Urteil des HessVGH vom 19.08.1988

VGH Kassel: treu und glauben, ablauf der frist, vorbescheid, vernehmung von zeugen, unterbrechung der frist, grundstück, die post, weisung, höhere gewalt, gemeinde

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TG 438/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 Abs 1 S 1 BBauG, § 36
Abs 1 S 1 BauGB, § 92 Abs
1 S 2 BauO HE, § 81 BauO
HE
(Keine Verlängerung eines Vorbescheids nach Erlöschen;
fachaufsichtliche Weisung als Verwaltungsinternum)
Tatbestand
I.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des im Gemeindegebiet der Antragstellerin in
der Gemarkung R. am Berg in der Flur 2 gelegenen Flurstücks 91/1, Unter dem H..
Südwestlich und nordwestlich an dieses Grundstück grenzen die Wegeparzellen
92/1 und 95/2 an, die im Eigentum der Antragstellerin stehen. Südöstlich schließen
sich die Landesstraße 723 und nordöstlich ein unbebautes Grundstück, das im
Privateigentum steht, an. Mit Schreiben vom 25.02.1979 reichte die Beigeladene
über die Antragstellerin einen Antrag auf Erteilung einer Bebauungsgenehmigung
ein, um auf diesem Grundstück ein Wohnhaus errichten zu können. Die
Antragstellerin verweigerte in einer Stellungnahme vom 04.04.1979 ihr
Einvernehmen, weil das fragliche Grundstück im Außenbereich gelegen und die
Erschließung nicht gesichert sei. Mit Bescheid vom 23.07.1979 lehnte der
Antragsgegner die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung mit der Begründung
ab, daß auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück kein Wohnhaus errichtet
werden könne, weil die Erschließung dieses Grundstücks nicht gesichert sei. Gegen
diesen Bescheid legte die Beigeladene am 18.08.1979 Widerspruch ein. Am
15.08.1980 führte der Regierungspräsident in Darmstadt als Widerspruchsbehörde
eine Ortsbesichtigung durch. Ausweislich eines an den Antragsgegner gerichteten
Schreibens vom 20.08.1980 hielt er das Vorhaben der Beigeladenen nach
Verlegung eines Abwasserkanals in der Wegeparzelle 92/1 nach § 35 Abs. 2 BBauG
im Außenbereich für zulässig. Auch das Hessische Straßenbauamt Frankfurt am
Main gab in einer Stellungnahme vom 06.11.1980 zu erkennen, daß es diesem
Bauvorhaben auf dem Grundstück der Beigeladenen dann zustimmen könne,
wenn zwei von ihm näher bezeichnete Auflagen Beachtung fänden. Daraufhin
erließ der Antragsgegner am 09.12.1980, am 11.12.1980 als Einschreiben zur Post
gegeben, einen positiven Vorbescheid. Dieser Vorbescheid wurde durch einen
weiteten Bescheid vom 25.03.1981 modifiziert. Am 25.11.1981 beantragte die
Beigeladene bei dem Antragsgegner, die Gültigkeitsdauer des Vorbescheides vom
09.12.1980 um ein Jahr zu verlängern. Mit Bescheid vom 09.12.1981, am
11.12.1981 als Einschreiben zur Post gegeben, führte der Antragsgegner daraufhin
aus:
"Auf Ihr Schreiben wird der o. a. Vorbescheid um ein Jahr, also bis zum 09.12.1982,
verlängert".
Am 05.07.1982 reichte die Beigeladene über die Antragstellerin einen Bauantrag
ein, der den Neubau eines Zweifamilienhauses mit Garagen auf diesem
Grundstück vorsah. In Ihrer Stellungnahme zum Bauantrag versagte die
Antragstellerin wiederum ihr gemeindliches Einvernehmen, da es sich nach ihrer
Auffassung um ein Außenbereichsvorhaben handele, bei dem die Erschließung aus
mehreren Gründen nicht gesichert sei.
Mit Bescheid vom 14.12.1982, am 17.12.1982 als Einschreiben zur Post gegeben,
lehnte der Antragsgegner es ab, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, weil
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lehnte der Antragsgegner es ab, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, weil
zum einen die Antragstellerin ihr notwendiges Einvernehmen versagt habe und
zum anderen wegen der Größe des vorgesehenen Gebäudes Bedenken sowohl
aus bauplanungsrechtlicher als auch bauordnungsrechtlicher Sicht bestünden. In
einem weiterem Schreiben vom 22.12.1982, eingegangen bei dem Antragsgegner
am 24.12.1982, führte die Beigeladene folgendes aus:
"..aufgrund des negativen Bescheides meines Bauantrages bitte ich um
Verlängerung der am 09.12.1980 erteilten Baugenehmigung, um einen neuen und
geänderten Bauantrag einreichen zu können".
Am 24.01.1983 sprach der damalige Architekt der Beigeladenen bei dem
Antragsgegner vor und teilte mit, daß nunmehr beabsichtigt sei, ein
Einfamilienhaus mit einer zweiten Wohnung im Dachgeschoß nebst zwei Garagen
zu errichten. Der Leiter der Bauaufsichtsbehörde des Antragsgegners erhob
ausweislich eines Aktenvermerks vom 25.01.1983 gegen dieses Vorhaben keine
Bedenken und forderte den Gemeindevorstand der Antragstellerin mit Schreiben
vom gleichen Tage auf, für dieses verkleinerte Bauvorhaben das gemeindliche
Einvernehmen zu erteilen. Mit Schreiben vom 09.02.1983 verblieb die
Antragstellerin bei ihrer ablehnenden Stellungnahme.
Am 01.03.1983 reichte die Beigeladene erneut einen Bauantrag ein, um ein
kleineres Wohngebäude auf diesem Grundstück errichten zu können. Die
Antragstellerin versagte mit Schreiben vom 22.04.1983 erneut ihr Einvernehmen,
da der parzellenscharfe Flächennutzungsplan den Bereich als landwirtschaftliche
Fläche darstelle und deshalb das Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BBauG unzulässig
sei. Wegen fehlenden Einvernehmens der Antragstellerin versagte daraufhin der
Antragsgegner mit Bescheid vom 08.06.1983, am 14.06.1983 als Einschreiben zur
Post gegeben, die Baugenehmigung. In diesem Bescheid hieß es dann weiter:
"Wir nehmen zwar auf den positiven Vorbescheid vom 09.12.1980 Bezug; die
Gültigkeitsdauer dieses Vorbescheides konnte jedoch wegen der verweigerten
Einvernahme nicht über den Zeitpunkt des 09.12.1982 verlängert werden".
Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene mit Schreiben vom 28.06.1983
Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 01.06.1984 forderte der Regierungspräsident
in Darmstadt den Antragsgegner auf, dem Widerspruch der Beigeladenen in
eigener Zuständigkeit abzuhelfen. Der Regierungspräsident in Darmstadt führte
zur Begründung aus, daß die Beigeladene einen Anspruch auf Verlängerung der
Gültigkeit des Vorbescheides habe. Denn hätte die Antragstellerin unverzüglich
ablehnend zu dem Bauantrag der Beigeladenen vom 05.07.1982 Stellung
genommen, dann hätte der Antragsgegner alsbald über diesen Bauantrag
entscheiden und die Beigeladene noch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des
Vorbescheides einen modifizierten Bauantrag einreichen können. Daß dies erst im
März 1983 geschehen sei, könne deshalb der Beigeladenen nicht angelastet
werden. Mit Schreiben vom 14.09.1984 teilte die Antragstellerin dem
Antragsgegner unter Bezugnahme auf die Ausführungen des
Regierungspräsidenten mit, daß sie bei ihrer Auffassung bleibe, das gemeindliche
Einvernehmen zu versagen. Nach ihrer Auffassung sei der Vorbescheid am
09.12.1982 erloschen und einer Verlängerung deshalb nicht mehr zugänglich.
Daraufhin erließ der Regierungspräsident in Darmstadt am 01.10.1984 einen
Widerspruchsbescheid mit folgendem Tenor:
"1. Dem Widerspruch wird stattgegeben; der angefochtene Bescheid wird
aufgehoben.
2. Der Widerspruchsgegner (gemeint ist der Antragsgegner) wird für verpflichtet
erklärt, den Bauantrag der Widerspruchsführerin (gemeint ist die Beigeladene)
unter Beachtung der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde positiv zu
bescheiden".
Die Begründung dieses Beschlusses stimmt im wesentlichen mit der Begründung
des Schreibens des Regierungspräsidenten vom 01.06.1984 überein. Diesen
Widerspruchsbescheid leitete der Antragsgegner mit Begleitschreiben vom
10.10.1984 an die Antragstellerin weiter. Mit Schreiben vom 19.12.1984 teilte die
Antragstellerin dein Antragsgegner daraufhin folgendes mit:
"..den Widerspruchsbescheid des Herrn Regierungspräsidenten vom 01.10.1984
haben wir zur Kenntnis genommen.
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Wir weisen Sie bereits heute darauf hin, daß wir gegen einen positiven Bescheid
des Bauantrages Ihrerseits Widerspruch einlegen werden".
Am 08.11.1985 erteilte die Untere Naturschutzbehörde des Antragsgegners die
landschaftsschutzrechtliche Genehmigung. Am 11.11.1985 erteilte der
Antragsgegner der Beigeladenen die Baugenehmigung, um auf dem oben näher
bezeichneten Grundstück ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage errichten zu
können. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 05.12.1985
Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Am 29.01.1986 reichte die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt
am Main einen Antrag mit dem Ziel ein, hinsichtlich des vorgesehenen
Bauvorhabens der Beigeladenen einen Baustopp durch das Gericht aussprechen
zu lassen. Gegen den ablehnenden Beschluß des Verwaltungsgerichts vom
26.06.1986 - Az.: IV/1 G 215/86 - legte die Antragstellerin am 16.07.1986
Beschwerde ein. Mit Schreiben vom 05.09.1986 nahm die Antragstellerin im
Einvernehmen mit den übrigen Verfahrensbeteiligten ihren Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung zurück, weil sie zwischenzeitlich festgestellt hatte, daß die
Beigeladene mit den Bauarbeiten noch nicht begonnen hatte. Daraufhin stellte der
beschließende Senat mit Beschluß vom 16.09.1986 - Az.: IV TG 1980/86 - das
Verfahren ein und erklärte die erstinstanzliche Entscheidung für wirkungslos.
Am 24.11.1987 hat die Antragstellerin erneut einen Eilantrag mit dem Ziel bei
dem Verwaltungsgericht eingereicht, durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung
den Antragsgegner zu verpflichten, einen Baustopp gegenüber der Beigeladenen
auszusprechen. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, ein
Anordnungsanspruch läge nunmehr vor, da die Beigeladene ausweislich der von
ihr am 23.11.1987 getroffenen Feststellungen mit dem Erdaushub für das
Kellergeschoß begonnen habe. Der Antrag sei auch begründet, weil der
Antragsgegner die Baugenehmigung erteilt habe, obwohl sie, die Antragstellerin,
ihr gemeindliches Einvernehmen versagt habe. Sie sei auch nicht gehalten
gewesen, aus Anlaß des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten in
Darmstadt vom 01.10.1984 Klage zu erheben. Durch diese Entscheidung, die nur
das Innenverhältnis zwischen Regierungspräsident und Antragsgegner berührt
habe, sei sie nicht beschwert gewesen. Erst durch die von dem Antragsgegner
erteilte Baugenehmigung sei sie in ihren Rechten, nämlich insbesondere in dem
Recht ihre Planungshoheit nicht mehr ausüben zu können, betroffen worden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
gegenüber dem Bauvorhaben der Frau V. K., E. Straße 4, 6. W., einen vorläufigen
Baustopp bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der
Antragstellerin vom 04.12.1985 gegen die erteilte Baugenehmigung vom
11.11.1985, Bauschein-Nr. 612/007 BA 0833/8300, betreffend die Errichtung eines
Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück Gemarkung R. am Berg,
Flur 2 Nr. 91/1, auszusprechen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat entgegnet, der Antrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin kein
Rechtsschutzinteresse an der Durchführung dieses Eilverfahrens besitze. Sie habe
nämlich schon zu einem früheren Zeitpunkt in einem ersten anhängigen
Eilverfahren ihren gleichlautenden Antrag zurückgenommen. Im übrigen sei der
Antrag auch unbegründet, weil die Antragstellerin gegen den Bescheid des
Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 01.10.1984 binnen Jahresfrist keine
Klage erhoben habe. Die Erteilung der Baugenehmigung am 11.11.1985 sei nur
noch als Vollzug dieser Weisung des Regierungspräsidenten anzusehen und habe
zu keiner weiteren, selbständig angreifbaren Rechtsbeeinträchtigung der
Antragstellerin mehr führen können.
Die Beigeladene hat sich ergänzend noch darauf berufen, daß ihr, eine
bestandskräftige Bebauungsgenehmigung erteilt worden sei und deshalb das
fehlende Einvernehmen der Antragstellerin der erteilten Baugenehmigung nicht
mehr entgegengehalten werden könne.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 08.01.1988 abgelehnt.
Zur Begründung hat das Gericht im wesentlichen ausgeführt, der Zulässigkeit des
Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung könne nicht der Beschluß der
Kammer vom 26.06.1986 entgegengehalten werden, da dieser Beschluß vom
Hessischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 16.09.1986 für wirkungslos
erklärt worden sei. Der Antrag sei aber auch unbegründet, da die Antragstellerin
gegen den im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben
verstoßen habe, wenn sie sich nunmehr noch darauf berufe, daß die streitige
Baugenehmigung ohne das notwendige gemeindliche Einvernehmen erteilt worden
sei. Sie sei durch den Bescheid des Regierungspräsidenten vom 01.10.1984, der
ihr am 10.10.1984 zur Kenntnis gelangt sei, erstmals beschwert gewesen und
hätte schon in diesem Zeitpunkt, zumindest aber binnen Jahresfrist, Klage gegen
diesen Widerspruchsbescheid erheben müssen und nicht zuwarten dürfen, bis der
Beigeladenen ein Jahr später am 11.11.1985 die Baugenehmigung erteilt worden
sei.
Gegen den am 13.01.1988 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am
20.01.1988 Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom
gleichen Tage nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin wiederholt ihr bisheriges
Vorbringen und führt noch ergänzend aus, die Beigeladene könne ihr auch nicht
entgegenhalten, daß ihr vormals eine Bebauungsgenehmigung erteilt worden sei.
Sie habe es nämlich versäumt, rechtzeitig einen in der Sache dem Vorbescheid
entsprechenden Bauantrag zu stellen bzw. zum gegebenen Zeitpunkt, d.h. vor
Ablauf der Jahresfrist, die Gültigkeit des Vorbescheides durch den Antragsgegner
verlängern zu lassen..
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 08.01.1988
aufzuheben und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
aufzugeben, der Beigeladenen die Fortführung der Bauarbeiten betreffend die
Errichtung eines Einfamilienhauses mit einer Doppelgarage auf dem in der
Gemarkung R. am Berg in der Flur 2 gelegenen Flurstücks 91/1 bis zur bestands-
oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache sofort vollziehbar zu
untersagen und sie nötigenfalls einzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen erstinstanzlichen Beschluß, wiederholt sein
bisheriges Vorbringen und führt noch ergänzend aus, die Nr. 2 des Tenors des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten in Darmstadt sei nicht als
interne Weisung an ihn auszulegen; vielmehr handele es sich um eine Erklärung
mit Außenwirkung mit der über den planungsrechtlichen Teil des Bauantrages der
Beigeladenen verbindlich entschieden worden sei.
Die Beigeladene beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und führt noch weiter aus, daß der Ablauf
der Gültigkeitsdauer des Vorbescheides durch die Stellung des Bauantrages am
05.07.1982 in entsprechender Anwendung des § 209 BGB unterbrochen worden
sei. Diese Frist habe im Zeitpunkt der Versagung der beantragten
Baugenehmigung neu zu laufen begonnen. Sollte man sich auf den Standpunkt
stellen, daß durch die Einreichung des Bauantrages die Frist nur gehemmt worden
sei, dann habe die Beigeladene rechtzeitig vor Ablauf des gültigen Vorbescheides
am 01.03.1983 ihren neuen Bauantrag eingereicht. Aber selbst wenn diese
Bebauungsgenehmigung vor Einreichung des Bauantrages am 01.03.1983
erloschen sei, könne die Antragstellerin ihr Einvernehmen schon deshalb nicht
mehr versagen, weil sie sich aufgrund ihres früheren Verhaltens die Bestandskraft
dieses Vorbescheides entgegenhalten lassen müsse. Denn vor Erlaß dieses
Vorbescheides habe der damalige Bürgermeister der Antragstellerin, S., dem
Leiter der Bauaufsicht des Antragsgegners, Herrn B., "signalisiert", die
Antragstellerin werde ihr Einvernehmen erteilen (Beweis: Zeugnis des Herrn B.).
Damit habe sie aber ihr jetziges Recht auf Einlegung eines Widerspruchs verwirkt.
Ein weiterer Verwirkungstatbestand sei in dem Umstand zu erblicken, daß der
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Ein weiterer Verwirkungstatbestand sei in dem Umstand zu erblicken, daß der
jetzige Bürgermeister B. im Herbst 1982 gegenüber dem Vater der Beigeladenen
ausgeführt habe, "gegen ein Einfamilienhaus habe die Antragstellerin nichts
einzuwenden" (Beweis: Zeugnis des Herrn W.). Zudem sei in dem Schreiben vom
22.12.1982 bei verständiger Auslegung der vorhandenen Erklärung ein
Widerspruch gegen die versagte Baugenehmigung enthalten. Vor Bestandskraft
dieser ablehnenden Entscheidung habe der Vorbescheid aber auch seine
Wirkungen nicht verlieren können. Der ursprüngliche Bauantrag sei dann durch
einen Bauantrag, der ein kleineres Vorhaben zum Gegenstand gehabt habe,
ersetzt worden. Das bedeute aber, daß auch für diesen Bauantrag und damit für
die Baugenehmigung vom 11.11.1985 die Wirkung des Vorbescheides noch
gegolten habe.
Die Behördenakten (ein Stehordner, drei Hefter) und die Akte des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main - Az.: IV/1 G 215/86 sind beigezogen und
zum Gegenstand der Beratung gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des
Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der
Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlaß der von der Antragstellerin gegen den
Antragsgegner beantragten einstweiligen Anordnung, das streitige Bauvorhaben
der Beigeladenen einstweilen stillzulegen, liegen vor. Eine einstweilige Anordnung
gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann zur Sicherung eines Individualanspruchs in
bezug auf ein Streitobjekt erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, daß durch
eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts
des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach § 123 Abs. 3
VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung sind der Anspruch,
dessen Erhaltung durch die einstweilige Anordnung gesichert werden soll
(Anordnungsanspruch), und der Grund für die vorläufige Eilmaßnahme
(Anordnungsgrund) von dem Antragsteller glaubhaft zu machen.
Der Anordnungsgrund liegt vor. Die Beigeladene hat durch den Erdaushub für das
Einfamilienhaus mit den Bauarbeiten begonnen und diese Arbeiten sind nach dem
derzeitigen Erkenntnisstand des Senates noch nicht beendet.
Auch ein Anordnungsanspruch ist zu Gunsten der Antragstellerin gegeben. Ein
solcher Anspruch liegt bereits deshalb vor, weil die Baugenehmigung für das
streitige Bauvorhaben ohne das notwendige Einvernehmen der Antragstellerin
erteilt wurde. Über die Zulässigkeit von Vorhaben sowohl im unbeplanten
Innenbereich (§ 34 BauGB, früher § 34 BBauG) als auch im Außenbereich (§ 35
BauGB, früher § 35 BBauG) wird im bauaufsichtlichen Verfahren nur im
Einvernehmen mit der betroffenen Gemeinde entschieden (§ 36 Abs. 1 Satz 1
BauGB, früher § 36 Abs. 1 Satz 1 BBauG). Fehlt es an dem notwendigen
Einvernehmen, d.h. wird die Baugenehmigung von der Bauaufsichtsbehörde ohne
Einvernehmen der Gemeinde erteilt, dann wird die betroffene Gemeinde in ihren
Rechten in einer Art und Weise verletzt, daß das jeweils angerufene
Verwaltungsgericht im Eilverfahren zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit
dem Ziel des Baustopps verpflichtet ist, ohne überprüfen zu dürfen oder gar
überprüfen zu müssen, ob die erteilte Baugenehmigung und möglicherweise die
Bauausführung mit dem materiellen Recht in Einklang steht oder nicht. Denn
solange das Fehlen des gemeindlichen Einvernehmens nicht durch eine
Entscheidung der Kommunalaufsicht oder durch eine Entscheidung eines Gerichts
im Hauptsacheverfahren ersetzt ist, solange ist es der zuständigen
Bauaufsichtsbehörde verwehrt, die für die Bauausführung erforderliche
Baugenehmigung zu erteilen (BVerwG, Urteil vom 27.11.1981 - 4 C 36 und 37.78 -
BRS 38 Nr. 155, Beschluß des Senats vom 18.06.1984 - Az.: 4 TG 506/84 - BRS 42
Nr. 174 m. w. N.).
Die Antragstellerin hat für die hier maßgebliche Baugenehmigung vom 11.11.1985
ihr Einvernehmen nicht erklärt. Vielmehr hat sie mehrfach, zuletzt mit Schreiben
vom 14.09.1984, dem Antragsgegner mitgeteilt, daß sie mit dem Bauvorhaben
der Beigeladenen nicht einverstanden sei.
Das gemeindliche Einvernehmen war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der
Antragsgegner der Beigeladenen am 09.12.1980 eine Bebauungsgenehmigung
erteilte, in der er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Bebauung des
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erteilte, in der er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Bebauung des
Grundstücks der Beigeladenen bejahte. Dabei kann offen bleiben, ob sich die
Antragstellerin die Wirksamkeit dieser Bebauungsgenehmigung, die auch hier
wegen des Fehlens des gemeindlichen Einvernehmens möglicherweise
rechtswidrig war, ihrem jetzigen Begehren entgegenhalten lassen muß. Denn
diese Bebauungsgenehmigung besaß im Hinblick auf die der Beigeladenen am
11.11.1985 erteilte Baugenehmigung keine rechtlichen Wirkungen mehr. Ein
Vorbescheid gilt ein Jahr (§ 92 Abs. 1 Satz 2 HBO). Die Frist kann auf schriftlichen
Antrag um jeweils bis zu einem Jahr verlängert werden (§ 92 Abs. 1 Satz 3 HBO).
Die Bebauungsgenehmigung, die am 09.12.1980 erteilt und der Beigeladenen am
14.12.1981 zugestellt wurde, galt zunächst für ein Jahr. Vor Ablauf der Jahresfrist
am 25.11.1981 beantragte die Beigeladene, diesen Vorbescheid um eine weiteres
Jahr zu verlängern. Die entsprechende Entscheidung wurde vor Ablauf der
Jahresfrist mit weiterem Bescheid des Antragsgegners vom 09.12.1981 erlassen.
Ob diese Bebauungsgenehmigung nunmehr nur bis zum 09.12.1982 galt, wie in
diesem Bescheid ausdrücklich festgehalten, oder ob diese Jahresfrist erst mit
Zustellung dieses Bescheides durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes am
14.12.1981 zu laufen begann (§ 4 Abs. 1 VwZG i.V.m. § 1 Abs. 2 Hess. VwZG) und
damit erst am 14.12.1982 ablief, kann dahingestellt bleiben. Denn die Beigeladene
hat erst danach mit Schreiben vom 22.12.1982 am 24.12.1982 den Antrag auf
erneute Verlängerung des Vorbescheides bei dem Antragsgegner gestellt. Zu
diesem Zeitpunkt war die Frist aber bereits abgelaufen mit der Folge, daß die
Bebauungsgenehmigung erloschen war und nicht mehr um ein weiteres Jahr
verlängert sondern nur noch neu erteilt werden konnte. Der Senat hat dies für den
Fall einer Baugenehmigung entschieden (Urteil des Senats vom 11.09.1981 IV OE
9/79 -). Der Senat hat dazu ausgeführt:
"Die Regelung, daß die Baugenehmigung erlöschen soll, läßt erkennen, daß es sich
um eine Befristung handelt, die anders als bei der Verjährung unterliegenden
Ansprüchen zum Rechtsverlust führt. Dies entspricht der herkömmlichen
Rechtsprechung, daß bei der Versäumung einer Ausschlußfrist das Recht selbst
beseitigt wird, was von Amts wegen zu beachten ist. Die Verlängerung eines
bereits erloschenen Rechts kommt schon begrifflich nicht in Betracht."
Der Senat übernimmt diese Grundsätze auch für eine abgelaufene
Bebauungsgenehmigung, weil kein Grund dafür ersichtlich ist, daß bei einem
Vorbescheid, der über einen Ausschnitt der Baugenehmigung Feststellungen trifft,
etwas anderes gelten sollte (so auch BayVGH, Urteil vom 31.01.1973 - Nr. 40 II 70
- BayVBl. 1974, 15 f. m.w.N.).
Es liegt entgegen der Auffassung der Beigeladenen, auch keine Fallgestaltung vor,
die dazu führen könnte, daß die Frist hier ausnahmsweise noch nicht abgelaufen
ist. So wurde die Gültigkeitsdauer der verlängerten Bebauungsgenehmigung nicht
dadurch unterbrochen, daß die Beigeladene am 05.07.1982 einen Bauantrag
einreichte. In der Hessischen Bauordnung findet sich hierzu kein Anhaltspunkt.
Auch den Bauordnungen der übrigen Bundesländer ist, soweit dies für den Senat
erkennbar geworden ist, die Unterbrechung der Frist durch Einreichung eines
Bauantrags nicht bekannt. Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches (§§ 208, 209 und 210 BGB) sind hier unanwendbar. In diesen
Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches werden nämlich Fallgruppen
aufgeführt, die mit dem hier zu entscheidenden Fall unvergleichbar sind. In den
vorerwähnten Bestimmungen kommen auch keine allgemein gültigen
Rechtsgrundsätze zum Ausdruck, die über das Zivilrecht hinaus reichen und im
öffentlichen Recht ihren Niederschlag finden können und müssen. Insbesondere ist
die Einreichung eines Bauantrages bei der Behörde nicht mit der gerichtlichen
Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruches vergleichbar (so § 209 BGB).
Auch wurde die Jahresfrist durch die Einreichung des vorerwähnten Bauantrages
nicht gehemmt. Der Senat hat zwar entschieden, daß die Jahresfrist der Gültigkeit
einer Baugenehmigung nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 HBO a.F. dann nicht erlischt, wenn
sie widerrufen worden ist und der Bauherr aus diesem Grund die Bauarbeiten nicht
aufgenommen oder unterbrochen hat (Urteil des Senats vom 22.12.1971 - IV OE
82/69 - BRS 24 Nr. 138). Außerdem hat der Senat festgestellt, daß der Ablauf der
Jahresfrist nach dieser Bestimmung dann gehemmt seien kann, wenn und solange
der Betroffene durch Umstände, die nicht in seiner Person liegen - z.B. höhere
Gewalt - gehindert ist, die genehmigte Maßnahme zu beginnen oder wieder
aufzunehmen (Urteil vom 30.05.1975 - IV OE 19/74 - BRS 29 Nr. 123). Diese Fälle,
die zur Hemmung und damit zur Verlängerung der Gültigkeit einer
Baugenehmigung führen, sind auf die Bebauungsgenehmigung nicht ohne
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Baugenehmigung führen, sind auf die Bebauungsgenehmigung nicht ohne
weiteres übertragbar. Denn anders als die Baugenehmigung ebnet der
Vorbescheid dem Begünstigten noch nicht den Weg, das geplante Bauvorhaben
auszuführen. Der Vorbescheid ist lediglich ein Ausschnitt aus dem feststellenden
Teil der Baugenehmigung. Wenn sich, wie im vorliegenden Fall, die Anfrage auf
Bauplanungsrecht beschränkt, so ist der erstrebte positive Bescheid eine
Bebauungsgenehmigung (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.05.1975 - BRS
29 Nr. 116). In jedem Fall bedarf eine solche Bebauungsgenehmigung nach
Einreichung der erforderlichen Bauvorlagen noch der Umsetzung durch die
Bauaufsichtsbehörde. Erst wenn diese Behörde nach Prüfung der Bauvorlagen zu
der Auffassung gelangt, daß das Bauvorhaben insgesamt mit den maßgeblichen
öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt, dann erst erteilt sie die für den
Baubeginn notwendige Baugenehmigung. Daß andere, von der Beigeladenen nicht
zu vertretende Umstände vorgelegen haben könnten, die sie faktisch daran
gehindert haben könnten, rechtzeitig einen Antrag auf erneute Verlängerung des
Vorbescheides beim Antragsgegner einzureichen, hat die Beigeladene nicht
dargetan und wohl auch nicht darzutun vermocht. Vielmehr liegt es in ihrer
Risikosphäre, und sie hat es zu vertreten, daß ihr Antrag verspätet bei dem
Antragsgegner am 24.12.1982 einging.
Die Beigeladene kann auch nichts aus dem Umstand für sich herleiten, daß ihr
erster Bauantrag, der die Errichtung eines Zweifamilienhauses betraf, zu einem
Zeitpunkt bei der Bauaufsichtsbehörde des Antragsgegners einging, zu dem die
Bebauungsgenehmigung noch wirksam war. Zwar ist in der Rechtsprechung und
Lehre anerkannt, daß die Frist der Bindungswirkung eines Vorbescheides über den
gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum bestehen bleibt, wenn der Bauantrag vor
Ablauf der Frist eingereicht und die Baugenehmigung erst nach Ablauf der Frist
erteilt wurde (OVG Münster, Urteil vom 16.01.1973 - VII A 889/70 - BRS 26 Nr. 140
m.w.N.). Im vorliegenden Fall wurde jedoch für diesen Bauantrag die Genehmigung
bestandskräftig versagt. Der Beigeladenen kann auch nicht darin gefolgt werden,
sie habe gegen den Versagungsbescheid vom 14.12.1982 rechtzeitig mit
Schreiben vom 22.12.1982 Widerspruch eingelegt. In diesem Schreiben findet sich
hierzu keinerlei Hinweis. Wenn es dort wörtlich heißt, "aufgrund des negativen
Bescheides meines Bauantrages bitte ich um Verlängerung der am 09.12.1980
erteilten Baugenehmigung, (gemeint ist der Vorbescheid), um einen erneuten und
geänderten Bauantrag einreichen zu können", dann wird aus diesem Schreiben
dreierlei deutlich: erstens fand sich die Beigeladene mit dem Versagungsbescheid
ab, zweitens erstrebte sie die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der
Bebauungsgenehmigung und schließlich drittens wollte sie einen neuen,
geänderten Bauantrag einreichen, der von der Bindungswirkung der erneut
verlängerten Bebauungsgenehmigung erfaßt wurde. Zielrichtung dieses Antrags
war dagegen nicht, die Bauaufsichtsbehörde des Antragsgegners noch einmal mit
dem ursprünglichen Baugesuch zu befassen oder gar den Regierungspräsidenten
im Widerspruchsverfahren über die Zulässigkeit der ersten geplanten
Baumaßnahme, die ein Zweifamilienhaus betraf, entscheiden zu lassen. Vielmehr
wurde ein neues Baugesuch, das ein kleineres Vorhaben betraf, im März 1983 bei
dem Antragsgegner eingereicht.
Über dieses neue Vorhaben wurde dann mit Bauschein vom 11.11.1985 befunden.
Diese Baugenehmigung wurde jedoch ohne das notwendige gemeindliche
Einvernehmen der Antragstellerin erteilt. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts machte die Antragstellerin durch Einlegung eines
Widerspruchs am 05.12.1985 rechtzeitig geltend, daß vor Erteilung dieser
Baugenehmigung nicht ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB - früher § 36 BBauG -
eingeholt wurde. Sie war auch nicht verpflichtet, binnen der Jahresfrist gegen den
vom Regierungspräsidenten am 01.10.1984 erlassenen Widerspruchsbescheid vor
dem Verwaltungsgericht Klage zu erheben, um dieses gemeindliche Recht zu
wahren. Denn dieser Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten enthielt
einen Verwaltungsakt nur insoweit, als er den Versagungsbescheid des
Antragsgegners aufhob (Nr. 1 des Tenors dieses Beschlusses). Durch die
Aufhebung des Versagungsbescheides war die Antragstellerin jedoch nicht
beschwert. Denn nun war zunächst kein Verwaltungsakt mehr in der Welt, der das
Bauen der Beigeladenen gestattet hätte.
Die Antragstellerin wurde auch nicht von der Nr. 2 des Tenors dieses Bescheides
betroffen, in dem der Regierungspräsident den Antragsgegner für verpflichtet
erklärte, "den Bauantrag der Widerspruchsführerin (gemeint ist die Beigeladene)
unter Beachtung der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde positiv zu
bescheiden". Dieser Teil des Widerspruchsbescheides ist nämlich nicht als
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bescheiden". Dieser Teil des Widerspruchsbescheides ist nämlich nicht als
Verwaltungsakt einzustufen und kann deshalb die Antragstellerin auch nicht
beschweren. Vielmehr handelte sich um eine fachaufsichtliche Weisung, die
lediglich verwaltungsinternen Charakter hatte (Beschluß des Hess.VGH vom
25.08.1981 - IX TH 21/81 - Hess.StGZ 1982, S. 73 (74); Urteil des Hess.VGH vom
10.03.1982 - Hess.StGZ 1982, S. 261 (262); Rasch, Der Aufbau der
Ordnungsverwaltung, DVBl. 1977, S. 144 ff., Schlempp-Schlempp, HGO, Anm. IX
zu 9 4 HGO; Schneider-Jordan, HGO, Erläuterung S. 4 zu § 4 HGO m.w.N.). Die
Bauaufsicht, die Sache des Staates ist - § 81 Abs. 1 HBO -, ist dem Antragsgegner
zur Erfüllung nach Weisung übertragen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 HBO).
Dies bedeutet aber, daß eine untere Bauaufsicht nicht eigene Aufgaben sondern
solche des Landes wahrnimmt. Dann kann sie aber als weisungsgebundene
Behörde durch eine von ihren Vorstellungen und Wünschen abweichende
Entscheidung einer übergeordneten Behörde des Landes, hier des
Regierungspräsidenten als obere Bauaufsichtsbehörde, die im Einzelfall ergeht (§
81 Abs. 3 Satz 1 HBO), nicht in ihren Rechten verletzt sein; vielmehr ist diese
fachbehördliche Weisung in der Hierarchie der Landesverwaltung nur als
verwaltungsinterne Maßnahme ohne Außenwirkung einzuordnen. Eine solche
Maßnahme hat keinen Regelungscharakter nach Außen und ist damit kein
Verwaltungsakt. Erst die Umsetzung dieser Weisung durch Erlaß einer
Baugenehmigung, die an den Bauherrn erging, hatte Regelungscharakter, d.h. sie
besaß erstmals Außenwirkung. Nunmehr war es Sache aller Betroffenen, auch der
Antragstellerin, im Rahmen der im Gesetz vorgesehenen Fristen den jeweils
geeigneten Rechtsbehelf einzulegen, um möglicherweise nachteilige Wirkungen
rechtzeitig abwenden zu können. Dies ist durch die Antragstellerin geschehen, in
dem sie am 05.12.1985 Widerspruch gegen den der Beigeladenen am 11.11.1985
erteilten Bauschein einlegte und nach Beginn der Bauarbeiten beim
Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
einreichte.
Es verstößt entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht gegen Treu und
Glauben, daß die Antragstellerin die vorgenannten Maßnahmen zur Wahrung ihrer
Rechte ergriff. Die Antragstellerin hat insbesondere nicht das Recht verwirkt, nach
Erteilung der Baugenehmigung den Rechtsbehelf des Widerspruchs mit der
Begründung einzulegen, sie habe zuvor das notwendige Einvernehmen als
zuständige Gemeinde nicht erteilt. Die angeblich im Oktober 1982 abgegebene
Erklärung des Bürgermeisters B. gegenüber dem Vater der Beigeladenen, die
Gemeinde habe nichts gegen ein Einfamilienhaus einzuwenden, ist rechtlich
unbeachtlich. Denn es ist nicht Aufgabe des Bürgermeisters sondern Aufgabe des
Gemeindevorstandes im Rahmen seines Aufgabenbereiches nach § 66 HGO zu
entscheiden, ob die Gemeinde ihr Einvernehmen zu einem Bauvorhaben erteilt
oder nicht.
Das Gesagte muß auch für eine nach Angaben der Beigeladenen vom ehemaligen
Bürgermeister gegenüber dem Leiter der Bauaufsicht des Antragsgegners
angeblich gemachte Äußerung gelten, in der er das Einvernehmen der Gemeinde
im Verfahren zu Erteilung der Bebauungsgenehmigung "signalisiert" haben soll.
Hier kommt noch hinzu, daß diese Bebauungsgenehmigung vor Einreichung des
zweiten Bauantrages bereits erloschen war und deshalb diese Äußerung, sollte sie
so gefallen sein, heute schon deshalb als irrelevant einzustufen ist. Einer
Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen durch den Senat bedurfte es auf
jeden Fall nicht.
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 154 Abs. 1 VwGO . Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für diesen Rechtszug sind schon
deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie auf der Seite des Antragsgegners den
Rechtsstreit geführt hat und der Antragsgegner letztlich unterlegen ist. Die
Kostenentscheidung im zweiten Rechtszug gründet sich auf §§ 154 Abs. 1, 159
VwGO, 100 ZPO entsprechend.
Hinweis: Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.