der festgenommenen Personen zur LTTE
in Sri Lanka oder auch durch exilpolitische Tätigkeit. Die in der Maßnahme objektiv
erkennbar werdende Anknüpfung (so die Konkretisierung der "Gerichtetheit" der
Maßnahme durch BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, a.a.O.) bezieht sich auf den
konkreten Verdacht der LTTE-Unterstützung, nicht aber auf die asylrelevanten
Merkmale Volkszugehörigkeit und Alter an sich.
Um politische Verfolgung kann es sich allerdings in den Fällen handeln, in denen
Festgenommene durch Schläge mißhandelt und sogar in Einzelfällen gefoltert
werden. Zwar soll die srilankische Polizei auch bei "normalen" kriminellen Delikten
wie zum Beispiel Diebstahl routinemäßig prügeln (63.; 69.). Es bestehen aber
deutliche Hinweise dafür, daß gerade die konkret der LTTE- Unterstützung
verdächtigen Tamilen weit über die "üblichen" Mißhandlungen hinausgehenden
Folter-Methoden ausgesetzt sind, die entscheidend durch das von den
Sicherheitskräften angenommene Eintreten für die politischen Ziele der LTTE
bedingt sind (71.). Diese Verfolgungsmaßnahmen gehen über die zum
Rechtsgüterschutz notwendige und bei vergleichbaren Taten übliche Behandlung
von Inhaftierten hinaus und zielen unmittelbar auch auf die der vorgeworfenen Tat
zugrundeliegende politische Überzeugung des Verdächtigen. Diese deshalb als
politische Verfolgung zu charakterisierenden Maßnahmen drohen jungen Tamilen,
bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine aktive Unterstützung terroristischer
Aktionen, insbesondere der LTTE, in Betracht zu ziehen sind. Für die etwa 90 % der
jungen Tamilen, die nach einer Festnahme zwecks screenings wieder freigelassen
werden, und für die Verdächtigen, bei denen sich auch bei längerer Inhaftierung
konkrete Tatsachen für eine aktive LTTE-Unterstützung nicht ergeben, besteht die
"realistische" (das Bundesverwaltungsgericht - 09.04.1991 - 9 C 91.90 - verwendet
den Begriff "reale") Möglichkeit, solchen Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu
werden, nicht. Im übrigen ist davon auszugehen, daß nach der oben dargestellten
deutlichen Verbesserung der Menschenrechtssituation im Süden und Westen seit
Anfang/Mitte 1992, seitdem konkrete Fälle von Folterungen nach Razzien
festgenommener junger Tamilen nicht oder kaum noch bekannt geworden sind,
auch für der LTTE-Unterstützung Verdächtige eine realistische Gefahr solcher
Verfolgungsmaßnahmen kaum noch besteht. Zusammenfassend ist damit
festzustellen, daß ein tamilischer Volkszugehöriger, auch im Alter zwischen 11 und
36 Jahren, der aus Deutschland nach Sri Lanka zurückkehrt und sich im Süden und
Westen, insbesondere im Großraum Colombo niederläßt, dort vor einer politischer
Verfolgung, die an die genannten asylrelevanten Merkmale seiner
Volkszugehörigkeit und seines Alters anknüpft, hinreichend sicher ist.
Nach den dargelegten Kriterien besteht auch eine existentielle Gefährdung für
tamilische Volkszugehörige am Ort der inländischen Fluchtalternative im Süden
und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo und Umgebung,
nicht. Es kann nicht festgestellt werden, daß Tamilen dort mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit wirtschaftliche Verelendung droht, die ein menschenwürdiges
Dasein unmöglich macht. Nach den vorliegenden Berichten ist vielmehr zugrunde
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Dasein unmöglich macht. Nach den vorliegenden Berichten ist vielmehr zugrunde
zu legen, daß sich in diesem Gebiet niederlassende Tamilen eine wenn auch
bescheidene Lebensgrundlage finden können, die ein menschenwürdiges
Überleben dort ermöglicht. So haben Zehntausende von Tamilen sich nach ihrer
Flucht aus dem Norden Sri Lankas, insbesondere von der Jaffna- Halbinsel, im
Großraum Colombo niedergelassen, um dort unbehelligt von den Kriegswirren in
ihrem Heimatgebiet leben zu können. Sie leben dort meist bei Verwandten oder
Bekannten, in Hotels, kleinen Absteigen (sogenannten Lodges) oder in
Flüchtlingslagern (52.). In den Flüchtlingslagern werden Lebensmittel ("dry rations")
zur Sicherung des Existenzminimums verteilt; in der Regel gibt es aber keine
darüber hinausgehende finanzielle Unterstützung (51.). Für einen aus Deutschland
nach Sri Lanka zurückkehrenden Tamilen dürfte es allerdings schwierig sein, in
einem von der Regierung betriebenen Flüchtlingslager ("welfare camp") eine
Unterkunft zu finden (52.). Ein notdürftiges Unterkommen bei Verwandten oder
Bekannten oder auch in einfachen Behausungen ohne Familienrückhalt ist aber
grundsätzlich möglich. Im Raum Colombo können Tamilen, die sich dort ansiedeln,
wenn auch auf dürftige Weise existieren (64.). Die wirtschaftliche und soziale Lage
der Tamilen ist im Süden auch wegen der dort herrschenden hohen
Arbeitslosenquote insgesamt unbefriedigend (47.). Zwar ist es auch für Tamilen in
Colombo und Umgebung schwierig, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen (60.).
Durch Gelegenheitsarbeiten, die allerdings meist schlecht bezahlt werden, ist ein
wirtschaftliches Überleben aber - wenn auch mit großen Problemen - möglich (65.).
Soweit eine Unterstützung nicht durch die Solidarität unter den Tamilen erfolgt
(64., dazu skeptisch 67.), ist für in den Süden oder Westen Sri Lankas kommende
Tamilen der Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz schwierig. Insbesondere wenn
persönliche Beziehungen und ausreichende singhalesische Sprachkenntnisse
fehlen, haben Ortsfremde fernab ihres verwandtschaftlichen und
bekanntschaftlichen Einfluß- und Wirkungskreises zunächst nur geringe Chancen
bei der Neugründung einer Existenz (58.). Auch wenn es unter Berücksichtigung
der hohen Arbeitslosigkeit schwierig ist, eine wirtschaftliche Grundlage aufgrund
einer Erwerbstätigkeit zu schaffen, so ist doch insgesamt festzustellen, daß
insbesondere aufgrund von Unterstützungen durch Verwandte oder Bekannte, den
Staat, der Flüchtlinge auch außerhalb von Flüchtlingslagern mit sogenannten
Trockenrationen versorgt (67.), und durch Hilfsmaßnahmen karitativer
Organisationen oder aufgrund von Einkünften durch Gelegenheitsarbeiten ein
menschenwürdiges Dasein möglich ist.
Danach ist zusammenfassend zugrunde zu legen, daß für tamilische
Volkszugehörige auch im alter zwischen 11 und 36 Jahren hinreichende Sicherheit
vor asylrelevanten Maßnahmen im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im
Großraum Colombo und Umgebung, besteht (a. M.: VGH Baden-Württemberg,
29.11.1991 - A 16 S 1731/89 -, 08.06.1993 - A 16 S 926/93 -; OVG Nordrhein-
Westfalen, 08.07.1992 - 21 A 914/91.A -, 27.01.1993 - 21 A 10085/85 -). Dort droht
auch keine existentielle Gefährdung insbesondere aufgrund eines
Dahinvegetierens unter dem wirtschaftlichen Existenzminimum, die so in der
Heimatregion des Asylbewerbers nicht bestände.
2. Dem Beigeladenen droht bei einer Rückkehr in sein Heimatland auch aus
individuellen Gründen keine politische Verfolgung am Ort der inländischen
Fluchtalternative. Er ist auch unter Berücksichtigung seiner früheren politischen
Betätigung vor der Ausreise aus Sri Lanka dort hinreichend sicher vor staatlichen
Verfolgungsmaßnahmen. Nach den obigen Darlegungen zur Frage einer
generellen Verfolgung junger Tamilen im Süden und Westen Sri Lankas,
insbesondere im Großraum Colombo und Umgebung, besteht hinreichende
Sicherheit vor Verfolgung für diese Gruppe, soweit keine besonderen und
konkreten Verdachtsmomente individuell in der einzelnen Person vorliegen. Nur
bei Vorliegen konkreter Verdachtsmomente besteht die realistische Gefahr einer
längeren Inhaftierung und damit verbunden von Mißhandlungen und
möglicherweise Folter. Insoweit müssen "mindestens ernsthafte Zweifel" an einer
Sicherheit vor Verfolgung bestehen, die auf "objektiven Anhaltspunkten" für einen
politische Verfolgung begründenden Übergriff beruhen (BVerwG, 08.09.1992 - 9 C
62.91 -). Eine realistische Gefahr, daß die srilankischen Sicherheitsbehörden aus
der früheren Betätigung des Beigeladenen (Plakatekleben/Flugblattverteilen) für
die PLOT vor seiner Ausreise im Juni 1985 konkrete Verdachtsmomente für eine
heutige Unterstützung der LTTE entnehmen könnten, ist nicht ersichtlich, wird
auch vom Beigeladenen selbst nicht geltend gemacht. Der Beigeladene hat sich
bei seinen Aussagen zur Frage, was er persönlich bei einer Rückkehr nach Sri
Lanka befürchte, im Laufe des Verfahrens, zuletzt noch bei der Vernehmung im
Rahmen der Beweisaufnahme am 23. Juni 1993, immer nur allgemein darauf
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Rahmen der Beweisaufnahme am 23. Juni 1993, immer nur allgemein darauf
berufen, Angst vor der Armee bzw. den Soldaten zu haben, ohne daß er dies
selber für seine Person konkretisiert oder sich gar darauf besonders berufen hätte,
als LTTE-Verdächtiger politisch verfolgt zu werden. Unabhängig davon, daß keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß der Beigeladene bis zu seiner Ausreise
als Sympathisant der PLOT aufgrund des Plakateklebens/ Flugblattverteilens, bei
dem er nie verhaftet wurde, bei den srilankischen Sicherheits- und
Strafermittlungsbehörden aktenkundig geworden ist, braucht er wegen seiner
damaligen Aktivitäten heute eine LTTE-Verdächtigung nicht zu befürchten. Der
Einsatz der indischen Truppen im Norden und Osten der Insel nach
Unterzeichnung des indo-srilankischen Vertrages zur Wiederherstellung der
Normalität vom 29. Juli 1987 führte zu tiefgreifenden, bis heute andauernden
Auseinandersetzungen unter den militanten tamilischen Gruppierungen, wobei die
militärischen Auseinandersetzungen bereits teilweise 1986 begannen (Angriffe der
LTTE auf Mitglieder der TELO und der EPRLF; vgl. 33., S. 53). Während die LTTE,
nach anfänglichem kurzen Warten, Aktionen und Überfälle gegen die indischen
Truppen organisierte, arbeiteten alle anderen militanten Tamilenorganisationen,
darunter auch die PLOT, mit der indischen Armee zusammen (24.; 25.; 26.).
Seitdem werden Mitglieder der PLOT durch LTTE-Angehörige verfolgt und sind,
genau wie srilankische Sicherheitskräfte, Ziel von Anschlägen der LTTE (24.; 25.;
26.; 34.; 36.). Infolge dieser Situation kommt es seit dem Abzug der indischen
Armee zur Zusammenarbeit zwischen PLOT und Regierung (34.; 36.; 42.; 57.; 60.).
Mitglieder der PLOT sind damit heute in Sri Lanka nicht gefährdet, nach ihnen wird
nicht gefahndet, es findet keine Verfolgung statt (35.; 38.). Deswegen ist der
Beigeladene weder als ehemaliger PLOT-Sympathisant gefährdet, noch ergeben
sich heute daraus konkrete Verdachtsmomente hinsichtlich einer Unterstützung
der LTTE. Ohne solche konkreten Anhaltspunkte für eine LTTE- Unterstützung gibt
es aber keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, daß dem Beigeladenen bei einer
Rückkehr in sein Heimatland anders als anderen tamilischen Rückkehrern, von
denen nicht bekannt geworden ist, daß sie - ohne der Unterstützung der LTTE
verdächtig gewesen zu sein - verhaftet worden wären, tatsächlich die Gefahr
politischer Verfolgungsmaßnahmen drohte. Soweit der Beigeladene bei einer
Rückkehr Verfolgung seitens der PLOT befürchtet, fällt dies nicht unter den
Schutzbereich des Art. 16 a Abs. 1 GG, ganz abgesehen davon, daß der
Beigeladene nicht konkret darzustellen vermocht hat, warum die PLOT vor zehn
Jahren ausgereiste Tamilen nunmehr verfolgen sollte. Nicht unter den
Schutzbereich fällt auch die vom Beigeladenen geäußerte "Angst vor gegnerischen
Bewegungen von PLOT" (Aussage im Rahmen der Vernehmung zur
Beweisaufnahme, Bl. 147 d. A.).
Da konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Sicherheitsbehörden von
Umständen, die diese üblicherweise zum Anlaß für einen LTTE-Verdacht und
infolge dessen für eine verfolgungsrelevante Inhaftierung nehmen, nicht ersichtlich
sind, ist zugrunde zu legen, daß der Beigeladene bei einer Rückkehr nach Sri
Lanka und einem Aufenthalt im Süden oder Westen, insbesondere im Großraum
Colombo und Umgebung, und damit am Ort der inländischen Fluchtalternative
hinreichend sicher ist. In diesem Gebiet drohen ihm auch keine sonstigen
Nachteile und Gefahren, die ihm wegen ihrer mit einer angeblichen
Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen vergleichbaren Intensität und
Schwere eine menschenwürdige Existenz dort unmöglich machen würden (vgl.
BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, a. a. O.). Er wird es zwar als nicht singhalesisch
sprechender Tamile ohne jegliche Verwandten in dieser Region sehr schwer haben,
dort ein Auskommen zu finden, zumindest aber werden die Hilfsmaßnahmen
karitativer Organisationen ihm ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen, so daß
ihn existenzbedrohende Gefahren dort nicht erwarten.
B.
Der Asylantrag des Beigeladenen kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als
dieser die Feststellung begehrt, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des
Ausländergesetzes vorliegen (§ 13 Abs. 2 AsylVfG). Die Prüfung der
Voraussetzungen dieser Vorschrift ist in das laufende Asylstreitverfahren
einzubeziehen, denn in § 13 AsylVfG ist der Streitgegenstand auch in einem von
dem Bundesamt vor dem 31. Dezember 1990 entschiedenen Asylverfahren von
Gesetzes wegen auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG erweitert worden (Hess. VGH, 25.02.1991 - 12 UE 2106/87 -, EZAR
231 Nr. 1 = NVwZ-RR 1991, 516; BVerwG, 18.02.1992 - 9 C 59.91 -, EZAR 231 Nr.
3). Dies gilt auch bei einer Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten (BVerwG, 19.03.1992 - 9 B 235.91 -, EZAR 231 Nr. 4). Nach §
105
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Asylangelegenheiten (BVerwG, 19.03.1992 - 9 B 235.91 -, EZAR 231 Nr. 4). Nach §
51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in
dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
Der Asylantrag des Beigeladenen kann auch insoweit keinen Erfolg haben, da
dieser - wie oben dargelegt - wegen des Bestehens einer inländischen
Fluchtalternative im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum
Colombo und Umgebung, in diesem Teil seines Heimatlandes leben kann, ohne
daß dort sein Leben oder seine Freiheit insbesondere wegen seiner Rasse oder
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen
Überzeugung bedroht ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Einschätzung
im Rahmen der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenso
wie bei der Asylanerkennung aufgrund Art. 16 a Abs. 1 GG allein nach objektiven
Maßstäben zu treffen ist oder ob hier wie in Art. 1 A. Nr. 2 des Abkommens über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention - GK (vom 28. Juli
1959 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 1954, BGBl. II, S. 619, und
des Zusatzprotokolls vom 31. Januar 1967 in der Fassung der Bekanntmachung
vom 5. November 1969, BGBl. II, S. 1293) auf das subjektive Element der
"begründeten Furcht vor Verfolgung" abzustellen ist. Dafür, daß es im Rahmen des
§ 51 Abs. 1 AuslG entscheidend auf die subjektive Furcht vor Verfolgung und nicht
auf die nach allein objektiven Maßstäben festzustellende Gefährdung ankommt,
könnte die Regelung des § 51 Abs. 3 AuslG a. F. sprechen, nach der ein Ausländer,
für den das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar
festgestellt war, zugleich die Voraussetzungen des Art. 1 GK erfüllte. Nach
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorschrift des § 51 Abs. 1 AuslG
deshalb so auszulegen und anzuwenden, daß sie auch mit dem Flüchtlingsbegriff
des Art. 1 A. Nr. 2 GK übereinstimmt (BVerwG, 21.01.1992 - 1 C 21.87 -, BVerwGE
89, 296 = EZAR 232 Nr. 2; ebenso Bay. VGH, 17.05.1991 - 24 B 88.30479 -, EZAR
231 Nr. 2). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß mit der genannten
Neuregelung einer etwaigen Differenz zwischen der Flüchtlingseigenschaft im
Sinne des Art. 1 A. Nr. 2 GK und der Asylberechtigung nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2
GG a. F. für das Asylverfahren Rechnung getragen worden sei. § 51 Abs. 1 AuslG
knüpfe an die hinsichtlich der Verfolgungsgründe inhaltsgleiche Schutzvorschrift
des Art. 33 Abs. 1 GK an, die im wesentlichen eine verkürzte wiedergabe des Art. 1
A. Nr. 2 GK darstelle. Für die Identität der Flüchtlingsbegriffe in den beiden
genannten Vorschriften mag ursprünglich auch der Wille des Gesetzgebers
gesprochen haben, mit der Neuregelung des Abschiebungsschutzes den von
Seiten des UNHCR erhobenen Bedenken einer möglichen Lücke zwischen der
Asylberechtigung nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und der Gewährung des
Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention Rechnung zu tragen (so Hailbronner,
Ausländerrecht, Kommentar, Stand Oktober 1992, § 51 AuslG Rdnr. 8). Dies kann
aber der dann Gesetz gewordenen Fassung des § 51 Abs. 3 AuslG a. F. bzw. der
seit 1. Juli 1992 geltenden inhaltsgleichen Regelung des § 3 AsylVfG nicht
entnommen werden. Nach § 3 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der
Genfer Konvention, wenn unanfechtbar festgestellt ist, daß ihm in dem Staat,
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, die in § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes
bezeichneten Gefahren drohen. Aus den Fassungen beider Vorschriften ist nicht zu
schließen, daß damit eine Übernahme der Voraussetzungen des Art. 1 A. Nr. 2 GK
in § 51 AuslG gewollt war. § 3 AsylVfG stellt ebenso wie § 51 Abs. 3 AuslG a. F. eine
Rechtsfolgenverweisung dar, durch die kraft gesetzlicher Fiktion (so Marx, ZAR
1992, 3) das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention
festgestellt wird. Der Eintritt dieser Rechtsfolge setzt aber allein voraus, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Den nur Rechtsfolgen
regelnden Normierungen der §§ 51 Abs. 3 AuslG a. F. und § 3 AsylVfG läßt sich
deshalb gerade nicht entnehmen, daß auch die Voraussetzungen des
Flüchtlingsbegriffs gemäß Art. 1 A. Nr. 2 GK vorliegen müssen.
Gegen eine Einbeziehung des Flüchtlingsbegriffs des Art. 1 A. Nr. 2 GK spricht
auch, daß der Gesetzgeber im Rahmen des Asylverfahrensgesetzes 1992 bewußt
davon abgesehen hat, die "Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 GK" in
den Regelungsbereich dieses Gesetzes einzubeziehen. Nach der dafür im
federführenden Innenausschuß des Bundestages gegebenen Begründung wurde
ein Änderungsvorschlag mit dem Ziel, die Genfer Flüchtlingskonvention mit dem
Asylverfahrensgesetz in Einklang zu bringen, deshalb abgelehnt, weil der
Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention durch Art. 16 GG a. F.
weitgehend abgedeckt sei und Art. 16 GG a. F. zum Teil sogar über die Genfer
Flüchtlingskonvention hinausgehe (BT-Drs. 12/2718, S. 55). Damit wird deutlich,
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108
Flüchtlingskonvention hinausgehe (BT-Drs. 12/2718, S. 55). Damit wird deutlich,
daß der Gesetzgeber ein Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im
Sinne des Art. 1 GK, vor allem soweit dieser sich nicht mit dem Begriff des politisch
Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG deckt, ausdrücklich nicht zur Verfügung
stellen wollte (vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht, 5. Auflage 1992, Nachtrag 1993,
§ 1 AsylVfG Rdnr. 5 f., § 3 AsylVfG Rdnr. 4 f.).
Ohne eine solche ausdrückliche Einbeziehung in das Asylverfahren kann nicht
zugrunde gelegt werden, daß § 51 Abs. 1 AuslG den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A.
Nr. 2 GK aufnimmt. Denn Art. 33 Abs. 1 GK, dem § 51 Abs. 1 AuslG wie die frühere
inhaltsgleiche Vorgängervorschrift des § 14 AuslG 1965 nachgebildet ist
(Kanein/Renner, a.a.O., § 51 AuslG Rdnr. 3 f.), unterscheidet sich gerade in dem
Maßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr von Art. 1 A. Nr. 2 GK. Der mit
dem Refoulement-Verbot den Kern des asylrechtlichen Schutzrechts regelnde Art.
33 Abs. 1 GK setzt für die Anwendung des Aus- und Zurückweisungsverbotes
voraus, daß ein Flüchtling in einem Gebiet, in das er aus- oder zurückgewiesen
wird, von politischer Verfolgung "bedroht sein würde". Damit kommt es im
Unterschied zu Art. 1 A. Nr. 2 GK maßgeblich auf eine objektive Beurteilung der
Frage an, ob einem Flüchtling politische Verfolgung droht. Unabhängig davon, daß
Art. 33 Abs. 1 GK Art. 1 A. Nr. 2 GK im Hinblick auf die für eine politische
Verfolgung relevanten Merkmale verkürzt wiedergibt (so BVerwG, 21.01.1992 - 1 C
21.87 -, a.a.O. unter Hinweis auf Koisser/Nicolaus, ZAR 1991, 9), besteht doch ein
maßgeblicher Unterschied in dem fehlenden subjektiven Furchtelement in Art. 33
Abs. 1 GK und damit ebenso in § 51 Abs. 1 AuslG. Damit ist es mehr als
zweifelhaft, ob insoweit eine identische Auslegung des § 51 Abs. 1 AuslG und Art. 1
A. Nr. 2 GK möglich ist (so Koisser/Nicolaus, a.a.O.). Dieser objektive
Beurteilungsmaßstab entspricht auch der Auslegung und Anwendung des
Abschiebungsschutzes nach Art. 33 GK in der Praxis der Konventionsstaaten. So
hat der Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika deutlich zwischen
Art. 33 Abs. 1 GK und Art. 1 A. Nr. 2 GK im Hinblick auf den Beurteilungsmaßstab
unterschieden und dazu ausgeführt, das subjektive Furchtelement des Art. 1 A. Nr.
2 GK sei in Art. 33 Abs. 1 GK nicht enthalten; die Formulierung in Art. 33 Abs. 1 GK
enthalte keine subjektive Komponente, sondern verlange, daß der Betreffende in
objektiv überprüfbarer Weise darlege, daß die Gefahr von Verfolgung stärker sein
müsse als deren Nichtrealisierung (U.S. 421 (1987), Cardoza-Fonseca, hier zitiert
nach Koisser/Nicolaus, a.a.O.). Damit wird deutlich, daß die
Wahrscheinlichkeitsprognose einer drohenden Verfolgung im Rahmen des Art. 33
Abs. 1 GK nach objektiven Maßstäben zu treffen ist, während im Unterschied dazu
bei Art. 1 A. Nr. 2 GK die subjektive Komponente im Vordergrund steht, die
allerdings objektiv nachvollziehbar sein muß. Unabhängig davon, ob aus der
Entstehungsgeschichte der Konvention zu entnehmen ist, daß ein
unterschiedlicher Beweismaßstab gewollt war (Marx, a.a.O.), spricht für eine
Differenzierung nach Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art. 33 Abs. 1 GK neben der
unterschiedlichen Fassung der Vorschriften im Hinblick auf den Prognosemaßstab
auch die unterschiedliche Funktion dieser Normen. Während die Beschreibung der
Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 A. Nr. 2 GK nicht notwendig zu einer Aufnahme
des Flüchtlings in einem der Vertragsstaaten führt, sondern nur eine
Begriffsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften über die Rechtsstellung
rechtmäßig oder unrechtmäßig sich im Vertragsstaat aufhaltender Ausländer gibt,
stellt Art. 33 Abs. 1 GK eine Verpflichtung für den Vertragsstaat dar, auch ohne
förmliche Anerkennung eines Flüchtlingsstatus (vgl. dazu Beschluß Nr. 6 (XXVIII)
Non - Refoulement (28. Sitzung, 1977) des Exekutivkomitees für das Programm
des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, zitiert nach: UNHCR,
Internationaler Rechtsschutz für Flüchtlinge, Genf, 1988) das Refoulement-Verbot
zu beachten (Hailbronner, ZAR 1993, 3). Auch soweit Art. 33 Abs. 1 GK den
Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A. Nr. 2 GK und damit die darin enthaltene subjektive
Komponente aufnimmt (vgl. dazu Marx, a.a.O.), enthält Art. 33 Abs. 1 GK im
Hinblick auf die zwingende Rechtsfolge des Zurückweisungs- und
Abschiebungsschutzes die zusätzliche Voraussetzung, daß die subjektiv
befürchtete Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung objektiv festzustellen ist. Ob
§ 51 Abs. 1 AuslG - wie schon § 14 Abs. 1 AuslG 1965 - mit der Formulierung
"bedroht ist" im Unterschied zu der Fassung des Art. 33 Abs. 1 GK "would be
threatened" einen noch schärferen Beweismaßstab fordert (so Marx, a.a.O.),
erscheint zweifelhaft, denn auch die Prognose nach § 51 Abs. 1 AuslG ist für den
hypothetisch zu unterstellenden Fall der Abschiebung des Ausländers in einen
anderen Staat zu treffen. Insoweit ist auch hier zu prüfen, ob der Ausländer im
Falle der Abschiebung von politischer Verfolgung bedroht wäre (= "sein würde").
Zusammenfassend ist festzustellen, daß Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art. 33 Abs. 1 GK
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Zusammenfassend ist festzustellen, daß Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art. 33 Abs. 1 GK
unterschiedliche Prognosemaßstäbe im Hinblick auf die Feststellung drohender
politischer Verfolgung enthalten. Im Hinblick auf den Prognosemaßstab kann
deshalb nicht angenommen werden, daß der Art. 33 Abs. 1 GK nachgebildete § 51
Abs. 1 AuslG mit Art. 1 A. Nr. 2 GK übereinstimmt. Einer abschließenden
Entscheidung dieser Frage bedarf es aber im vorliegenden Falle nicht, da auch bei
Anwendung des Prognosemaßstabes des Art. 1 A. Nr. 2 GK im Rahmen des § 51
Abs. 1 AuslG das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht
festzustellen ist.
Die in Art. 1 A. Nr. 2 GK vorausgesetzte "begründete Furcht vor Verfolgung" ("well-
founded fear") stellt neben den Begriff der Furcht als Ausdruck seelischer
Verfassung und subjektiven Empfindens als Einschränkung das Wort "begründet".
Dies bedeutet, daß nicht nur die seelische Verfassung der betreffenden Person
über die Flüchtlingseigenschaft entscheidet, sondern dieses subjektive Gefühl
durch objektive Tatsachen begründet sein muß (UNHCR, Handbuch über Verfahren
und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Nr. 38.). Dies setzt
voraus, daß der Antragsteller in der Regel "gute Gründe" nennen muß, weshalb er
persönlich eine Verfolgung befürchtet. Begründete Furcht vor Verfolgung kann
insbesondere bestehen, wenn eine Person schon einmal Opfer einer Verfolgung
aus den in der Genfer Konvention aufgezählten Gründen war (UNHCR, Handbuch,
Nr. 45.). Ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des
Antragstellers ist das Wissen um die Verhältnisse im Heimatland des
Antragstellers. Befürchtungen eines Antragstellers sind im allgemeinen als
begründet anzusehen, wenn er ausreichend nachweisen kann, daß der weitere
Verbleib in seinem Heimatland für ihn aus den in Art. 1 A. Nr. 2 GK genannten
Gründen unerträglich geworden ist oder aus denselben Gründen unerträglich
würde, wenn er dorthin zurückkehrte (UNHCR, Handbuch, Nr. 42.).
Auf dieser Grundlage ist angesichts der oben dargestellten Umstände, die nach
Überzeugung des Senats eine hinreichende Sicherheit des Beigeladenen vor
politischer Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland begründen,
festzustellen, daß es gute Gründe für eine Furcht des Beigeladenen vor einer
Verfolgung bei einer Rückkehr nach Sri Lanka nicht gibt. Nach den obigen
Ausführungen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der
Beigeladene als ehemaliger PLOT-Sympathisant heute mit
Verfolgungsmaßnahmen seitens der Sicherheitsbehörden rechnen müßte. Der
Beigeladene hat unter Berücksichtigung der Verhältnisse in seinem Heimatland
schlüssig keine nachvollziehbaren Gründe dafür dargelegt, daß ihm auch am Ort
der inländischen Fluchtalternative Verfolgung droht.
Das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative ist auch im Rahmen des § 51
Abs. 1 AuslG zu berücksichtigen (BVerwG, 21.08.1992 - 9 B 140/92 -, 02.12.1992 -
9 B 288/92 -). Auch im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG gilt die Subsidiarität der
Asylgewährung im Ausland gegenüber der Schutzgewährung durch den
Heimatstaat des Asylbewerbers (Hailbronner, a.a.O., § 51 AuslG Rdnr. 16). Dies
entspricht auch den Grundsätzen der Genfer Konvention, nach der sich allerdings
Furcht vor Verfolgung nicht immer auf das gesamte Territorium des Landes
erstrecken muß, dessen Staatsangehörigkeit der Flüchtling besitzt. Soweit die
Verfolgung insbesondere einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe
nur auf einen Teil des Landes beschränkt ist, wird einer Person die
Flüchtlingseigenschaft nicht vorenthalten, nur weil sie Zuflucht in einem anderen
Teil des Landes hätte suchen können, wenn - nach allen Umständen zu urteilen -
ein solches Verhalten vernünftigerweise von ihr nicht erwartet werden konnte
(UNHCR, Handbuch, 91.). Nach den obigen Darlegungen ist für nach Sri Lanka
zurückkehrende junge Tamilen auch im Alter von 11 bis 35 Jahren und
insbesondere auch für den Beigeladenen mit hinreichender Sicherheit ein
verfolgungsfreies Leben im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im
Großraum Colombo, möglich. Danach ist dem Beigeladenen vernünftigerweise
eine Rückkehr in diesen verfolgungsfreien Teil seines Heimatstaates auch nach
den Maßstäben der Genfer Konvention - im Hinblick auf Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art.
33 Abs. 1 GK - zuzumuten.
C.
Eine Feststellung gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG dazu, ob
Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes vorliegen, wie sie das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge grundsätzlich in
Entscheidungen über beachtliche Asylanträge vorzunehmen hat, ist im
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Entscheidungen über beachtliche Asylanträge vorzunehmen hat, ist im
vorliegenden Asylstreitverfahren nicht zu treffen. Die Feststellungen zu § 53 AuslG
erfolgen gesondert im Verhältnis zu einer Abschiebungsandrohung (Kanein/
Renner, Ausländerrecht, 5. Aufl., 1992, Nachtrag 1993, § 31 AsylVfG Rdnr. 4). Die
den asylrechtlichen Streitgegenstand betreffende Klage bezieht sich auf die
Feststellungen über die Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Kanein/Renner,
a.a.O., § 31 AsylVfG Rdnr. 8). In Übergangsfällen, in denen die
verwaltungsbehördlichen Entscheidungen vor Inkrafttreten des
Asylverfahrensgesetzes vom 26. Juni 1992 am 1. Juli 1992 ergangen sind, sind §§
24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG nicht anwendbar (Hess. VGH, 29.12.1992 - 12 UZ
2624/92 -, EZAR 631 Nr. 20, vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AsylVfG). Ist eine
Abschiebungsandrohung nach §§ 11, 10 Abs. 2, 28 AsylVfG 1982/1991
Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens, hat eine gerichtliche Überprüfung
der Berücksichtigung der Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (vgl. dazu
grundsätzlich Hess. VGH, 24.02.1993 - 12 UZ 2623/92 -) im Rahmen der
Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ausländerrechtlichen Bescheides zu erfolgen.
Ist - wie hier - eine Abschiebungsandrohung nicht (mehr) Streitgegenstand des
gerichtlichen Verfahrens, ist wegen des Zusammenhangs der Feststellung des
Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG mit der
Abschiebungsandrohung eine Feststellung von Abschiebungshindernissen nach §
53 AuslG nicht vorzunehmen (Hess. VGH, 29.03.1993 - 12 UZ 292/93 -, AuAS
1993, 163).
Da die Berufung des Beigeladenen keinen Erfolg hat, hat dieser die Kosten des
Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO), für das gemäß §§ 83 b Abs. 1, 87 a
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - dieser stellt insofern eine der allgemein für
Regelungsgegenstände des Gerichtskostengesetzes geltenden
Übergangsvorschrift des § 73 Abs. 1 GKG vorgehende Spezialvorschrift dar -
Gerichtskosten nicht erhoben werden (Hess. VGH, 08.07.1993 - 13 UZ 1392/93 -,
14.07.1993, - 12 UE 1789/91 -).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.