Urteil des HessVGH vom 20.05.1988

VGH Kassel: eidesstattliche erklärung, höchstpersönliche rechte, körperliche unversehrtheit, tod, beschwerdeschrift, hauptsache, mieter, luft, erbengemeinschaft, belüftung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TG 768/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1922 BGB, § 1967 BGB, §
67 Abs 9 BauO HE 1976
(Nachbarstreit: Geltendmachung höchstpersönlicher
Rechte; Tod eines Prozeßbeteiligten; Erledigung der
Hauptsache)
Gründe
Mit Schriftsatz vom 21.12.1987, eingegangen beim Verwaltungsgericht am
22.12.1987, haben die Antragsteller zu 1 bis 6 und der inzwischen verstorbene
ehemalige Antragsteller zu 7 den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt,
mit der dem Antragsgegner aufgegeben werden sollte, gegenüber den
Beigeladenen eine Baueinstellungsverfügung bezüglich der Stellplätze auf den
Grundstücken B.-weg 11 und 13 in E. zu erlassen. Die Grundstücke liegen an der
Westseite des B.-wegs. Gegenüber an der Ostseite des B.-wegs befinden sich die
Grundstücke B.-weg 14 und 16, die mit Wohnhäusern bebaut sind. Die
Antragsteller zu 1 bis 6 bewohnen als Mieter Wohnungen in diesen Häusern. Der
verstorbene Antragsteller zu 7 war Mieter im Haus B.-weg 14.
Mit Bauschein vom 26.11.1986 genehmigte der Antragsgegner die Errichtung
eines Mehrfamilien-Wohnhauses auf den Grundstücken B.-weg 11 und 13.
Gleichzeitig erteilte der Antragsgegner die Genehmigung für sechs Kfz-Stellplätze,
die vor dem geplanten Gebäude und an der Grundstücksgrenze zum B.-weg
erstellt werden sollen. Die Stellplätze sind gegenüber dem von den Antragstellern
bewohnten Gebäudekomplex geplant. Am 07.08.1987 legte die
Mietergemeinschaft B.-weg 14 und 16 Widerspruch gegen die Baugenehmigung
ein.
Die Antragsteller haben vorgetragen, durch den Bau und die Benutzung der
Parkplätze seien sie erheblichen Gesundheitsschäden durch Kraftfahrzeugabgase
ausgesetzt. Die Abgase würden gegen Terrassen, Balkone, Türen und Fenster
geblasen. Die Hauseigentümerin wohne in N., sei also persönlich nicht betroffen.
Die Besitzstörungen träfen allein die Antragsteller. Das Antragsrecht ergebe sich
auch aus Art. 2 GG. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit könne jedermann
geltend machen.
Die Antragsteller zu 1 bis 7 haben sinngemäß beantragt, dem Antragsgegner im
Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, gegen die Beigeladenen eine
Baueinstellungsverfügung für die Errichtung der Stellplätze zu erlassen.
Der Antragsgegner hat nicht zur Sache Stellung genommen.
Die Beigeladenen sind dem Antrag entgegengetreten.
Mit Beschluß vom 28.01.1988, dem damaligen Bevollmächtigten der Antragsteller
zugestellt am 10.02.1988, hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt.
Der inzwischen verstorbene Antragsteller zu 7 hat mit Schriftsatz vom 12.02.1988,
eingegangen beim Verwaltungsgericht am 15.02.1988, Beschwerde eingelegt und
vorgetragen, er handle künftig nur noch "in eigenem Namen". Nach Bezug des
Neubaus hätten die Immissionen zugenommen. Eine Belüftung der Wohnungen
sei jetzt erheblich erschwert. Die Belästigungen seien in einem Maß eingetreten,
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sei jetzt erheblich erschwert. Die Belästigungen seien in einem Maß eingetreten,
das nicht mehr zumutbar sei. Mindestens in zwei Fällen seien bereits
Gesundheitsverletzungen eingetreten. Weder der Beschwerdeführer noch die
bisherigen Antragsteller hätten verlangt, daß die Beeinträchtigungen von ihnen
völlig ferngehalten würden. Es gehe dem Beschwerdeführer nur darum,
Rechtsschutz vor unzumutbaren Folgen einer fehlerhaften Baugenehmigung zu
erhalten. Auch alle bisherigen Antragsteller, die jetzt noch gesund seien, hätten
ein Recht darauf, auf ihren Terrassen, Balkonen und an ihren Fenstern eine Luft zu
atmen, die nicht über das ortsübliche Maß mit Schadstoffen belastet sei.
Einen Antrag hat der Antragsteller zu 7 nicht gestellt.
Am 17.02.1988 ist der Antragsteller zu 7 verstorben. Er hinterläßt seine Ehefrau
sowie die Antragsteller zu 7 b) und c). Die Erbengemeinschaft hat das Verfahren
wiederaufgenommen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladenen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladenen tragen vor, der Beschwerdeführer habe die Beschwerde lediglich
im eigenen Namen eingelegt. Durch seinen Tod sei die Erledigung der Hauptsache
eingetreten. Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens sei ein
höchstpersönlicher Anspruch des Beschwerdeführers wegen körperlicher
Unversehrtheit. Bei derartigen höchstpersönlichen Ansprüchen komme eine
Aufnahme des Rechtsstreits durch die Erben nach dem Tod der Partei nur wegen
des Kostenpunktes in Betracht.
Mit Beschluß vom heutigen Tage hat der Senat das Verfahren betreffend die mit
Schriftsätzen vom 18.03.1988 und 30.03.1988 erhobene Beschwerde gegen die
Streitwertfestsetzung im Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main
vom 28.01.1988 zur anderweitigen Entscheidung abgetrennt.
Die Bauakten betreffend den Neubau B.-weg 11 und 13 in E. (ein Heft) und die
Bauakten betreffend das Anwesen B.-weg 14 und 16 (zwei Hefte) haben
vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgenannten Unterlagen sowie auf den
Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Zwar ist sie form- und fristgerecht erhoben worden
(§§ 146, 147 VwGO). Sie ist aber durch das Ableben des Beschwerdeführers
unzulässig geworden.
Zunächst ist festzuhalten, daß entgegen der Auffassung des jetzigen
Bevollmächtigten der Antragsteller der verstorbene Antragsteller zu 7 alleiniger
Beschwerdeführer war. Er hat in seiner Beschwerdeschrift vom 12.02.1988
ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er zünftig nur noch "in eigenem Namen"
handle. Außerdem hat er ausgeführt, daß er gegen den Beschluß des
Verwaltungsgerichts Beschwerde einlege. Auch im weiteren Text der
Beschwerdeschrift spricht er von sich als dem Beschwerdeführer und von den
Mitmietern als den bisherigen Antragstellern. Auch die mit der Beschwerdeschrift
vorgelegte und von den Antragstellern zu 1 bis 7 unterschriebene eidesstattliche
Erklärung vermag daran nichts zu ändern. Die eidesstattliche Erklärung enthält
Tatsachenvortrag zur Stützung der Argumentation des damaligen
Beschwerdeführers. Aus ihr folgt nicht, daß entgegen den Ausführungen in der
Beschwerdeschrift auch die Antragsteller zu 1 bis 6 Beschwerde eingelegt haben.
Es ist daher auch nicht möglich, nachträglich der Beschwerdeschrift den Inhalt
beizulegen, die anderen Antragsteller hätten ebenfalls Beschwerde eingelegt.
Durch den Tod des Antragstellers zu 7 ist Erledigung der Hauptsache eingetreten.
Er, der Antragsteller zu 7, hat im Verwaltungsverfahren und im Gerichtsverfahren
lediglich höchstpersönliche Rechte geltend gemacht. Er hat sich nämlich darauf
berufen, daß die Anlage der Stellplätze auf dem gegenüberliegenden Grundstück
zu Belästigungen und Gesundheitsschäden führen würde. Belästigungen und
Gesundheitsschäden, die durch Lärm, Gerüche und Abgase verursacht werden,
sind höchstpersönlicher Natur. Dementsprechend sind auch etwaige
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sind höchstpersönlicher Natur. Dementsprechend sind auch etwaige
Nachbarrechte auf Schutz vor derartigen Belästigungen und Gesundheitsschäden
höchstpersönlicher Natur. Sie können nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
nach §§ 1922, 1967 BGB auf die Antragsteller zu 7 a), b) und c) übergegangen
sein, denn höchstpersönliche Rechte sind unvererblich. Vererblich ist aber die
Rechtsstellung als Prozeßbeteiligter. Deshalb ist in Rechtsprechung und Literatur
unstreitig, daß die Erben nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge auch
bei höchstpersönlichen Streitsachen zumindest hinsichtlich des Kostenpunktes
gemäß § 173 VwGO i.V.m. den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO in den
Prozeß eintreten (vgl. Pietzner, Verwaltungsarchiv Band 75, 1984, Seite 79 ff., 87 f.
m.w.N.).
Da durch den Tod des Antragstellers zu 7 Erledigung in der Hauptsache
eingetreten ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Sachentscheidung des
Gerichts. Da die Beschwerde jedenfalls durch den Tod des Antragstellers zu 7
unzulässig geworden ist, kann es der Senat dahinstehen lassen, ob § 67 Abs. 9
HBO auch dem Schutz solcher Nachbarn dient, die lediglich Wohnungsmieter sind.
Die Antragsteller zu 7 a), b) und c) hätten die Möglichkeit gehabt, die Beschwerde
zurückzunehmen oder das Verfahren für erledigt zu erklären. Eine derartige, daß
Verfahren beendende Erklärung, haben sie nicht abgegeben. Deshalb ist die
Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159, 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO,
100 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, die im Beschwerdeverfahren angefallenen
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil
sie, die Beigeladenen, im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und das
Verfahren durch sachdienliche, schriftsätzliche Äußerungen gefördert haben.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3, 25
GKG. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte legt der Senat den einfachen
Hilfsstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (6.000,-- DM) als Hauptsachestreitwert
zugrunde, wovon gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats im
Eilverfahren 2/3 festgesetzt werden, was den Streitwert von 4.000,-- DM ergibt.
Hinweis: Der Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2
Abs. 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.