Urteil des HessVGH vom 31.08.1993

VGH Kassel: verfügung, naturschutz, abrundung, gemeinde, landrat, zustand, hessen, jagdrecht, bestandteil, vorfrage

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 3554/89
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 BJagdG, § 8 Abs 1
BJagdG
(Keine automatische Änderung der Jagdbezirksgrenzen
nach kommunaler Gebietsreform)
Tatbestand
Die Klägerin erstrebt nach einer flurstücksbezogenen Antragsberichtigung noch die
Angliederung in ihren gemeinschaftlichen Jagdbezirk für die landwirtschaftliche
Fläche in W, Gemarkung H, Flur, Flurstücke bis (Bl. 81 der Behördenakte - BA - und
Bl. 151 der Gerichtsakte - GA -). Diese Fläche war ursprünglich Bestandteil der
Gemarkung He -. Sie wurde durch Abrundungsverfügung der Unteren Jagdbehörde
beim Landkreis M -B vom 27.06.1969 (Bl. 18 GA) in den staatlichen Jagdbezirk "Ha"
des Forstamtes R - in B eingegliedert. In den Jahren 1970/71 erfolgte der
Zusammenschluß der früher selbständigen Gemeinden H, L, He und W zur neuen
Gemeinde W -.
Nachdem die ehemals selbständigen gemeinschaftlichen Jagdbezirke H, L und He
im Zuge dieser kommunalen Gebietsreform zunächst Bestandteil der
Großjagdgenossenschaft W geworden waren, entstanden sie durch
Teilungsverfügung der Unteren Jagdbehörde des Landkreises M -B - vom
21.10.1977 in den alten Gemarkungsgrenzen neu. Die 1969 vorgenommene
Abrundung blieb dabei bestehen. In einem Flurbereinigungsverfahren wurden
sodann die streitbefangenen Grundstücke von He nach H umgemarkt. Auf ein
Rückgliederungsbegehren vom 16.06.1977 (Bl. 17 GA) des Bürgermeisters von W
als Notjagdvorstand teilte der Landrat des Landkreises M -B mit Schreiben vom
21.10.1977 (Bl. 16 GA) mit, in Folge der gebietlichen Neugliederung werde die
Angliederungsverfügung von 1969 kraft Gesetzes mit Ablauf des
Jagdpachtvertrages gegenstandslos, so daß es einer förmlichen Aufhebung nicht
bedürfe. Nachdem die Untere Jagdbehörde diesen Rechtsstandpunkt später
aufgegeben hatte, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 30.10.1986 (Bl. 14
GA) die Eingliederung der streitbefangenen Flächen in ihren gemeinschaftlichen
Jagdbezirk. Das Hessische Forstamt R lehnte die Rückgliederung mit Schreiben
vom 15.08.1986 und 19.01.1987 (Bl. 96, 115 BA) ab.
Gleichwohl hob der Landrat des Landkreises M -B (Untere Jagdbehörde) die
Abrundungsverfügung von 1969 mit Bescheid vom 18.02.1987 (Bl. 121 BA) mit der
Begründung auf, es bestehe nach der Umgemarkung kein Grund mehr für eine
Aufrechterhaltung der seinerzeitigen Angliederung. Die in Rede stehenden
Grundstücksflächen seien nunmehr unmittelbar mit dem Jagdbezirk der Klägerin
verbunden und die Bejagbarkeit sei sichergestellt. Gegen die Rückgliederung erhob
das Forstamt R mit Schreiben vom 02.03.1987 Widerspruch (vgl. Bl. 125 BA).
Mit Verfügung vom 20.03.1987 (Bl. 125 BA) an die Untere Jagdbehörde hob
daraufhin die frühere Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel deren
Verfügung vom 18.02.1987 mit der Begründung auf, wegen des fehlenden
Einvernehmens mit dem Forstamt sei die Obere Jagdbehörde gemäß § 2 Abs. 6
Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesjagdgesetz (HAG BJG) zuständig
gewesen. Mit Schreiben vom 24.03.1987 (Bl. 126 BAS) informierte die Untere
Jagdbehörde alle Verfahrensbeteiligten von diesem Aufhebungsbescheid der
früheren Bezirksdirektion.
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Mit Bescheid vom 06.08.1987 (Bl. 128 BA) lehnte die frühere Bezirksdirektion für
Forsten und Naturschutz in Kassel als Obere Jagdbehörde die von der Klägerin
beantragte Rückgliederung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Aufhebung der
Angliederungsverfügung von 1969 komme nur unter den Voraussetzungen des § 5
Abs. 1 BJG in Betracht. Die Notwendigkeit einer entsprechenden Abrundung
zugunsten der Klägerin sei nicht gegeben, aus jagdlichen Gründen vielmehr als
nachteilig zu bewerten.
Mit einem ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen Schreiben vom 20.08.1987 (Bl.
10 GA) teilte die Untere Jagdbehörde der Klägerin die Aufhebung der Verfügung
der Unteren Jagdbehörde vom 18.02.1987 durch die Obere Jagdbehörde mit.
Daraufhin erhob die Klägerin am 25.09.1987 zunächst beim Verwaltungsgericht
Kassel Verpflichtungsklage gegen den Landrat des Landkreises M -B. Wegen
örtlicher Unzuständigkeit wurde der Rechtsstreit mit Beschluß vom 06.10.1987 an
das Verwaltungsgericht Gießen verwiesen. Gegen das Schreiben des Landrats des
Landkreises M -B vom 20.08.1987 legte die Klägerin am 09.08.1988 noch
Widerspruch ein, den der Regierungspräsident in Kassel mit Widerspruchsbescheid
vom 20.12.1988 (Bl. 43 GA) zurückwies.
Die Klägerin, die ihr Angliederungsbegehren im wesentlichen auf § 8 Abs. 1 BJG
gestützt hat, hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt,
den Bescheid der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel vom 6.
August 1987 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in Kassel
vom 20. Dezember 1988 aufzuheben und
den Beklagten zu verpflichten, die in der Verfügung des Landrates des Landkreises
M -B vom 27. Juni 1969 dem staatlichen Eigenjagdbezirk "H" angegliederte Fläche
dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk W -H anzugliedern.
Der Beklagte hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
Er hat seine Auffassung, daß die Klägerin nicht mehr mit Erfolg gegen die
Angliederungsverfügung von 1969 vorgehen könne, in Übereinstimmung mit dem
Widerspruchsbescheid vom 20.12.1988 im einzelnen näher dargelegt.
Das Verwaltungsgericht Gießen hat die Verpflichtungsklage mit Urteil vom
28.09.1989 mit der Begründung als unbegründet abgewiesen, die frühere
Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz habe die rechtswidrige Verfügung des
Landrates des Landkreises M -B vom 18.02.1987 mit ihrem streitbefangenen
Bescheid vom 06.08.1987 zu Recht gemäß § 48 HessVwVfG zurücknehmen
dürfen. Trotz des § 8 Abs. 1 BJG sei es ermessensfehlerfrei gewesen, die seit 1969
bestehende und bewährte Abrundung beizubehalten. Unter den Voraussetzungen
des § 5 BJG habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Angliederung der
streitbefangenen Flächen an ihren Jagdbezirk.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 07.11.1989 zugestellte verwaltungsgerichtliche
Urteil am 29.11.1989 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, die
Grundstückseigentümer der Angliederungsflächen hätten notwendig beigeladen
werden müssen. Im übrigen sei der Beklagte in der mündlichen Verhandlung im
ersten Rechtszug nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Die Angliederung von
1969 sei gemäß § 8 Abs. 1 BJG mit der Gebietsreform hinfällig geworden, zumal sie
nur dazu gedient habe, eine nun durch die Klägerin gewährleistete Bejagung auf
den Angliederungsflächen sicherzustellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 28. September 1989 - V/3 E
1880/87 - und die Verfügung der früheren Bezirksdirektion für Forsten und
Naturschutz in Kassel vom 6. August 1987 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des
Regierungspräsidenten in Kassel vom 20. Dezember 1988 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, die in der Verfügung des Landrates des Landkreises M -
B vom 27. Juni 1969 dem staatlichen Eigenjagdbezirk "H" angegliederten Flächen
in W, Gemarkung H, Flur, Flurstücke bis dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk W -H
anzugliedern.
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Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Ansicht des Beklagten liegen keine Verfahrensmängel vor. Er verweist nach
wie vor darauf, daß Abrundungen Dauerlösungen seien und § 5 Abs. 1 BJG hier
eine Änderung nicht erfordere, auch wenn die Bejagbarkeit der streitbefangenen
Flächen vom Jagdgebiet der klägerischen Jagdgenossenschaft aus möglich wäre.
Aus der ihrer Ansicht nach falschen Mitteilung der Unteren Jagdbehörde vom
21.10.1977 könne die Klägerin nichts mit Erfolg zu ihren Gunsten herleiten.
Der im Berufungsverfahren beigeladene Jagdpächter stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch
den Berichterstatter einverstanden erklärt, der einen Erörterungstermin an Ort
und Stelle durchgeführt hat.
Es liegt die einschlägige Behördenakte des Beklagten vor, auf deren Inhalt ebenso
wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen
wird.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht das Urteil durch den Berichterstatter im
schriftlichen Verfahren (§§ 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Sie hat
jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben, weil das Verfahren erster
Instanz an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Unter den
besonderen Umständen dieses Falles hätte das Verwaltungsgericht den im
Berufungsverfahren beigeladenen Jagdpächter gemäß § 65 Abs. 2 VwGO
notwendig beiladen müssen, weil ihm gegenüber nur einheitlich entscheiden
werden kann. Dies beruht darauf, daß der mit Wirkung vom 01.04.1984 auf zwölf
Jahre geschlossene Jagdpachtvertrag mit dem Land Hessen, vertreten durch das
Hessische Forstamt R in B, in § 3 Abs. 2 und 3 dahin auszulegen ist, daß bei
Aufhebung der Angliederungsverfügung die die streitbefangenen Flurstücke
enthaltende sogenannte Angliederungsfläche P nicht nur, wie es dort heißt und
öffentlich-rechtlich selbstverständlich ist, aus dem Jagdbezirk ausscheide, sondern
auch aus der vertraglich zugeordneten Pachtfläche. Dies ergibt sich daraus, daß
der Pachtpreis sich nach § 3 Abs. 3 des Vertrages dementsprechend ermäßigen
solle. Diese offene Flanke des Jagdpachtvertrags zu dem sich schon damals
anbahnenden Angliederungsrechtsstreit läßt den Jagdpächter aufgrund des
laufenden Jagdpachtvertrags mithin eine Rechtsposition innehaben, die
unmittelbar und zwangsläufig vom Bestand der streitbefangenen
Angliederungsverfügung abhängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82
- Buchholz § 121 Nr. 49).
Dabei ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß ohne die hier
vorliegende spezielle Vertragsgestaltung der Jagdpächter in sonstigen
Feststellungsstreitigkeiten über die Grenzen von Jagdbezirken nur mittelbar
Betroffener und nicht notwendig beizuladen ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom
28.09.1988 - 3 B 56.87 - NuR 1990, 214). Im vorliegenden Fall stellt der Ausgang
des Angliederungsrechtsstreits jedoch nicht nur eine Vorfrage für den
umfassenden Bestand des Pachtverhältnisses dar, es besteht vielmehr insoweit
eine direkte Durchgriffswirkung.
Allerdings war und ist im Gegensatz zu der in der Berufungsbegründung
geäußerten Auffassung der Klägerin eine Beiladung der in der Gemarkung H
betroffenen Grundstückseigentümer nicht notwendig im Sinne des § 65 Abs. 2
VwGO. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Grenzen von Jagdbezirken und
damit die räumliche Reichweite des Jagdausübungsrechts, das nach den
jagdrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich unabhängig vom Eigentum an Grund
und Boden ist. Mithin würde durch den Ausgang des Rechtsstreits eine Position der
Grundstückseigentümer nicht unmittelbar und zwangsläufig berührt.
Darüber hinaus ist zu den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehlern
darauf hinzuweisen, daß es für den Ausgang des Rechtsstreits unbeachtlich ist, ob
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darauf hinzuweisen, daß es für den Ausgang des Rechtsstreits unbeachtlich ist, ob
und gegebenenfalls durch wen der Beklagte in der mündlichen Verhandlung im
ersten Rechtszug vertreten worden ist, zumal nicht einmal eine Pflicht zur
Teilnahme an der mündlichen Verhandlung besteht.
Das Gericht macht von der in § 130 Abs. 1 VwGO vorgesehenen Möglichkeit der
Zurückverweisung keinen Gebrauch, weil es aufgrund des Vortrags der Beteiligten,
des Inhalts der beigezogenen Akten, der in erster Instanz getroffenen
Feststellungen und des Erörterungstermins im Berufungsverfahren den
Sachverhalt selbst beurteilen kann. In einem solchen Fall ist es ermessensgerecht
im Sinne des § 130 Abs. 1 VwGO, von einer Zurückverweisung abzusehen und
selbst zu entscheiden, was prozeßwirtschaftlich und sachdienlich ist.
In der Sache haben Verpflichtungsklage und Berufung keinen Erfolg. Die
Versagung der Angliederung der nach einer Antragsberichtigung noch auf drei
Flurstücke beschränkten streitbefangenen Flächen in der Gemarkung H in den
gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin ist nicht rechtswidrig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Zur Begründung
nimmt das Berufungsgericht gemäß § 130 b VwGO Bezug auf die zutreffenden
Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts, wenn auch dessen Urteil vom
28.09.1989 aus prozessualen Gründen aufzuheben ist.
Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine der Klägerin günstigere Entscheidung.
Ein mit der gebietlichen Neugliederung im Bereich der jetzigen Gemeinde W
verbundener automatischer Wegfall der Angliederung vom 27.06.1969 (ipso iure)
ist nicht zu bejahen. Soweit die Kommentarliteratur in diesem Zusammenhang auf
das Rechtsinstitut der stillschweigenden Befristung (Mitzschke/Schäfer, BJG,
Kommentar, 4. Aufl. 1982, § 8 Rdnr. 16) bzw. der stillschweigenden auflösenden
Bedingung (Meyer/Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, 1989, S. 73) verweist,
ist dem nicht zu folgen. Daß diesen Auffassungen zugrundeliegende
Territorialprinzip ist vom Gesetzgeber jagdrechtlich weder im Bundes- noch im
hessischen Landesrecht vorherrschend ausgeprägt. So weisen zwar die §§ 3 Abs. 1
und 8 Abs. 1 BJG besonders auf die Eigentums- und Gemeindegebietsbezogenheit
des Jagdrechts und der Jagdausübung hin, die in diesem Zusammenhang
bedeutsame Vorschrift des § 5 Abs. 1 BJG macht aber deutlich, daß insoweit
mindestens ein Spannungsverhältnis mit den Erfordernissen der Jagdpflege und
Jagdausübung besteht. Soweit aus § 8 Abs. 1 BJG hergeleitet worden ist, daß sich
durch Änderung der Gemeindegrenzen automatisch die Grenzen eines
gemeinschaftlichen Jagdbezirks und damit des Bezirks der Jagdgenossenschaft
ändern (BVerwG, Beschluß vom 03.03.1983 - 3 B 78.82 - NuR 1984, 21; vgl. auch
Hess. VGH, Urteil vom 18.04.1974 - III OE 3/73 -), greift dieser Grundsatz nur für
die Grundflächen einer Gemeinde ein, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören.
Damit zeigt die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 BJG gerade, daß die
Eigenjagdbezirke vor automatischen Gebietsänderungen aufgrund gemeindlicher
Neugliederungen geschützt werden sollen, wie überhaupt das Vertrauen der
Bürger in die Beständigkeit staatlicher Organisationsmaßnahmen ein wichtiges
Rechtsgut ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 12.05.1992 - 2 BvR 470 u. a./90 - UPR
1992, 318 - L -).
Landesrechtlich ist von Bedeutung, daß im Hessischen Ausführungsgesetz zum
Bundesjagdgesetz eine dem § 3 Abs. 4 Satz 1 LJG NW vergleichbare Bestimmung
fehlt, wonach Abrundungen von Jagdbezirken auf Antrag eines Beteiligten
aufgehoben oder geändert werden können, soweit ihre Voraussetzungen
nachträglich entfallen sind. Selbst diese Vorschrift läßt erkennen, daß auch das
nordrhein-westfälische Landesjagdrecht nicht von einem automatischen Wegfall
früherer Angliederungen ausgeht, sondern eine solche Maßnahme lediglich einer
an öffentlichen und privaten Interessen ausgerichteten Behördenentscheidung
unterstellt. Ein mit kommunalen Gebietsveränderungen verbundener
Automatismus mit einem unmittelbaren und zwangsläufigen Durchgriff auf
Jagdbezirksgrenzen, auch von Eigenjagdbezirken, könnte in nicht wenigen Fällen
die angemessene Beachtung jagdlicher Belange bei der Veränderung von
Jagdbezirksgrenzen entgegen dem Rechtsgedanken des § 5 Abs. 1 BJG
zurücktreten lassen. Dies spricht dafür, die jeweiligen Grenzänderungsbegehren im
Zusammenhang mit gebietlichen Neugliederungen dem bundes- und
landesrechtlichen Abrundungsrecht zu unterwerfen, das in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3
HAG BJG zusätzliche Anforderungen enthält.
Im vorliegenden Fall spricht gegen eine stillschweigende Nebenbestimmung im
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Im vorliegenden Fall spricht gegen eine stillschweigende Nebenbestimmung im
Zusammenhang mit der Abrundungsverfügung vom 27.06.1969 der
Gesichtspunkt, daß sich die vier damals noch selbständigen Gemeinden H, He, L
und W bereits 1970/71 zusammengeschlossen haben (vgl. Hessisches Gemeinde-
Lexikon (II), Wiesbaden 1993, S. 298). Es hätte bei sich anbahnenden und damals
landesweit diskutierten gemeindlichen Zusammenschlüssen bei einem
entsprechenden Willen der zuständigen Jagdbehörde, lediglich eine
vorübergehende Bejagung auf Zeit sicherzustellen, nahegelegen, einen
entsprechenden Vorbehalt in die entsprechende Abrundungsverfügung
aufzunehmen, was nicht geschehen ist. Auch sonst ist dem aus der Behördenakte
ersichtlichem Ablauf des Verwaltungsverfahrens kein Anhaltspunkt in dieser
Richtung zu entnehmen.
Wie eine automatische Angliederung zugunsten der Klägerin nicht in Betracht
kommt, fehlt es im Rahmen einer Abrundungsentscheidung nach § 5 Abs. 1 BJG
i.V.m. § 2 Abs. 1 HAG BJG auch an einer entsprechenden Ermessenreduzierung
auf Null, die voraussetzte, daß keine andere behördliche Entscheidung richtig
wäre, als die streitbefangenen Flurstücke bis dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk
der Klägerin anzugliedern.
Der derzeitige Zuschnitt der beiderseitigen Jagdbezirke stellt unter jagdlichen
Gesichtspunkten keinen abrundungsbedürftigen Zustand dar, vielmehr würde ein
solcher bei einem Erfolg des klägerischen Verpflichtungsbegehrens erst
geschaffen. Nach Gestalt und Beschaffenheit sind beide Jagdbezirke für eine
ordnungsgemäße Ausübung des Jagdrechts nicht ungeeignet. Eine Veränderung
der Grenzgestaltung ist hier nicht geboten. Die von der Klägerin gewünschte neue
Flächenzuordnung der Flurstücke - würde vielmehr zu einer an drei Seiten von
Wald bzw. Buschwerk des Eigenjagdbezirks umrandeten nasenartigen
Ausbuchtung des klägerischen Jagdbezirks führen, die die gemeinsame Grenzlinie
beider Jagdbezirke nicht unwesentlich verlängern und verzahnen würde. Statt einer
halbwegs begradigten Reviergrenze entlang der Wegeparzelle und ihrer
Verlängerung würde in Überbetonung der eigentumsmäßigen gegenüber der
jagdrechtlichen Situation ein Zustand herbeigeführt, der typischerweise wegen
Verspringens der Grenzlinien eine Abrundung geboten erscheinen ließe (vgl. die
zeichnerisch dargestellten Beispiele bei Leonhardt, Hrsg., Jagdrecht, Kommentar,
Stand: 8/1992, § 5 BJG Nr. 11.05, S. 3 oben und S. 4). In dem streitbefangenen
Wald-Feldbereich würden bei einer Grenzänderung Einstands- und Äsungsflächen
auseinanderfallen und die waidmännisch unerwünschte Grenzschinderei gefördert.
Gegen eine Angliederung zugunsten der Klägerin spricht hier auch, daß ihr mit
etwa 500 ha gegenüber 225 ha mehr als doppelt so großer Jagdbezirk weiter
vergrößert würde, was auch dem Gebot des § 2 Abs. 1 Satz 2 HAG BJG
widerspricht, die Gesamtgröße der Jagdbezirke solle möglichst wenig verändert
werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.