Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.08.2008

OVG Berlin-Brandenburg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, überwiegendes öffentliches interesse, aufschiebende wirkung, agent, vollziehung, amt, berufsausbildung, link, sammlung, quelle

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 6 S 35.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 4 S 2 PostPersRG, § 2 S
1 LAP-TelekomV 2004, § 4 Abs
2 LAP-TelekomV 2004, § 80 Abs
5 VwGO
Zuweisung einer Tätigkeit als Service Center Agent für Beamten
des mittleren Dienstes
Leitsatz
Zur Zuweisung einer Tätigkeit als Service Center Agent bei der VCS an einen Technischen
Fernmeldehauptsekretär, Amtsangemessenheit
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 14. August 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Technischer Fernmeldehauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8) bei
der Deutschen Telekom AG. Die Antragsgegnerin beabsichtigte, ihm dauerhaft eine
Tätigkeit bei der Vivento Customer Services GmbH (VCS) zuzuweisen; der Antragsteller
sollte dort als Service Center Agent (früher: Call Center Agent) beschäftigt werden.
Nachdem der Betriebsrat hierzu seine Zustimmung verweigert hatte, wies die
Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 14. Februar 2008 vorübergehend
mit Wirkung vom 18. Februar bis zum 18. November 2008 eine Tätigkeit als Service
Center Agent bei der VCS zu und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheides
an. Der Antragsteller legte Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Auf
seinen Antrag hin hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 14. August 2008
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Februar 2008
wiederhergestellt. Mit Schreiben vom 6. November 2008 hat die Antragsgegnerin dem
Antragsteller mitgeteilt, dass die vorläufige Zuweisung verlängert werde, weil das
Einigungsstellenverfahren noch nicht abgeschlossen sei.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. August 2008 ist nach dem für die Prüfung des
Senats maßgeblichen Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) unbegründet. Das Aussetzungsinteresse des
Antragstellers überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der
vorläufigen Zuweisung.
Nach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nur
gebotener und wegen der besonderen Eilbedürftigkeit auch nur möglicher summarischer
Prüfung bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuweisungsverfügung.
Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 des Postpersonalrechtsgesetzes (PostPersRG) setzt die ohne
Zustimmung des betroffenen Beamten erfolgende Zuweisung einer Tätigkeit bei einem
Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG unter anderem voraus, dass die
zugewiesene Tätigkeit dessen statusrechtlichem Amt entspricht. Wie das
Verwaltungsgericht ausgeführt hat, bestehen aber Bedenken dagegen, dass dem
Antragsteller bei der VCS mit der Tätigkeit als Service Center Agent eine
amtsangemessene Aufgabe zugewiesen worden ist.
Es ist fraglich, ob die Tätigkeit eines Service Center Agenten dem Amt eines
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Es ist fraglich, ob die Tätigkeit eines Service Center Agenten dem Amt eines
Angehörigen des mittleren fernmeldetechnischen Dienstes angemessen ist. Hierbei
handelt es sich um eine eigene Laufbahn. Gemäß § 2 Satz 1 der Verordnung über die
Laufbahnen, Ausbildung und Prüfung für die bei der Deutschen Telekom AG (LAP-
TelekomV) gelten für die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamtinnen und
Beamten die zuvor bei der Deutschen Bundespost vorhandenen Laufbahnen als
eingerichtet. Wie der Ausbildungs-, Prüfungs- und Laufbahnordnung für den einfachen
und mittleren fernmeldetechnischen Dienst (APLO) vom 26. November 1991 zu
entnehmen ist, war die Laufbahn des mittleren fernmeldetechnischen Dienstes bei der
Deutschen Bundespost Telekom eingerichtet. Dem entsprechend benennt § 4 Abs. 2
LAP-TelekomV die Dienst- und Amtsbezeichnungen - unter anderem - der Laufbahn des
mittleren fernmeldetechnischen Dienstes. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass
der Aufgabenkreis eines Service Center Agenten dem abstrakt-funktionellen Amt eines
technischen Fernmeldehauptsekretärs nicht entspreche, denn Schwerpunkt der Tätigkeit
stelle die telefonische Auskunft und Beratung dar, wobei die Aufgaben vor allem in der
Entgegennahme von Kundenanrufen, etwa bei Rechnungseinwendungen von
Privatkunden, Auskünften an Drittverkäufer von Telekomprodukten und Weiterleitung von
eingegangenen Aufträgen an die Fachdienststellen bestünden; der erforderliche Bezug
zu einer technischen Tätigkeit bzw. zur Laufbahnbefähigung des Antragstellers fehle.
Soweit die Antragsgegnerin hiergegen einwendet, dass es bei der Deutschen Telekom
AG und auch bei der Deutschen Bundespost keine strikte Trennung zwischen
technischem und nichttechnischem Dienst gegeben habe und viele Dienstposten mit
Angehörigen beider Laufbahnen hätten besetzt werden können, vermag der Senat dies
im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht aufzuklären. Hierzu sind
weitergehende Ermittlungen notwendig, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten
bleiben müssen.
Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Tätigkeit eines Service
Center Agenten grundsätzlich amtsangemessen für einen Beamten des mittleren
Dienstes der Besoldungsgruppe A 8 ist. Wie der von der Antragsgegnerin vorgelegten
Checkliste „Konzerninterne/Konzernexterne Zuweisung“ zu entnehmen ist, erfordert die
Tätigkeit eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie zusätzlich ein völlig selbständiges
und eigenverantwortliches Arbeiten, erfüllt mithin die Anforderungsprofile „B“ und „B+“.
Der „Zuordnungsmatrix“ zufolge ist demnach eine Beschäftigung für Beamte des
mittleren Dienstes der Besoldungsgruppen A 6 bis A 9 amtsentsprechend möglich. Eine
derart undifferenzierte Zuordnung der Tätigkeit zu insgesamt vier Besoldungsgruppen
lässt aber nicht erkennen, dass die Wertigkeit der unterschiedlichen statusrechtlichen
Ämter angemessen berücksichtigt worden wäre (vgl. auch § 18 BBesG).
Die Bewertung der Checkliste steht außerdem im Widerspruch zu der
Aufgabenbeschreibung, die dem Antragsteller im Zug seiner Anhörung zu der geplanten
Zuweisung übersandt wurde. Hiernach erfordert die Tätigkeit des Service Center
Agenten weder eine Ausbildung noch Berufserfahrung; das funktionsspezifische
Fachwissen wird in ein bis zwei Monaten vermittelt und umfasst lediglich ausgeprägte
Kommunikationsfähigkeiten, Serviceorientierung und PC-Kenntnisse. Dieser
Aufgabenbeschreibung zufolge handelt es sich um eine reine Anlerntätigkeit. Eine solche
ist nicht angemessen für einen Beamten des mittleren Dienstes, der als
Einstellungsvoraussetzung einen Realschulabschluss oder eine abgeschlossene
Berufsausbildung - im Falle des fernmeldetechnischen Dienstes einen
Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Ausbildung zum
Kommunikationselektroniker oder in einem artverwandten Elektronikberuf - vorweisen
musste und einen Vorbereitungsdienst sowie eine (Laufbahn-)Prüfung absolviert hat (vgl.
§ 17 BBG bzw. § 2, § 3 Nr. 1 APLO). Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass die
Aufgabenbeschreibung missverständlich und unvollständig sei, da tatsächlich von
externen Bewerbern jedenfalls ein Schulabschluss oder ein gleichwertiger Bildungsstand
verlangt werde, was auch zum Zugang zu einer Laufbahn des mittleren Dienstes
berechtigen würde, würde dies die insbesondere in §§ 2 und 3 APLO aufgeführten
Voraussetzungen nicht abdecken.
Bei dieser Sachlage besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen
Vollziehung der Zuweisung. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung des
Vollzugsinteresses im Wesentlichen auf ihre Verpflichtung verwiesen, den
Rechtsanspruch der bei ihr beschäftigten Beamten auf eine Tätigkeit zu erfüllen. Dieses
Interesse vermag indes die sofortige Vollziehung einer Zuweisungsverfügung, bei der
gerade zweifelhaft ist, ob der Rechtsanspruch des Antragstellers tatsächlich erfüllt wird,
nicht zu rechtfertigen. Das Argument, dass die dem Antragsteller zugewiesene Tätigkeit
bei vorübergehender Aussetzung der Zuweisung durch anderweit zu rekrutierendes
Personal erfüllt werden müsse, was zu zusätzlichen finanziellen Belastungen führe, hat
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Personal erfüllt werden müsse, was zu zusätzlichen finanziellen Belastungen führe, hat
die Antragsgegnerin weder in dem angefochtenen Bescheid noch in ihrem gerichtlichen
Vortrag substantiiert. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung des
Sofortvollzuges des Weiteren ausgeführt hat, dass eine Möglichkeit, den Antragsteller
bei der VCS zu beschäftigen, nur „aktuell und nur zur Zeit“ bestehe, steht dies in
Widerspruch zu dem Umstand, dass der Antragsteller letztlich nicht nur vorübergehend,
sondern auf Dauer der VCS zugewiesen werden soll, mithin eine dauerhafte Möglichkeit
bestehen muss, ihn dort zu beschäftigen. Demgemäß ist auch nicht ersichtlich, dass bei
Abwarten von Widerspruchs- und Klageverfahren „die gesamte Zuweisungsmaßnahme
gefährdet“ wäre.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Wegen der mit der erstrebten
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf die Befristung der
Maßnahme faktisch einhergehenden Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Halbierung
des Auffangstreitwertes nicht angezeigt (vgl. Streitwertkatalog 2004, Nr. 1.5. Satz 2,
NVwZ 2004, 1327).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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