Urteil des HessVGH vom 03.03.2011

VGH Kassel: internet, minderjähriger, staatliches monopol, jugendschutz, sport, kontrolle, hessen, eugh, abgabe, veranstaltung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 A 2423/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 14 Abs 3 GlSpielG HE
"Lotto per SMS" nicht erlaubnisfähig
Leitsatz
1. Die Vermittlung von Lotterien ist in Hessen ungeachtet bestehender Bedenken
gegen das staatliche Glücksspielmonopol weiterhin erlaubnispflichtig.
2. Die Vermittlung von Glücksspielen mit Hilfe von Mobiltelefonen (Lotto per SMS) ist in
Hessen nicht erlaubnisfähig, sofern keine wirksamen Vorkehrungen zur Gewährleistung
von Jugendschutz (Alterskontrolle bei Abschluss des Spielvertrags) und Suchtprävention
getroffen sind.
3. Zur Anbahnung von Glücksspielen verwendete Zigarettenautomaten sind als örtliche
Verkaufsstellen i. S. d. § 14 Abs. 3 HGlüSpG anzusehen und daher in Hessen verboten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am
Main vom 17. Juni 2009 – 7 K 1307/09.F (V) – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die in zweiter Instanz entstandenen Kosten zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie ohne Erlaubnis nach § 4 Abs. 1
Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) i.V.m. § 9 Hessisches Glücksspielgesetz
(HGlüSpG) berechtigt sei, die von ihr beabsichtigte Vermittlung von Glücksspielen
in den vier vorgesehenen Varianten „Lotto per SMS“ durchzuführen, hilfsweise die
Verpflichtung des Beklagten, ihr eine Erlaubnis zur gewerblichen Vermittlung von
Lotterien im Lande Hessen zu erteilen.
Einen entsprechenden Antrag stellte die Antragstellerin im Dezember 2007 bei
dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, wobei sie in ihrem
Antragsschreiben folgende vier Vertriebsvarianten nannte:
1. „Lotto per SMS“-Karte im Wege des Direktmarketing als Werbekarte für Firmen
etc. (ausschließlich für den geschäftlichen Verkehr) ausschließlich an über 18-
jährige Personen;
2. „Lotto per SMS“-Karte im Wege des Direktmarketing an über 18-jährige
Personen;
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3. „Lotto per SMS“-Spielteilnahme an Automaten (Zigarettenautomaten)
ausschließlich im analogen Weg über Altersverifikation Bankkarte an über 18-
jährige Personen;
4. „Lotto per SMS“-e-voucher über Annahmestellen (Kioske, Tankstellen) mit
Spielteilnahme ausschließlich nach entsprechender Altersprüfung durch Vorlage
des Personalausweises.
Bei den Varianten 1 und 2 erhält der Spieler auf der verschenkten oder direkt bei
der Klägerin erworbenen Karte eine zunächst verdeckte „Glücks-PIN“, die er
freirubbeln und als SMS-Text an eine bestimmte Telefonnummer versenden kann.
Als Antwort erhält er per SMS sein Ziehungsdatum und Informationen über seine –
vom Veranstalter festgelegten – Lotto-Tippreihen (6 aus 49 mit Superzahl). Nach
Ziehung der Lottozahlen erhält er eine SMS mit seinem Spielergebnis, bei
Gewinnen zusätzlich eine SMS mit einer 0800er-Freecall-Nummer für seine
Gewinnauszahlung. Eine Identitätskontrolle des Spielers durch die Klägerin erfolgt
nach Abgabe der Karten nicht. Bei Variante 4 ist das Verfahren nach Erwerb eines
Guthabenbelegs mit offen aufgedruckter „Glücks-PIN“ das gleiche. Beim Spiel an
Zigarettenautomaten erfolgen Altersverifikation per Bankkarte, Spielvorgang und
Bezahlung des Einsatzes per ec-Karte mit GeldKarte-Chip oder Bargeld
menügeführt während eines Telefonanrufs, den der Spieler an eine am Automaten
aufgeklebte Freecall-Nummer zu richten hat.
Zu Variante 1 führte die Klägerin erläuternd aus, die „Lotto per SMS“-Karte solle
ausschließlich als Werbeträger für Firmen verwandt werden. Der Käufer werde bei
der Bestellung entsprechender Karten eine Selbstverpflichtung unterzeichnen,
wonach er die Karten ausschließlich an über 18-jährige Personen abgeben werde.
Damit werde dem Schutz Minderjähriger genügt. Zudem enthalte die Karte einen
Hinweis, dass eine Teilnahme Minderjähriger ausgeschlossen bzw. verboten und
dass durch eine Teilnahme an Lotto eine Suchtgefahr gegeben sei. Vorkehrungen
zur Suchtbekämpfung und zur Wahrung jugendschutzrechtlicher Belange würden
getroffen. Ein Vertrieb der Karte über das Internet erfolge seitens der Klägerin
nicht. Das konkrete Glücksspielangebot sei auch nicht neu, da es seit etwa vier
Jahren auf dem deutschen Markt angeboten werde.
Zu den übrigen Varianten führte die Klägerin erläuternd aus: Bei der
Direktvermarktung (Variante 2) erfolge eine Freischaltung erst dann, wenn die
Zahlung für die Karte erfolgt und eine Altersüberprüfung durchgeführt worden sei,
beim Vertrieb über Zigarettenautomaten (Variante 3) werde das dort übliche
Identifikationsverfahren durchgeführt und auch beim Vertrieb über
Annahmestellen erfolge eine Alterskontrolle.
Nach schriftlicher Anhörung der Klägerin lehnte das Hessische Ministerium des
Innern und für Sport mit einem den Bevollmächtigten der Klägerin am 30. Juni
2008 zugestellten Bescheid vom 23. Juni 2008 den Antrag der Klägerin ab und
setzte eine Gebühr in Höhe von 1.000,00 € für das Verwaltungsverfahren fest. Zur
Begründung wurde ausgeführt: Die Erteilung einer Erlaubnis des Kartenvertriebs
als Werbekarten (Variante 1) und per Direktversand (Variante 2) komme nicht in
Betracht, da die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV
nicht sichergestellt sei. Bei der als Variante 1 vorgesehenen Abgabe der Karten an
Volljährige sei nicht sichergestellt, dass Minderjährige von der Teilnahme am Spiel
ausgeschlossen seien. Auch bei Variante 2 müsse damit gerechnet werden, dass
trotz Altersidentifikation durch einen Erwachsenen die Spielteilnahme
Minderjähriger ermöglicht werde. Aufgrund des Geschäftsmodells, eine SMS über
ein Telefon zu verschicken, erfolge keine persönliche Alterskontrolle bei der
Spielteilnahme selbst. Bei den beabsichtigten Vertriebsformen über
Zigarettenautomaten und Annahmestellen (Varianten 3 und 4) würde gegen § 14
Abs. 3 HGlüSpG verstoßen, wonach örtliche Verkaufsstellen gewerblicher
Spielvermittler untersagt seien. Im Übrigen bestünden Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Klägerin, weil sie ihren eigenen Angaben zufolge seit 2004
„Lotto per SMS“ in Deutschland vertrieben habe, ohne die dafür erforderliche
behördliche Erlaubnis gehabt zu haben. Schließlich scheitere eine
Erlaubniserteilung an dem Umstand, dass der Vertrag mit dem Treuhänder nicht
vollständig vorgelegt worden sei.
Die mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 23. Juli 2008 am
folgenden Tag bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden erhobene Klage hat das
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main nach Verweisung des Rechtsstreits wegen
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main nach Verweisung des Rechtsstreits wegen
örtlicher Unzuständigkeit mit Urteil vom 17. Juni 2009 – 7 K 1307/09.F (V) –, das
den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 13. Juli 2009 zugestellt worden,
abgewiesen. Wegen der Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren
Vorbringens der Beteiligten in erster Instanz einschließlich ihrer dort gestellten
Anträge und wegen der Entscheidungsgründe, wird auf dieses Urteil Bezug
genommen.
Die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassene Berufung haben die Bevollmächtigten der Klägerin mit am 12. August
2009 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eingegangenem Schriftsatz ihrer
Bevollmächtigten vom selben Tage eingelegt und nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis 15. Oktober 2009 aufgrund ihres Schriftsatzes vom
2. September 2009, der einen Berufungsantrag enthält, mit einem am letzten Tag
der verlängerten Frist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen
Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15. Oktober 2009 ergänzend begründet.
Die Klägerin meint, bei allen von ihr vorgesehenen Spielvarianten sei der
Ausschluss Minderjähriger im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 3 GlüStV sichergestellt, da in
allen Fällen ein persönlicher Kontakt mit den späteren Vertragspartner stattfinde
und in diesem Zusammenhang eine zuverlässige Alterskontrolle erfolge. Dabei sei
es ausreichend, dass bei drei Varianten die Alterskontrolle nur bei der Ausgabe der
Spielkarten bzw. Guthabenbelege stattfinde und nicht auch bei dem Spielvorgang
selbst. Auch in der klassischen Form des Spielens durch Abgabe der Lottoscheine
in einer Annahmestelle sei nicht auszuschließen, dass minderjährige Spieler durch
falsche Angaben über ihr Alter oder durch Mitwirkung Erwachsener bei der Abgabe
des Lottoscheins eine nach § 4 Abs. 3 S. 2 GlüStV rechtswidrige Spielteilnahme
erschleichen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verstoße das
Angebot der Klägerin auch nicht gegen § 14 Abs. 3 HGlüSpG, wonach örtliche
Verkaufsstellen gewerblicher Spielvermittler untersagt sind. Bei Warenautomaten
handele sich nicht um örtliche Verkaufsstellen im Sinne dieser Bestimmung. Bei
dem als Variante 4 vorgesehenen Kartenverkauf in Annahmestellen, insbesondere
Kiosken und Tankstellen, sei zwar einzuräumen, dass diese Vertriebsform teilweise
gegen das Glücksspielgesetz verstoße. Jedoch spreche dieses Verbot nicht gegen
einen Vertrieb der Karten in Lotterieannahmestellen und Spielhallen, weil dort –
eine behördliche Konzession vorausgesetzt – Glücksspiele erlaubt seien.
Schließlich tritt die Klägerin der Feststellung des Beklagten entgegen, sie sei seit
2004 ohne erforderliche Anmeldung als Spielvermittlerin in Hessen tätig gewesen
und habe sich dadurch als unzuverlässig erwiesen (§ 15 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 6
Nr. 3 HGlüSpG). Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in
dem durch Klageabweisung rechtskräftig abgeschlossenen
Verwaltungsstreitverfahren gleichen Rubrums mit dem Aktenzeichen 7 K 139/08. F
(V) des Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, sie sei damals im Auftrag der Firma
xxx (…. Management, Konstanz) für die Distribution von Karten (Lotto per SMS)
tätig gewesen, nicht als Spielvermittlerin.
Nach Bekanntwerden der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 8.
September 2010 in der Rs. C-46/08 - Carmen Media (NVwZ 2010, 1422) sowie den
verbundenen Rs. C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 -
Markus Stoß u.a. (NVwZ 2010, 1409) hält die Klägerin den
Glücksspielstaatsvertrag insgesamt für nicht mehr anwendbar, weil das darin u.a.
für Lotterien normierte staatliche Monopol gegen Unionsrecht verstoße und damit
eine wirksame Rechtsgrundlage für die Einführung einer Erlaubnispflicht für die
Vermittlung solcher Glücksspiele fehle. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf
die Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 17. Oktober und vom 29. November
2010 Bezug genommen, im Übrigen auf deren Schriftsätze vom 2. September, 15.
Oktober und 1. Dezember 2009.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Klägerin ohne Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV i.V.m. §
9 HGlüSpG berechtigt ist, die von ihr beabsichtigte Vermittlung von Glücksspielen
in den vier vorgesehenen Varianten „Lotto per SMS“ durchzuführen.
hilfsweise,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2009 – 7 K
1307/09. F (V) aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil und bekräftigt seine Auffassung, bei allen von
der Klägerin konzipierten Spielvarianten sei der Ausschluss Minderjähriger vom
Spiel nicht hinreichend sichergestellt, weil bei der Absendung der jeweiligen SMS
keine wirksame Alterskontrolle stattfinde. Außerdem verstoße das
Geschäftsmodell gegen § 14 Abs. 3 HGlüSpG, wonach örtliche Verkaufsstellen
gewerblicher Spielvermittler unzulässig sind. Eine Ausweitung der Vertriebswege
auf Kioske, Tankstellen und Warenautomaten verstoße gegen das
gesetzgeberische Ziel einer Begrenzung der Zahl der Annahmestellen. Im Übrigen
sei auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem vom
Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 – zu
verweisen, wonach die Nutzung von Mobiltelefonen für den Zugang zu
Wettangeboten die Möglichkeit eröffne, jederzeit bequem und von jedem Ort aus
zu spielen, was mit dem Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und einer
Begrenzung der Wettleidenschaft nur schwerlich zu vereinbaren sei. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Hessischen Ministeriums des Innern und
für Sport vom 10. November 2009 Bezug genommen.
Die EuGH-Rechtsprechung, auf die sich die Klägerin bezieht, hält der Beklagte für
nicht entscheidungserheblich, weil der vorliegenden Streitigkeit der dafür
erforderliche europarechtliche Bezug fehle. Einen grenzüberschreitenden Bezug
hätten die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen nämlich nicht. Wegen
der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Hessischen Ministeriums des Innern
und für Sport vom 28. Oktober 2010 verwiesen.
Dem Senat liegen die den Erlaubnisantrag der Klägerin betreffenden
Behördenakten des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (ein Hefter,
Bl. 1 bis 95) sowie die Gerichtsakten 7 K 139/08.F (V) des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vor. Diese Akten sind zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht worden
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig,
insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und nach antragsgemäßer
Verlängerung der Begründungsfrist auch fristgerecht begründet worden (§§ 124
Abs. 1, 124a Abs. 2 und 3 VwGO).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der erstmals im Berufungsverfahren
als Hauptantrag gestellte Feststellungsantrag ist unbegründet und das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf
die Bezug genommen wird (§ 130 b S. 2 VwGO), abgewiesen.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die im Tatbestand zitierte EuGH-
Rechtsprechung meint, sie benötige nunmehr wegen Unwirksamkeit des
Glückspielstaatsvertrags und der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für
die beabsichtigte Lotterievermittlung gar keine Erlaubnis mehr, kann dem nicht
gefolgt werden. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in den zitierten
Entscheidungen an der Vereinbarkeit des staatlichen Glücksspielmonopols für
Sportwetten und Lotterien angesichts erheblicher Bedenken gegen die
erforderliche Geeignetheit und Kohärenz der Regelungen im Hinblick auf
Suchtprävention und Jugendschutz deutliche Zweifel geäußert. Jedoch beziehen
diese sich in erster Linie auf das Verbot privater Spielveranstaltung und -
vermittlung und nicht auf die durch den Staatsvertrag erfolgte Einführung einer
Erlaubnispflicht für solche Aktivitäten. Zum anderen bedürfen die in den Urteilen
enthaltenen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in
Vorabentscheidungsverfahren noch der Umsetzung durch die zuständigen
nationalen Gerichte, ehe sie im Einzelfall wirksam werden können. Zu den
Auswirkungen dieser EuGH-Rechtsprechung für die Wirksamkeit des
Glückspielstaatsvertrags und der landesrechtlichen Ausführungsvorschriften hat
sich bislang - soweit ersichtlich - dezidiert nur das OVG Lüneburg in seinem
Beschluss vom 11. November 2010 – 11 MC 429/10 – (ZfWG 2010, 430 = juris)
geäußert und dazu Folgendes ausgeführt (juris Rdnrn. 24 f.):
„Für die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass bei – unterstellt –
unionsrechtlicher Unzulässigkeit des Sportwettenmonopols zunächst lediglich die
unmittelbar darauf bezogenen Bestimmungen des § 10 Abs. 2 und 5 des GlüStV
unanwendbar sind und gleiches für diejenigen Bestimmungen gilt, die ihren
spezifischen Regelungsgehalt aus dem Monopol gewinnen. In welchem Umfang die
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spezifischen Regelungsgehalt aus dem Monopol gewinnen. In welchem Umfang die
übrigen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des ergänzenden
(Glücksspiel-) Landesrechts Bestand haben, ist nach den (nationalen) Regeln zu
bestimmen, die allgemein für die Teilnichtigkeit von Normen anerkannt sind und
wegen der vergleichbaren Interessenlage insoweit auch auf die vorliegende
Fallgestaltung der (unterstellten) Teilunanwendbarkeit heranziehbar sind. Ob ein
Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit bzw. im vorliegenden Fall zur
Gesamtunanwendbarkeit der Norm oder nur zur Unanwendbarkeit einzelner
Vorschriften der Norm führt, hängt demnach davon ab, ob – erstens – die
Beschränkung der Unanwendbarkeit eine sinnvolle (Rest-) Regelung des
Lebenssachverhalts belässt, die mit höherrangigem Recht vereinbar ist, und ob –
zweitens – hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des
Normgebers angenommen werden kann (vgl. allgemein BVerwG, Beschl. v.
18.8.2008 – 9 B 42.08 –, juris, m. w. N., sowie BVerfG, Beschl. v. 7.9.2010 – 2 BvF
1/09 –, juris, Rn. 159: ‚mit dem Ausspruch der Teilnichtigkeit werden die
Regelungsabsichten des Gesetzgebers, soweit wie möglich, respektiert, ohne dass
ein von seinem Willen nicht gedeckter Regelungstorso entstünde‘; in der Sache
bezogen auf die vorliegende Fallkonstellation auch: OVG Berlin-Brandenburg,
Beschl. v. 26.10.2010 – 1 S 154/10 –, juris, Bay. VGH, Beschl. v. 12.3.2010 – 10 CS
09.1734 –, juris, Rn. 42, und Sachsen - Anh. OVG, Urt. v. 17.2.2010 – 3 L 6/08 –,
juris, Rn. 34, vgl. ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 27.9.2005 – 1 BvR 789/05 –, juris,
Rn. 19, wonach ‚auch für den Fall der Notwendigkeit einer …
gemeinschaftskonformen Auslegung einzelner Erlaubnisvoraussetzungen … die
Norm hinsichtlich der davon unabhängigen und selbständigen weiteren
Voraussetzungen das Einholen einer präventiven Kontrollerlaubnis notwendig
macht‘).
Hieran gemessen kann eine Gesamtunanwendbarkeit der staatsvertraglichen und
ergänzenden landesrechtlichen Regelungen über die Voraussetzungen zur
Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten nicht angenommen werden. Der
Glücksspielstaatsvertrag ist vielmehr so aufgebaut, dass auch beim Wegfall der
staatlichen Monopolregelung noch allgemeine Regelungen fortbestehen, die sich
nicht spezifisch auf ein staatliches Monopol beziehen, sondern auch und gerade
dann sinnvoll bleiben, wenn sie sich auf die Tätigkeit von rein privaten
Veranstaltern beziehen. Dies gilt insbesondere für die allgemeinen Ziele in § 1,
aber auch für die dieses Ziel konkretisierenden Bestimmungen über die
Erlaubnispflicht, die Versagungsgründe, das Spielverbot für Minderjährige, das sog.
Internetverbot in § 4 Abs. 4 sowie die weiteren, bewusst ‚vor die Klammer
gezogenen‘ allgemeinen Vorschriften des § 6 und 7 des GlüStV über das
erforderliche Sozialkonzept und die gebotene Aufklärung sowie schließlich die
besonderen Vorschriften über die Veranstaltung von Sportwetten in § 21 Abs. 1
und 2 des GlüStV, die u. a. auch ein Verbot von Livewetten vorsehen (Abs. 2 Satz
3). Diese Regelungen bilden auch beim Wegfall des Monopols einen sinnvollen
(Rest-) Normbestand.
Das Bundesverfassungsgericht hat In seinem Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1
BvR 928/08 – (NVwZ 2008, 1338 = juris Rdnrn. 21 ff.) den Glücksspielstaatsvertrag
und die dem Hessischen Glücksspielgesetz weitgehend inhaltsgleichen
Ausführungsbestimmungen der Länder Berlin und Niedersachsen als
verfassungskonform, insbesondere als mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art.
12 Abs. 1 GG) vereinbar angesehen. Auf diese Entscheidung wird zur weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Gemeinschaftsrechtliche
Bezüge, die dazu Anlass geben könnten, die hier maßgebenden Bestimmungen
des deutschen und speziell des hessischen Glücksspielrechts an Unionsrecht und
namentlich an den im Tatbestand zitierten EuGH-Entscheidungen zu messen,
weist der vorliegend zu entscheidende Fall nicht auf, wie schon das
Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (S. 7 des angefochtenen Urteils).
Auch die nach den im Tatbestand zitierten EuGH-Entscheidungen ergangenen
Urteile des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2010 – ZR 156/07 – (juris) und
des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (– 8 C 13.09, 8 C 14.09
und 8 C 15.09 –, juris) geben für die von der Klägerin unterstellte
Gesamtnichtigkeit des Glücksspielstaatsvertrags und der landesrechtlichen
Ausführungsbestimmungen nichts her, weil in beiden Entscheidungen die
grundsätzliche Geltung des Glücksspielstaatsvertrags und der jeweiligen
Ausführungsgesetze nicht in Frage gestellt worden ist.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren der Auffassung des
Verwaltungsgerichts entgegengetreten ist, der Ausschluss Minderjähriger von
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Verwaltungsgerichts entgegengetreten ist, der Ausschluss Minderjähriger von
Glücksspielen sei bei sämtlichen von ihr konzipierten Spielvarianten nicht i. S. d. §
4 Abs. S. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland –
Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV. – vom 30. Januar bis 31. Juli 2007 –
(veröffentlicht als Anlage zum Hessischen Glücksspielgesetz – HGlüSpG – vom 12.
Dezember 2007, GVBl. I 2007, 835) gewährleistet, kann ihrer Ansicht nicht gefolgt
werden. Die Klägerin verkennt, dass bei den von ihr konzipierten Spielvarianten
Alterskontrollen allenfalls bei der Ausgabe der Spielkarten und Guthabenbelege
stattfinden können, nicht aber bei der Kontaktaufnahme mit der Spielvermittlerin
mittels Mobiltelefon, also dem eigentlichen Vertragsabschluss, der sich in völliger
Anonymität und außerhalb jeglicher Kontrolle abspielt. Zwar ist die Vermittlung von
Glücksspielen mittels Mobiltelefonen bislang – anders als ihre Vermittlung durch
Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) – nicht ausdrücklich verboten; die Beschränkung der
Vermarktungsmöglichkeiten auf terrestrische Vertriebswege in § 21 Abs. 2 S. 3
GlüStV gilt ausdrücklich nur für Sportwetten. Jedoch hat das
Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung zum staatlichen
Sportwettenmonopol in Bayern auf die Vergleichbarkeit beider Vertriebswege im
Hinblick auf Gefahren für Suchtprävention und Jugendschutz hingewiesen. In
diesem Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 – (BVerfGE 115, 276 = juris
Rdnr. 139) heißt es dazu unmissverständlich:
„Vor dem Hintergrund der rechtlich gebotenen Ausrichtung des Wettangebots am
Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ist
auch die Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internetangebot der Staatlichen
Lotterieverwaltung bedenklich. Der Vertreter der Staatlichen Lotterieverwaltung
hat in der mündlichen Verhandlung selbst dargelegt, dass sich über diesen
Vertriebsweg jedenfalls derzeit der im Rahmen der Suchtprävention besonders
wichtige Jugendschutz nicht effektiv verwirklichen lasse. Gleiches wird aber auch für
die Nutzung von SMS gelten, die Sportwetten mittels Mobiltelefon jederzeit und
von jedem Ort aus grundsätzlich spielbar macht.“
In seiner Entscheidung zum Glücksspielstaatsvertrag vom 14. Oktober 2008 – 1
BvR 928/08 – (NVwZ 2008, 1338 = juris Rdnrn. 40, 48) hat das
Bundesverfassungsgericht diesen Gedanken der Bedenklichkeit technikgestützter
Vermittlung von Glücksspielen aufgegriffen und folgendes ausgeführt:
„Das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im
Internet ( § 4 Abs. 4 GlüStV) ist geeignet, problematisches Spielverhalten
einzudämmen. Das Spielen per Internet ist durch ein hohes Maß an
Bequemlichkeit sowie durch eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit des
Angebots gekennzeichnet. Hinzu kommt ein im Vergleich zur Abgabe des
Lottoscheins in der Annahmestelle höherer Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das
virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem
Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des
Einsatzes – und möglichen Verlustes – von Geld in den Hintergrund treten zu
lassen. Die Möglichkeiten des Internet-Glücksspiels zu beschneiden, bedeutet, die
Umstände der Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang
des Spielens bewusster zu machen. Hierdurch kann einem Abgleiten in
problematisches Spielverhalten entgegenwirkt werden. Hinzu kommt, dass nach
wie vor erhebliche Bedenken bestehen, ob sich bei einer Teilnahme an
Glücksspielen per Internet der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige
Jugendschutz effektiv verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 115, 276 <315>). Auch zur
Vermeidung derartiger Präventionslücken ist das Internetverbot das geeignete
Mittel.“
… „Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit des Verbots der Veranstaltung und
Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet ( § 4 Abs. 4 GlüStV) ergeben sich
keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist nicht ersichtlich,
welche alternativen Maßnahmen in Betracht kämen, um den spezifischen
Gefährdungen des Glücksspiels bei der Nutzung dieses Mediums wirksam zu
begegnen. Wie bereits angesprochen, können im Internet die Spielverträge
bequem und rund um die Uhr von zuhause aus abgeschlossen werden. Die hiermit
einhergehenden Effekte der Gewöhnung und Verharmlosung sind
systemimmanent, weshalb sie auch nicht durch Beschränkungen oder Auflagen
ausgeglichen werden können. Ebenfalls nicht anderweitig zu lösen sind die
spezifischen Gefährdungen jugendlicher Spieler. Die Beschwerdeführerin trägt
selbst vor, dass die Implementierung eines technikgestützten Authentifizierungs-
und Identifizierungssystems zu aufwändig und damit unwirtschaftlich wäre.
Gleichzeitig führt sie zwar aus, schon jetzt werde den Belangen des
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Gleichzeitig führt sie zwar aus, schon jetzt werde den Belangen des
Jugendschutzes genügt, weil etwaige Gewinne nicht an Minderjährige ausgezahlt
würden. Dieser Hinweis ist jedoch nicht in jeder Hinsicht überzeugend, weil dieses
System nicht verhindern kann, dass sich Jugendliche mit falschen Angaben
registrieren und anschließend den Auftrag zur Vermittlung von Lottospielverträgen
erteilen.“
Gleiches muss nach Auffassung des Senats für die Anbahnung von
Glücksspielverträgen per SMS unter Verwendung von Mobiltelefonen gelten. Denn
wie bei der Vermittlung solcher Spiele über Internet erfolgt der Vertragsabschluss
zu beliebigen Zeiten von einem vom Spieler gewählten Ort aus und außerhalb
jeglicher sozialer Kontrolle, so dass der Umgehung des Verbots der Teilnahme
Minderjähriger Tür und Tor geöffnet sind.
Auf die Bedeutung des Vertriebsverbots für Sportwetten mittels SMS hat auch das
Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 24. November 2010 – 8 C 13.09
– (juris Rdnr. 41), – 8 C 14.09 – (juris Rdnr. 37), – 8 C 15.09 – (juris Rdnr. 37)
ausdrücklich hingewiesen und dabei zugleich zum Ausdruck gebracht, dass der
Glücksspielstaatsvertrag und die überprüften landesrechtlichen
Ausführungsbestimmungen jedenfalls in dem hier bedeutsamen Umfang rechtlich
nicht zu beanstanden sind:
„Der Glücksspielstaatsvertrag und die dazu erlassenen bayerischen
Ausführungsvorschriften werden auch im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben zur
Beschränkung der Vermarktung von Sportwetten dem Verhältnismäßigkeitsgebot
(im engeren Sinne) gerecht, soweit sie die Vertriebswege begrenzen und
sicherstellen, dass bei der Einzelausgestaltung der Wettgelegenheiten dem
Spieler- und Jugendschutz Rechnung getragen wird.
Die Einschränkung auf terrestrische Vertriebswege durch Ausschluss des Internet-
und SMS-Vertriebs in § 4 Abs. 4, § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV dient dem Ziel der
Suchtvorbeugung und -bekämpfung. Sie schützt Kinder und Jugendliche vor den
Gefahren, die mit einer Nutzung der in dieser Altersgruppe beliebten interaktiven
Medien zum Glücksspiel verbunden sind. Auf die wirtschaftliche Bedeutung der
ausgeschlossenen Vertriebswege für die Monopolanbieter kommt es für die
Ausrichtung am Ziel der Suchtbekämpfung nicht an.“
Bei sämtlichen Vertriebsvarianten hat die Klägerin keinerlei technische
Vorkehrungen zur Authentifizierung ihrer Vertragspartner bei Abschluss des
Vermittlungsvertrages über Mobiltelefon getroffen. Mithin verstoßen diese
Vertriebsvarianten eindeutig gegen das Gebot der Sicherstellung des
Ausschlusses Minderjähriger nach § 4 Abs. 3 S. 3 GlüStV.
Auch die von der Klägerin als Vertriebsvariante 3 vorgesehene Vermittlung von
Glücksspielen über Zigarettenautomaten bietet eine Sicherheit des Ausschlusses
Minderjähriger nicht in erforderlichem Umfang. Zwar findet hier – anders als bei
den übrigen Varianten – eine Authentifizierung des Spielers während des
Vertragsabschlusses statt, weil durch die Notwendigkeit der Verwendung einer
Bankkarte wenigstens der Ansatz einer Alterskontrolle möglich ist. Diese Art der
Kontrolle genügt aber den Sicherheitsanforderungen des § 4 Abs. 3 S. 3 GlüStV
deswegen nicht, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass Minderjährige mit
entwendeten oder von Erwachsenen freiwillig überlassenen fremden Bankkarten
die Kontrolle umgehen, ohne dass dagegen ein wirksames technisches Mittel
vorhanden wäre. Dabei ist das Missbrauchsrisiko hinsichtlich des
Minderjährigenschutzes weitaus größer als bei klassischen Vertriebsformen über
Lotto-Annahmestellen, obgleich selbstverständlich auch dort Missbrauchsfälle
nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können. Im Unterschied zu
Lotto-Annahmestellen gibt es nämlich bei der Vermittlung von Spielverträgen an
Zigarettenautomaten bei Verwendung fremder Bankkarten keine
Plausibilitätskontrolle, wie sie bei einer Lotto-Annahmestelle immerhin dadurch
stattfinden kann, dass die mit der Entgegennahme der Lottoscheine befassten
Angestellten das Alter des jeweiligen Spielers einschätzen und bei Zweifeln eine
verschärfte Kontrolle der vorgelegten Personalpapiere und ihrer Inhaber
durchführen können. Dies schafft – anders als bei Automaten – auch eine
Hemmschwelle für potentielle Missbrauchstäter.
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei Automaten, die zur
Vermittlung von Glücksspielen verwendet werden, auch um unzulässige örtliche
Verkaufsstellen i.S.d. § 14 Abs. 3 HGlüSpG. Ziel dieser Bestimmung ist laut
Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu diesem Gesetz (LT-Drs.
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Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu diesem Gesetz (LT-Drs.
16/7656, S. 18), durch das Verbot solcher Verkaufsstellen das Glücksspielangebot
zu begrenzen (§ 1 Nr. 2 GlüStV) und eine Verringerung der Annahmestellen
herbeizuführen (§ 10 Abs. 1 HGlüSpG). Dieses Ziel des Gesetzgebers, das auch
mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang steht,
wäre nicht zu erreichen, wenn nunmehr der Vertrieb von Glücksspielen über
massenhaft vorhandene Zigarettenautomaten zugelassen würde. Soweit sich der
Bevollmächtigte der Klägerin in dem berufungsbegründenden Schriftsatz vom 2.
September 2009 (S. 4, Bd. I Bl. 149 GA) insoweit auf eine Kommentarstelle zu
dem mit Wirkung vom 25. März 2009 aufgehobenen § 15 a GewO bezieht, hat er
übersehen, dass dort nicht Regelungen für Verkaufsstellen (vgl. § 14 Abs.
3 HGlüSpG), sondern für Verkaufsstellen und Betriebsstätten sowie für
Gaststätten getroffen waren und durch § 15 a Abs. 5 GewO u.a. Automaten
hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht ausdrücklich den offenen Verkaufsstellen
gleichgestellt waren.
Dass die übrigen in der Vertriebsvariante 4 vorgesehenen Verkaufsstellen örtliche
Verkaufsstellen i.S.d. § 14 Abs. 3 HGlüSpG sind, steht außer Zweifel, auch soweit
die Klägerin dies hinsichtlich Spielhallen und Lotterieannahmestellen auch im
Berufungsverfahren noch in Frage gestellt hat. Denn ungeachtet dessen, ob dort
ohnehin Glücksspiel betrieben wird, wäre die Vermittlung von Glücksspielen über
solche Verkaufsstellen ein zusätzliches Risiko hinsichtlich Suchtprävention und
Jugendschutz, das der Gesetzgeber durch das Verbot örtlicher Verkaufsstellen hat
begrenzen wollen.
Schließlich besteht kein Zweifel, dass der Beklagte die Erteilung der beantragten
Erlaubnis an die Klägerin zu Recht auch deshalb abgelehnt hat, weil die Klägerin
unzuverlässig ist (§§ 10 Abs. 6 Nr. 3, 15 Abs. 1 S. 1 HGlüSpG). Insoweit kann zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der
Berufungserwiderung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom
10. November 2009 (Seite 2 f.) verwiesen werden. Wenn die Klägerin
demgegenüber geltend gemacht hat, sie sei damals nicht als Spielvermittlerin
tätig gewesen, sondern sei im Auftrag einer anderen Firma „für die Distribution
von Karten (Lotto per SMS) tätig“ gewesen, ist dies reine Wortklauberei und
widerspricht im Übrigen ihrem eigenen Vorbringen im rechtskräftig
abgeschlossenen Verwaltungsstreitverfahren gleichen Rubrums (7 K 139/08.F des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main) und im vorprozessualen Schriftverkehr
(vgl. Schreiben der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin an das Hessische
Ministerium des Innern und für Sport vom 21. April 2008, Bl. 48 f. BA). Dort heißt
es wörtlich (Bl. 49 BA Mitte):
„ Am Rande sei angemerkt, dass meine Mandantin Vertriebspartner der ….-
Management GmbH war, d.h., meine Mandantin hat für diese Gesellschaft das
Produkt xxx – Lotto per SMS vertrieben …“.
Ergänzend kann dazu auf den klagebegründenden Schriftsatz der früheren
Bevollmächtigten der Klägerin vom 15. April 2009 verwiesen werden (S. 2, Bd. I Bl.
30 GA).
Dies und die Tatsache, dass der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin
sowohl von ihr als auch zuvor – wie von ihm in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt – von der Firma xxx als Treuhänder eingesetzt wurde bzw. eingesetzt
werden soll, zeigt – ungeachtet einer etwaigen, nicht offengelegten
gesellschaftsrechtlichen Verflechtung – dass die Klägerin jedenfalls bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Vertreiberin von „Lotto per SMS“ schon
lange vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags und damit als
Spielvermittlerin anzusehen war, wobei sie sich der Firma xxx möglicherweise in
einem Strohmannverhältnis bedient hat, was aber als nicht
entscheidungserheblich dahinstehen kann.
Was den von dem Beklagten monierten Treuhändervertrag angeht, sähe der
Senat darin im Unterschied zum Beklagten kein entscheidendes Hindernis für die
Erteilung der von der Klägerin beantragten Erlaubnis, wenn nicht die bereits
abgehandelten Versagungsgründe vorlägen. Zwar ergibt sich aus den
Behördenakten, dass dieser Vertrag vom 20./23. Juli 2007 (Blatt 33 BA) ohne die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die erst auf Verlangen nachgereicht wurden
(Bl. 52 ff., 60 BA), vorgelegt worden ist, aus denen sich nach Nr. 2. des Vertrags
die Aufgaben des Treuhänders ergeben sollen. Aus den mit Schriftsatz vom 21.
April 2008 zu den Behördenakten nachgereichten Allgemeinen
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April 2008 zu den Behördenakten nachgereichten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (Bl. 60 BA) ergibt sich nicht, ob und wie sie Bestandteil des
Treuhändervertrags geworden sein sollen. Mithin war dem Ministerium die nach §
15 Abs. 1 S. 2 HGlSpG erforderliche Prüfung, ob sich aus dem Treuhändervertrag
Bedenken ergeben, auch aufgrund der nachgereichten Unterlagen nicht ohne
Weiteres möglich. Dies allein hätte aber nicht zur Versagung der Erlaubnis führen
müssen, da der Beklagte mit einer Nebenbestimmung zur Erlaubnis zum Beispiel
hätte verlangen, dass der in Ziff. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
enthaltene, rechtlich nicht beanstandete Text unmittelbar in die Vertragsurkunde
des Treuhändervertrags übernommen wird, um künftige Zweifel am Umfang der
Treuhänderpflichten auszuschließen (§ 36 Abs. 1 HVwVfG).
Die Klägerin hat die in zweiter Instanz entstandenen Kosten zu tragen, weil ihre
Berufung keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe fehlen (§ 132 VwGO).
Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem
durch die oben zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des
Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, dass der Glücksspielstaatsvertrag und dem
Hessischen Glücksspielgesetz vergleichbare landesrechtliche
Ausführungsbestimmungen jedenfalls hinsichtlich der normierten Erlaubnispflicht
und der hier maßgebenden Versagungsgründe mit höherrangigem Recht
vereinbar sind. Die noch nicht geklärte Frage, ob das staatliche
Glücksspielmonopol einer ausstehenden Kontrolle durch die nationalen Gerichte
standhalten wird, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.