Urteil des HessVGH vom 23.11.1987

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, bundesamt, persönliche anhörung, ulcus ventriculi, anerkennung, entschuldigung, indien, vertretung, stadt, ausreise

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 TH 2179/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 1 AsylVfG, § 12
Abs 4 S 1 Nr 2 AsylVfG
(Asylrecht: Fernbleiben vom Vorprüfungsanhörungstermin
vor dem Bundesamt - genügende Entschuldigung - Vorlage
einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung)
Gründe
I.
Der 1957 geborene Antragsteller ist indischer Staatsangehöriger und Sikh. Mit
einem indischen Reisepaß, dessen Gültigkeit am 13. August 1986 durch das Paß-
und Auswanderungsbüro Jalandhar bis Mai 1990 verlängert worden war und der auf
Seite 26 einen Ausreisesichtvermerk der indischen Grenzbehörde am Sahar
Airport Bombay vom 11. September 1986 enthält, reiste er zunächst auf dem
Luftweg nach Berlin und von dort aus mit der Bahn nach Bebra, wo er am 12.
September 1986 eintraf und sogleich Asylantrag stellte. Anläßlich einer unter
Vermittlung eines Dolmetschers in Hindi durchgeführten Anhörung bei der
Grenzschutzstelle Bebra Bahnhof erklärte der Antragsteller zur Begründung seines
Antrags folgendes: Er sei Mitglied der Sikh-Studentenvereinigung und lebe im
Punjab. Man werde dort durch die Regierung verfolgt, weil man einen
unabhängigen Staat für die Sikhs fordere. Er habe an einer Demonstration
teilgenommen, die Polizei habe eingegriffen. Er sei zuerst geschlagen und danach
in Gewahrsam gebracht worden. Man habe ihn dort zwei Tage lang festgehalten,
dann aber wieder freigelassen. Anschließend habe für ihn die Gefahr erneuter
Festnahme bestanden. Auch wenn er den Punjab verlassen hätte und in einen
anderen indischen Bundesstaat gegangen wäre, hätte man ihn leicht durch seinen
Namen und seine Sprache als Sikh erkennen können. Deshalb habe er Indien
verlassen und sei nach Deutschland gekommen. Wenn die Situation in Punjab
besser werde, sei er bereit zurückzufahren.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lud den
Antragsteller zur persönlichen Anhörung für 16. Dezember 1986 nach Schwalbach.
Das verwendete Ladungsformular enthält den Hinweis, daß im Falle der
Verhinderung durch Krankheit unverzüglich die Reise- und
Verhandlungsunfähigkeit durch ärztliches Attest nachzuweisen sei; eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge nicht.
Der Antragsteller erschien zu dem Anhörungstermin nicht, nachdem er mit einem
in Punjabi verfaßten und bei der Außenstelle des Bundesamts in Schwalbach am
15. Dezember 1986 eingegangenen Schreiben eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes Dr. M. in Marburg vom 12. Dezember
1986 vorgelegt und mitgeteilt hatte, er sei nicht gesund und könne, da ihm der
Arzt viel Ruhe verordnet habe, zum Termin am 16. Dezember 1986 nicht
erscheinen; er bitte um einen neuen Termin. Nachdem das Bundesamt dem
Antragsteller mit Schreiben vom 17. Dezember 1986 gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2
AsylVfG Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung zu seinen Asylgründen innerhalb
eines Monats nach Zugang des Schreibens gegeben hatte, bat er laut Vermerk in
den Akten des Bundesamts (Bl. 23 R.) am 30. Dezember 1986 telefonisch um
einen neuen Termin. Ohne dieser Bitte entsprochen zu haben, lehnte das
Bundesamt den Asylantrag mit Bescheid vom 5. März 1987 als offensichtlich
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Bundesamt den Asylantrag mit Bescheid vom 5. März 1987 als offensichtlich
unbegründet ab. In diesem Bescheid, auf den wegen weiterer Einzelheiten Bezug
genommen wird, ist zur Frage des Nichterscheinens zum Anhörungstermin
ausgeführt, die vom Antragsteller vorgebrachten Entschuldigungsgründe reichten
nicht aus; die gebotene Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme habe er nicht
wahrgenommen, so daß nach Aktenlage zu entscheiden sei. Den Bescheid des
Bundesamts vom 5. März 1987 stellte der Oberbürgermeister der Stadt Marburg
dem Antragsteller am 19. März 1987 zusammen mit einer
Abschiebungsandrohung vom 16. März 1987, auf die zur weiteren Sachdarstellung
ebenfalls verwiesen wird, zu.
Am 25. März 1987 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Wiesbaden
Klagen auf Anerkennung als Asylberechtigter und gegen die
Abschiebungsandrohung erhoben, die dort unter dem Az.: VIII E 5388/87 anhängig
sind, und zugleich den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung dieser Klagen gestellt. Zur Begründung des Antrags macht er unter
eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit seiner tatsächlichen Angaben geltend,
er habe aus sprachlichen, gesundheitlichen und ökonomischen Gründen nicht zur
persönlichen Anhörung erscheinen können und dies dem Bundesamt rechtzeitig
mitgeteilt. Deshalb sei die Entscheidung des Bundesamts insofern fehlerhaft, als
von einer Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nach § 12 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG
ausgegangen worden sei. Im übrigen sei sein Asylbegehren im Hinblick auf sein
tatsächliches Vorbringen, wie es sich aus seiner Klageschrift ergebe, keineswegs
offensichtlich unbegründet. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands
wird insoweit auf die Klageschrift im Verfahren VIII E 5388/87 des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden Bezug genommen.
Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide des
Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf vom 5.
März 1987 und des Oberbürgermeisters der Universitätsstadt Marburg vom 16.
März 1987.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
und zur Begründung auf die angegriffene Abschiebungsandrohung Bezug
genommen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 13. Juli 1987 die aufschiebende
Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet. Der Asylantrag könne nicht als
offensichtlich unbegründet angesehen werden, weil das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Sachverhalt nicht vollständig und
erschöpfend erforscht habe und die tatsächlichen Feststellungen auch nach den
dem Gericht sonst bekannten Umständen nicht abschließend geklärt seien, so daß
weitere Ermittlungen bzw. eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Antragstellers
durch eine persönliche Anhörung geboten seien. Das Bundesamt habe es
unterlassen, den Sachverhalt durch Anhörung des Antragstellers aufzuklären,
wozu es verpflichtet sei. Das persönliche Schicksal des Antragstellers sei so
ungeklärt geblieben, was nicht dem Antragsteller anzulasten sei, weil dieser den
Anhörungstermin schuldlos versäumt habe. Denn er habe sich unter Vorlage einer
ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entschuldigt und um einen neuen
Termin gebeten.
Gegen diesen, am 20. Juli 1987 zugestellten, Beschluß hat die Antragsgegnerin am
24. Juli 1987 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift trägt dem Briefkopf
"Universitätsstadt Marburg/Der Magistrat". Mit am 17. September 1987 beim
Hessischen VGH eingegangenem Schriftsatz vom 16. September 1987 hat die
Antragsgegnerin unter den Briefkopf "Der Oberbürgermeister der Universitätsstadt
Marburg" die Beschwerde begründet. Die der angegriffenen
Abschiebungsandrohung zugrundeliegende Entscheidung des Bundesamts für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sei nicht zu beanstanden. Insbesondere
habe das Bundesamt zu Recht die Ansicht vertreten, der Antragsteller habe den
Anhörungstermin ohne genügende Entschuldigung versäumt. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16. September 1987 Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
Dem Senat liegen die Gerichtsakten VIII E 5388/87 des Verwaltungsgerichts
Wiesbaden und die den Antragsteller betreffenden Akten des Bundesamts für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und des Oberbürgermeisters der Stadt
Marburg vor. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf das Schreiben des
Berichterstatters an die Beteiligten vom 9. November 1987 und die mit diesem
Schreiben versandte Liste mit Hinweisen auf 85 Dokumente verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt (§ 147 Abs.
1 VwGO).
Zwar ist das Rechtsmittel ursprünglich nach dem für die Beschwerdeschrift
verwendeten Briefkopf durch den Magistrat der Antragsgegnerin eingelegt worden,
obgleich dieses grundsätzlich zur Vertretung der Gemeinde berufene Organ (§ 71
Abs. 1 HGO i.V.m. § 62 Abs. 2 VwGO) angesichts des Gegenstands des
vorliegenden Rechtsstreits nicht zur Vertretung der Gemeinde und daher nicht zur
Vornahme von Prozeßhandlungen mit Wirkung für die Antragsgegnerin fähig sein
dürfte. Überträgt man nämlich die vom Hessischen VGH für die Vertretung
kreisfreier Städte durch den Oberbürgermeister entwickelten Grundsätze (vgl.
Hess. VGH, Urt. v. 23. September 1970 - II OE 40/70 -, ESVGH 21, 74) auch auf die
Vertretung kreisangehöriger Städte, ist allein der Oberbürgermeister zur
Vertretung der Antragsgegnerin im vorliegenden Rechtsstreit berufen, weil er als
Ortspolizeibehörde die Aufgaben der Ausländerbehörde wahrnimmt und deswegen
die Gemeinde in Verwaltungsstreitverfahren vertritt (§ 1 der Verordnung zur
Bestimmung der Ausländerbehörde in kreisangehörigen Gemeinden mit mehr als
50.000 Einwohnern vom 26. Juli 1979, GVBl. I Seite 196, i.V.m. § 20 Abs. 3 AuslG
und §§ 45 Abs. 1, 150 HGO). Ob die vom 2. Senat des Hess. VGH in der zitierten
Entscheidung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen
werden können, kann indessen dahinstehen, weil ein etwaiger Vertretungsmangel
rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde jedenfalls dadurch
geheilt wäre, daß der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin mit dem Schriftsatz
vom 16. September 1987 die Beschwerde begründet und dadurch die bisherige
Prozeßführung durch ein möglicherweise nicht zur Vertretung berufenes
Gemeindeorgan genehmigt hat (Kopp, VwGO, 7. Auflage 1986, Rdnr. 17 zu § 62
VwGO m.w.N.).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Da nur die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt hat, kann offenbleiben, ob das
Verwaltungsgericht den der Form nach gestellten, allerdings wohl unzulässigen
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Asylverpflichtungsklage zu
Recht unbeachtet gelassen und nicht beschieden hat.
Soweit sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung des Oberbürgermeisters der
Stadt Marburg vom 16. März 1987 richtet, ist er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
zulässig, aber unbegründet. Denn die Abschiebungsandrohung erweist sich als
offenbar rechtmäßig mit der Folge, daß das vom Gesetzgeber unterstellte
öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung das private Interesse des
Antragstellers am einstweiligen Verbleiben im Bundesgebiet überwiegt.
Mängel der Abschiebungsandrohung selbst, die Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit
begründen könnten, sind weder vom Antragsteller dargetan noch ersichtlich. Die
Ausländerbehörde mußte dem Antragsteller gemäß § 11 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 10
Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung androhen, und die Feststellung der offensichtlich
Unbegründetheit des Asylantrags im Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5. März 1987 erweist sich nach der
hier auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen erschöpfenden
Überprüfung als richtig (vgl. hierzu Hess. VGH, ESVGH 36, 21 = EZAR 226 Nr. 7
m.w.N.); die Ablehnung des Asylantrags drängt sich nämlich geradezu auf, weil das
Asylbegehren des Antragstellers eindeutig aussichtslos ist.
An der eindeutigen Aussichtslosigkeit des Asylbegehrens bestehen entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht deshalb Zweifel, weil das Bundesamt
ohne Vorprüfungsanhörung entschieden hat. Denn von der persönlichen Anhörung
konnte gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG abgesehen werden, nachdem der
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konnte gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG abgesehen werden, nachdem der
Antragsteller einer Ladung zur persönlichen Anhörung ohne genügende
Entschuldigung nicht gefolgt war. Als genügende Entschuldigung dafür, daß der
Antragsteller den Vorprüfungstermin am 16. Dezember 1986 nicht
wahrgenommen hat, können nicht sein Schreiben vom 13. Dezember 1986 und
die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Vortag angesehen werden.
Denn einerseits ist durch die vorgelegte Bescheinigung der Form nach nur die
Arbeitsunfähigkeit, nicht aber Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit nachgewiesen,
obgleich der Antragsteller in der Ladung des Bundesamtes vom 20. November
1986 darauf hingewiesen worden ist, daß eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
zur genügenden Entschuldigung nicht ausreiche. Hierbei kann offenbleiben, ob, wie
es nach der Formulierung im Ladungsformular den Anschein hat, tatsächlich
Reise- und Verhandlungsunfähigkeit nachgewiesen sein müssen, um von einer
genügenden Entschuldigung ausgehen zu können. Die vom Antragsteller
vorgelegte ärztliche Bescheinigung ist nämlich auch ihrem Inhalt nach nicht
geeignet, für den Tag der Vorprüfungsanhörung Reise- oder
Verhandlungsunfähigkeit des Antragstellers nachzuweisen. Dabei mag
offenbleiben, wie der in der Bescheinigung wiedergegebene Befund ("Morbus
asylantii") zu verstehen ist. Jedenfalls legt der in dem Attest ausdrücklich als
Verdachtsdiagnose (VD) bezeichnete Hinweis auf ein Magengeschwür (ulcus
ventriculi) und massive Schlafstörungen nicht den Schluß nahe, der Antragsteller
sei Mitte Dezember 1986 nicht nur arbeitsunfähig, sondern darüber hinaus reise-
oder verhandlungsunfähig gewesen. Dies behauptet der Antragsteller im übrigen
selbst nicht mehr. Denn während er in seinem Schreiben vom 13. Dezember 1986
noch die damaligen Gesundheitsstörungen als einzigen Grund für sein Fernbleiben
genannt hat, hat er im Antragsschriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 24.
März 1987 daneben nicht näher definierte sprachliche und ökonomische Gründe
für sein Fernbleiben geltend gemacht, die indessen ebenfalls nicht stichhaltig sind.
Was die ökonomischen Gründe anlangt, hat der Antragsgegner im
beschwerdebegründenden Schriftsatz vom 16. September 1987 zutreffend
ausgeführt, daß derartige Gründe wegen des bestehenden Anspruchs auf
Sozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht als hinreichende
Entschuldigung angesehen werden können. Was den sprachlichen Aspekt anlangt,
steht aufgrund des eigenen Schreibens des Antragstellers an das Bundesamt vom
13. Dezember 1986 fest, daß er den Inhalt der Ladung zum Termin am 16.
Dezember 1986 im wesentlichen verstanden und gewußt hat, daß er am 16.
Dezember vergangenen Jahres zu einer Vorprüfungsanhörung in Schwalbach
erscheinen sollte. Daß der Antragsteller bei der Anhörung selbst sprachliche
Schwierigkeiten erwartet haben könnte, ist unwahrscheinlich, weil er schon bei
seiner Anhörung bei der Grenzschutzstelle Bebra Bahnhof am 12. September
1986 die Erfahrung gemacht hatte, daß für Anhörungen Dolmetscher zur
Verfügung stehen.
Das Bundesamt ist auch ohne Ermessensfehler davon ausgegangen, daß nach
der damaligen Sachlage von der persönlichen Anhörung des Antragstellers gemäß
§ 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG abgesehen werden konnte. Zwar ist nicht schon
vor der Aufforderung nach § 12 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG eine Übersetzung des
fremdsprachlichen Schreibens des Antragstellers vom 13. Dezember 1986
veranlaßt worden, sondern erst Ende Februar 1987, so daß die
Entschuldigungsgründe des Antragstellers dem Einzelentscheider erst im
Zeitpunkt der Entscheidung nach § 12 Abs. 4 Satz 3 AsylVfG in vollem Umfang
bekannt waren. Für die Beurteilung der Frage, ob nach § 12 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG
verfahren werden durfte und welche Schlüsse aus der unterbliebenen Mitwirkung
des Asylbewerbers zu ziehen sind, ist indessen ausreichend, wenn die Gründe für
das Fernbleiben von einem Anhörungstermin spätestens im Zeitpunkt der
abschließenden Entscheidung des Einzelentscheiders über den Asylantrag bekannt
sind.
Auch der Sache nach bestehen keine Zweifel daran, daß das Asylbegehren
aussichtslos ist. Dabei kann letztlich offenbleiben, ob der Antragsteller, wie er bei
seiner Anhörung durch die Grenzschutzstelle in Bebra am 12. September 1986
behauptet hat, wegen Mitgliedschaft in einer Sikh-Studentenvereinigung und
Eintretens für einen unabhängigen Staat der Sikhs anläßlich einer Demonstration
für zwei Tage inhaftiert worden ist. Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung
ergeben sich allerdings daraus, daß der Antragsteller in der Klageschrift vom 24.
März 1987 nicht mehr hat behaupten lassen, tatsächlich inhaftiert worden zu sein,
sondern nur noch geltend gemacht hat, er sei einer Inhaftierung, der Folter und
späterer Ermordung nur durch einen in der Klageschrift dargestellten Zufall
entgangen. Selbst wenn es aber tatsächlich zu der ursprünglich behaupteten
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entgangen. Selbst wenn es aber tatsächlich zu der ursprünglich behaupteten
Verhaftung gekommen sein sollte, steht jedenfalls aufgrund des weiteren
Vorbringens des Antragstellers und insbesondere aufgrund der Eintragungen in
seinem Reisepaß zur Überzeugung des Senats fest, daß bei der Ausreise aus
Indien am 11. September 1986 kein Verhaftungsrisiko mehr bestand. Dies ergibt
sich zum einen daraus, daß der Antragsteller durch seine Ausreise über den
Flughafen Bombay das Risiko eingegangen ist, dort aufgrund behaupteter
Fahndung verhaftet zu werden, zum anderen daraus, daß es trotz der durch den
Ausreisesichtvermerk auf Seite 26 des Reisepasses nachgewiesenen
Grenzkontrolle tatsächlich nicht zu einer Verhaftung gekommen ist. Es kann
deshalb keineswegs als glaubhaft angesehen werden, daß der Antragsteller zum
Zeitpunkt seiner Ausreise aus Indien irgendeiner staatlichen Verfolgung,
geschweige denn einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt war.
Auch inzwischen hat sich keine Gefahr politischer Verfolgung für den Antragsteller
im Falle einer Rückkehr nach Indien ergeben. Der Senat ist in seinem Urteil vom
22. Oktober 1987 - 10 UE 3116/86 -, auf das die Beteiligten hingewiesen worden
sind, nach eingehender Prüfung zu der Überzeugung gelangt, daß die Sikhs in
Indien nach wie vor weder unmittelbarer noch mittelbarer staatlicher Verfolgung
ausgesetzt sind, daß die gegen Sikhs seit Wiedereinführung der President's rule im
Mai 1987 gerichteten Maßnahmen nach Motiven, Ziel und Methoden asylrechtlich
nicht relevant sind und daß aus Europa zurückkehrenden, als Asylbewerber
abgewiesenen Sikhs in Indien keine Inhaftierung droht. Auf die
Entscheidungsgründe dieses Urteils wird, um Wiederholungen zu vermeiden, zur
weiteren Begründung Bezug genommen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen,
weil er letztlich unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20
Abs. 3, 25 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 GKG.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.