Urteil des HessVGH vom 08.04.1997

VGH Kassel: rechtliches gehör, klagefrist, staatsprüfung, prüfer, einverständnis, einzelrichter, kritik, mangel, rüge, zeugnis

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 4494/96
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 1 Nr 2 GVG, § 83
VwGO, § 90 VwGO
(Einhaltung der Klagefrist trotz beim unzuständigen
Gericht erhobener Klage?)
Tatbestand
Der Kläger, der die zweite juristische Staatsprüfung am 9. August 1991 mit der
Note "befriedigend (6,92 Punkte)" bestanden hat, wendet sich gegen die
Bewertung der Kurzhausarbeit. Die Kurzhausarbeit betraf eine
verwaltungsgerichtliche Klage, mit der die Klägerin der Prüfungsaufgabe die
bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung von zwei Werbetafeln erstreiten
wollte. Die Arbeit wurde vom Erstkorrektor mit "ausreichend (6 Punkte)" und von
den beiden anderen Korrektoren jeweils mit "befriedigend (7 Punkte)" bewertet.
Das Zeugnis über die bestandene zweite juristische Staatsprüfung wurde ohne
Rechtsbehelfsbelehrung am 16. August 1991 an den Kläger abgesandt.
Am 7. August 1992 ging bei dem Verwaltungsgericht Gießen die Klage des Klägers
ein. Auf entsprechende Anfrage des Verwaltungsgerichts hat er mit Schriftsatz
seines Bevollmächtigten vom 1. September 1992 die Auffassung vertreten, das
Verwaltungsgericht Gießen sei örtlich zuständig, weil ihm, dem Kläger, das
Ergebnis der Prüfung am Ort der mündlichen Prüfung, in Marburg, mündlich
bekanntgegeben worden sei. Das Verwaltungsgericht Gießen hat sich auf den
Hilfsantrag des Klägers mit Beschluß vom 10. September 1992 für örtlich
unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Kassel
verwiesen, wo die Gerichtsakte am 17. September 1992 eingegangen ist.
Der Kläger hat vorgetragen, im Rahmen der Prüfung, ob die Errichtung der
Werbetafeln mit § 15 der Hessischen Bauordnung - HBO - in der Fassung vom 31.
August 1976 unvereinbar sei, habe er unter anderem untersucht, ob die
Werbeanlagen bauliche Anlagen seien und diese Frage verneint. Sodann habe er
geprüft, ob die Werbetafeln im Widerspruch zu baurechtlichen Vorschriften wegen
Verweigerung des Einvernehmens gemäß §§ 36 Abs. 1, 29 des
Bundesbaugesetzes - BBauG - stünden und insoweit aus planungsrechtlicher Sicht
die Frage erörtert, ob die Werbetafeln "bauliche Anlagen" seien. Diese wiederholte,
aber erforderliche Prüfung sei von den Prüfern zu Unrecht als "Systemfehler"
kritisiert worden.
Der Beklagte hat dienstliche Erklärungen der drei Prüfer eingeholt und sodann
vorgetragen, dem Erstkorrektor sei es darum gegangen, daß der Kläger in der
Bearbeitung nicht verdeutlicht habe, weshalb er den Begriff der "baulichen Anlage",
den er in einem bauordnungsrechtlichen Zusammenhang behandelt habe,
nochmals, und zwar nunmehr im bauplanungsrechtlichen Zusammenhang,
aufgreife. Die Beanstandung sei gerechtfertigt. Der Kläger habe die Erwägungen
zur unterschiedlichen Auslegung des Begriffs der "baulichen Anlage" nach
hessischem Bauordnungsrecht und demgegenüber nach bundesrechtlich
geltendem Bauplanungsrecht, die er jetzt in der Klagebegründung anstelle, bereits
in sein Kurzhausarbeitsgutachten aufnehmen sollen.
Die Beteiligten haben sich - gemäß § 101 Abs. 2 VwGO - mit einer Entscheidung im
schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
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Das Verwaltungsgericht hat am 25. September 1996 allerdings nicht im
schriftlichen Verfahren, sondern durch drei Berufsrichter ohne Mitwirkung
ehrenamtlicher Richter im Wege des Gerichtsbescheids entschieden und die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Korrektoren hätten ihren
prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum nicht überschritten. Der Erstkorrektor
habe zum Ausdruck gebracht, daß er die Ausführungen des Klägers nicht als
rechtlich falsch, sondern im Aufbau der Prüfungsarbeit beanstande. Für die
Bewertung der Verständlichkeit des Aufbaus der Bearbeitung einer Prüfungsarbeit
stehe den Prüfern ein weiter Bewertungsspielraum zu.
Gegen den am 7. Oktober 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
1. November 1996 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, ihm sei
ein Systemfehler angelastet worden, der auch in die Bewertung eingeflossen sei.
Im Bereich von juristischen Prüfungsarbeiten seien durch den Prüfling keine
speziellen Hinweise zum Fallaufbau zu geben. Dies betreffe auch die Fallgestaltung
der Prüfungsaufgabe, in der es um den Begriff der "baulichen Anlage" gehe. Es
gehe dem Erstkorrektor nicht um einen "Systemfehler", sondern um ein
Erklärungsdefizit. Ein Erklärungsdefizit sei aber kein Systemfehler. Möglicherweise
habe der Erstkorrektor bei der Lektüre der Arbeit Verständnisschwierigkeiten
gehabt und im Hinblick darauf dem Kläger einen Systemfehler zur Last gelegt. Vor
dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei damit
etwas als falsch bewertet worden, was tatsächlich richtig sei.
An der Zulässigkeit der Klage bestünden keine Bedenken. Die Klagefrist sei auch
dann gewahrt, wenn die Klage bei einem sachlich unzuständigen
Verwaltungsgericht eingehe, sofern der Kläger es für zuständig halte und die Klage
später an das zuständige Gericht verwiesen werde. Der Kläger und sein
Bevollmächtigter seien aufgrund eines Rechtsirrtums von der Zuständigkeit des
Verwaltungsgerichts Gießen ausgegangen und hätten dort die Klage fristgerecht
eingebracht. Die Klagefrist sei daher gewahrt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Kassel
vom 25. September 1996 das Zeugnis über das Bestehen der zweiten juristischen
Staatsprüfung vom 16. August 1991 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, die kurze Hausarbeit des Klägers zur zweiten juristischen
Staatsprüfung durch andere als die bisher tätig gewesenen Prüfer unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nachzubewerten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Bewertung der Kurzhausarbeit sei nicht rechtlich fehlerhaft. Die
Beanstandung der Prüfer sei nicht dahin gegangen, daß eine bestimmte
Rechtsauffassung des Kandidaten nicht vertretbar sei, sondern daß der Kandidat
einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt, den er bereits in anderem
rechtlichen Zusammenhang angesprochen gehabt habe, an einem bestimmten
Punkt des Gutachtens nochmals hätte problematisieren müssen. Die
Einschätzung, inwieweit ein Kandidat sich im Rahmen einer
Hausarbeitsbegutachtung fähig gezeigt habe, "den Gang der angestellten
Erwägungen in einer verständlichen Weise mitzuteilen" (§ 45 Abs. 2 JAG 1985), falle
als prüfungsspezifische Wertung in den Beurteilungsspielraum der Prüfer. Der Satz
des Bundesverfassungsgerichts, daß Richtiges nicht als falsch bewertet werden
dürfe, beziehe sich auf fachspezifische Fragen, nicht aber auf die hier in Rede
stehende prüfungsspezifische Wertung.
Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefte) haben vorgelegen und sind
Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen sowie auf die
gewechselten Schriftsätze und den darüber hinausgehenden Inhalt der
Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung und durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 125 Abs. 1 i.V.m.
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Verhandlung und durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 125 Abs. 1 i.V.m.
§§ 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß erhoben worden.
Sie führt zwar zur Aufhebung des am 25. September 1996 beratenen
Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts, im Ergebnis aber zur Abweisung der
Klage.
Der Gerichtsbescheid vom 25. September 1996 ist aufzuheben, da er
verfahrensfehlerhaft ergangen ist. Denn das Verwaltungsgericht hat im Wege des
Gerichtsbescheides entschieden, ohne die Beteiligten vorher gemäß § 84 Abs. 1
Satz 2 VwGO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung zu dieser
Verfahrensweise gehört zu haben. Es hat außerdem in falscher Besetzung
entschieden, denn nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO alter und neuer Fassung
entscheidet die Kammer des Verwaltungsgerichts in der Besetzung von drei
Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, soweit nicht ein Einzelrichter
entscheidet. Das von den Beteiligten in erster Instanz erklärte Einverständnis mit
einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren betrifft die in § 101 Abs. 2 VwGO
alter und neuer Fassung geregelte Verfahrensweise, nicht aber die Entscheidung
durch den in § 84 VwGO geregelten Gerichtsbescheid. Im schriftlichen Verfahren
nach § 101 Abs. 2 VwGO kann nur in der gesetzlich geregelten Besetzung
entschieden werden. Das war in erster Instanz die Besetzung mit drei
Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, da weder die Kammer das
Verfahren einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen
hatte (§ 6 Abs. 1 VwGO), noch die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt hatten, daß
der Berichterstatter anstelle der Kammer die Entscheidung trifft (§ 87 a Abs. 2 und
3 VwGO).
Der Senat macht nicht von der ihm durch § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumten
Möglichkeit Gebrauch, die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,
wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Zum einen hat der
Kläger rechtliches Gehör gehabt. Seinem Bevollmächtigten ist in beiden Instanzen
ausreichend Gelegenheit gegeben worden, zum Verfahren und zur Sache
vorzutragen. Von dieser Möglichkeit ist auch Gebrauch gemacht worden. Zum
anderen könnte im Falle einer Zurückverweisung im Ergebnis keine andere
Entscheidung ergehen, weil das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen
hat. Eine Zurückverweisung würde den Abschluß des Verfahrens unnötig
verzögern.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Es bestehen schon Bedenken an der Zulässigkeit der Klage. Insoweit stellt sich die
Frage, ob die Klagefrist gewahrt ist. Da das Prüfungszeugnis vom 16. August 1991,
das am selben Tag abgesandt wurde, dem Kläger ohne Rechtsmittelbelehrung
zuging, war die Klage gemäß § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres seit
Eröffnung - hier also seit Zugang des Prüfungszeugnisses - zu erheben. Örtlich
zuständiges Verwaltungsgericht war nach § 52 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 5 VwGO
von Anfang an das Verwaltungsgericht Kassel, weil der Kläger bereits am 7. August
1992, dem Tag des Eingangs der Klage bei dem Verwaltungsgericht Gießen, in , ,
wohnte.
Darauf, daß dem Kläger am 9. August 1991, dem Tag der mündlichen Prüfung, in
Marburg an der Lahn und damit im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts
Gießen das Ergebnis der Prüfung mündlich mitgeteilt wurde, kommt es für die
Frage der Örtlichen Zuständigkeit nicht an, denn die vom Kläger insoweit im
Schriftsatz vom 1. September 1992 herangezogene Vorschrift des § 52 Nr. 3 Satz
1 VwGO ist nicht einschlägig. Sie wird hier durch die in § 52 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. Satz
5 VwGO getroffene speziellere Regelung verdrängt. Danach ist das
Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Wohnsitz
hat, wenn der Verwaltungsakt von einer Behörde erlassen wurde, deren
Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt. Dies ist hier
der Fall, denn das Justizprüfungsamt ist für das ganze Land Hessen und damit für
mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke zuständig.
Bei dem somit Örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Kassel ging die Klageschrift
jedoch erst nach dem Verweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts Gießen vom
10. September 1992 am 17. September 1992 und damit nach Ablauf der
Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO ein. Zwar bleiben nach § 17 b Abs. 1 Nr. 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -, der gemäß § 83 Satz 1 VwGO für die
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Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -, der gemäß § 83 Satz 1 VwGO für die
sachliche und Örtliche Zuständigkeit entsprechend gilt, die Wirkungen der
Rechtshängigkeit bestehen. Auch ist in § 90 Abs. 1 VwGO geregelt, daß durch
Erhebung der Klage die Streitsache rechtshängig wird. Diese Vorschrift dürfte
jedoch kaum dahin verstanden werden können, daß die Erhebung der Klage vor
allen - auch den sachlich, Örtlich oder instanziell nicht zuständigen - Gerichten im
In- und Ausland zur Rechtshängigkeit führen kann. Vielmehr dürfte in § 90 Abs. 1
VwGO die Erhebung der Klage vor dem zuständigen Gericht gemeint sein. Es
kommt hinzu, daß weder in § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG noch in § 90 Abs. 1 VwGO
geregelt ist, daß eine bei dem Örtlich unzuständigen Gericht eingereichte Klage die
Klagefrist wahrt.
Es wird hier nicht verkannt, daß die Auffassung vertreten wird, die Klagefrist sei
auch dann gewahrt, wenn die Klage innerhalb der Klagefrist bei dem Örtlich
unzuständigen Verwaltungsgericht eingehe und sodann an das örtlich zuständige
Verwaltungsgericht verwiesen werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juli 1963 - VI C
190/60 -, DÖV 1964, 64 f.; BGH, Urteil vom 20. Februar 1986 - III ZR 232/84 -,
BGHZ 97, 155 ff., 158 ff., 160 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. Februar 1983 - 4
S 569/82 -, VBlBW 1983, 368; OVG Koblenz, Beschluß vom 11. Mai 1995 - 10 A
11400/95 -, NVwZ-RR 1996, 181; OVG Münster, Beschluß vom 29. August 1995 -
25 A 4760/95.A -, NJW 1996, 334). Berücksichtigt man jedoch, daß dies nicht
gelten soll, wenn die Klage versehentlich bei einem unzuständigen Gericht, bei
dem auch der Kläger an sich die Klage nicht erheben wollte, oder bei einer
Verwaltungsbehörde oder bei einem instanziell nicht zuständigen Gericht erhoben
wurde (vgl. die Nachweise bei Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., 1994,
Rdnr. 8 zu § 74), so fragt es sich, warum die Rechtslage im Fall der Erhebung der
Klage bei einem Örtlich unzuständigen Gericht anders zu beurteilen sein soll.
Letztlich kommt es hier auf die aufgeworfene Frage jedoch nicht entscheidend an,
denn die Klage hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Der
Erstkorrektor der Kurzhausarbeit hat in seiner Randbemerkung auf Seite 11 der
Arbeit zum "Aufbau" bemängelt, daß der Kläger planungsrechtliche Überlegungen
anstelle, die er im Grunde schon längst widerlegt habe, als er oben die "bauliche
Anlage" verneint habe. Es trifft auch zu, daß der Erstkorrektor insoweit einen
Mangel gesehen hat, den er in seiner Randbemerkung auf Seite 11 der Arbeit als
"Systemfehler" bezeichnet hat. Seine Randbemerkung hat folgenden Wortlaut:
"Aufbau: Daß Sie jetzt planungsrechtliche Überlegungen anstellen, die Sie im
Grunde schon längst widerlegt haben, als Sie oben die "bauliche Anlage" verneint
haben, ist ein Systemfehler."
In seiner zusammenfassenden Beurteilung vom 16. Juni 1991 hat der Erstkorrektor
unter anderem folgendes ausgeführt:
"Verf. hat die wesentlichen Gesichtspunkte der Entscheidungsfindung
herangezogen, ist dabei jedoch in Teilbereichen ungenau geblieben und hat vor
allem Aufbau- und Gliederungsschwierigkeiten. Nach etwas abseitigen Gedanken
zum HessStrG erörtert er/sie die örtliche Satzung, um sodann
bauordnungsrechtliche und endlich bauplanungsrechtliche Erwägungen
anzustellen, die schließlich mit einem bauordnungsrechtlichen Rekurs
abgeschlossen werden. Insgesamt genügt die Arbeit trotz dieser Mängel noch
durchschnittlichen Anforderungen.
6 Punkte (= ausreichend)"
Soweit der vom Erstkorrektor in der Randbemerkung gerügte Fehler unter dem
Gesichtspunkt "Aufbau- und Gliederungsschwierigkeiten" in die
zusammenfassende Beurteilung Eingang gefunden hat, ist dies nicht zu
beanstanden. Der Erstkorrektor hat seinen Einwand in der dienstlichen
Stellungnahme vom 3. Februar 1993 näher erläutert und dazu folgendes
ausgeführt:
"Die von mir angebrachte Randnotiz auf S. 11 der fraglichen Kurzhausarbeit
knüpft daran an, daß der Kläger sich eine Seite zuvor (S. 10) klar gegen die
Annahme einer "baulichen Anlage" entschieden hat. Die Zweifel etwa des baden-
württembergischen VGH und von Dürr (a.a.O.) an der Rechtsprechung des Hess.
VGH, der nach der technischen Baulichkeit des Vorhabens unterscheidet, hat der
Kläger zwar im Ergebnis nicht durchgreifen lassen. Er hätte jedoch an dieser Stelle
im Rahmen einer Kurzhausarbeit bereits grundsätzlich klar herausarbeiten und
dementsprechend argumentieren müssen, wieso das Wiederaufgreifen des zuvor
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dementsprechend argumentieren müssen, wieso das Wiederaufgreifen des zuvor
bereits - bauordnungsrechtlich - abgehandelten Begriffs "bauliche Anlage" in
diesem bauplanungsrechtlichen Zusammenhang noch möglich - und u. U.
geboten - ist.
Dem genügt es nicht, daß der Kläger nur im Ergebnis dazu gelangt, eine
bauliche Anlage zu verneinen.
Der von mir monierte Systemfehler (Rdn. S. 11) liegt also nicht in der
rechtlichen Erwägung, sondern darin, daß argumentatorisch die Ausführungen an
dieser Stelle insofern nicht systemgerecht sind, als sie das Grundsatzproblem
nicht als solches klar herausarbeiten. Demzufolge greifen nach meinem
Dafürhalten die Ausführungen in der Klageschrift, in denen dieses Rechtsproblem
jetzt in der Tat grundsätzlich herausgearbeitet wird, nicht durch.
Denn ich habe weder in der Randnotiz noch im Votum die rechtliche
Erörterungswürdigkeit des Problems gerügt.
Insgesamt beziehen sich die Ausführungen im Votum auch (!) auf andere
Aufbauschwächen, bei denen symptomatisch klare gedankliche Gliederungen
fehlen (etwa S. 3, insbes. aber S. 4 und 5). Auch an anderen Stellen wird die
Unterscheidung der verschiedenen Baurechtsgebiete nicht hinreichend deutlich.
Insgesamt bleibe ich bei meinem Votum und halte die Arbeit für am oberen
Rande ausreichend.
(6 Punkte)"
Es wird deutlich, daß die Kritik des Erstkorrektors daran anknüpft, daß der Kläger
sich eine Seite zuvor (Seite 10) klar gegen die Annahme einer "baulichen Anlage"
entschieden hat. Damit hat der Erstkorrektor nicht etwas Vertretbares als
unvertretbar oder etwas Richtiges als falsch bewertet. Vielmehr hat er einen
Mangel darin gesehen, daß sich aus den Ausführungen des Klägers nicht klar
ergebe, wieso das Wiederaufgreifen des zuvor bauordnungsrechtlich
abgehandelten Begriffs "bauliche Anlage" in dem bauplanungsrechtlichen
Zusammenhang erfolge. Mit dieser Rüge würdigt der Erstkorrektor die Qualität der
Darstellung. Die Würdigung der Qualität der Darstellung gehört nach wie vor zu
den prüfungsspezifischen Bewertungen, für die den Prüfern auch im Hinblick auf
das Gebot der Chancengleichheit der Berufsbewerber ein Bewertungsspielraum
zugebilligt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1993 - 6 C 12.92 -, Buchholz
421.0 Nr. 320, S. 307 f.). Diesen Spielraum hat der Erstkorrektor nicht
überschritten. Er ist insbesondere weder von falschen Tatsachen ausgegangen,
noch hat er allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze mißachtet oder
sachfremde Erwägungen angestellt.
Unerheblich ist der Einwand des Klägers, es gehe gar nicht um einen
"Systemfehler", wie ihn der Erstkorrektor bezeichnet habe, sondern vielmehr um
ein durch den Kläger in seiner Kurzhausarbeit verursachtes Erklärungsdefizit, das
nun einmal kein Systemfehler sei. Der Erstkorrektor hat zwar in seiner
Randbemerkung auf Seite 11 der Kurzhausarbeit die Formulierung "Systemfehler"
gebraucht. Er hat jedoch in der oben zitierten dienstlichen Erklärung vom 3.
Februar 1993 unmißverständlich dargelegt, wie er diese Kritik gemeint hat, nämlich
dahingehend, daß die Ausführungen an dieser Stelle insofern nicht systemgerecht
seien, als sie das Grundsatzproblem nicht als solches klar herausarbeiteten. Damit
wird deutlich, daß der Erstkorrektor weder die Erörterungswürdigkeit des Problems
noch die Ausführungen des Klägers auf Seite 11 der Hausarbeit als falsch oder
verfehlt gerügt hat, sondern daß es ihm in der Tat um ein Erklärungsdefizit ging,
was aber schon in der Randbemerkung auf Seite 11 der Kurzhausarbeit
hinreichend deutlich zum Ausdruck kam, woran die Verwendung des Wortes
"Systemfehler" nichts ändert. Der Erstkorrektor hat somit seine ursprüngliche Kritik
aufrechterhalten und sie lediglich durch Erläuterungen verdeutlicht. Er ist nicht von
seiner Rüge abgerückt und mußte dies auch nicht tun, wie sich aus dem oben
Gesagten ergibt. Nur dann wäre die Frage aufgeworfen gewesen, ob eine andere -
bessere - Bewertung hätte erfolgen müssen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154
Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
43 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2
VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.