Urteil des HessVGH vom 07.03.1995

VGH Kassel: wiedereinsetzung in den vorigen stand, berufskrankheit, beginn der frist, tinnitus, systematische auslegung, psychovegetatives syndrom, versetzung, schwerhörigkeit, fristbeginn, gefahr

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 UE 1098/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 1 S 1 BeamtVG, §
31 Abs 3 S 1 BeamtVG, §
45 Abs 1 S 1 BeamtVG, §
45 Abs 2 S 1 BeamtVG
(Die Meldefrist des BeamtVG § 45 Abs 1 S 1 stellt eine
materielle Ausschlußfrist dar; zum Beginn der Frist im Falle
einer Berufskrankheit mit Auftreten der Krankheit)
Tatbestand
Der 1927 geborene Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Ende
Februar 1980 als Vollzugsbeamter beim Landeskriminalamt im Dienst des
beklagten Landes. Er begehrt die Anerkennung von Unfallfürsorgeansprüchen
aufgrund einer Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus.
In Ausübung seines Dienstes nahm der Kläger in der Zeit von 1976 bis Oktober
1978 an Schießübungen teil. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1979 beantragte er
seine Versetzung in den Ruhestand aufgrund fortgeschrittener
Gesundheitsstörungen. Seinem Gesuch fügte er privatärztliche Gutachten vom 23.
Mai bzw. 26. September 1979 bei, in denen u.a. übereinstimmend eine
beiderseitige degenerative Innenohrschwerhörigkeit festgestellt wurde. Im Oktober
1979 wurde der Kläger von dem Amts- und Polizeiarzt untersucht. Dieser kam in
seinem Gutachten vom 30. Oktober 1979 zu dem Ergebnis, der Kläger sei
aufgrund folgender Erkrankungen polizeidienstunfähig:
"1. fortgeschrittene, manifeste Atheromatose des gesamten
Gefäßsystems mit den nachfolgend aufgeführten Begleit-
oder Folgeerkrankungen:
a) Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen kombiniert
mit formal- und inhaltlich intakter Weitschweifigkeit;
b) Tinnitus (Geräuschwahrnehmung bei Otosklerose)
c) Innenohrschwerhörigkeit mit Hörverlust im Bereich der
Umgangssprache bis zu einem Hörverlust von 50 dB im
Hochtonbereich
d) Auftreten von passagerem Vestibularisschwindel
e) vasculär bedingte, anfallsartige Cephalgien
f) periphere Durchblutungsstörungen
2. Herzinsuffizienz (z. Zt. nur leicht dekompensiert)
mit pectanginösen Beschwerden, Hypotonie und Ödembildung
3. nicht voll ausgleichbare Myopie des rechten Auges
nach Trauma mit Linsentrübung
4. psychovegetatives Syndrom mit deutlicher Neigung zu
Depressionen."
Eine deutliche Schwerhörigkeit sei beim Kläger im Rahmen der allgemeinen
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Eine deutliche Schwerhörigkeit sei beim Kläger im Rahmen der allgemeinen
Gefäßsklerose etwa seit 1978 aufgetreten; die Erkrankungen seien teils
anlagebedingt, teils beruhten sie auf einem vorzeitigen Alterungsprozeß oder auf
einem traumatischen Geschehen.
Aufgrund dieses Gutachtens wurde der Kläger mit Ablauf des Monats Februar 1980
in den Ruhestand versetzt. Mit Schreiben vom 8. April 1989 beantragte er beim
Hessischen Landeskriminalamt die Anerkennung eines Dienstunfalls. Er trug vor,
er habe bis Oktober 1978 während seiner Dienstzeit regelmäßig an
Schießübungen teilgenommen und mit Handfeuerwaffen, gelegentlich aber auch
mit Lang- oder Schnellfeuerwaffen geschossen, und zwar fast stets ohne
Gehörschutz. Nach dem Feuern habe er häufig ein dumpfes Gefühl in den Ohren
gehabt und sei vorübergehend taub gewesen. Im Laufe des Jahres 1978 sei ihm
seine Schwerhörigkeit aufgefallen; zu dieser Zeit sei auch ein Ohrgeräusch
aufgetreten. Die damaligen ärztlichen Untersuchungen hätten lediglich ergeben,
daß diese Symptome auf Durchblutungsstörungen zurückzuführen seien. Erst
nachdem er von einer Selbsthilfeorganisation darauf hingewiesen worden sei, daß
eine Lärmschwerhörigkeit oder ein multiples Knalltrauma Ursache des Tinnitus sein
könnten, habe er sich erneut untersuchen lassen, und zwar mit dem Ergebnis, daß
Knalltraumata, verursacht durch dienstliche Schießübungen, Ursache seiner
Gesundheitsstörung seien. Zur weiteren Begründung verwies der Kläger auf
gutachtliche Stellungnahmen der Deutschen Klinik für Diagnostik vom 23. Juni
1981 und des Bundeswehrkrankenhauses vom 28. März 1989.
Mit Bescheid vom 18. Mai 1989 lehnte das Hessische Landeskriminalamt den
Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die Anmeldefristen nach § 45
Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) seien verstrichen. Der Kläger sei an einer
früheren Dienstunfallmeldung nicht gehindert gewesen. Sein Antrag auf
Versetzung in den Ruhestand vom 1. Oktober 1979 könne nicht als
Dienstunfallanzeige gewertet werden. Im übrigen sei Lärmschwerhörigkeit mit
Tinnitus nicht als Berufskrankheit anerkannt.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger am 28. September 1989
Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, nach den ärztlichen Gutachten
sei der Tinnitus eindeutig durch Schießübungen verursacht worden. Dabei handele
es sich um die Folge einer Lärmschwerhörigkeit, die ihrerseits als Berufskrankheit
anerkannt sei. Die Meldefrist des § 45 BeamtVG beginne erst, wenn der Beamte
erkannt habe, daß eine Berufskrankheit vorliege; spätestens jedoch mit der
Versetzung in den Ruhestand. Dies ergebe sich aus Ziffer 45.1.3 der
Verwaltungsvorschrift zu § 45 BeamtVG. Er habe erst aufgrund der
Untersuchungen im Bundeswehrkrankenhaus Ulm im März 1989 erkennen
können, daß seine Lärmschwerhörigkeit durch die Schießübungen ausgelöst
worden sei. Zur weiteren Begründung hat der Kläger sich auf einen Befundbericht
der Universitätsklinik vom 26. November 1990 berufen. Ferner hat er eine
Stellungnahme des früheren Amts- und Polizeiarztes vom 19. März 1992
vorgelegt, in der es unter anderem heißt, dieser habe während der Untersuchung
des Klägers im Oktober 1979 zwar die Frage des Einflusses von Knalltraumata
erwogen und dem Kläger gegenüber erwähnt; aufgrund der vorliegenden
fachärztlichen Befunde, in denen Durchblutungsstörungen als Ursache der
Schwerhörigkeit des Klägers festgestellt worden seien, habe dies jedoch nicht
näher verifiziert werden können, so daß auch der Kläger nicht auf eine mögliche
Dienstunfallanzeige hingewiesen worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des
Hessischen Landeskriminalamts vom 18. Mai 1989 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1989
zu verpflichten, die durch die Schießübungen des Klägers
verursachte Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus als Dienstunfall
im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er hat geltend gemacht, der Kläger habe im Vergleich zu anderen
Polizeivollzugsbeamten unterdurchschnittlich oft an Schießübungen
teilgenommen. Deshalb sei er nach seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der
Erkrankung an Tinnitus nicht besonders ausgesetzt gewesen, so daß keine
Berufskrankheit vorliegen könne. Der Kläger habe die Ausschlußfristen des § 45
BeamtVG verstreichen lassen; denn er habe nach eigenen Angaben bereits im
Jahre 1978 erkannt, daß er an Schwerhörigkeit und Tinnitus leide.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 26. März 1992 die Klage mit der
Begründung abgewiesen, zwar handele es sich bei Lärmschwerhörigkeit mit
Tinnitus um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG i.V.m. Nr.
2301 der Anlage 1 zur Durchführungsverordnung vom 20. Juni 1977. Die
Ausschlußfristen des § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG seien jedoch verstrichen. Die
Vorschrift sei auf Berufskrankheiten entsprechend anwendbar. Maßgebend für den
Fristbeginn könne nur der objektive Zeitpunkt des Auftretens der Berufskrankheit
sein, ohne daß es darauf ankomme, ob der Beamte dies subjektiv erkannt habe
oder hätte erkennen können. Käme es hingegen auf die Erkennbarkeit der
Berufskrankheit an, so könnte sich in manchen Fällen ein vom Gesetzgeber nicht
gewollter, späterer Fristbeginn als bei Dienstunfällen ergeben. Sinn und Zweck der
Ausschlußfristen des § 45 BeamtVG sei es, den Dienstherrn im Hinblick auf
Unfallfürsorgeleistungen dazu anzuhalten, umgehend zu ermitteln, ob der
Gesundheitsschaden eines Beamten auf einen Dienstunfall bzw. eine beruflich
ausgelöste Krankheit zurückzuführen sei, worin diese bestehe und welche
dauerhaften Auswirkungen sie haben könne. Aufklärungsschwierigkeiten, die bei
späteren Ermittlungen regelmäßig auftreten könnten, sollten vermieden werden.
Auch eine systematische Auslegung des § 45 BeamtVG führe dazu, daß die Frist
bereits im objektiv bestimmbaren Zeitpunkt des Eintretens der Erkrankung zu
laufen beginne. Auf subjektive Umstände, etwa das Bemerken von Unfallfolgen,
werde in Abs. 2 der Vorschrift hinreichend Rücksicht genommen. Der Gesetzgeber
habe allerdings eine absolute zeitliche Grenze von 10 Jahren seit Eintritt des
Unfalls oder des Auftretens einer Berufskrankheit vorgesehen. Nach Ablauf dieser
Frist sollten nach dem Willen des Gesetzgebers Unfallfürsorgeansprüche ohne
Rücksicht auf ein Verschulden des Beamten ausscheiden. Die
Verwaltungsvorschrift vom 3. November 1980 sei nicht bindend und im übrigen mit
der gesetzlichen Regelung des Fristbeginns unvereinbar. Da die Krankheit nach
den eigenen Angaben des Klägers bereits im Jahre 1978 aufgetreten sei, sei die im
April 1989 eingegangene Dienstunfallanzeige verspätet. Eine Dienstunfallmeldung
liege weder in dem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand vom 1. Oktober 1979
noch in dem Untersuchungsgespräch mit dem Polizeiarzt im Oktober 1979.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 5. Mai 1992 zugestellte Urteil richtet sich
die am 3. Juni 1992 eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung wird
vorgetragen, eine entsprechende Anwendung der Ausschlußfristen des § 45
BeamtVG auf Berufskrankheiten müsse sachlich gerechtfertigten Unterschieden
zu Dienstunfällen Rechnung tragen. Es müsse nicht auf den Ausbruch, sondern auf
die Erkennbarkeit der Krankheit für den Beamten abgestellt werden. Der
Dienstherr habe sich durch die entsprechende Verwaltungsvorschrift einer
Selbstbindung im Sinne einer für den Betroffenen günstigeren Regelung
unterworfen. Dies sei mit dem Gesetzeszweck durchaus vereinbar. Nach den
Verwaltungsvorschriften aber sei die Ausschlußfrist von 10 Jahren erst mit der
Versetzung in den Ruhestand in Gang gesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei im
übrigen von keinem der Beteiligten einschließlich der Fachärzte ein
Zusammenhang zwischen den Geräuschwahrnehmungen und den Schießübungen
hergestellt worden. Erstmals im Jahre 1992 sei ein medizinisches Fachbuch zu
diesem Phänomen erschienen, dem zu entnehmen sei, daß auch in Fachkreisen
erst seit Anfang 1989 die Möglichkeit eine entsprechenden
Ursachenzusammenhanges erörtert worden sei. Da der Kläger jedenfalls bei der
polizeiärztlichen Untersuchung im Oktober 1979 sämtliche Krankheitssymptome
gemeldet habe, sei er seiner Anzeigepflicht fristgerecht nachgekommen. Die
mündliche Meldung eines Dienstunfalles bzw. einer Berufskrankheit reiche zur
Fristwahrung aus. Es könne dem Kläger nicht angelastet werden, daß die
Symptome seinerzeit medizinisch nicht zutreffend beurteilt worden seien. Der
Dienstherr sei aus Fürsorgegründen verpflichtet, den Kläger in der durch die
Krankheit verursachten Situation zu unterstützen.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom
26. März 1992 sowie den Bescheid des Hessischen Landeskriminalamts
vom 18. Mai 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. August 1989 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, die durch die Schießübungen
des Klägers verursachte Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus
als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, Polizeibeamte, die nicht täglich Schußwaffenlärm ertragen
müßten, seien der Gefahr einer Erkrankung an Lärmschwerhörigkeit nicht
besonders ausgesetzt. Die dem Kläger abverlangten Schießübungen seien weder
besonders häufig noch besonders intensiv gewesen. Der Kläger sei durch
entsprechende ärztliche Gutachten spätestens im Jahre 1985 in die Lage versetzt
worden, die Ursache seiner Lärmschwerhörigkeit zu erkennen. Die
Dienstunfallmeldung vom 8. April 1989 sei in jedem Falle verspätet.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (1
Halbhefter) sowie der Personalakte des Klägers (4 Hefte) Bezug genommen, die
Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann nach entsprechender Anhörung der Beteiligten über die Berufung
durch Beschluß entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Beklagten zur
Anerkennung der durch Schießübungen verursachten Lärmschwerhörigkeit des
Klägers sowie seiner Erkrankung an Tinnitus als Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs.
3 BeamtVG zu verpflichten. Darauf hat der Kläger keinen Anspruch, weil er die
gesetzliche Ausschlußfrist für die Dienstunfallmeldung versäumt hat. Auf die
zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 7 bis 11 des
Abdrucks) kann der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug nehmen. Das
gesamte Vorbringen des Klägers - insbesondere im Berufungsverfahren -
rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Der Kläger stützt sein letztlich auf Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen
gerichtetes Begehren darauf, daß es sich bei seiner Erkrankung um eine durch die
bis Oktober 1978 im Rahmen der Dienstausübung regelmäßig durchgeführten
Schießübungen hervorgerufene Berufskrankheit im Sinne des Dienstunfallrechts (§
31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG) handele. Die vom Verwaltungsgericht bejahte,
zwischen den Beteiligten jedoch bis zuletzt umstrittene Frage, ob dies sachlich und
rechtlich zutrifft, insbesondere ob der Kläger als Polizeivollzugsbeamter nach der
Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr einer derartigen Erkrankung in
besonderem Maße ausgesetzt war, bedarf keiner abschließenden Klärung im
Berufungsverfahren; denn sie ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich,
so daß es einer Beweiserhebung nicht bedurfte. Vielmehr scheitert das Begehren
des Klägers bereits an der Versäumung der auch für Berufskrankheiten geltenden
Meldefristen, die er weder mit der Dienstunfallanzeige vom 8. April 1989 noch zu
einem früheren Zeitpunkt gewahrt hat.
Unfälle im Sinne von § 31 Abs. 1 BeamtVG, aus denen Unfallfürsorgeansprüche
hergeleitet werden sollen, sind nach der Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG innerhalb einer Ausschlußfrist von 2 Jahren nach dem Eintritt des Unfalls
dem Dienstvorgesetzten zu melden. Diese Vorschrift ist auf Berufskrankheiten im
Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG unmittelbar anwendbar (vgl. BVerwG,
Beschluß vom 1. August 1985, Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 1). Nach dem
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Beschluß vom 1. August 1985, Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 1). Nach dem
Gesetzeswortlaut beginnt der Lauf der Ausschlußfrist mit dem Eintritt des Unfalls.
Bei Berufskrankheiten ist dementsprechend der Zeitpunkt des objektiven
Auftretens der Krankheit maßgeblich; hingegen kommt es entgegen der
Auffassung des Klägers nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem der Beamte -
subjektiv - erkennt oder erkennen kann, daß er sich eine Berufskrankheit
zugezogen hat (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. April 1990 - 2 A 102/89 -,
ZBR 1990, 362 - Ls -). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Meldefrist nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist eine materielle Ausschlußfrist,
gegen die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist (vgl.
bereits BVerwG, Urteile vom 30. April 1962 und vom 6. Juli 1988, Buchholz 232 §
150 BBG Nrn. 2 und 4 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 150 BBG a.F.); damit
verbundene Härten im Einzelfall hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen.
Die Vorschrift dient vielmehr erkennbar dem Zweck, die Anmeldung von
Ansprüchen nach Ablauf von 2 Jahren nach dem Unfall bzw. nach dem Eintritt der
Berufskrankheit mit Ausnahme der in § 45 Abs. 2 BeamtVG geregelten Fälle einer
späteren Bemerkbarkeit von Unfallfolgen oder einer qualifizierten Verhinderung
des Berechtigten aus Gründen der Nachweisbarkeit des Unfall- oder
Krankheitsgeschehens und des Ursachenzusammenhanges auszuschließen.
Damit wollte der Gesetzgeber erkennbar den Dienstherrn die Möglichkeit eröffnen
und ihn zugleich dazu anhalten, alsbald Ermittlungen anzustellen und
Feststellungen zu treffen, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung des Beamten
auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist, worin diese
besteht und welche dauerhaften Auswirkungen sie haben kann. Insbesondere
sollen Aufklärungsschwierigkeiten, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben
könnte, von vornherein vermieden werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 1986,
Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 2).
Zu Unrecht beruft sich demgegenüber der Kläger auf den an die subjektive
Erkennbarkeit der Krankheit anknüpfenden späteren Fristbeginn nach den
Verwaltungsvorschriften zu § 45 BeamtVG vom 3. November 1980 (GMBl. 1980,
742). Aus dieser ersichtlich auf Billigkeitserwägungen beruhenden Regelung kann
der Kläger keine für ihn günstigen Rechtsfolgen herleiten, weil die
Verwaltungsvorschrift insoweit eindeutig im Widerspruch zu der gesetzlichen
Bestimmung des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG steht.
Nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2
BeamtVG ist die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen auch nach Ablauf der 2-
Jahres-Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG noch möglich, und zwar bei Wahrung
einer Meldefrist von 3 Monaten nach erstmaliger Bemerkbarkeit einer Unfallfolge
oder nach Wegfall des Hindernisses für die Meldung wiederum innerhalb einer
Ausschlußfrist von 10 Jahren. Letztere bildet nach dem erkennbaren Willen des
Gesetzgebers die absolute zeitliche Grenze für die Geltendmachung von
Unfallfürsorgeansprüchen. Ist sie versäumt, so kann es unter keinen Umständen
mehr darauf ankommen, aus welchen Gründen der Berechtigte die Meldung
unterlassen hat, selbst wenn dies - wie im Falle des Klägers - auf einer Unkenntnis
des Ursachenzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Erkrankung beruht.
Der Dienstherr muß vielmehr den Eintritt des gesetzlich vorgesehenen
Rechtsnachteils der Fristversäumnis selbst dann beachten, wenn der Anspruch im
übrigen begründet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1962 a.a.O.).
Der Kläger hat im Verlauf des gesamten Verwaltungsstreitverfahrens nicht
darzulegen vermocht, daß er innerhalb der Ausschlußfristen des § 45 Abs. 1 Satz
1, Abs. 2 Satz 1 BeamtVG einen Unfallfürsorgeanspruch angemeldet hat. Nach
seinem eigenen, auf entsprechende ärztliche Bescheinigungen gestützten
Vorbringen ist die von ihm als Berufskrankheit angesehene
Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus im Laufe des Jahres 1978 erstmals
aufgetreten, so daß die Ausschlußfrist nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG
spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1988 abgelaufen ist. Die
Dienstunfallanzeige des Klägers ist jedoch erst im April 1989 und damit verspätet
bei seinem früheren Dienstherrn eingegangen.
Mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen
Entscheidung dargelegt, daß weder der Antrag des Klägers auf Versetzung in den
Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen vom 1. Oktober 1979 noch das
Untersuchungsgespräch des Klägers mit dem damaligen Amts- und Polizeiarzt
Ende Oktober 1979 als formlose Dienstunfallanzeige angesehen werden können;
und zwar schon deshalb nicht, weil ein möglicher Ursachenzusammenhang
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und zwar schon deshalb nicht, weil ein möglicher Ursachenzusammenhang
zwischen den vom Kläger absolvierten Schießübungen und seiner späteren
Erkrankung erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa Mitte der 80er Jahre, in das
Blickfeld ärztlicher Erkenntnisse getreten ist. Der dahingehende Vortrag des
Klägers ist in der Stellungnahme von vom 2. Oktober 1992 ausdrücklich bestätigt
worden. Der Kläger hat sich selbst nicht darauf berufen, daß zu einem späteren
Zeitpunkt bis zum Fristablauf am 31. Dezember 1988 eine Dienstunfallmeldung
erfolgt sein könnte; etwas anderes ist auch den vorliegenden
Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen.
Da das Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die
Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen
hierfür nicht gegeben sind (§§ 127 BRRG, 183 HBG, 132 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG.
Der Senat setzt den sogenannten Auffangstreitwert (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG) fest,
da keine genügenden Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung der Sache
für den Kläger (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG) erkennbar sind. Zwar hat der Kläger in der
mündlichen Verhandlung vom 26. März 1992 vor dem Verwaltungsgericht erklärt,
es gehe ihm um Unfallausgleichsleistungen nach § 35 BeamtVG. Die Höhe des
Unfallausgleichs hängt jedoch von einem nach den Vorschriften des
Bundesversorgungsgesetzes durchzuführenden Verfahren zur Feststellung der
Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beamten ab und ist damit ungewiß, so daß
auch die Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung
der Streitwertfestsetzung nicht zugrundegelegt werden können. § 13 Abs. 1 Satz 2
GKG ist in der bis zum 30. Juni 1994 geltenden Fassung des Gesetzes
anzuwenden, da die Berufung bereits am 3. Juni 1992 bei Gericht eingegangen ist;
danach beträgt der sogenannte Auffangstreitwert 6.000,00 DM. Die Befugnis zur
entsprechenden Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts ergibt sich aus § 25
Abs. 2 Satz 2 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.