Urteil des HessVGH vom 23.04.1992

VGH Kassel: öffentliche sicherheit, prostitution, öffentliches interesse, verwaltungsverfügung, prostituierte, gefahr, zahl, vollziehung, aufschiebende wirkung, bordellähnlicher betrieb

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 TH 3607/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 2 SOG HE vom
26.01.1972, § 6 Abs 1 SOG
HE vom 26.01.1972, § 57
Abs 1 SOG HE vom
26.01.1972, § 5 SOG HE
vom 26.06.1990, Art 297
StGBEG
(Polizeiverfügung gegen Hauseigentümer als
Zweckveranlasser wegen Überlassung von Räumen zur
Prostitutionsausübung im sog relativen Sperrgebiet
(Hessen)
Tatbestand
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in F. In dem dort errichteten
Haus mit zwei Obergeschossen gehen seit Mitte der 70iger Jahre Frauen der
Prostitution nach. In den beiden Obergeschossen befinden sich nach Angaben der
Antragstellerin neun Wohneinheiten, die jeweils aus einem Wohn- und
Schlafzimmer, einer Kochnische, einem Bad und WC, einem Flur und Balkon
bestehen und eine Gesamtwohnfläche von rund 311 Quadratmetern haben. Das
nach Angaben der Antragstellerin 335 Quadratmeter große Kellergeschoß des
Hauses ist seit 1982 an Frau verpachtet, die die dort befindliche Bar, ein
Schwimmbad und Nebenräume als Sauna- und Schwimmbadbetrieb gewerblich
nutzt.
Die Liegenschaft befindet sich in jenem Teil des F Stadtgebiets, für den § 1 Abs. 2
der Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in F -
Sperrgebietsverordnung - vom 23. Dezember 1986 (StAnz. 1987 S. 100, geändert
durch Verordnung vom 27. Februar 1991, StAnz. S. 743), folgendes bestimmt:
"In dem übrigen Stadtgebiet ist es mit Ausnahme der in Abs. 3 und 4
bezeichneten Gebiete verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen, in
öffentlichen Anlagen und an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden
können, sowie in Prostituiertenwohnheimen, Prostituiertenunterkünften und
ähnlichen Einrichtungen (unter anderem in sogenannten Massagesalons und
sonstigen überwiegend von Prostituierten genutzten Häusern) der Prostitution
nachzugehen."
Nach Inkrafttreten der Sperrgebietsverordnung erließ der Oberbürgermeister der
Antragsgegnerin am 24. August 1987 gegen die Antragstellerin eine
Verwaltungsverfügung, in der er ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung
untersagte, Räumlichkeiten in der Liegenschaft zur Ausübung der Prostitution zur
Verfügung zu stellen. Die sofortige Vollziehung dieser Verwaltungsverfügung
setzte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluß vom 7. Dezember
1987 - V/3 G 2724/87 - aus. Der Senat bestätigte diese Entscheidung mit Beschluß
vom 27. Mai 1988 - 11 TH 181/88 -, auf den wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird, im Hinblick auf ein inzwischen von der Antragstellerin unter dem
Az.: 11 N 2596/87 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof betriebenes
Normenkontrollverfahren, in dem um die Gültigkeit der Sperrgebietsverordnung in
der damaligen Fassung gestritten wurde. Einige Zeit später nahm der
Oberbürgermeister der Antragsgegnerin die nicht vollzogene
Verwaltungsverfügung vom 24. August 1987 zurück.
Mit Schreiben vom 30. Juni 1988 kündigte er der Antragstellerin den erneuten Erlaß
einer Untersagungsverfügung an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme, worauf
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einer Untersagungsverfügung an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme, worauf
die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 15. Juli 1988 die Auffassung vertrat,
eine gegen sie gerichtete selbständige Polizeiverfügung könne zumindest
bezüglich des Sofortvollzugs keinen Bestand haben.
Mit Verwaltungsverfügung vom 11. November 1988 untersagte der
Oberbürgermeister der Antragsgegnerin der Antragstellerin erneut,
Räumlichkeiten in der Liegenschaft zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung zu
stellen, und kündigte ihr für den Fall, daß die Einrichtung nicht innerhalb eines
Monats nach Zustellung der Verfügung geschlossen werde, die Schließung und
Versiegelung der gewerblich genutzten Räume an; die dadurch entstehenden
Verwaltungskosten wurden vorläufig auf 300,--DM veranschlagt. Gegen diesen
Bescheid hat die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin am 23. November 1988
Widerspruch einlegen lassen, über den noch nicht entschieden ist.
Nachdem der Senat mit Beschluß vom 19. Februar 1990 - 11 N 2596/87 - über
den Normenkontrollantrag der Antragstellerin entschieden hatte, kündigte ihr der
Oberbürgermeister der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 3. April 1990 die
Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verwaltungsverfügung vom 11.
November 1988 an und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit
Anwaltschreiben vom 30. April 1990, auf das wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird, vertrat die Antragstellerin die Auffassung, zwischen dem
Absehen von der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 11.
November 1988 und dem damals noch anhängigen Normenkontrollverfahren habe
kein erkennbarer Zusammenhang bestanden. Im übrigen verwies die
Antragstellerin darauf, daß der Magistrat der Antragsgegnerin nicht mehr hinter
der Sperrgebietsverordnung stehe und deren Änderung betreibe. Schließlich
vertrat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf den Beschluß des Senats vom
27. Mai 1988 - 11 TH 181/88 - die Auffassung, hinreichende Gründe für ein
sofortiges Einschreiten gegen sie seien nicht gegeben, da von dem Hause bisher
keine konkreten Störungen der Nachbarschaft ausgegangen seien und sich in
bezug auf dieses Haus nicht einmal der Anfangsverdacht einer strafbaren
Handlung ergeben habe.
Mit Verfügung vom 1. Juni 1990 ordnete der Oberbürgermeister der
Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung seiner Verwaltungsverfügung vom 11.
November 1988 an und drohte der Antragstellerin für den Fall, daß die Einrichtung
nicht innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieser Verfügung geschlossen
werde, die amtliche Schließung und Versiegelung der gewerblich genutzten Räume
gemäß § 26 HSOG an; die dadurch entstehenden Verwaltungskosten wurden auf
zunächst 300,--DM veranschlagt. Zur Begründung dieses Bescheids stellte die
Antragsgegnerin fest, eine Überprüfung der Liegenschaft am 9. Mai 1990 habe
ergeben, daß die Antragstellerin weiterhin neun Zimmer an Prostituierte vermietet
habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 1. Juni 1990 Bezug
genommen. Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid am 25. Juni 1990 bei
der Antragsgegnerin Widerspruch einlegen lassen, über den ebenfalls noch nicht
entschieden ist.
Ihren am 25. Juni 1990 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gestellten
Aussetzungsantrag hat die Antragstellerin unter eingehender Vertiefung ihres
Vorbringens aus dem Normenkontrollverfahren im wesentlichen mit der
Auffassung begründet, die angegriffene Untersagungsverfügung sei schon deshalb
rechtswidrig, weil das Haus keine einem Prostituiertenwohnheim oder anderen in §
1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung erwähnten Räumlichkeiten vergleichbare
Einrichtung sei. Im übrigen seien die Verfügungen vom 11. November 1988 und
vom 1. Juni 1990 nicht hinreichend bestimmt, weil pauschal die Überlassung von
Räumlichkeiten an Prostituierte ohne Differenzierung nach gewerblichen Zwecken
und Wohnzwecken vorgenommen worden sei. Hierzu hat die Antragstellerin unter
Vorlage entsprechender Formular- "Mietverträge für Wohnraum" behauptet, von
den neun Wohneinheiten im Hause seien zwei an weibliche Angestellte von Frau
und zwei weitere an männliche Hausbewohner vermietet, eine Wohneinheit werde
von ihr selbst genutzt, die vier übrigen seien zu Wohnzwecken an Frauen
vermietet. Unter Vorlage entsprechender Nachbarerklärungen hat die
Antragstellerin ferner geltend gemacht, für die Nachbarn seien von der
Liegenschaft noch nie Beeinträchtigungen ausgegangen. Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 20. Juni 1990 und die als Anlagen
vorgelegten Dokumente Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung der
Antragsgegnerin vom 1. Juni 1990 in Verbindung mit der Verfügung vom 11.
November 1988 hinsichtlich der Untersagung der Überlassung von Räumlichkeiten
zur Ausübung der Prostitution wiederherzustellen und hinsichtlich der Schließungs-
und Versiegelungsandrohung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe im
Normenkontrollverfahren 11 N 2596/87 selbst eingeräumt, daß sie ein
Prostituiertenwohnheim betreibe. Der im Erdgeschoß des Hauses betriebene
Sauna- und Badebetrieb sei dieser Einrichtung ohne Rücksicht auf die
zivilrechtlichen Beziehungsgestaltungen zuzurechnen, da faktisch eine
untrennbare Einheit bestehe. Die Zahl der im Hause tätigen Prostituierten sei
unerheblich, da die Abgrenzung zwischen einem Bordell bzw. einer ähnlichen
Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 2 Sperrgebietsverordnung einerseits und der im
relativen Sperrgebiet erlaubten Wohnungsprostitution andererseits nicht allein
anhand der Zahl der Prostituierten getroffen werden könne, sondern in erster Linie
auf der Grundlage der Organisationsstruktur, in die deren Tätigkeit eingebettet sei.
Daß das Haus teilweise auch zu Wohnzwecken genutzt werde, mache die
angegriffenen Verfügungen nicht rechtswidrig, da eine sogenannte untrennbare
Mischnutzung vorliege, bei der die Prostitutionsausübung prägend und
beherrschend im Vordergrund stehe; die Wohnnutzung habe allenfalls marginale
Bedeutung. Schließlich sei mit dem Vorgehen gegen die Antragstellerin der
Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt worden, weil die angefochtenen Verfügungen
im Rahmen eines planmäßigen Vorgehens des Oberbürgermeisters der
Antragsgegnerin gegen die durch die Sperrgebietsverordnung verbotene
Prostitution im gesamten Stadtgebiet ergangen seien.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 26. November
1990, der der Antragsgegnerin am 10. Dezember 1990 zugestellt worden ist und
auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, dem Antrag stattgegeben.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die angefochtene Grundverfügung
entbehre als sogenannte selbständige Polizeiverfügung einer hinreichenden
Grundlage, weil keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
im Sinne des § 1 Abs. 1 HSOG vorgelegen habe. Im übrigen sei die
Grundverfügung nicht hinreichend bestimmt, weil darin keine Differenzierung nach
den unterschiedlichen Zwecken der Nutzung der einzelnen Wohneinheiten im
Hause vorgenommen worden sei. Schließlich sei unter Berücksichtigung der
Ausführungen des Senats im Beschluß vom 27. Mai 1988 - 11 TH 181/88 - nach
wie vor kein besonderes öffentliches Interesse für ein sofort vollziehbares
polizeirechtliches Vorgehen gegen die Antragstellerin erkennbar.
Die Antragsgegnerin hat gegen diesen Beschluß am 17. Dezember 1990 bei dem
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschwerde eingelegt, der das
Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung vertieft sie ihr
erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Auffassung, entsprechend der
bisherigen Rechtsprechung des beschließenden Senats sei derjenige, der Räume
zum Zwecke der verbotenen Prostitutionsausübung an Frauen überlasse, in
polizeirechtlichem Sinne als Verhaltensstörer anzusehen. Zur Ergänzung ihres
Vorbringens hat die Antragsgegnerin dem Senat einen Zeitungsausschnitt aus der
FAZ vom 16. September 1991 (Blatt 75 GA) vorgelegt, auf den zur weiteren
Sachdarstellung Bezug genommen wird.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen und verweist auf Bestrebungen
der Antragsgegnerin, im Wege einer Änderung der Sperrgebietsverordnung die
Ausweisung einer Toleranzzone im F Bahnhofsgebiet zu erreichen. Bei den derzeit
in der Sperrgebietsverordnung dargestellten Toleranzzonen handele es sich um
Scheinausweisungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf
den Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin vom 9. September
1991 verwiesen.
Dem Senat liegen fünf Bände Behördenakten der Antragsgegnerin und die
Gerichtsakten 11 N 2596/87 und 11 TH 181/88 (Retent) des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vor.
Entscheidungsgründe
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Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist auch teilweise begründet, denn dem Senat erscheint eine Beschränkung
der Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin
bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens angezeigt. Zwar bestehen an der
Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsverfügung vom 11. November 1988
und am Vorhandensein eines besonderen öffentlichen Interesses an ihrer
Vollziehung erhebliche Zweifel, jedoch können diese Bedenken im Laufe des
Widerspruchsverfahrens noch ausgeräumt werden.
Generelle Bedenken gegen ein polizeirechtliches Vorgehen des
Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin als örtliche Ordnungsbehörde gegen die
Antragstellerin als Bordellbetreiberin bestehen allerdings entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts nicht.
Bei dem von der Antragstellerin in der betriebenen Wohnheim handelt es sich
ohne jeden Zweifel um ein Prostituiertenwohnheim im Sinne des § 1 Abs. 2 der
Sperrgebietsverordnung mit der Folge, daß die Prostitutionsausübung in diesem
Haus als Verstoß gegen die Sperrgebietsverordnung und damit als Störung der
öffentlichen Sicherheit anzusehen ist. Der Senat hat bereits in seinem Beschluß
vom 19. Februar 1990 im Normenkontrollverfahren 11 N 2596/87 zu dieser Frage
Stellung genommen und das Vorliegen eines Nachteils im Sinne des § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO entsprechend dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin darin
gesehen, daß das Haus "als Dirnenwohnheim der Prostitution dient, und in einem
Bereich liegt, der von der angegriffenen Verordnung als Sperrgebiet ausgewiesen
ist" (S. 14 des amtlichen Beschlußumdrucks). Die Antragstellerin verhält sich
widersprüchlich, indem sie nunmehr vortragen läßt, es handele sich bei dem Haus
gar nicht um eine organisatorische Einheit, die dem ganzen Haus das Gepräge
gebe und seine Einstufung als Bordell rechtfertige.
Zu der Frage, wann ein Gebäude als Bordell anzusehen ist, hat der Senat sich
bereits in seinem Beschluß vom 7. April 1988 - 11 TH 2776/87 - (S. 3 des
amtlichen Umdrucks) wie folgt geäußert:
"Bei dem Anwesen ... handelt es sich um eine Dirnenunterkunft im Sinne des § 1
der Sperrgebietsverordnung ungeachtet dessen, ob ein Teil der Räumlichkeiten auf
dem Grundstück für andere Zwecke genutzt wird oder nicht. Entscheidend ist
insoweit allein, ob die Prostitutionsausübung in dem Haus bzw. Anwesen einen
solchen Umfang hat, daß die Prostitutionstätigkeit diesem sein Gepräge gibt.
Daran besteht für den beschließenden Senat jedoch kein ernsthafter Zweifel
angesichts des Umstandes, daß vier Zimmer unstreitig an Prostituierte überlassen
worden sind und das Anwesen ... seit Jahren in ... und Umgebung unter anderem
durch Zeitungsartikel und einschlägige Annoncen als Ort der
Prostitutionsausübung allgemein bekannt ist. Das Anwesen tritt deshalb
offenkundig als Bordell oder bordellähnlicher Betrieb nach außen in Erscheinung
und stellt sich als Anlaufstelle bzw. als gewisser Kristallisationspunkt dar, der Freier
in größerer Zahl anzieht."
An dieser Definition hält der Senat fest. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen,
daß zur Unterscheidung der im relativen Sperrgebiet verbotenen
Bordellprostitution und der erlaubten Wohnungsprostitution nicht relationslos auf
die Zahl der in einem Gebäude tätigen Prostituierten abgestellt werden kann.
Vielmehr sind die Zahl der Prostituierten und die Größe der von ihnen genutzten
Räumlichkeiten in ein Verhältnis zur Zahl der sonstigen Hausbewohner und zur
Größe der von ihnen zu anderen Zwecken genutzten Räume zu setzen. Überwiegt
danach die Zahl der Prostituierten oder die Größe der von ihnen genutzten
Räumlichkeiten, ist schon aus diesem Grund von verbotener Bordellprostitution im
Sinne des § 1 Abs. 2 Sperrgebietsverordnung auszugehen, wie sich aus dem in
Klammern gesetzten unbestimmten Rechtsbegriff "sonstigen überwiegend von
Prostituierten genutzten Häusern" ergibt. Überwiegt der Prostitutionsanteil nach
Personenzahl oder Fläche nicht oder kann dies nicht festgestellt werden, ist damit
aber noch nicht gesagt, daß keine verbotene Bordellprostitution vorliegt. Denn ein
auch nur teilweise zur Prostitutionsausübung genutztes Haus kann als
Dirnenwohnheim angesehen werden, wenn ihm die Prostitutionstätigkeit sein
Gepräge gibt. Ein solches Gepräge kann ein Gebäude insbesondere durch von
außen wahrnehmbare Hinweise auf den Verwendungszweck erhalten, etwa durch
Reklametafeln oder -schriften, auffällige Beleuchtung (Rotlicht) oder akustische
Signale, die aufmerksame Passanten Rückschlüsse auf die Prostitutionsausübung
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Signale, die aufmerksame Passanten Rückschlüsse auf die Prostitutionsausübung
im Hause ziehen lassen. Das Bordellgepräge kann ein Haus allerdings auch durch
seine innere Struktur oder durch die konkreten Organisationsformen der
Prostitutionsausübung erhalten. Das Vorhandensein mehreren Prostituierten zur
Anbahnung von Kontakten mit Kunden oder zu ihrer Betreuung zur Verfügung
stehender Räume oder Einrichtungen kann für den Bordellcharakter eines Hauses
ebenso sprechen wie die gemeinschaftliche Werbung mehrerer im Hause tätiger
Prostituierter in Zeitungen oder Zeitschriften oder ein sonstiges Verhalten, das
aus der Sicht eines außenstehenden Beobachters den Eindruck vermittelt, daß es
sich bei der Prostituiertenunterkunft um einen unter gemeinsamer Leitung
stehenden Betrieb handelt oder dort eine aufeinander abgestimmte Tätigkeit
mehrerer Prostituierter stattfindet. Welche Rechtsbeziehungen dabei zwischen den
Prostituierten bzw. zwischen ihnen und denjenigen bestehen, die ihnen Räume zur
Ausübung der Prostitution überlassen, ist unerheblich. Entscheidend ist, welchen
ihnen zurechenbaren Eindruck die Vorkehrungen bzw. Verhaltensweisen dieser
Personen bei einem unbefangenen Dritten erwecken, der die internen
Vereinbarungen und Zusammenhänge nicht kennt.
Bei Anwendung dieser Kriterien ist nicht zweifelhaft, daß es sich bei dem Haus um
ein Bordell handelt. Die den im Hause tätigen Prostituierten überlassenen
Wohneinheiten bilden mit dem Sauna- und Badebetrieb der Pächterin im
Untergeschoß eine organisatorische Einheit, die dem gesamten Haus das
Gepräge gibt. Dies ergibt sich bereits aus der Relation der im Hause lebenden
Prostituierten zu den übrigen Bewohnern, selbst wenn man unterstellt, daß nicht
alle im Hause lebenden Frauen der Prostitution nachgehen, und außer acht läßt,
daß bei allen früheren Kontrollen der Antragsgegnerin eine höhere als die von der
Antragstellerin jetzt eingeräumte Zahl von Prostituierten festgestellt worden ist.
Einige der von der Antragstellerin selbst vorgelegten Nachbarerklärungen und
insbesondere der von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegte
Ausschnitt aus der FAZ vom 16. September 1991 zeigen im übrigen, daß das
Gebäude von Außenstehenden als "Betrieb", "Etablissement" oder "erotisches
Badehaus" eingeschätzt wird.
Die grundsätzliche Zulässigkeit eines auf allgemeines Polizeirecht gestützten
Vorgehens der allgemeinen Ordnungsbehörde gegen Bordellbetreiber ist entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu bezweifeln.
Der Senat läßt als nicht entscheidungserheblich offen, ob der bei Erlaß der
angefochtenen Verwaltungsverfügung noch geltende und von der Antragsgegnerin
als Ermächtigungsgrundlage herangezogene § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen
Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - HSOG - i.d.F. vom 26.
Januar 1972 (GVBl. I S. 24, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Mai 1988, GVB.
I S. 191) den Erlaß einer (selbständigen) Polizeiverfügung gegen die Antragstellerin
ermöglichte, wie die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die bisherige
Rechtsprechung des Senats (Beschluß vom 7. April 1988 - 11 TH 2776/87 -, vgl.
hierzu auch Beschluß vom 27. Mai 1988 - 11 TH 181/88 -) meint. Im erstgenannten
Beschluß hat der Senat hierzu folgendes ausgeführt:
"Die angegriffene Polizeiverfügung richtet sich auch zu Recht gegen die
Antragstellerin. Denn diese ist - neben den Prostituierten, die in dem Anwesen ...
der Gewerbsunzucht nachgehen - Handlungsstörerin im Sinne des § 12 HSOG. Der
Umstand, daß die Antragstellerin selbst der Prostitution nicht nachgeht, steht ihrer
Inanspruchnahme als Störerin im Sinne des § 12 HSOG nicht entgegen. Nach
dieser Vorschrift ist, sofern die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch das
Verhalten von Personen gestört oder gefährdet wird, derjenige verantwortlich, der
die Störung oder Gefahr verursacht hat. Das ist im vorliegenden Fall auch die
Antragstellerin, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt.
Wird die öffentliche Sicherheit in der zuvor näher beschriebenen Weise durch
Ausübung der Prostitution innerhalb eines rechtmäßig angeordneten Sperrgebiets
gestört, so sind unmittelbar verantwortlich für die Störung im Sinne des § 12
HSOG zunächst die Prostituierten selbst, die verbotenerweise innerhalb des
Sperrgebiets der Gewerbsunzucht nachgehen. Denn an sie richtet sich
ausdrücklich und unmittelbar das in § 1 der Sperrgebietsverordnung enthaltene
Verbot. Die auf Art. 297 EGStGB beruhende Sperrgebietsverordnung dient dabei
anerkanntermaßen nicht nur der Ausfüllung der Blankettnormen des § 184 a StGB
und des § 120 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Vielmehr hat das in der Verordnung
ausgesprochene Verbot auch präventivpolizeilichen Charakter, so daß auf der
Grundlage der Rechtsverordnung polizeirechtliche Regelungen in Gestalt
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Grundlage der Rechtsverordnung polizeirechtliche Regelungen in Gestalt
sogenannter unselbständiger Polizeiverfügungen nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr.
1 HSOG zum Schutze der in Art. 297 EGStGB angesprochenen Rechtsgüter
jedenfalls gegenüber den Prostituierten rechtswirksam erlassen werden können,
ohne daß es auf den Nachweis konkreter Gefahren für diese Rechtsgüter im
Einzelfall ankommt. Insoweit folgt der beschließende Senat der Rechtsprechung
des früher für das Gebiet des Polizeirechts zuständig gewesenen 8. Senats des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Hess. VGH, U. v. 25. April 1983, NJW
1984, 505). Soweit in dem vorgenannten Urteil des 8. Senats allerdings in
Anknüpfung an eine früher bereits vom 2. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs geübte Rechtsprechung (vgl. etwa Hess. VGH, B. v. 21.
Januar 1977 - II TH 28/76 -, und B. v. 23. Oktober 1987 - II TH 105/78 -) weiterhin in
bezug auf die insoweit wortgleiche Verordnung zum Schutze der Jugend und des
öffentlichen Anstandes im Regierungsbezirk Darmstadt vom 10. August 1979
(StAnz. 1979, 1811) die Auffassung vertreten wurde, aufgrund der Verordnung
könne unmittelbar nicht nur die einzelne Prostituierte polizeirechtlich in Anspruch
genommen werden, sondern durch eine sogenannte unselbständige
Polizeiverfügung auch derjenige, der Zimmer, in denen die Prostitution ausgeübt
werde, an Frauen vermietet, hat der nunmehr für das Polizeirecht zuständige
beschließende Senat erhebliche Bedenken, dieser Auffassung zu folgen. Er neigt
vielmehr in Übereinstimmung mit einer neuerdings in verschiedenen
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vertretenen Ansicht
(vgl. etwa B. v. 7. Dezember 1987 - V/3 G 2724/87 -) dazu anzunehmen, daß
gegenüber Personen, die innerhalb eines rechtmäßig festgesetzten Sperrgebiets
nicht selbst der Prostitution nachgehen - anders als in den Fällen der
unmittelbaren Prostitutionsausübung - keine sogenannte unselbständige
Polizeiverfügungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 HSOG ergehen können, sondern
daß in diesen Fällen nur sogenannte selbständige Polizeiverfügungen nach
Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 2 HSOG unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2
Satz 1 HSOG gegenüber solchen Personen in Betracht kommen, die ihrerseits für
die Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nach §§ 12 bis 14 HSOG
polizeirechtlich verantwortlich sind.
Eine solche polizeirechtliche Verantwortlichkeit i.S. des § 12 HSOG ist im
vorliegenden Fall bei der Antragstellerin zu bejahen, so daß der Umstand, daß sie
selbst der Prostitution nicht nachgeht, ihrer Inanspruchnahme als Störerin durch
eine selbständige auf §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 2 HSOG gestützte
Polizeiverfügung nicht entgegensteht. Da nämlich die Antragstellerin innerhalb der
Sperrzone Räume an Frauen zum Zwecke der Prostitution überläßt und für das
Etablissement überdies Zeitungswerbung betreibt, ist sie als Mitverursacherin
einer polizeirechtlich relevanten Gefahr bzw. Störung anzusehen und
dementsprechend - neben den Prostituierten - als Verhaltensstörer einzustufen,
der eine eigene polizeirechtlich erhebliche Ursache für eine konkrete
polizeirechtliche Gefahr bzw. Störung in dem oben näher beschriebenen Sinne
setzt und dabei selbst die Gefahrengrenze überschreitet. Das bewußte und
gewollte Überlassen von Räumen in einem Sperrbezirk an Frauen zum Zwecke der
Prostitution bildet mit dem Erfolg, nämlich der Prostitutionsausübung durch diese
Frauen, eine natürliche Einheit, die es rechtfertigt, einen Wertungszusammenhang
zwischen ihnen herzustellen, und die es sachgerecht erscheinen läßt, denjenigen,
der solche Räume zum Zwecke der Prostitutionsausübung überläßt, im
polizeilichen Sinne - neben diesen - als Verhaltensstörer und damit als möglichen
Adressaten einer selbständigen Polizeiverfügung in dem oben näher
beschriebenen Sinne anzusehen (vgl. dazu die Theorie vom sogenannten
"Zweckveranlasser" sowie die Ausführungen bei Drews/Wacke/Vogel/Martens,
Gefahrenabwehr, 9. Auflage, 1986, S. 310-317 m.w.N./Pietzcker, DVBl. 1984, 457
ff.; Erbel, JuS 1985, 257 ff.). Die Frauen, die in dem Anwesen ... der Prostitution
nachgehen, verstoßen durch dieses Verhalten gegen die öffentliche Sicherheit,
weil die Ausübung der Prostitution dort durch die genannte
Sperrgebietsverordnung untersagt ist und jeder Verstoß gegen eine Rechtsnorm
zugleich eine Störung der öffentlichen Sicherheit i.S. von § 1 Abs. 2 HSOG
darstellt. Im übrigen begehen diese Frauen durch ihr Verhalten strafbare
Handlungen nach § 184 a StGB bzw. Ordnungswidrigkeiten nach § 120 OWiG. Da
die Antragstellerin ... eine im polizeirechtlichen Sinne zurechenbare Ursache dafür
setzt, ist ihre Inanspruchnahme als Adressatin einer selbständigen polizeilichen
Verbotsverfügung der hier in Rede stehenden Art mithin grundsätzlich
gerechtfertigt und geeignet, der bereits eingetretenen Störung der öffentlichen
Sicherheit wirksam zu begegnen. Der beschließende Senat neigt darüberhinaus zu
der Annahme, daß die Antragstellerin selbst im vorliegenden Fall durch das
dauernde Überlassen der Räume an Frauen, die darin der Prostitution nachgehen,
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dauernde Überlassen der Räume an Frauen, die darin der Prostitution nachgehen,
strafbare Beihilfe zur Ausübung der verbotenen Prostitution i.S. des § 184 a StGB
leistet. In der strafrechtlichen Literatur ist zwar teilweise umstritten, ob das bloße
Überlassen von Räumen als Beihilfehandlung zu § 184 a StGB aufgefaßt werden
kann oder durch die Strafvorschrift des § 180 a StGB abschließend erfaßt bzw.
geregelt wird (vgl. dazu Dreher/Tröndle, StGB, 42. Auflage, Rdnr. 6 zu § 184 a). Der
Senat neigt jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen
Obersten Landesgerichts (vgl. U. v. 9. April 1981, NJW 1981, 2766 ff.) dazu, die
Zimmervermietung bzw. Raumüberlassung an Prostituierte jedenfalls dann als
strafbare Beihilfe zu verbotener Prostitution i.S. des § 184 a StGB anzusehen,
wenn die Überlassung gerade zu Prostitutionszwecken erfolgt. Denn § 180 a StGB
und § 184 a StGB dienen insoweit völlig anderen Schutzzwecken (vgl. dazu auch
Schönke/Schröder, StGB, 22. Auflage, 1985, Rdnr. 7 zu § 184 a). Einer
abschließenden Erörterung dieser Frage bedarf es indes hier nicht, weil - wie
bereits ausgeführt - die polizeirechtliche Zurechenbarkeit der verbotenen
Prostitutionsausübung in bezug auf die Antragstellerin bereits aus anderen
Gründen gegeben ist."
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Senat an der seinerzeit geäußerten
Rechtsauffassung zur früheren Rechtslage festhält. Denn die angefochtene
Verwaltungsverfügung ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - zumal bei noch
nicht abgeschlossenem Widerspruchsverfahren - nach den am 1. Januar 1991 in
Kraft getretenen Vorschriften des HSOG vom 26. Juni 1990 (GVBl. I S. 197, 534) zu
beurteilen (BVerwG, U. v. 29. November 1979 - 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148
(160); vgl. U. v. 2. Februar 1982 - 1 C 140.80 -, BVerwGE 65, 1 (2 f.) zur
Gewerbeuntersagung nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 6 GewO; jeweils m. w. N.).
Da die Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in
Frankfurt am Main vom 23. Dezember 1986 (StAnz. 1987 S. 100) auch i.d.F. der
Änderungsverordnung vom 27. Februar 1991 (StAnz. S. 743) keine die
angegriffene Untersagungsverfügung tragende Befugnisnorm enthält und die
getroffene Maßnahme auch keiner der als Standardmaßnahmen bezeichneten
Einzelermächtigungen der §§ 12 bis 43 HSOG n.F. zugeordnet werden kann, ist die
Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts an § 11 HSOG n.F. zu messen. Dieser neuen
allgemeinen polizeirechtlichen Befugnisnorm liegt entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts nicht mehr wie § 6 Abs. 1 HSOG a.F. die traditionelle
Unterscheidung von selbständiger und unselbständiger Polizeiverfügung zugrunde.
Mit der dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der
Länder aus dem Jahre 1977 folgenden strikten Trennung zwischen allgemeiner
Aufgabennorm (Aufgabengeneralklausel; § 1 Abs. 1 HSOG n.F.) und allgemeiner
Befugnisnorm (Befugnisgeneralklausel; § 11 HSOG n.F.) hat der Gesetzgeber die
an § 1 Abs. 2 Satz 1 HSOG a.F. anknüpfende selbständige Polizeiverfügung als
eigenes Rechtsinstitut aufgegeben und damit Gefahrenabwehrbehörden und
Gerichte der Notwendigkeit enthoben, schon bei der Auswahl der
Ermächtigungsgrundlage unterschiedliche Gefahrbegriffe zu berücksichtigen (zum
Musterentwurf und seiner Umsetzung in den Ländern vgl. Meixner, HSOG, 3. Aufl.,
1991, Einführung Rdnr. 32 ff. und Rdnr. 2 f. zu § 1). Sofern keine
Standardmaßnahmen in Betracht kommen, ist jetzt § 11 HSOG als einheitliche
Ermächtigungsgrundlage sowohl für die Beseitigung bereits eingetretener
Störungen - etwa in Gestalt von Verstößen gegen Gesetze oder
Polizeiverordnungen - als auch bei unmittelbar bevorstehender Gefährdung
sonstiger Rechtsgüter anzuwenden. Die Frage, ob nach alter Rechtslage § 6 Abs. 1
Nr. 1 HSOG oder § 6 Abs. 1 Nr. 2 HSOG a.F. anzuwenden war, ist durch die
Neuregelung obsolet geworden.
Gleichwohl ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, daß auch unter der
neuen Rechtslage bei Anwendung der allgemeinen Befugnisnorm des § 11 HSOG
n.F. nicht lediglich abstrakte Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
ausreichen. Dies ergibt sich schon daraus, daß nach dieser Vorschrift nur eine "im
einzelnen Falle bestehende" Gefahr durch erforderliche Maßnahmen abgewehrt
werden darf. Nach § 11 HSOG dürfen Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden daher
überhaupt nur bei Vorliegen konkreter Gefahren einschreiten (vgl. hierzu auch die
Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zu § 11 (LT-Drucksache
12/5794, S. 61 ff.)). Dort wird zu Recht darauf hingewiesen, daß abstrakte
Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht zum Einschreiten nach
der allgemeinen Befugnisnorm berechtigen, sondern allenfalls zum Erlaß von
Gefahrenabwehrverordnungen gemäß §§ 71 ff. HSOG n.F. Nach Auffassung des
Gesetzgebers, wie sie in dem insoweit unverändert angenommenen
Gesetzentwurf der Landesregierung vom 5. Dezember 1989 (a.a.O.) Ausdruck
gefunden hat, liegt eine konkrete Gefahr im Sinne einer bereits eingetretenen und
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gefunden hat, liegt eine konkrete Gefahr im Sinne einer bereits eingetretenen und
fortwirkenden Störung aber auch dann vor, wenn gegen Vorschriften verstoßen
wird, die abstrakte Gefahrentatbestände regeln (z.B. Gefahrenabwehrverordnung,
Straßenverkehrsordnung), oder Strafgesetze verletzt werden. Nach § 11 Nr. 11.1
der Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Hessischen Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung (VwV) vom 15. November 1990 (StAnz. 1990,
2523) wird eine konkrete Gefahr auch in einem Verstoß gegen
Ordnungswidrigkeitentatbestände gesehen. Die in der Begründung des Entwurfs
zum neuen HSOG zum Ausdruck gekommene Rechtsansicht des Gesetzgebers
und die in den VwV hierzu gegebene Interpretation sind entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, insbesondere verstoßen sie nicht
gegen höherrangiges Recht oder den auch im neuen HSOG (§ 2 Sätze 1 und 2
HSOG n.F.) zum Ausdruck gekommenen Gedanken der Reservefunktion des
Polizeirechts. Es unterliegt - auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts - keinem
Zweifel, daß in der fortgesetzten Prostitutionsausübung entgegen den Vorschriften
der einschlägigen Sperrgebietsverordnung eine bereits eingetretene Störung der
öffentlichen Sicherheit zu sehen ist (zum Begriff "öffentliche Sicherheit" vgl.
BVerfG, B. v. 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 -, BVerfGE 69, 315 (352); Hess. VGH, U.
v. 23. November 1982 - 2 OE 43/80 -, HessVGRspr. 1983, 33 (34) m. w. N.), wobei
die polizeirechtliche Gefahrengrenze allerdings nicht schon durch die in der
Sperrgebietsverordnung nicht untersagte Vermietung von Räumen an
Prostituierte, sondern erst durch die mit der Vermietung ermöglichte
Prostitutionsausübung in diesen Räumen überschritten wird. Von der
Rechtsgültigkeit der durch dieses Verhalten verletzten Sperrgebietsverordnung
kann im Rahmen summarischer Prüfung - im Unterschied zu dem Senatsbeschluß
vom 27. Mai 1988 - 11 TH 181/88 - ausgegangen werden, nachdem der Senat mit
Beschluß vom 19. Februar 1990 - 11 N 2596/87 - (NVwZ-RR 1990, 472) einen
gegen diese Sperrgebietsverordnung gerichteten Normenkontrollantrag der
Antragstellerin zurückgewiesen hat. Zwar ist die Sperrgebietsverordnung in der
durch die Verordnung vom 27. Februar 1991 (a.a.O.) geänderten Fassung noch
Gegenstand zweier unter den Aktenzeichen 11 N 64/91 und 11 N 2041/91 beim
Senat anhängiger Normenkontrollverfahren, deren Ausgang noch nicht absehbar
ist. Bei summarischer Prüfung erscheint es aber eher unwahrscheinlich, daß
aufgrund der durch die Änderungsverordnung vom 27. Februar 1991
eingetretenen Streichung der früheren Toleranzzone "B Gasse" die Rechtmäßigkeit
der Sperrgebietsverordnung schlechthin in Frage gestellt wird, so daß der Senat
aufgrund seiner bereits getroffenen Normenkontrollentscheidung für das
Eilverfahren davon ausgeht, daß jedenfalls das Verbot der Bordellprostitution im
bisherigen relativen Sperrgebiet voraussichtlich Bestand haben wird, soweit das
Grundstück betroffen ist. Es besteht auch kein Anlaß zu der Erwartung, daß eine
Entscheidung in den beiden Normenkontrollverfahren dazu führen könnte, daß die
Gegend um das Haus demnächst Toleranzzone werden könnte.
Ob nur die Prostituierten selbst, deren Verhalten gegen die
Sperrgebietsverordnung verstößt und damit eine konkrete Gefahr für die
öffentliche Sicherheit darstellt, als Störer in Anspruch genommen werden oder ob
polizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Störungen auch gegen die
Antragstellerin gerichtet werden können, ist entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts kein Problem des Gefahrenbegriffs, sondern eine Frage der
Störerauswahl. Die Antragstellerin konnte und kann als Verhaltensstörerin in
Anspruch genommen werden, auch wenn ihr eigenes Verhalten die
polizeirechtliche Gefahrengrenze deshalb noch nicht überschreiten sollte, weil die
Sperrgebietsverordnung kein Verbot der Vermietung von Räumlichkeiten enthält
und die Antragstellerin selbst nicht der Prostitution nachgeht.
Dabei geht der Senat davon aus, daß zureichende Anhaltspunkte für eine Haftung
der Antragstellerin als (unmittelbare) Verhaltensstörerin nach § 6 Abs. 3 HSOG
n.F. nicht vorliegen. Die im Hause tätigen Prostituierten sind nicht als
Verrichtungsgehilfen der Antragstellerin anzusehen, weil dienstvertragliche
Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und der Antragstellerin, die wegen Verstoßes
gegen § 138 Abs. 1 BGB ohnehin nichtig wären, wohl nicht bestehen. Die
Antragstellerin ist aber für das Verhalten der im Hause tätigen Prostituierten als
Zweckveranlasserin und damit als (mittelbare) Verhaltensstörerin im Sinne des § 6
Abs. 1 HSOG n.F. polizeirechtlich verantwortlich. Insoweit verweist der Senat in
vollem Umfang auf die oben zitierten Ausführungen in seinem Beschluß vom 7.
April 1988 - 11 TH 2776/87 -. Daß der für die Annahme einer Zweckveranlassung
im polizeirechtlichen Sinne notwendige Wertungszusammenhang zwischen der
Bereitstellung von Räumen und der Prostitutionsausübung im Sperrgebiet
gegeben ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Die Antragstellerin hat, woran
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gegeben ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Die Antragstellerin hat, woran
angesichts ihres eigenen Vorbringens kein Zweifel besteht, nicht etwa irrtümlich an
Prostituierte vermietet, sondern in der sicheren Kenntnis und in der Absicht, den
Prostituierten damit die Ausübung der verbotenen Prostitution im relativen
Sperrgebiet zu ermöglichen.
Die gegen die Einstufung des sogenannten Zweckveranlassers als
Verhaltensstörer vorgebrachten Bedenken (vgl. hierzu insbesondere Erbel, JuS
1985, 257 und Rühl, NVwZ 1988, 577) überzeugen den Senat nicht davon, daß die
hergebrachte Rechtsfigur des Zweckveranlassers im Anwendungsbereich von
Grundrechten generell nicht in Betracht kommen könne. Jedenfalls wenn - wie hier
- für den Hintermann die Ursächlichkeit des eigenen Verhaltens für ein die
polizeiliche Gefahrengrenze überschreitendes Verhalten Dritter und die
Zwangsläufigkeit einer auch durch das eigene Verhalten ermöglichten Störung der
öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vorhersehbar sind, bestehen keine
Bedenken, den Mitverursacher als Verhaltensstörer im polizeirechtlichen Sinne
anzusehen. Im Unterschied zu den von Erbel (a.a.O. S. 261) hervorgehobenen
Sonderfällen, in denen die tatsächlichen Folgen eines bestimmten Verhaltens des
Hintermanns ungewiß sind, ist für die Antragstellerin bei der Überlassung von
Räumen im relativen Sperrgebiet an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution im
bisherigen Umfang sicher vorhersehbar, daß eine Störung der öffentlichen
Sicherheit alsbald eintreten wird. Selbst wenn darin keine strafbare Beihilfe zur
verbotenen Prostitution gemäß §§ 184 a, 52 StGB liegen oder diese nicht
nachweisbar sein sollte, ist doch die im Verhalten der Prostituierten und ihrer
Kunden liegende Störung der öffentlichen Sicherheit durch die Überlassung von
Räumen hierzu bedingt, zumal mit der Bereitstellung der Räume an Prostituierte
eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit geschaffen
wird, weil die Rechtsverletzung sofort und fast mit Gewißheit zu erwarten ist
(BVerwG, U. v. 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51 (58)). Dabei ist es
ohne Bedeutung, daß eine Individualisierung der im Hinblick auf § 184 a StGB als
Haupttäterinnen in Betracht kommenden Prostituierten durch die Antragsgegnerin
in den angegriffenen Bescheiden nicht erfolgt ist. Denn es ist offenkundig und wird
von der Antragstellerin auch nicht bestritten, daß im Hause tatsächlich ständig der
Prostitution nachgegangen wird, so daß eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit
und Ordnung nicht nur unmittelbar bevorsteht, sondern bereits eingetreten ist
(vgl. hierzu VG Hamburg, B. v. 7. November 1979 - 8 VG 2070/79 -, GewArch 1981,
277 (278); vgl. zur polizeirechtlichen Haftung als Verhaltensstörer auch OVG
Hamburg, U. v. 8. Mai 1990 - Bf VI 54/89 -, NVwZ 1991, 180 (183)).
Daß der Senat ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorgehens gegen
die Antragstellerin als Bordellbetreiberin in bezug auf die im Hause stattfindende
Bordellprostitution die Aussetzung der Vollziehung einstweilen für gerechtfertigt
hält, liegt daran, daß weder die angegriffene Verwaltungsverfügung vom 11.
November 1988 noch der Bescheid vom 1. Juni 1990, mit dem die sofortige
Vollziehung dieser Verwaltungsverfügung angeordnet worden ist, Erwägungen der
Antragsgegnerin zu der Frage erkennen läßt, ob nicht durch mildere Maßnahmen
die Prostitutionsausübung im Hause auf ein Maß reduziert werden kann, das sich
im Rahmen der in der relativen Sperrzone gemäß § 1 Abs. 2 der
Sperrgebietsverordnung erlaubten Wohnungsprostitution hält. Solche Erwägungen
wären nach § 5 HSOG a.F. erforderlich gewesen, um dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu genügen; daran hat sich durch die Neufassung des HSOG
nichts geändert (vgl. § 5 HSOG n.F.). Derartige Ermessenserwägungen sind hier
nicht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls entbehrlich gewesen, etwa
deshalb, weil seitens der Bordellbetreiberin ersichtlich kein Interesse an einer auf
das zulässige Maß reduzierten Überlassung von Räumlichkeiten zur Ausübung der
Prostitution bestünde. Eine Anhörung der Antragstellerin zu einer als
Handlungsalternative in Betracht kommenden eingeschränkten Untersagung der
Überlassung von Räumlichkeiten zur Prostitutionsausübung hat bislang nicht
stattgefunden, so daß hierzu nichts Abschließendes gesagt werden kann.
Es ist auch rechtlich und tatsächlich möglich, die Untersagung auf die Formen der
Raumüberlassung zur Ausübung der Prostitution zu beschränken, die die
polizeirechtliche Gefahrengrenze überschreiten. Zu denken wäre dabei
insbesondere an eine strikte Reduzierung der Zahl der Wohneinheiten im Hause,
die zur Ausübung der Prostitution an Dritte überlassen werden dürfen. Dabei wäre
darauf zu achten, daß die zur Prostitutionsausübung überlassenen Räume nach
Flächenanteil und Bewohnerzahl die entsprechenden Werte der zu anderen
Zwecken überlassenen Räume deutlich unterschreiten sollten. Untersagt werden
können ferner alle mit der Überlassung von Räumen im Zusammenhang
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können ferner alle mit der Überlassung von Räumen im Zusammenhang
stehenden Nebenleistungen an im Haus tätige Prostituierte, die die Antragstellerin
über die reine Bereitstellung von Räumen, Möbeln und Haushaltsgegenständen
hinaus erbringt, etwa das Vorhalten besonderer Räume oder
Gemeinschaftseinrichtungen zur Betreuung von Kunden, die Mitwirkung der
Antragstellerin an Werbemaßnahmen für die Prostitutionsausübung Dritter im
Hause oder die Bereitstellung typischerweise vom Wohnungsinhaber selbst zu
beschaffender technischer Einrichtungen, z.B. von Telefonanschlüssen.
Soweit die Antragstellerin den im Hause tätigen Prostituierten und ihren Kunden
Gemeinschaftseinrichtungen nicht selbst, sondern durch ihre Pächterin zur
Verfügung stellt, ist zweifelhaft, ob die Untersagungsverfügung insoweit
hinreichend bestimmt ist und ob die Störerauswahl ermessensfehlerfrei erfolgt ist.
Zwar kann die derzeitige Nutzung der verpachteten Schwimmbad- und
Saunaräume, wie insbesondere die von der Antragsgegnerin im
Beschwerdeverfahren vorgelegte Veröffentlichung in der FAZ vom 16. September
1991 zeigt, unabhängig von der rechtlichen Konstellation nur als unselbständiger
Teil eines einheitlichen Bordellbetriebs angesehen werden. Gleichwohl gebietet wie
bei einer Betriebsuntersagung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und
Bestimmtheit von Verwaltungsentscheidungen eine deutliche Abgrenzung der
verbotenen zur erlaubten wirtschaftlichen Betätigung und eine
ermessensfehlerfreie Störerauswahl. In beiderlei Hinsicht sind die angegriffene
Verwaltungsverfügung und die Vollstreckungsanordnung zu undifferenziert, so daß
besonders in dieser Hinsicht erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Verwaltungsentscheidungen bestehen.
Nach allem erscheint die aus dem Tenor ersichtliche Teilstattgabe angebracht, um
den zuständigen Verwaltungsbehörden Gelegenheit zu geben, im noch
anhängigen Widerspruchsverfahren die aufgezeigten rechtlichen Bedenken zu
bereinigen und dann erneut zu entscheiden, ob an der sofortigen Vollziehung der
dann getroffenen Maßnahmen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.