Urteil des HessVGH vom 02.07.1990

VGH Kassel: dienstalter, datum, beförderung, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, zivilprozessrecht, quelle, kreis, umweltrecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 1376/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 33 Abs 2 GG, § 8 Abs 1
BG HE
(Beamtenbeförderung: gleiche Eignung;
Vorwegbeförderung)
Gründe
Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das
Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen
Anordnung vorläufig bis zum Abschluß eines neu durchzuführenden
Auswahlverfahrens untersagt, die Beigeladenen dem Antragsteller bei der
Beförderung zum Polizeihauptmeister mit Amtszulage im Rahmen der
"Beförderungsrunde April 1990" vorzuziehen. Zur Begründung wird zunächst auf
die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses
Bezug genommen (Art. 2 § 7 Abs. 1 des Entlastungsgesetzes). Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts kann es jedoch gerichtlich nicht beanstandet
werden, daß der Antragsgegner für jede der zu besetzenden 16 Stellen getrennte
Auswahlentscheidungen getroffen hat. Zu Recht hat der Antragsgegner diejenigen
Polizeibeamten, die er bereits für eine Beförderung ausgewählt hatte, nicht bei den
weiteren Auswahlentscheidungen miteinbezogen. In die Prüfung, welche Beamte
nach ihren dienstlichen Beurteilungen im wesentlichen gleich geeignet sind, mußte
er nicht mehr die Beamten einbeziehen, die er bereits aufgrund der
vorangegangenen Entscheidungen ausgewählt hatte. Dies wäre nicht sinnvoll
gewesen, denn sie würden hinsichtlich der Frage, wer in bezug auf die noch zu
besetzenden Beförderungsdienstposten im wesentlichen gleich qualifiziert ist, mit
der Durchschnittspunktzahl ihrer Beurteilung auch hinsichtlich solcher
Beförderungsdienstposten den maßgeblichen Punktgrenzwert setzen, bei deren
Besetzung sie nicht mehr berücksichtigt werden können, weil sie bereits aufgrund
vorangegangener Auswahlentscheidungen befördert werden sollen.
Wenn auch in diesem Punkt der Senat nicht dem Verwaltungsgericht folgt, so hat
es gleichwohl die einstweilige Anordnung zu Recht erlassen. Nach seinem
Beförderungssystem berücksichtigt der Regierungspräsident in D bei einer
Beförderungsentscheidung all die Polizeibeamten, deren Beurteilungspunktzahl bis
zu einem Punkt schlechter ist als die des bestbeurteilten Beamten. Unter diesen
von ihm als im wesentlichen gleichgeeignet angesehenen Beamten wählt er
anhand von Hilfskriterien (Dienstalter, Datum der Fachprüfung und Lebensalter)
aus. Auf der Grundlage dieses Beförderungssystems ist es auch für den Senat
trotz der im Beschwerdeverfahren eingeholten dienstlichen Erklärung des
auswählenden Beamten nicht nachvollziehbar, weshalb gerade die als erste zu
vergebende Planstelle mit dem auf Platz 1 der Reihenfolgeliste stehenden
Beamten besetzt worden ist. Nach dem maßgeblichen Beförderungssystem gelten
die Polizeihauptmeister von Platz 1 bis Platz 57 der Reihenfolgeliste als im
wesentlichen gleich beurteilt (Durchschnittspunktzahl von 13,07 bis 12,07). Bei
Berücksichtigung der genannten Hilfskriterien wäre zu erwarten gewesen, daß an
einen anderen Beamten als den auf Platz 1 stehenden Beamten die erste
Beförderungsstelle vergeben worden wäre. So haben die Beamten auf den Plätzen
2, 12, 17, 24, 50, 51, 52 und 57 ein höheres Dienstalter und auch die Fachprüfung
früher abgelegt. Die Beamten auf den Plätzen 21 und 23 haben ein höheres
Dienstalter und die Beamten auf den Plätzen 5, 9, 29 und 44 haben bei im
wesentlichen gleichen Dienstalter die Fachprüfung früher als der Beamte auf Platz
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wesentlichen gleichen Dienstalter die Fachprüfung früher als der Beamte auf Platz
1 abgelegt. Der Antragsgegner kann nicht mit Erfolg geltend machen, dem
bestbeurteilten Beamten sei wegen seiner besonders guten Leistung der Vorrang
zu geben gewesen. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen
Beschluß zutreffend folgendes ausgeführt:
"Die Feststellung, mehrere Beamte seien im wesentlichen gleich beurteilt,
schließt es eben gerade aus, einzelne hiervon dann wieder als etwas besser
beurteilt zu bewerten. Insoweit muß sich der Antragsgegner auch Inkonsequenz
vorhalten lassen, denn wenn er einerseits den mit 13,07 auf Platz 1 der
Reihenfolgeliste stehenden Beamten im Verhältnis zum Antragsteller als so
erheblich besser beurteilt ansieht (Differenz 0,38), daß er hierauf zumindest
mitentscheidend abstellt, so ist zu fragen, weshalb er im Verhältnis des
Antragstellers zu sämtlichen Beigeladenen (Differenz 0,75 bis 1) diesem Aspekt
keine Bedeutung beimißt, sondern hier ausschließlich die genannten Hilfskriterien
zur Entscheidungsfindung heranzieht. Insoweit zeugt das praktizierte
Auswahlverfahren nicht von einem konsequenten System, sondern von einer
gewissen Beliebigkeit."
Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, daß der Antragsgegner den
Beamten auf Platz 1 der Liste nur deshalb zuerst ausgewählt hat, um bei den
weiteren Auswahlentscheidungen den Kreis der zu berücksichtigenden Beamten
ganz erheblich erweitern zu können und um dann den Hilfskriterien (Dienstalter,
Datum der Fachprüfung und Lebensalter) eine Bedeutung zukommen zu lassen,
die nicht mit dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1
HBG) zu vereinbaren ist. Gleiches gilt wohl auch hinsichtlich der
Auswahlentscheidungen Nr. 8 und 9 betreffend die Beamten auf Platz 3 und 5 der
Liste, wodurch aus der Sicht des Antragsgegners die Auswahl auch auf die
Beamten auf den Plätzen 95 bis 147 der Reihenfolgeliste ausgedehnt wurde.
Bei der neu zu treffenden Auswahlentscheidung ist entgegen der Auffassung des
Antragsgegners der auf Platz 4 der Liste stehende Beamte mit einer
Durchschnittspunktzahl von 12,75 mit zu berücksichtigen. Zwar kann es nicht
beanstandet werden, daß dieser Beamte trotz seiner guten Beurteilung nicht
befördert werden soll, weil er erst am 1.4.1989 zum Polizeihauptmeister befördert
wurde, obwohl § 19 Abs. 2 HBG nicht entgegensteht. Diese nur auf dem
Hilfskriterium des zu geringen Dienstalters beruhende Entscheidung bedeutet
jedoch nicht, daß der Beamte bei der Prüfung, welche Beamte als im wesentlichen
gleich qualifiziert anzusehen sind, nicht mit einzubeziehen wäre.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.