Urteil des HessVGH vom 26.09.1990

VGH Kassel: einfriedung, grundstück, landschaft, gemeinde, genehmigungsverfahren, einzäunung, baurecht, eingriff, diebstahl, verordnung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UE 3721/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 BauGB, § 83 BauO HE
1976 vom 20.07.1990, § 89
Abs 1 Nr 20b BauO HE
1976 vom 20.07.1990, § 89
Abs 5 BauO HE 1976 vom
20.07.1990, § 35 BauGB
(Zur Beseitigung der Einfriedung eines Gartens im
Außenbereich)
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer Anordnung des Beklagten, die die
Beseitigung einer im Jahre 1976 errichteten Einfriedung im Außenbereich zum
Gegenstand hat.
Die Klägerin ist Eigentümerin des 1.035 qm großen Außenbereichsgrundstücks Flur
11, Flurstück 59, Gemarkung R in der Gemeinde N. Die Nutzungsart ist im Kataster
als "Acker-Grünland" angegeben. Das Grundstück ist mit einem
Maschendrahtzaun und zwei Reihen Stacheldraht an Holzpfosten eingefriedet. Es
wird teils als Ziergarten, teils als Obst- und Gemüsegarten genutzt. Es liegt
deutlich abgesetzt von der bebauten Ortslage. Seine Umgebung besteht im Osten
und im Hintergrund auch im Norden aus Wald, im übrigen teils aus Wiese,
durchsetzt mit Obstbäumen verschiedenen Alters, teils aus Brachland und teils
aus Acker, der dem Gemüseanbau dient.
Das Grundstück lag im Geltungsbereich der Verordnung zur einstweiligen
Sicherstellung von Landschaftsteilen in den Landkreisen G, G, H, Sch, V, W und der
kreisfreien Stadt H vom 07.03.1974 (StAnz. S. 588) -- Sicherstellungsverordnung -
-. Der Außenbereich der Gemeinde N 2 (R) ist in den Geltungsbereich der
Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen in den Landkreisen G, M, V und W,
"Landschaftsschutzgebiet V Sp" vom 31.07.1975 (StAnz. 1975 S. 1486) -- LSchVO
V -- H Sp --, die die genannte Sicherstellungsverordnung abgelöst hat, nicht
einbezogen worden.
Ein Flächennutzungsplan für die Gemeinde N wurde erstmals am 10.09.1980
beschlossen und am 09.04.1981 bekanntgemacht.
Im Mai 1975 wandte sich der Ehemann der Klägerin, Herr ... K, vor dem Erwerb des
Grundstücks an den Beklagten. Er teilte mit, er beabsichtige das Grundstück zu
erwerben, um dort einen Obst- und Beerengarten anzulegen, und bat um
Zustimmung zur Einzäunung mit Holzpfosten und Maschendraht. Unter dem
07.08.1975 lehnte der Beklagte -- Bauaufsichtsbehörde -- untere
Naturschutzbehörde -- den Antrag ab und begründete diese Entscheidung u. a.
wie folgt:
Das Grundstück liege in einem Gebiet, das dem Wald vorgelagert und als in der
Hauptsache Wiesengelände mit Obstbäumen bestanden sei. Die landschaftliche
Lage sei hervorragend und biete für Erholungssuchende vom Waldrand aus einen
einmaligen Fernblick. Jede gärtnerische Nutzung würde dort die Eigenart der
Landschaft nachhaltig und grundlegend ändern und müsse als ein
schwerwiegender Eingriff in die Landschaft gewertet werden. Darüber hinaus sei für
eine extensive Obstbaumnutzung eine Einfriedung nicht erforderlich, da
Jungbäume in anderer Weise, zeitlich begrenzt, geschützt werden könnten. Auch
Beerensträucher bedürften keiner Einfriedung. Die Absicht, ein Grundstück im
Außenbereich der vorhandenen Nutzung entgegen als Garten einzurichten, ziehe
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Außenbereich der vorhandenen Nutzung entgegen als Garten einzurichten, ziehe
nicht notwendig das Recht nach sich, es einzufrieden. Die Verfügung wurde
bestandskräftig.
Unter dem 24.03.1976 ordnete der Beklagte gegenüber dem Ehemann der
Klägerin die Beseitigung der zwischenzeitlich zumindest teilweise errichteten
Einfriedung an. Unter dem 30.03.1976 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß
sie das Grundstück erworben habe. In dem Schreiben führte sie aus, ein grüner
kunststoffummantelter Maschendrahtzaun solle zukünftig verhindern, daß die
erholungssuchende Bevölkerung das Grundstück auf Trampelpfaden durchstreife,
ohne Rücksicht auf die von ihr gesetzten Sträucher (Beeren) und Gemüsepflanzen.
Unter dem 09.04.1976 erging gegenüber der Klägerin unter Androhung der
Ersatzvornahme eine die Einfriedung betreffende Abbruchverfügung, die wortgleich
mit der gegenüber ihrem Ehemann unter dem 24.03.1976 ergangenen Verfügung
war. Unter dem 13.04.1976 erklärte der Beklagte die Verfügung vom 24.03.1976
gegenüber dem Ehemann der Klägerin als gegenstandslos.
Am 21.04.1976 legte die Klägerin Widerspruch ein, dem der Beklagte nicht abhalf.
Einen Antrag der Klägerin an die Gemeinde N, das Gebiet im Flächennutzungsplan
als Kleingartengebiet darzustellen, lehnte diese mit Schreiben vom 28.04.1976 ab.
Die im Bereich R anhängigen bauaufsichtlichen Verfahren, u. a. auch das der
Klägerin, wurden vorläufig zum Ruhen gebracht und erst im Jahre 1984 auf
Veranlassung der Gemeinde N neu aufgegriffen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.1984 wies der Regierungspräsident in D den
Widerspruch der Klägerin mit der Maßgabe zurück, daß die Beseitigung der
Einfriedung innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft der Verfügung zu
erfolgen habe. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die
Grundstückseinfriedung sei formell illegal, weil sie ohne die erforderliche Anzeige
im Außenbereich errichtet worden sei und keiner der Befreiungstatbestände von
der Genehmigungspflicht eingreife. Die Einfriedung sei auch materiell
baurechtswidrig, da sie mit §§ 29, 35 Bundesbaugesetz nicht vereinbar sei. Sie
diene keinem im Außenbereich bevorrechtigten Vorhaben. Die Einzäunung diene
weder einem landwirtschaftlichen noch einem forstwirtschaftlichen Betrieb,
sondern vielmehr kleingärtnerischer, hobbymäßiger Freizeitnutzung. Die
Einfriedung sei auch nicht als sonstiges Vorhaben zulässig, da sie öffentliche
Belange beeinträchtige. Sie beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft
und ihre Aufgabe als Erholungsgebiet. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung
der freien Natur und der Landschaft gehe dem privaten Interesse des Eigentümers
an dem Schutz seiner Anpflanzungen vor Wildverbiß und Diebstahl vor. Wer eine
Pflanzkultur im Außenbereich anlege, müsse grundsätzlich die sich durch die
zulässigen Eigentumsbeschränkungen der §§ 29, 35 BBauG ergebenden Risiken
selbst tragen. Im übrigen widerspreche die Einfriedung auch der Darstellung des
Flächennutzungsplans der Gemeinde N, die für das fragliche Gebiet
landwirtschaftliche Nutzung vorsehe. Auch ein Ermessensfehler bei der
Abbruchverfügung liege nicht vor. Für einen Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz sei nichts ersichtlich. Das Abbruchgebot verstoße
auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, da die bauliche Ordnung nur
durch die Beseitigung der Einfriedung wiederhergestellt werden könne.
Am 07.09.1984 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Die
Einzäunung sei erforderlich, um den von ihr auf dem Grundstück seit Jahren
betriebenen nicht gewerblichen Gartenbau vor Wildverbiß und Diebstahl zu
schützen. Die Einfriedung sei wegen der vorgenommenen Bepflanzungen kaum
sichtbar und könne daher das Landschaftsbild nicht verunstalten. Wegen der
Hanglage könne das Grundstück auch nicht landwirtschaftlich genutzt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Verfügung des Beklagten vom 09.04.1976 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten in D vom 10.08.1984
aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er hat auf den Inhalt des ergangenen Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht hat die Grundstückseinfriedung als seit ihrer Errichtung
formell und materiell illegal angesehen und die Klage aus diesem Grunde durch
Urteil vom 20.10.1987 abgewiesen.
Gegen das den Bevollmächtigten der Klägerin am 29.10.1987 zugestellte Urteil
haben diese am 27.11.1987 Berufung eingelegt, die sie wie folgt begründen:
Ein eventueller Verstoß gegen formelles Baurecht sei nachträglich entfallen, denn
die Hessische Bauordnung 1978 sehe für die Einfriedung nur eine Anzeigepflicht
vor. Diese sei aber mit Schreiben vom 09.06.1976 erfolgt, in der die Klägerin dem
Beklagten mitgeteilt habe, sie habe damit begonnen, ihr Grundstück einzufrieden.
Es sei zweifelhaft, ob das Grundstück im Außenbereich liege. Es sei umgeben von
Grundstücken, die zum Teil bebaut seien. Die Grundstücke in der Flur 11 und
Umgebung seien nicht, zumindest nur verstreut mit großen Lücken
landwirtschaftlich genutzt. Vielmehr überwiege in diesem Bereich die private,
insbesondere kleingärtnerische Nutzung. Dies hänge damit zusammen, daß sich
unter einer sehr dünnen Erdschicht Fels bzw. äußerst steiniger Boden befinde, so
daß dort kaum etwas wachse und eine Bearbeitung mit landwirtschaftlichen
Maschinen usw. nicht möglich sei. Der Beklagte könne die Beseitigung des Zauns
nicht mehr verlangen, weil er das Recht hierzu verwirkt habe. Der Beklagte habe
ihr, der Klägerin gegenüber, das Gleichbehandlungsgebot verletzt. In der
Umgebung des Grundstücks der Klägerin seien zahlreiche Parzellen eingezäunt
und/oder es befänden sich dort Baulichkeiten unterschiedlicher Art.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Verfügung des Beklagten
vom 09. April 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des
Regierungspräsidiums in D vom 10. August 1984 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Eine wirksame Anzeige sei mit Schreiben vom 09.06.1976 nicht erstattet worden,
da bereits mit Verfügung vom 09.04.1976 die Beseitigung des Zaunes angeordnet
worden sei. Die Grundstücke in der nächsten Umgebung würden landwirtschaftlich
genutzt. Es handele sich hierbei überwiegend um Wiesen- und Weideflächen sowie
um bestellte Felder. Das Grundstück der Klägerin werde dagegen eindeutig
kleingärtnerisch genutzt. Auch der Gleichheitsgrundsatz sei gewahrt. Allerdings sei
es den Bauaufsichtsbehörden und unteren Naturschutzbehörden durch die
Aktivitäten des hessischen Gesetzgebers nicht leicht gemacht worden, den von
der Rechtsprechung geforderten Gleichheitsgrundsatz auch weiterhin konsequent
durchzusetzen. U. a. durch sie sei die Verfolgung von illegalen Bauten im
Außenbereich in den Hintergrund getreten. Diese Tendenz sei durch den
Gemeinsamen Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern und des Hessischen
Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 25.05.1990 (StAnz.
1990 S. 1200) betr. illegale Kleinbauten im Außenbereich noch verstärkt worden.
Dieser sehe unter 4.1 ausdrücklich vor, daß Beseitigungsverfügungen und
Nutzungsverbote vorübergehend zurückgestellt werden sollten. Bei der
Anwendung und Prüfung des Gleichbehandlungsgebotes seien diese Umstände
zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen.
Der Senat hat das Grundstück der Klägerin und seine Umgebung in Augenschein
genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Niederschrift vom 20.09.1990 verwiesen.
Die Behördenakte betreffend das Grundstück der Klägerin, ein Leitzordner mit
weiteren Verwaltungsvorgängen betreffend bauliche Anlagen in der Flur 11, eine
Flurkarte der Flur 11 und der Flächennutzungsplan der Gemeinde N lagen vor.
Diese Unterlagen sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden. Im übrigen wird wegen weiterer Einzelheiten auf den Inhalt der
Gerichtsakten und Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht die Klage zu
Recht abgewiesen hat.
Die Anordnung, die Einfriedung abzubrechen, ist rechtmäßig.
Der Beklagte konnte diese Anordnung gemäß § 59 HBO vom 06.07.1957 (GVBl. S.
101) -- HBO 1957 -- (nunmehr § 83 HBO i.d.F. vom 16.12.1977
2> -- HBO 1978 --, der im Rahmen der Änderung der HBO vom 12.07.1990
I S. 395> auch in der vom 20.07.1990 an geltenden Fassung --
HBO 1990 -- unverändert geblieben ist) ermessensfehlerfrei treffen, weil die
Einfriedung des Grundstücks, das gärtnerisch genutzt wird, zum Zeitpunkt ihrer
Errichtung im Jahre 1976 formell und materiell illegal war und das bis heute
geblieben ist.
Die Errichtung der Einfriedung war gemäß § 2 Nr. 4 der Dritten Verordnung über
Ausnahmen von der Baugenehmigungs- und Anzeigepflicht vom 21.02.1975
(GVBl. S. 44) -- 3. AusnahmeVO -- anzeigepflichtig und ist das gemäß §§ 87, 88
Abs. 1 Nr. 9 HBO 1978 auch geblieben; § 89 Nr. 6 HBO 1978 gilt für sie nicht.
Seit Inkrafttreten der HBO 1990 ist eine Einfriedung der vorliegenden Art nunmehr
baugenehmigungspflichtig, da sie -- wie darzulegen ist -- nicht nach § 89 Abs. 1 Nr.
20 b HBO 1990 genehmigungsfrei ist.
Das Grundstück der Klägerin ist als Garten angelegt. Als Garten wird definiert ein
"mit Zaun, Hecke oder Mauern begrenztes Landstück, das intensiv bestellt, jedoch
nicht erwerbswirtschaftlich genutzt wird (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl.,
Bibliographisches Institut Mannheim, Wien, Zürich, Bd. 9, S. 699). Nach dem
Ergebnis der Augenscheinseinnahme handelt es sich beim Garten der Klägerin
nach Anlage und Aufgabe nicht nur um einen Nutzgarten (Obst- und
Gemüsegarten). Vielmehr ist er zum Teil auch als Ziergarten mit Rasen und in der
südöstlichen Ecke als eine mit Betonsteinen befestigte Terrasse angelegt. Die
Genehmigungsfreiheit des § 89 Abs. 1 Nr. 20b HBO 1990 gilt nur für
Gartenanlagen, die ausschließlich den Charakter eines Nutzgarten haben, nicht
jedoch für Anlagen, die -- auch nur zum Teil -- als Ziergarten genutzt werden.
§ 89 Abs. 1 Nr. 20b HBO 1990 ist aber auch aus einem anderen Grunde auf den
Garten der Klägerin nicht anwendbar. Die Vorschrift, für die es wegen des bei der
Novellierung eingeschlagenen Verfahrens (Initiativantrag der Fraktionen der CDU
und der FDP) keine amtliche Begründung gibt, wird vom Senat dahingehend
ausgelegt, daß nur rechtmäßig bestehende Gärten von ihr erfaßt werden. Zu
diesen gehört der Garten der Klägerin nicht. Seine Einrichtung war
landschaftsschutzrechtlich genehmigungspflichtig und ist das bis heute geblieben.
Sie unterlag im Jahre 1976 der Genehmigungspflicht nach dem Hessischen
Landschaftspflegegesetz vom 04.04.1973 (GVBl. I S. 128) -- LandschaftspflegeG --
. Gemäß § 10 Abs. 1 LandschaftspflegeG bedurften Eingriffe nach § 4 Abs. 2 Satz 1
und Einfriedungen im Außenbereich der Genehmigung der zuständigen Behörde.
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 LandschaftspflegeG lag ein Eingriff in die Landschaft im
Sinne dieses Gesetzes vor, wenn u.a. ein Kleingarten im Außenbereich eingerichtet
wurde. Das Hessische Landschaftspflegegesetz ist durch das Hessische
Naturschutzgesetz -- HeNatG -- aufgehoben worden (§ 48 Abs. 1 Nr. 6 HeNatG).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 HeNatG gilt als Eingriff in Natur und Landschaft insbesondere
die Anlage von Gärten im Außenbereich (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 des
Bundesbaugesetzes), soweit nicht in einem Bebauungsplan entsprechende
Festsetzungen getroffen sind. In diesem Fall ist nach § 7 Abs. 1, Abs. 4 HeNatG
eine Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde erforderlich. Eine
Genehmigung hat die Klägerin weder beantragt noch erhalten.
Im übrigen hat der Senat ganz allgemein erhebliche Bedenken gegen die Regelung
des § 89 Abs. 1 Nr. 20b HBO 1990 im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit
Bundesrecht, nämlich mit § 29 BauGB. Nach § 29 Satz 1 BauGB gelten die §§ 30
bis 37 u.a. für Vorhaben, die die Errichtung von baulichen Anlagen zum Inhalt
haben und die einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedürfen.
Aus kompetenzrechtlichen Gründen ist mit der in § 29 Satz 1 BauGB enthaltenen
Anknüpfung an ein landesrechtlich vorgesehenes bauaufsichtliches
Genehmigungsverfahren eine nur begrenzte Dispositionsbefugnis der Länder
verbunden, begrenzt insofern, als dem Bundesgesetzgeber bei Erlaß des
Bundesbaugesetzes bekannt war, daß die Länder auf ein
Baugenehmigungsverfahren für bestimmte untergeordnete Vorhaben
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Baugenehmigungsverfahren für bestimmte untergeordnete Vorhaben
verzichteten. Für wenig bedeutsame Fälle, die bodenrechtlich von nur geringem
Gewicht sind, dürfen daher die Länder die §§ 30 ff. BauGB dadurch außer
Anwendung lassen, daß sie auf eine bauaufsichtliche Genehmigung oder
Zustimmung oder auf eine Anzeigepflicht verzichten; ein derart eingeschränkter
Vorbehalt für landesrechtliche Regelungen ist -- unbeschadet des Umstandes, daß
der Begriff des Vorhabens in § 29 BauGB bundesrechtlicher Art ist und keine
Verweisung auf das Landesrecht enthält (vgl. dazu BVerwGE 39, 154 <156 f.> und
44, 59 <60 f.>), -- verfassungsrechtlich zulässig, weil er die prinzipiell einheitliche
bundesgesetzliche Regelung nicht in Frage stellt. Der Landesgesetzgeber kann
nicht "frei" darüber befinden, ob er für bestimmte bauliche Anlagen ein präventives
bauaufsichtliches Genehmigungsverfahren vorsehen und diese damit den §§ 30 ff.
BauGB entziehen oder unterwerfen will; er muß vielmehr bei
Genehmigungsfreistellungen stets die bundesrechtlichen Konsequenzen im
Hinblick auf die §§ 30 ff. BBauG mitbedenken (so zutreffend Löhr in:
Battis/Krautzberger/Löhr, BBauG, 1985, § 29 RdNr. 21). Glaubt er daher, größere
und damit regelmäßig bodenrechtlich relevante bauliche Anlagen z. B. aus
Gründen der "Entbürokratisierung" von einem bauaufsichtlichen
Genehmigungsverfahren freistellen zu sollen, so kann er dies nur in bezug auf das
anzuwendende Landesrecht tun; er kann in derartigen Fällen also nur vorsehen,
daß sich das Baugenehmigungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob die
bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 30 ff. BauGB eingehalten sind (im Anschluß
an BVerwG, Urteil vom 19.12.1985 -- 7 C 65.82 (sog. Wyhl-Entscheidung) --
BVerwGE, 72, 300 <322 ff.>; vgl. auch Hess. VGH, Beschluß vom 02.04.1987 -- III
OE 174/82 -- Agrarrecht 1988, 286 = ESVGH Bd. 37, 187 = UPR 1988, 44).
Entgegen dem hier dargestellten Grundsatz schränkt § 89 Abs. 1 Nr. 20b HBO
1990 die unmittelbare bauplanungsrechtliche, von der landesrechtlichen
Genehmigungspflicht abhängige Geltung des § 29 BauGB in einem nicht
unwesentlichen Punkt ein. Denn die mit der Genehmigungsfreiheit von
Einfriedungen, die zu Nutzgärten im Außenbereich außerhalb des
Erwerbsgartenbaus gehören, verbundene erweiterte Zulassung begünstigt eine
der vorgegebenen Nutzung fremde Verdrahtung und Zerstückelung der
Außenbereichslandschaft, die der Allgemeinheit als unverbauter Erholungsraum zu
erhalten ist. Einfriedungen, die nicht im Außenbereich privilegierten Nutzungen
zugeordnet sind, beeinträchtigen regelmäßig öffentliche Belange im Sinne des §
35 Abs. 3 BauGB, jedenfalls die natürliche Eigenart der Landschaft, wenn es sich
nicht ausnahmsweise um eine durch kleingärtnerische Nutzung geprägte
Landschaft handelt. Aus diesem Grunde sind Einfriedungen von Nutzgärten im
Außenbereich keine bodenrechtlich unbedeutenden baulichen Anlagen. Weder die
Musterbauordnung -- MBO -- noch andere Bauordnungen weisen entsprechende
auf Nutzgärten bezogene Vorschriften auf. § 62 Abs. 1 Nr. 6 MBO in der Fassung
vom 11.12.1981 läßt lediglich offene Einfriedungen für landwirtschaftlich,
forstwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzte Grundstücke im Außenbereich
genehmigungsfrei. Vergleichbare Regelungen enthalten auch verschiedene
Landesbauordnungen (vgl. § 81 Abs. 1 Nr. 8 BauO Bln, Art. 66 Abs. 1 Nr. 15 Bay.
BauO, § 62 Abs. 1 Nr. 13 BauO NW, § 89 Abs. 1, Nr. 31b LBO Ba-Wü, § 93 Abs. 1
Nr. 20, 21 LBO Rh-P, § 69 Abs. 1 Nr. 6 NBauO). Ihr entsprach im wesentlichen auch
die bisherige Regelung in § 89 Abs. 1 Nr. 6 HBO 1978. Infolge der hessischen
Sonderregelung wird die prinzipiell einheitliche bundesgesetzliche Regelung --
Anwendung des § 35 BauGB auf Gärten im Außenbereich -- verlassen.
§ 89 Abs. 5 HBO 1990 gleicht diese Wirkung nicht aus. Nach dieser Vorschrift
entbindet die Freistellung von der Baugenehmigungsbedürftigkeit nicht von der
Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche
Vorschriften an die baulichen und sonstigen Anlagen und Einrichtungen gestellt
sind. Die Vorschrift stellt nur klar, daß solche materiellrechtlichen Anforderungen,
die -- anders als das Bundesbaurecht -- nicht an die Genehmigungspflichtigkeit
baulicher Anlagen anknüpfen, in erster Linie also bauordnungsrechtliche, auch für
genehmigungsfreie bauliche Anlagen gelten. Darüber hinaus bleibt, was hier
interessiert, u. a. die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und ein sich aus ihr
ergebender Genehmigungsvorbehalt von der bauordnungsrechtlichen
Genehmigungsfreiheit nach § 89 HBO 1990 unberührt.
Es ist nun andererseits in Betracht zu ziehen, daß § 29 Abs. 1 Satz 1, 2. Hauptsatz
BauGB gegenüber der Fassung des § 29 Abs. 1 Satz 1 BBauG, auf die sich das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.1985 (a.a.O.) bezogen hat,
vorsieht, daß die §§ 30 bis 37 BauGB auch gelten, wenn in einem anderen als dem
bauaufsichtlichen Verfahren über die Zulässigkeit von Vorhaben, die die
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bauaufsichtlichen Verfahren über die Zulässigkeit von Vorhaben, die die
Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen zum Gegenstand
haben, zu entscheiden ist. Diese Erweiterung des § 29 scheint grundsätzlich
geeignet, die materiellen Maßstäbe und auch die Beteiligungsrechte der
Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde gemäß §§ 30 bis 37 BauGB über
die Fälle hinaus, in denen eine an sich erforderliche Baugenehmigung in einem
anderen Verfahren ersetzt wird, auch dann zur Geltung zu bringen, wenn ein
Objekt nicht nach Baurecht, aber nach einem anderen Fachgesetz zu genehmigen
oder anzuzeigen ist. Im Hinblick darauf, daß gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2,
§ 6 Abs. 1 Satz 1 HeNatG sowohl die Errichtung von Einfriedungen als auch die
Anlage von Gärten im Außenbereich naturschutzrechtlich genehmigungspflichtig
ist, kann in diesem Genehmigungsverfahren auch den materiellen Anforderungen
des Bauplanungsrechts an Einfriedungen von Gärten im Außenbereich Rechnung
getragen werden. Fraglich bleibt jedoch, ob dies eine ausreichende Rechtfertigung
dafür liefert, daß der Landesgesetzgeber im bundesstaatlichen Zusammenwirken
von Bundes- und Landesrecht auf dem Gebiet des Baurechts die unmittelbare
Geltung des Bauplanungsrechts über Bagatelltatbestände hinaus weitergehend
einschränkt. Selbst wenn man dies annimmt, bleibt als weiteres Bedenken
bestehen, daß die Zulässigkeit einer solchen Regelung auf Dauer davon abhängen
dürfte, daß jeweils ein anderes Genehmigungs- oder sonstiges Prüfungsverfahren
zur Verfügung steht (Grundsatz der Normenklarheit). Ferner bleibt zu bedenken,
daß die baurechtliche Freistellung von Einfriedungen im Außenbereich durch die
baurechtliche Anreicherung des Prüfungsmaßstabs im naturschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren nicht bei den Altfällen illegaler Einfriedigungen im
Außenbereich ausgeglichen wird, das Recht im ganzen insoweit also eine Einbuße
erleidet, deren Umfang und Auswirkung eingehender bewertet werden müßte.
Der Senat kann hier, da es im Ergebnis nicht darauf ankommt, offen lassen, ob die
dargelegten Bedenken ihn sonst veranlassen müßten, eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
Der durch § 89 Abs. 1 Nr. 20b HBO 1990 nicht gegenstandslos gewordene Verstoß
gegen formelles Baurecht ist auch nicht durch eine Anzeige, den Hinweis der
Klägerin im Schreiben vom 09.06.1976 entfallen, da die Einfriedung zu diesem
Zeitpunkt bereits errichtet war. Das zeitlich befristete Prüfungsverfahren des § 97
HBO 1978 ist nur auf noch nicht ausgeführte Bauvorhaben zugeschnitten (vgl.
Hess. VGH, Beschluß vom 03.06.1986 -- 4 OE 69/83 -- HessVGRspr. 1986, 70 =
NuR 1986, 344 = RdL 1986, 232).
Die nach alledem formell illegale Einfriedung ist auch bauplanungsrechtlich nicht
zulässig. Wie ausgeführt, gilt für die Errichtung einer genehmigungs- oder
anzeigepflichtigen baulichen Anlage auch die bauplanungsrechtliche, das Bauen
im Außenbereich regelnde Vorschrift des § 35 BBauG/BauGB. Die Einfriedung des
Grundstücks der Klägerin ist im Außenbereich nicht bevorzugt zulässig. Sie ist
nicht deshalb privilegiert, weil sie "wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur
im Außenbereich ausgeführt werden soll" (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BBauG a.F. bzw. Nr. 5
BBauG n.F./BauGB). Eine kleingärtnerische Nutzung wird in diesem Teil der
Gemarkung Rüdigheim weder durch Bauleitpläne ausgewiesen noch durch
tatsächliche Gegebenheiten bestätigt. Ausweislich des Ergebnisses der
richterlichen Augenscheinseinnahme werden die Grundstücke in der Umgebung
des Grundstücks der Klägerin -- soweit sie nicht brach liegen -- mit Ausnahme der
Nachbarparzelle 63 nicht kleingärtnerisch, sondern landwirtschaftlich genutzt, und
zwar überwiegend als Obstwiesen, Wiesen- und Weideflächen aber auch als
bestellte Felder. Einer land- und forstwirtschaftlich geprägten
Außenbereichslandschaft ist eine kleingärtnerische Nutzung auf eingefriedeten
Grundstücken wesensfremd. Der bessere Schutz eines kleingärtnerisch genutzten
eingezäunten Grundstücks gegen Wildfraß und Diebstahl rechtfertigt außerhalb
ausgewiesener Kleingartengebiete die Einzäunung von Grundstücken nicht, wenn
diese Nutzung nicht bestandsgeschützt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Hess.
VGH, U. v. 22.06.1979 -- IV OE 101/76 --; U. v. 02.08.1985 -- 4 OE 2/83 -- BRS 44
Nr. 73 = HessVGRspr. 1986, 20 = RdL 1986, 267).
Die Einfriedung des Gartens beeinträchtigt als sonstiges Vorhaben öffentliche
Belange (§ 35 Abs. 2, 3 BBauG/BauGB). Sie widerspricht der tatsächlichen Eigenart
der Landschaft. Sie begünstigt neben anderen Einfriedungen in der Umgebung die
der vorgegebenen Nutzung fremde Verdrahtung und Zerstückelung dieser
Landschaft, die außerhalb der vorgegebenen Bodennutzung auch der
Allgemeinheit als unverbauter Erholungsraum zu erhalten ist. Derartige
Beeinträchtigungen können auch dann nicht, wie der Senat mehrfach entschieden
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Beeinträchtigungen können auch dann nicht, wie der Senat mehrfach entschieden
hat (so Urteil vom 01.12.1972 -- IV OE 1/71 -- HessVGRspr. 1973, 69 <70>) außer
Betracht bleiben, wenn Bauwerke auf brachliegenden Flächen erstellt werden. Soll
das Brachliegen verhältnismäßig kleiner Flächen verhindert werden, so ist an eine
Flurbereinigung zu denken, die große Flächen schafft, um eine rationelle
landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen, und die den Landwirten auch die
Chance bieten würde, mehrere zusammenhängende Parzellen zu pachten, um ein
größeres Gebiet einheitlich nutzen zu können. Die Einfriedung des Grundstücks der
Klägerin stünde derartigen Bemühungen entgegen.
Der Beklagte hat mit der Forderung auf Beseitigung der Einfriedung der Klägerin
gegenüber auch nicht gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene
Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
liegt stets dann vor, wenn eine Behörde ohne erkennbaren Grund, d. h., willkürlich
die Beseitigung einer oder nur weniger baulicher Anlagen fordert und gegen
andere vergleichbare Vorhaben nicht einschreitet. Der Senat hat in diesem
Zusammenhang mehrfach ausgesprochen, daß es bei einer Vielzahl illegaler
Bauwerke in einem bestimmten Gebiet im Außenbereich notwendig ist, daß die
Bauaufsichtsbehörde bei der Anordnung der Beseitigung dieser Bauwerke
planmäßig vorgeht und weder in diesem Plan noch bei seiner Ausführung
willkürliche Ausnahmen macht. Willkürliches Verhalten der Bauaufsichtsbehörde
hat der Senat entweder in einer bewußten Verletzung des
Gleichbehandlungsgebots zu Lasten eines Klägers oder in einer Vorgehensweise
gesehen, bei der es dem Zufall überlassen bleibt, ob gleiche Sachverhalte gleich
behandelt werden.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren auf eine Vielzahl von Einfriedungen, aber
auch andere bauliche Anlagen in der Gemarkung R hingewiesen. Die mündliche
Verhandlung und die in ihrem Rahmen durchgeführte Beweisaufnahme haben
jedoch keine Vorgehensweise des Beklagten in der Gemarkung erkennen lassen,
die als ermessensfehlerhaft angesehen werden müßte: Von den von der Klägerin
angezogenen Berufungsfällen ist eine Vielzahl der baulichen Anlagen erst nach
Erlaß der streitgegenständlichen Anordnung errichtet und vom Beklagten später
aufgegriffen worden. Soweit kann eine Ungleichbehandlung der Klägerin nicht
festgestellt werden. Dasselbe gilt für die Weideschutzzäune, da Einfriedungen, die
der Tierhaltung dienen, auch hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit
rechtlich anders zu beurteilen sein können -- nicht müssen -- als die eines
kleingärtnerisch genutzten Grundstücks. Daneben hat der Senat Einfriedungen
festgestellt, deren Berechtigung nicht erkennbar ist. Das gilt für die
Obstbaumgrundstücke 151 und 114 bis 116 in der Nähe des Ortsrandes des
Ortsteils R. Die Einfriedung eines mit Obstbäumen bestandenen Wiesengeländes
erscheint von vornherein nicht zulässig. Diese wie auch einige andere Grundstücke
mit außenbereichsfremden baulichen Anlagen wie etwa die Parzelle 87 (Einfriedung
und Holzhütte) sowie das Flurstück 41 (Einfriedung und Hütte) kommen nach Lage
der Dinge als Berufungsfälle nicht in Betracht. Die Augenscheinseinnahme hat
ergeben, daß im Hinblick auf die Topographie -- die Landschaft ist stark wellig und
mit Busch- und Baumgruppen auf Wiesengelände durchsetzt -- eine
Sichtverbindung zwischen den genannten Anlagen kaum besteht. Denkt man sich
die zu einem späteren Zeitpunkt errichteten Anlagen, die heute als Bindeglieder
zwischen den älteren Einfriedungen und Hütten dienen, weg, so bestand seinerzeit
keine zwingende Veranlassung für den Beklagten, zugleich mit der Einfriedung der
Klägerin weitere in der Gemarkung vorhandene bauliche Anlagen aufzugreifen.
Etwas anderes könnte lediglich für die Holzhütte auf dem Flurstück 69 gelten. Sie
kommt jedoch als Vergleichsfall nicht in Betracht, weil der Beklagte nach ihrer
Ausgestaltung zu Recht davon ausgehen konnte, daß es sich dabei ursprünglich
um ein Bienenhaus gehandelt hat.
Der Beklagte hat im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, sowohl die
Aktivitäten des hessischen Gesetzgebers in bezug auf die Duldung von illegalen
Bauten im Außenbereich als auch die Erlaßlage seien bei der Anwendung und
Prüfung des Gleichheitsgrundsatzes zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Der
Erlaß über illegale Kleinbauten im Außenbereich bezieht sich seinem Wortlaut nach
nicht auf im Verfahren befindliche Fälle. Er könnte allenfalls eine Rolle beim
Nichtaufgreifen neuer Fälle oder bei der Vollstreckung spielen; insoweit waren --
wie ausgeführt -- Versäumnisse nicht feststellbar. Einen Einfluß auf das Vorgehen
des Beklagten hat der Erlaß bis zum maßgeblichen Zeitpunkt, der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat, nicht gehabt.
Im Hinblick darauf, daß sich der Beklagte somit lediglich vorsorglich auf die
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Im Hinblick darauf, daß sich der Beklagte somit lediglich vorsorglich auf die
Erlaßlage berufen hat, weist der Senat außerhalb der tragenden Gründe auf
folgendes hin:
Die unter Nr. 4 des Erlasses vom 25.05.1990 über illegale Kleinbauten im
Außenbereich (a.a.O) vorgesehene generelle Zurückstellung von
Beseitigungsverfügungen und Nutzungsverboten der Bauaufsichts- und
Naturschutzbehörden bis zum 31. Dezember 1992 ist mit dem geltenden
Bauordnungs- und Naturschutzrecht nicht vereinbar. Der Senat hat in ständiger
Rechtsprechung der Generalklausel für die Gefahrenabwehr (§ 59 HBO 1957,
später § 83 HBO 1978) die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden entnommen,
grundsätzlich gegen alle baulichen Anlagen, die ungenehmigt und mit den
baurechtlichen Vorschriften unvereinbar sind, vorzugehen und ihre Beseitigung
anzuordnen (Hess. VGH, U. v. 01.12.1972 -- IV OE 1/71 -- HessVGRspr. 1973, 69;
U. v. 01.12.1972 -- IV OE 63/71 -- HSGZ 1982, 391; U. v. 19.10.1977 -- IV OE 71/76
-- HessVGRspr. 1978, 29 st. Rspr.) und auch zu vollstrecken (Hess. VGH, U. v.
29.04.1982 -- IV OE 40/79 -- HessVGRspr. 1982, 89 = NJW 1984, 318). Das gilt in
gleicher Weise für die Naturschutzbehörden (vgl. § 30 HeNatG). Eine hinreichend
konkrete Wahrscheinlichkeit der Legalisierung baulicher Anlagen im Außenbereich,
die die Zurückstellung von Maßnahmen gegen ungenehmigte bauliche Anlagen
rechtfertigt, liegt erst dann vor, wenn die Gemeinde sich zur Bauleitplanung
entschließt und diese ernsthaft betreibt, außerdem mindestens möglich erscheint,
daß sich die vorgestellte Bauleitplanung positiv auf die Zulässigkeit einer illegal
erstellten baulichen Anlage auswirken wird. Davon kann aber auch vor dem
31.12.1992 weder landesweit für den gesamten Außenbereich noch ohne weiteres
für ganze Gemarkungen generell ausgegangen werden, sondern nur nach Lage
des Einzelfalles, die die Erwartung rechtfertigt, daß die Gemeinde entsprechende
Bauleitpläne aufstellen werde. § 1 des Gesetzes zur Ergänzung des Hessischen
Naturschutzgesetzes vom 04.04.1990 (GVBl. 1990) hat nur die strikte
Verpflichtung der unteren Naturschutzbehörde zur Nutzungsuntersagung
gegenüber ungenehmigten Eingriffen nach § 8 Abs. 2 HeNatG zeitweise außer
Kraft gesetzt, die Rechtslage im übrigen aber unverändert gelassen. Für den Erlaß
von Nutzungsverboten kommt nunmehr auch die naturschutzrechtliche
Generalklausel des § 30 Abs. 1 Satz 1 HeNatG zum Zuge (vgl. Hess. VGH, B. v.
06.08.1982 -- IV TH 28/82 -- ESVGH Bd. 32, S. 259). Der Erlaß über illegale
Kleinbauten im Außenbereich ist deshalb, soweit er dazu anhält, illegale Baufälle
zeitlich begrenzt nicht aufzugreifen oder Titel nicht zu vollstrecken, über den
dargelegten Umfang verständlicher vorläufiger Duldung hinaus rechtswidrig. Eine
ihm entsprechende Vorgehensweise der Bauaufsichts- und Naturschutzbehörden
wäre ermessensfehlerhaft.
Einen Einfluß auf das Vorgehen des Beklagten hat der Erlaß bis zum maßgeblichen
Zeitpunkt nicht gehabt. Das Einschreiten des Beklagten gegen die Klägerin erweist
sich auch im übrigen als ermessensfehlerfrei.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.