Urteil des HessVGH vom 21.07.1997

VGH Kassel: vereitelung, rechtsschutz, initiativrecht, erlass, vollzug, zahl, auflage, quelle, effektivität, magistrat

1
2
3
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TZ 2487/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8b GemO HE, § 123
VwGO
Anforderungen an den Erlaß einstweiliger Anordnungen zur
Sicherung von Bürgerbegehren
Leitsatz
In der Rechtsprechung des Senats ist hinreichend geklärt, unter welchen
Voraussetzungen der Senat den Erlaß einstweiliger Anordnungen zur Sicherung von
Bürgerbegehren in Betracht zieht. Der Senat hat bereits mit Beschluß vom 1993-10-26,
6 TG 2221/93, ESVGH 44, 99, DÖV 1994, 270 einen im Wege der einstweiligen
Anordnung sicherungsfähigen Unterlassungsanspruch anerkannt, wenn anderenfalls auf
Seiten des Bürgers ein Rechtsverlust droht, weil der Vollzug irreversible Verhältnisse
schafft. Im Beschluß vom 1995-06-02, 6 TG 1554/95 - NVwZ 1996, 722 hat der Senat
ausgeführt, im Wege der einstweiligen Anordnung könne grundsätzlich lediglich das
Recht der Bürger der Gemeinde gesichert werden, ein Bürgerbegehren über eine
zulässigen Gegenstand durchzuführen. Dazu dürften nur im Hinblick auf den
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens notwendige Maßnahmen angeordnet werden.
Eine Verpflichtung zur Ergreifung zulässiger Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung der
Durchführung eines nach dem Gegenstand grundsätzlich zulässigen Bürgerbegehrens
habe sich auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, damit nicht irreversible
Tatsachen geschaffen würden und ein jedenfalls im Hinblick auf den Gegenstand
zulässiges Bürgerbegehren nicht von vornherein gegenstandslos.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist nicht begründet, denn ein Grund,
der die Zulassung rechtfertigen kann, ist nicht dargelegt (§ 146 Abs. 5 Satz 3
VwGO).
Die Antragsteller haben keine Gründe dargetan, nach denen die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat (§ 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO). Dabei kann hier unentschieden bleiben, ob der Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nur spezifisch auf Eilverfahren bezogene Fragestellungen umfasst
(so VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 1997 - 8 S 483/97 -,
VBlBW 1997, 262 f.; vgl. auch Hess.VGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 - 6 TZ
2386/97 -). Denn in dem Zulassungsantrag vom 10. Juli 1997 ist weder der
Zulassungsgrund genau bezeichnet noch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht
erläutert, warum der geltend gemachte Zulassungsgrund für gegeben erachtet
wird (vgl. zu diesen Voraussetzungen Hess.VGH, Beschluss vom 4. April 1997 - 12
TZ 1079/97 - Seite 2 des amtlichen Umdrucks mit weiteren Nachweisen aus der
Rechtsprechung).
In dem Schriftsatz vom 10. Juli 1997 wurden unter I. zum Zulassungsantrag nur
allgemeine Ausführungen betreffend Bürgerbegehren im Sinne des § 8 b HGO
gemacht. Zu einer konkreten für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblichen
Rechtsfrage, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentlich für die
einheitliche Auslegung und Anwendung oder für die Fortbildung des Rechts ist (vgl.
zu diesen Anforderungen Kopp, VwGO, 10. Auflage, 1994, Rdnr. 9 zu § 132
m.w.N.), werden keine Ausführungen gemacht. Es wird zunächst allgemein darauf
abgestellt, die Grundsätzlichkeit der Bedeutung der Rechtssache folge aus der
4
5
6
7
abgestellt, die Grundsätzlichkeit der Bedeutung der Rechtssache folge aus der
Tatsache, dass die im konkreten Fall den Anordnungsanspruch und den
Anordnungsgrund prägenden Vorschriften des § 8 b HGO durch die Neufassung
vom 1. April 1993, mithin vor verhältnismäßig kurzer Zeit, wirksam geworden und
daher nur sporadisch Gegenstand obergerichtlicher Beurteilung gewesen seien.
Insbesondere gelte dies für Initiativrechte der Bürgerschaft, die wie im konkreten
Fall auf die Änderung der Hauptsatzung und die darin bestimmte Zahl der
hauptamtlichen Magistratsmitglieder zielten. Welche Rechtsfrage der Senat hier
klären soll, ergibt sich daraus nicht. Die allgemein gehaltenen Ausführungen
deuten sogar eher darauf hin, dass mehrere Rechtsfragen geklärt werden sollen.
Welche dies sein sollen, wird nicht gesagt.
Im Folgenden heißt es dann, zwar habe es in diesem Zusammenhang bereits in
der Gemeinde Niddatal, Regierungsbezirk Darmstadt, ein Bürgerbegehren und
einen Bürgerentscheid gegeben. Allerdings liege keine obergerichtliche
Entscheidung vor zur Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des konkreten
Gegenstands des "Bürgerbegehrens-Bescheids". Auch sei es gänzlich ungeklärt,
wann und unter welchen Umständen das gesetzlich verbriefte Initiativrecht der
Träger des Bürgerbegehrens durch Maßnahmen der entgegenstehenden Mehrheit
der Stadtverordnetenversammlung, des Magistrats oder der Gemeindeverwaltung
so sehr in seiner Effektivität beeinträchtigt werde, dass zur Vereitelung des
Rechtsverlusts eiliger gerichtlicher Rechtsschutz geboten sei (Art. 19 Abs. 4 GG).
Zunächst wird hier der konkrete Gegenstand des Bürgerbegehrens nicht genannt.
Die Bemerkung, es sei gänzlich ungeklärt, wann und unter welchen Umständen
das gesetzlich verbriefte Initiativrecht der Träger des Bürgerbegehrens so sehr
beeinträchtigt werde, dass eiliger gerichtlicher Rechtsschutz geboten sei, nennt
auch keine konkrete Rechtsfrage, sondern läuft auf ein umfassendes
Rechtsgutachten hinaus, in dem abstrakt und unabhängig vom konkreten Fall
geklärt werden soll, "wann und unter welchen Umständen" gerichtlicher
Eilrechtsschutz "zur Vereitelung des Rechtsverlusts" geboten sei.
Auch die folgende Bemerkung, der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe sich in
anderen tatsächlich-rechtlichen Zusammenhängen des § 8 b HGO zur Sicherung
des Initiativrechts der Bürger auf Einreichung und Durchführung des
Bürgerbegehrens mit dem Ziel des Antrags auf einen Bürgerentscheid geäußert,
dies ändere an der Richtigkeit der hier getroffenen Feststellung zur
grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtssache nichts, enthält keine genaue
Darstellung einer Rechtsfrage, die hier relevant und über den konkreten Fall hinaus
von wesentlicher allgemeiner Bedeutung ist.
Soweit die Antragsteller mit den genannten allgemeinen Formulierungen
beabsichtigt haben sollten, die vom Verwaltungsgericht auf Seite 3 des
Beschlusses vom 23. Juni 1997 gegebene Begründung für die Entscheidung, ein
Anordnungsgrund sei nicht gegeben, als Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung zu bezeichnen, vermag der Senat dem schon deshalb nicht zu folgen,
weil in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt ist, unter welchen
Voraussetzungen der Senat den Erlass einstweiliger Anordnungen zur Sicherung
von Bürgerbegehren in Betracht zieht. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom
26. Oktober 1993 (- 6 TG 2221/93 -, ESVGH 44, 99 = DÖV 1994, 270) einen im
Wege der einstweiligen Anordnung sicherungsfähigen Unterlassungsanspruch
anerkannt, wenn anderenfalls auf Seiten des Bürgers ein Rechtsverlust droht, weil
der Vollzug irreversible Verhältnisse schafft. Im Beschluss vom 2. Juni 1995 (- 6 TG
1554/95 -, NVwZ 1996, 722) hat der Senat ausgeführt, im Wege der einstweiligen
Anordnung könne grundsätzlich lediglich das Recht der Bürger der Gemeinde
gesichert werden, ein Bürgerbegehren über einen zulässigen Gegenstand
durchzuführen. Dazu dürften nur im Hinblick auf den Gegenstand des
Hauptsacheverfahrens notwendige Maßnahmen angeordnet werden. Eine
Verpflichtung zur Ergreifung zulässiger Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung der
Durchführung eines nach dem Gegenstand grundsätzlich zulässigen
Bürgerbegehrens habe sich auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, damit
nicht irreversible Tatsachen geschaffen würden und ein jedenfalls im Hinblick auf
den Gegenstand zulässiges Bürgerbegehren nicht von vornherein gegenstandslos
werde.
Es erscheint hier eher zweifelhaft, dass ohne den Erlass der von den Antragstellern
begehrten einstweiligen Anordnung der Gegenstand des
Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids gegenstandslos wird, denn auch wenn ein
dritter hauptamtlicher Beigeordneter gewählt würde, bliebe das Ziel des
Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids, § 1 der Hauptsatzung der Universitätsstadt
8
9
Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids, § 1 der Hauptsatzung der Universitätsstadt
Marburg dahin zu ändern, dass der Magistrat nur noch aus dem
Oberbürgermeister/der Oberbürgermeisterin, dem Bürgermeister/der
Bürgermeisterin, einem/einer hauptamtlichen und acht ehrenamtlichen
Stadträten/Stadträtinnen besteht, weiterhin möglich. Da insofern das Vorliegen
eines Anordnungsgrundes für die begehrte einstweilige Anordnung bereits unter
Heranziehung der bisherigen Rechtsprechung des Senats eher zweifelhaft
erscheint, ist auch nicht ersichtlich, dass allgemeine, den Anordnungsgrund
betreffende und bisher ungeklärte Rechtsfragen für die Entscheidung des
vorliegenden Falles maßgeblich sein könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz
- GKG - in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.