Urteil des HessVGH vom 09.01.1997

VGH Kassel: wohnung, beschränkung, miete, ausgleichszahlung, auskunftspflicht, bekanntgabe, behörde, inhaber, einkommensgrenze, entscheidungsformel

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TG 4598/96
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 AFWoG HE, § 6 AFWoG
HE, § 7 AFWoG HE, § 8
AFWoG HE, § 10 AFWoG HE
(Fehlbelegungsabgabe: maßgebliche Verhältnisse
hinsichtlich Miethöhe und Einkommen - nachträgliche
Erfüllung der Auskunftspflicht)
Tatbestand
I.
Die Antragsteller bewohnen eine den Bestimmungen des Hessischen Gesetzes
zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen - HessAFWoG - vom 5.
Juni 1996 (GVBl. I S. 262) unterliegende Wohnung von 77 qm. Auf die Aufforderung
der Antragsgegnerin vom 25. April 1996 zur Abgabe der zur Feststellung einer
Pflicht zur Zahlung einer Fehlbelegungsabgabe erforderlichen Daten erklärten die
Antragsteller unter Beifügung eines Belegs, die Miete betrage 537,-- DM. Zum
Einkommen machten sie keine Angaben.
Mit Schreiben vom 13. Mai 1996 teilte ihnen die Vermieterin mit, daß sich die
Miete rückwirkend ab dem 1. April 1996 um 13,20 DM auf 550,21 DM erhöhe. Da
die Antragsteller vorerst versäumten, diese Mieterhöhung der Antragsgegnerin
mitzuteilen, setzte diese mit Bescheid vom 2. September 1996 ihnen gegenüber
die Fehlbelegungsabgabe unter Zugrundelegung der ihr bekannten Angaben für
den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1999 auf monatlich 447,-- DM fest.
Mit ihrem am 9. September 1996 bei der Antragsgegnerin eingegangenen
Widerspruch teilten die Antragsteller dieser die Mieterhöhung mit und begehrten
die Aussetzung der Vollziehung des Leistungsbescheides insoweit, als sich
aufgrund der höheren Miete nur eine geringere Fehlbelegungsabgabe ergeben
würde. Diesen Aussetzungsantrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom
12. September 1996 ab.
Mit am 26. September 1996 beim Verwaltungsgericht Darmstadt eingegangenem
Schreiben begehrten die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
ihres Widerspruchs gegen die Heranziehung zu einer Fehlbelegungsabgabe, soweit
diese einen Betrag von 434,-- DM überschreitet, ab dem 1. Juli 1996 bis zum
Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Widerspruchsentscheidung. Gegen
den diesen Antrag ablehnenden Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 31.
Oktober 1996 wenden sie sich mit ihrer Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig und in dem aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auch begründet. Insoweit bestehen
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Heranziehung der
Antragsteller zu einer Fehlbelegungsabgabe, die nach dem im gerichtlichen
Verfahren des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend
anwendbaren § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs der Antragsteller rechtfertigen. Entgegen der Ansicht des
Verwaltungsgerichts ist die von den Antragstellern nachträglich mit ihrem
Widerspruch am 9. September 1996 der Antragsgegnerin mitgeteilte Erhöhung der
Miete ab dem 1. April 1996 von der Antragsgegnerin bei der Festsetzung der
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Miete ab dem 1. April 1996 von der Antragsgegnerin bei der Festsetzung der
Fehlbelegungsabgabe zu berücksichtigen, allerdings erst ab dem 1. Oktober 1996.
Dies ergibt sich letztlich aus § 8 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 HessAFWoG.
Gemäß § 7 Abs. 1 HessAFWoG müssen die Inhaberinnen und Inhaber von der
Auskunftspflicht unterliegenden Wohnungen der zuständigen Stelle auf deren
Verlangen die notwendigen Auskünfte geben, insbesondere die Höhe ihres
Einkommens und das von ihnen für die Wohnung gezahlte Entgelt nachweisen.
Wird die Auskunftspflicht nach § 7 Abs. 1 HessAFWoG nicht innerhalb der gesetzten
Frist erfüllt, wird gemäß § 7 Abs. 2 HessAFWoG vermutet, daß die Verpflichteten
leistungspflichtig sind und ihr Einkommen die Einkommensgrenze um 150 %
überschreitet. Bezüglich der Einkommensverhältnisse liegt diese Voraussetzung
hier vor, da die Antragsteller insoweit keine Angaben gemacht haben. Dies ist
zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Wird die Auskunftspflicht nachträglich
erfüllt, ist ein neuer Leistungsbescheid rückwirkend oder - wenn die verspätete
Mitteilung auf einem Grund beruht, den die auskunftspflichtige Person zu vertreten
hat - ab dem ersten Tag des Kalendermonats, der auf die Mitteilung folgt, zu
erlassen. Diese Regelung bezieht sich allerdings erkennbar darauf, daß die
Mitteilung die zum maßgebenden Zeitpunkt vorliegenden Verhältnisse betrifft.
Nach diesem Zeitpunkt erst eingetretene Änderungen in den Verhältnissen führen
nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 HessAFWoG zu einer Änderung
des Leistungsbescheides, d. h. wenn die Änderung einen bestimmten Umfang
erreicht.
Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, sind maßgeblich hinsichtlich
des Einkommens die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens. Später
eintretende Einkommensänderungen sind bis zur Erteilung des
Leistungsbescheides zu berücksichtigen, wenn sie der zuständigen Stelle bekannt
oder mitgeteilt sind (§ 5 Abs. 3 HessAFWoG). Das bedeutet, daß eine
nachträgliche Mitteilung der Einkommensverhältnisse nur gemäß § 7 Abs. 3
HessAFWoG zu einem neuen Leistungsbescheid führen kann, wenn sie sich auf
den maßgeblichen Zeitpunkt des Auskunftsverlangens bezieht.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts läßt sich die Regelung über den
maßgeblichen Zeitpunkt bezüglich der Einkommensverhältnisse in § 5 Abs. 3
HessAFWoG jedoch nicht entsprechend auf das für die Wohnung gezahlte Entgelt
übertragen. Für dieses findet sich nämlich eine ausdrückliche Regelung in § 8 Abs.
1 HessAFWoG. Danach wird die Ausgleichszahlung - die sogenannte
Fehlbelegungsabgabe - auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem für die
Wohnung zulässigen Entgelt - gemäß § 8 Abs. 3 HessAFWoG ist das tatsächlich
gezahlte Entgelt ohne Betriebskosten, Vergütungen und Zuschläge das zulässige
Entgelt - und den nach § 9 festgesetzten Höchstbetrag beschränkt. Maßgeblich
sind dafür - also auch für das tatsächlich gezahlte Entgelt - die Verhältnisse bei
Beginn der Leistungspflicht, nicht wie beim Einkommen die Verhältnisse zum
Zeitpunkt des Auskunftsverlangens. Im vorliegenden Fall wäre damit maßgeblicher
Zeitpunkt für die Zugrundelegung des für die Wohnung durch die Antragsteller
gezahlten Entgelts grundsätzlich der 1. Juli 1996 (§ 6 HessAFWoG). Verfügt
allerdings die Behörde nicht über die zur Beschränkung der Ausgleichszahlung
nach § 8 Abs. 1 HessAFWoG notwendigen Angaben, unterbleibt die Beschränkung
gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HessAFWoG.
In diesen Fällen erfolgt die Beschränkung jedoch auf Antrag - d. h. wenn die
notwendigen Angaben nachgeholt werden - ab dem ersten Tag des auf diese
Antragstellung folgenden Kalendermonats. Auch diese nachträgliche Änderung
des Leistungsbescheides kann sich allerdings nur auf nachträgliche Angaben über
die zum maßgeblichen Zeitpunkt (Beginn der Leistungspflicht, hier: 1. Juli 1996)
vorliegenden Verhältnisse bezüglich des Entgelts beziehen. Nach diesem
Zeitpunkt eingetretene Änderungen der Höhe des Entgelts können nur unter den
Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HessAFWoG berücksichtigt werden,
d.h. wenn sie mindestens einen Umfang von 10 % erreichen.
Im vorliegenden Fall bedeutet das, daß die tatsächliche Höhe des Entgelts ab dem
1. Oktober 1996 von der Antragsgegnerin bei der Erstellung des
Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen ist, da die Antragsteller diese im
September der Antragsgegnerin gegenüber mit dem Widerspruch angegeben
haben. Zwar liegt hier nicht der von § 8 Abs. 2 Satz 1 HessAFWoG grundsätzlich
vorgestellte Fall vor, daß aufgrund Fehlens der notwendigen Angaben gar keine
Beschränkung der Ausgleichspflicht erfolgt ist, sondern vielmehr aufgrund
unrichtiger Angaben eine zu geringe Beschränkung. In diesem Fall ist jedoch die
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unrichtiger Angaben eine zu geringe Beschränkung. In diesem Fall ist jedoch die
Ausgangslage im Kern gleich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 2 Satz 1 HessAFWoG, aus dem
das Verwaltungsgericht - ohne den § 8 Abs. 1 Satz 2 HessAFWoG zu
berücksichtigen - das Argument zur entsprechenden Anwendung des nach § 5
Abs. 3 HessAFWoG maßgeblichen Zeitpunkts bezüglich der
Einkommensverhältnisse - Zeitpunkt des Auskunftsverlangens der Behörde - auch
auf das maßgebliche Entgelt gefolgert hat. Für eine derartige entsprechende
Anwendung bleibt angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2
HessAFWoG, nach der maßgeblich der Zeitpunkt des Beginns des
Leistungszeitraums ist, kein Raum. Allerdings ist einzuräumen, daß die Regelung
des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HessAFWoG, die bei nachträglichen Änderungen der
Wohnungsentgelthöhe, die zu einer Änderung des Leistungsbescheides führen
können, diese Änderungen - wie bei Einkommensänderungen - ab dem Zeitpunkt
des § 5 Abs. 3 HessAFWoG bemißt, nicht unbedingt der Systematik des § 8 Abs. 1
Satz 2 HessAFWoG entspricht.
Auch der Senat ist - entsprechend der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes
über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen - AFWoG - vom 22.
Dezember 1981, BGBl. I S. 1542 (Urteil vom 29. Mai 1991 - 8 C 99.89 -, NJW 1991,
2851 = Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 7 = DÖV 1991, 981) - bei der erst
nachträglichen Angabe der tatsächlichen Miethöhe der Ansicht, daß diese
Angaben auch dann erst zu einer Herabsetzung der Ausgleichszahlung ab dem
ersten Tag des Folgemonats (§ 8 Abs. 2 Satz 2 HessAFWoG) führen, wenn der
Wohnungsinhaber gegen den Leistungsbescheid rechtzeitig Widerspruch erhoben
hat und diese Angaben im Widerspruchsverfahren nachholt. Eine rückwirkende
Änderung für den gesamten Leistungszeitraum auch vor der Angabe der Miethöhe
will das Gesetz nicht. Vielmehr sollen die auskunftspflichtigen Wohnungsinhaber
zur rechtzeitigen Offenbarung der Einkommensverhältnisse und des
Wohnungsentgelts aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung angehalten werden
(vgl. BVerwG, a.a.O., zur Regelung im Bundesgesetz). Dies gilt auch, wenn nach
der vom Wohnungsinhaber erteilten - damals richtigen - Auskunft vor dem Beginn
des Leistungszeitraums als dafür maßgeblichen Zeitpunkt eine Erhöhung des für
die Wohnung gezahlten Entgelts erfolgt. In diesem Fall kann verlangt werden, daß
vom Wohnungsinhaber umgehend eine entsprechende Korrektur seiner Angaben
vorgenommen wird.
Aus alldem ergibt sich, daß dem Antrag der Antragsteller in dem im Tenor
aufgeführten Umfang stattzugeben ist. Über den ausdrücklich gestellten Antrag
kann der Senat kraft Gesetzes dabei nicht hinausgehen (§ 88 VwGO). Es sei jedoch
darauf hingewiesen, daß die eigentlich richtige Ausgleichszahlung nicht - wie von
den Antragstellern errechnet - bei 434,-- DM, sondern bei 433,-- DM zu liegen
hätte, da gemäß § 4 Abs. 5 AFWoG auf volle DM abzurunden ist. Eine Anordnung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller durch den Senat
für den gesamten Zeitraum des Leistungsbescheides scheidet angesichts des
beschränkten Antrags der Antragsteller - Anordnung bis zum Ablauf eines Monats
nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides - ebenfalls aus.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach sind
die Kosten der Antragsgegnerin insgesamt aufzuerlegen, da die Antragsteller nur
zu einem geringem Teil unterlegen sind.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 13 Abs. 1, 14 (analog), 20 Abs.
3 Gerichtskostengesetz - GKG -. Im Ergebnis folgt der Senat dabei der
Streitwertentscheidung des Verwaltungsgerichts. Zwar legt er den Streitwert in
Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art nicht nach dem vom Verwaltungsgericht
zugrundegelegten Streitwertkatalog fest, sondern geht grundsätzlich angesichts
eines fest bestimmbaren Gesamtbetrags des Abgabebescheids von diesem aus.
Im vorliegenden Fall erscheint der Jahresbetrag für das Eilverfahren allerdings
angemessen, da der Antrag der Antragsteller sich auf den Zeitraum bis einen
Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beschränkt und innerhalb
des ersten Jahres des Leistungszeitraums eine solche Widerspruchsentscheidung
durch die Antragsgegnerin fallen dürfte.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.