Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017
OVG Berlin-Brandenburg: grundsatz der spezialität, programm, mitwirkungsrecht, begriff, mitbestimmungsrecht, verfügung, software, hebung, erleichterung, anhörung
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 60 PV 6.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 81 Abs 2 PersVG BE, § 85
Abs 1 S 1 Nr 13 PersVG BE,
§ 85 Abs 2 Nr 2 PersVG BE, §
85 Abs 2 Nr 8 PersVG BE, §
85 Abs 2 Nr 9 PersVG BE
Verdrängung der Mitbestimmung bei der Einführung und
Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind,
das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu
überwachen durch die gleichzeitig bestehende Mitwirkung bei
der Einführung grundlegender neuer Arbeitsmethoden
Leitsatz
Das schwächere Mitwirkungsrecht aus § 90 Nr. 3 PersVG BE verdrängt die eingeschränkten
Mitbestimmungsrechte aus § 85 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 9 PersVG BE bei der Übernahme der
Verfahren des EOSS-Verbundes zur Automationsunterstützung im Besteuerungsverfahren
nach dem Verwaltungsabkommen der Länder aus dem Jahre 2002.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 27. Mai 2008 geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Im Streit ist, ob der Austausch von Programmen der Informations- und
Kommunikationstechnik (IuK) in der Berliner Finanzverwaltung im Rahmen des
E
Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.
Das Land Berlin ist am 14. September 2005 dem Verwaltungsabkommen 2002 zur
Bildung des bislang von zehn Bundesländern getragenen EOSS-Verbundes beigetreten
(Kooperationsvertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
Automationsunterstützung im Besteuerungsverfahren). Darin verpflichten sich die
Vertragsländer, zur Vorbereitung bundeseinheitlicher Programme in der
Steuerverwaltung die in den beteiligten Ländern zur Automationsunterstützung
eingesetzten Verfahren arbeitsteilig zu pflegen, den sich verändernden Bedingungen
anzupassen, zu verbessern und langfristig insbesondere unter
Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zu entwickeln. Es wird der Einsatz einheitlicher
Systemplattformen mit einheitlichen Strukturen und Softwareprogrammen angestrebt.
Dazu werden Programme und Module von den beteiligten Ländern an bestimmten
Standorten entwickelt und nach einem Funktionstest zur Übernahme durch die anderen
Vertragsländer freigegeben. Das nach dreijähriger Vertragslaufzeit beigetretene Land
Berlin musste, um den in den anderen Vertragsländern erreichten Stand der
Vereinheitlichung zu erreichen, die bereits im Rahmen von EOSS entwickelten
Programme und Systeme übernehmen. Dazu gehört neben dem Austausch des
Hauptrechner-Betriebssystems und anderer im Hintergrund ablaufender Programme der
Austausch von Programmen mit unmittelbarer Auswirkung auf die Tätigkeit der
Steuersachbearbeiter. Zu diesen Programmen gehören vor allem eine neue einheitliche
Uni
Sachbearbeiterfunktionen am Arbeitsplatz unterstützt, sowie darauf abgestimmte
Programme, wie z.B. das UNIFA-Verfahren für Stundung, Vollziehungsaussetzung und
Erlass (StEAV), das UNIFA-E-Mail-Programm, das Programm EOSS-AUSTER zur
Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, das Programm Bescheidauskunft
anstelle der bisher verwendeten elektronischen Steuerakte (eStA), das FachInfo-System
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anstelle der bisher verwendeten elektronischen Steuerakte (eStA), das FachInfo-System
A
und Grundsteuerfestsetzungsverfahren und für die Zusammenarbeit mit den
A
eschäftsstellen).
Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 übersandte der Beteiligte dem Antragsteller eine
Vorlage im Rahmen des Mitwirkungsrechts nach § 90 Nr. 3 PersVG Berlin mit der Bitte
um Zustimmung zur Einführung der Anwendungen des EOSS-Verbundes ab 1. Juli 2007
bzw. 1. Januar 2008. Die Berliner Steuerverwaltung werde die sogenannten
Pflichtverfahren des EOSS-Verbundes, die derzeit verfügbar seien und deren
Einzelheiten sich aus einer Übersicht in der Anlage ergäben, übernehmen und ihre
eigenen Verfahren insoweit aufgeben; nur einige der bisher im Land Berlin verwendeten
Programme blieben erhalten. Zur Einweisung der Mitarbeiter, die schätzungsweise einen
zeitlichen Aufwand von jeweils ein bis zwei Tagen erfordere, würden Mitarbeiter der
Finanzämter als Multiplikatoren eingesetzt.
Mit Schreiben vom 1. März 2007 machte der Antragsteller die Mitbestimmungsrechte
aus § 85 Abs. 1 Nr. 13 lit. b, Abs. 2 Nr. 2, 8, 9 und 10 PersVG Berlin geltend. Es handele
sich bei der Übernahme von EOSS um die Einführung grundlegend neuer
Arbeitsmethoden, jedenfalls aber um eine wesentliche Änderung bzw. Ausweitung neuer
Arbeitsmethoden im Rahmen der IuK-Technik, mit der eine wesentliche Ausweitung der
betrieblichen IuK-Netze einhergehe und die eine Kontrolle der Arbeitsleistung
ermögliche. Durch den Ausfall der 220 zur Schulung freigestellten künftigen
Multiplikatoren sei eine Hebung der Arbeitsleistung bei den verbleibenden Mitarbeitern
zu besorgen, die die Arbeit der ausfallenden Kollegen übernehmen müssten. Die
Mitbestimmungsrechte bestünden unabhängig von dem Mitwirkungsrecht nach § 90 Nr.
3 PersVG Berlin.
Der Beteiligte widersprach dem Mitbestimmungsbegehren und führte unter dem 30.
März 2007 gegenüber dem Antragsteller aus, in keinem Programm stünden Werkzeuge
zur Verfügung, die eine gezielte Auswertung zur Leistungskontrolle ermöglichten, auch
wenn bisher schon alle Zeitpunkte einer automationsgestützten Bearbeitung
aufgezeichnet würden. Es seien keine Programme bekannt, mit denen eine maschinelle
Erfassung bzw. Auswertung von Personendaten oder Fallzahlen möglich sei. Mit der
Auswechselung der Software ändere sich die Benutzeroberfläche, d.h. das Arbeitsmittel
und -verfahren, nicht aber die etablierte Arbeitsmethode der EDV-gestützten
Fallbearbeitung. Als grundlegende Änderung des Arbeitsverfahrens unterliege die
Maßnahme lediglich dem Mitwirkungstatbestand des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin, der ein
etwaiges Mitbestimmungsrecht verdränge.
Daraufhin hat der Antragsteller am 13. Juli 2007 das personalvertretungsrechtliche
Beschlussverfahren eingeleitet und beantragt
festzustellen, dass die gemäß Beteiligungsvorlage der Senatsverwaltung für
Finanzen vom 12. Februar 2007 vorgesehene Einführung der Verfahren des
sogenannten EOSS-Verbundes in der Berliner Finanzverwaltung seiner Mitbestimmung
unterliegt.
Zur Begründung hat er vorgetragen: Würden bei der Einführung grundlegend neuer
Arbeitsmethoden auch Maßnahmen getroffen, die mitbestimmungspflichtige
Tatbestände beträfen, würden die stärkeren Mitbestimmungsrechte nicht durch das
schwächere Mitwirkungsrecht verdrängt. Der Begriff der Arbeitsmethode erfasse auch
die Auswahl der Programme und der Geräte, durch die bestimmte Arbeitsmethoden
vorgegeben oder beeinflusst würden. Dass es sich bei der Einführung der EOSS-
Verfahren um eine wesentliche Änderung bzw. Ausweitung neuer Arbeitsmethoden
handele, sei u.a. daraus zu entnehmen, dass ca. 220 sogenannte Multiplikatoren in der
sicheren Anwendung der EOSS-Verfahren geschult würden. Darüber hinaus ermögliche
das Programm ACUSTIG den Zugriff auf Daten zur Kontrolle des Arbeitsverhaltens der
Beschäftigten.
Der Beteiligte hat zur Begründung seines Zurückweisungsantrags entgegengehalten, die
Einführung der EOSS-Verfahren diene weder der Hebung der Arbeitsleistung noch der
Erleichterung des Arbeitsablaufs, sondern der Vereinheitlichung der in den
Bundesländern eingesetzten IT-Programme bei der Automationsunterstützung im
Besteuerungsverfahren. Die Beanspruchung der Dienstkräfte verändere sich nicht. Die
Ziele des Kooperationsvertrages bezögen sich auf eine Entwicklung der IT-Verfahren und
nicht auf eine Rationalisierung in den einzelnen Berliner Finanzämtern. Auch bleibe die
bisherige Arbeitsmethode unverändert. An der Konzeption der Bearbeitung der
eingehenden Steueranmeldungen, Steuererklärungen und Kassenvorgänge mittels der
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eingehenden Steueranmeldungen, Steuererklärungen und Kassenvorgänge mittels der
zur Verfügung stehenden Informationstechnik ändere sich nichts. Es würden lediglich
organisatorische Abläufe an die durch den EOSS-Verbund vorgegebenen
Rahmenbedingungen angepasst. Diese Anpassungen führten aber nicht zu einer
Abweichung von der bisherigen Arbeitsmethode im Steuerverfahren. Die Arbeitsschritte
blieben dieselben, nur der Weg, diese Schritte auszuführen, sei ein anderer. Diese
Änderungen wirkten sich aber auf den vom Gesetz intendierten Schutz der
Beschäftigten vor körperlicher und geistiger Überlastung bzw. Überforderung nicht aus.
Die geistige Belastung der Dienstkräfte durch die EOSS-Verfahren sei in der
Einführungsphase nur geringfügig höher als in der bisherigen Routine. Die Programme
könnten nicht als Einzelmaßnahmen betrachtet werden; es handele sich um sogenannte
Pflichtprogramme, zu deren Einführung das Land Berlin nach dem Beitritt zum EOSS-
Verbund verpflichtet sei. Außerdem seien die einzelnen Programme aufeinander
abgestimmt und könnten nicht einzeln herausgelöst werden. Sollten entgegen seiner
Annahme doch Mitbestimmungsrechte eröffnet sein, würden sie durch das schwächere
Mitwirkungsrecht aus § 90 Nr. 3 PersVG Berlin verdrängt. In dieser Regelung komme zum
Ausdruck, welche autonomen Rechte der Gesetzgeber als demokratisch legitimierte
Staatsgewalt der Verwaltung geben und der Mitbestimmung vorenthalten wolle. Der
Gesetzgeber habe hier den Mitwirkungstatbestand bewusst so weit und umfassend
formuliert, um die Verwaltung in solchen für ihre Aufgabenerfüllung strategisch
besonders relevanten Organisationsentscheidungen von einer mitbestimmenden
Beteiligung des Personalrats freizustellen. Der Anspruch der Gewährleistung der
Funktionsfähigkeit der Verwaltung erhalte insoweit Vorrang.
Mit Beschluss vom 27. Mai 2008hat das Verwaltungsgericht Berlin dem Antrag
entsprochen und zur Begründung ausgeführt, die Einführung der EOSS-Verfahren
unterliege der nach § 81 Abs. 2 PersVG Berlin eingeschränkten Mitbestimmung nach §
85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin. Die Feststellung könne auch nach Einführung der in Rede
stehenden Verfahren am 1. Januar 2008 noch getroffen werden, weil die Maßnahme
rückgängig gemacht werden könne. Es handele sich um eine wesentliche Änderung
neuer Arbeitsmethoden im Rahmen der IuK-Technik. Die Arbeitsmethode sei ein
Teilaspekt des Arbeitsablaufs. Im Rahmen der IuK-Technik würden Arbeitsabläufe
maßgeblich durch die jeweils zur Verfügung gestellten Programme, deren
Handhabbarkeit, Eingabe-, Abfrage- und Speichermöglichkeit sowie die Art der
(Bildschirm-)Darstellung für den Anwender geprägt. Die Arbeitsmethode werde daher
nicht nur durch die Hardware, sondern in zumindest gleichem Maße durch die Software
geprägt. Da die Änderung bzw. der Austausch von Anwendungen im Rahmen der IuK-
Technik typischerweise Einfluss auf die geistig-psychische Belastung der Anwender habe,
habe es der Gesetzgeber für geboten erachtet, alle nicht nur unwesentlichen
Änderungen der für die Arbeitsmethode maßgeblichen Software für die dienstliche
Aufgabenerfüllung der Mitbestimmung zu unterwerfen, um eine kollektive
Interessenwahrnehmung durch die Personalvertretung zur Überprüfung der
Auswirkungen derartiger Änderungen einzurichten. Dass es sich hier bei der Maßnahme
insgesamt um eine wesentliche Änderung handele, folge indiziell bereits daraus, dass
der Beteiligte sie selbst als grundlegende Änderung des Arbeitsverfahrens qualifiziert
habe. Wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsmethode und
Arbeitsverfahren liege es nahe, dass es sich hierbei auch um eine wesentliche Änderung
der Arbeitsmethode handele. Auch die Vielzahl der Änderungen bei den einzelnen
Anwendungsprogrammen einschließlich des Zugriffs und des Speicherns indiziere eine
wesentliche Änderung. Der vom Beteiligten selbst für notwendig befundene erhebliche
Schulungsaufwand bestätige diese Wertung. Der Mitbestimmungstatbestand des § 85
Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin werde nicht durch das schwächere Mitwirkungsrecht aus § 90
Nr. 3 PersVG Berlin verdrängt. Wegen der offensichtlichen Spezialität der vom
Gesetzgeber nachträglich im Jahre 1992 in das Gesetz eingefügten Vorschrift des § 85
Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin bestehe kein mit diesem gesetzessystematischen Verhältnis
beider Vorschriften zu vereinbarender Grund für die Annahme, dass bei wesentlichen
Änderungen der Arbeitsmethode, die zu einer grundlegenden Änderung des
Arbeitsverfahrens führten, ein einschlägiger Mitbestimmungstatbestand verdrängt
würde. Da auch die Mitbestimmungstatbestände des § 85 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2, 8 und Nr.
10 PersVG unter der Einschränkung des § 81 Abs. 2 PersVG stünden, fehle es für eine
gesonderte Feststellung insoweit am Feststellungsinteresse. Allerdings spreche nichts
dafür, dass der Beteiligte mit der Einführung der EOSS-Verfahren eine Hebung der
Arbeitsleistung oder eine Erleichterung des Arbeitsablaufs beabsichtige (§ 85 Abs. 2 Nr.
2 PersVG Berlin). Nicht einschlägig sei der - von der Einschränkung des § 81 Abs. 2
PersVG Berlin nicht erfasste - Tatbestand des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 lit. b PersVG
Berlin. Denn der Beteiligte habe in der mündlichen Anhörung dargetan, dass das
Programm ACUSTIG nicht geeignet sei, über die bisherige Art und Weise hinausgehend
der Verhaltens- bzw. Leistungskontrolle der Beschäftigte dienende Daten zu speichern.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, zu deren Begründung er vorträgt,
die Maßnahme sei erledigt, nachdem die Berliner Finanzverwaltung die Verfahren des
EOSS-Verbundes zum 1. Januar 2008 übernommen habe, was mit dem Austausch
zahlreicher bislang verwendeter IT-Programme verbunden gewesen und technisch nicht
rückgängig zu machen sei. Die EOSS-Verfahren seien nur auf der neu angeschafften
Hauptrechnerplattform und den neu beschafften Servern ablauffähig, die alte
Hardwareinfrastruktur stehe nicht mehr zur Verfügung. Da der alte Festsetzungsverbund
der Bundesländer nicht mehr existiere, sei die Weiterentwicklung und Pflege der
bisherigen Automationsverfahren dem Land Berlin allein nicht möglich. Die Entscheidung
des Verwaltungsgerichts sei aber auch in der Sache falsch: Die Fachkammer gehe von
einem zu engen Verständnis des Begriffs der Arbeitsmethode aus, indem es lediglich
den Arbeitsablauf und auch diesen nur innerhalb eines der Arbeitsmittel
(Softwareanwendung) betrachte. Das Modell, d.h. der methodische Weg ändere sich
nicht zwangsläufig allein dadurch, dass Personen, Geräte oder Sachmittel ausgetauscht
oder verändert würden, sondern nur dann, wenn die zugrundeliegende Arbeitsmethode
einen bestimmten Umfang des Einsatzes von Personen, Sachmitteln und Geräten
vorsehe und sich deren Verhältnis zueinander maßgeblich verschiebe. Das sei hier indes
nicht der Fall. Die in Rede stehende Software sei lediglich ein nach der Arbeitsmethode,
also in dem Modell, vorgesehenes Arbeitsmittel, nicht aber das Modell selbst. Das Modell
bestimme zwar den Einsatzumfang dieses Arbeitsmittels im Gesamtgefüge der
Aufgabenerledigung, nicht jedoch die Abläufe dieses Betriebsmittels und auch nicht
seine Bedienung und Anwendung. Im Übrigen sei die Kammer in Bezug auf die
Auswirkungen der Programmänderungen von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen.
Entgegen der Vermutung des Gerichts würden keine übermäßigen
Anpassungsschwierigkeiten auftreten. Die Hinweise auf den Schulungsaufwand der
Dienstkräfte und auf den Einsatz von 220 Multiplikatoren sagten nichts darüber aus, ob
der Erwerb der notwendigen Kenntnisse schwierig sei oder nicht. Der Personalbedarf
werde nach bundeseinheitlichen Mustern berechnet, die auch die jeweils zur Verfügung
stehende Automationsunterstützung berücksichtigten. Bei den bisher durchgeführten
Personalbedarfsberechnungen seien die steuerlichen Automationsverfahren des EOSS-
Verbundes und die bis zum 1. Januar 2008 in Berlin eingesetzt gewesenen steuerlichen
Automationsverfahren gleich bewertet worden. Schlussendlich betreffe die Änderung
keine „neue“ Arbeitsmethode; das automationsgestützte Verfahren, um dessen
Änderung es gehe, werde vielmehr schon seit Jahrzehnten in den Bundesländern
einschließlich Berlins eingesetzt. Abgesehen davon könne der Antrag von vornherein
keinen Erfolg (mehr) haben, nachdem der Gesetzgeber § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin
im Juli 2008 dahingehend geändert habe, dass die Änderung der IuK-Technik nur
mitbestimmungspflichtig sei, wenn sie aufgrund ihres Umfangs einer Einführung
vergleichbar sei; diese angehobene Erheblichkeitsschwelle werde durch den Umfang der
Änderungen nicht erreicht. Anders als das Verwaltungsgericht meine, werde ein etwaiges
Mitbestimmungsrecht aus § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin durch das Mitwirkungsrecht
aus § 90 Nr. 3 PersVG Berlin verdrängt. Das folge aus der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und aus dem Willen des Gesetzgebers, den
verfassungsrechtlichen Beschränkungen des Mitbestimmungsrechts Rechnung tragen
zu wollen. Der Mitbestimmungstatbestand des § 85 Abs. 2 Nr. 10 PersVG Berlin sei nicht
gegeben. Mit den EOSS-Verfahren werde das bestehende Informations- und
Dokumentationsnetz weder wesentlich geändert noch wesentlich ausgeweitet, schon gar
nicht in einem mit der Einführung eines solchen Netzes vergleichbaren Umfang. Das
Nichtvorliegen der Mitbestimmungstatbestände des § 85 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 1
Nr. 13 PersVG Berlin habe das VG zutreffend erkannt.
Der Beteiligte beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Mai 2008 zu ändern und
den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
Er verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts und trägt ergänzend vor, die
Maßnahme könne durchaus rückgängig gemacht werden; Wirtschaftlichkeitserwägungen
beseitigten das Rechtsschutzinteresse nicht. Die Einführung der bundesweiten EOSS-
Verfahren bleibe auch nach Änderung der Vorschriften des Berliner
Personalvertretungsgesetzes mitbestimmungspflichtig. Die Umstellung auf EOSS habe
zu einem signifikant höheren persönlichen Einsatz eines jeden Anwenders geführt, weil
das gesamte IT-System ausgetauscht und etliche Anwendungen erstmalig eingesetzt
worden seien. So hätten Mitarbeiter in mehrtägigen Schulungen von Multiplikatoren nach
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worden seien. So hätten Mitarbeiter in mehrtägigen Schulungen von Multiplikatoren nach
Einführung des EOSS-AUSTER-Verfahrens zur Festsetzung der Erbschafts- und
Schenkungssteuer ausführlich unterrichtet werden müssen. Das neue UNIFA-E-Mail-
Programm erfordere einen höheren Arbeitsaufwand. Zur Anwendung des völlig neuen
UNIFA-StEAV-Programms habe die Senatsverwaltung eine 14-seitige Anleitung erstellt.
Die Anleitung für die neuen Programme Einheitsbewertungs- und
Grundsteuerfestsetzungsverfahren umfasse 103 Seiten. Dafür würden die Anwender in
den Grundsteuer- und Bewertungsstellen umfangreich geschult. Das neue FachInfo-
System AIS habe eine andere Benutzeroberfläche sowie eine andere Gliederung und
Struktur der Informationsablage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Einführung der Verfahren des sogenannten EOSS-
Verbundes in der Berliner Finanzverwaltung zu Unrecht als mitbestimmungspflichtig
angesehen.
A.
Beanstandungsfrei ist die Fachkammer allerdings von der Zulässigkeit des „konkreten“
Feststellungsantrags des Antragstellers auch nach Einführung der EOSS-Verfahren
ausgegangen.
Gegenstand des Antrags ist die Einführung der in der Vorlage vom 12. Februar 2007
bezeichneten EOSS-Verfahren als ein einheitliches, nicht in einzelne Bestandteile
aufteilbares Gesamtpaket mit der Folge, dass ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des
Antragstellers sich auf die Maßnahme als ganzes auch dann bezieht, wenn nur
bestimmte Teile der Maßname einen einschlägigen Mitbestimmungstatbestand erfüllen
sollten.
Dem Antragsteller fehlt nicht das Feststellungsinteresse für seinen Antrag. Zwar ist mit
dem Austausch der in Rede stehenden IT-Programme am 1. Januar 2008 die Maßnahme
vollzogen. Dadurch ist das Feststellungsinteresse indessen nicht entfallen. Denn eine
personalvertretungsrechtlich relevante Maßnahme erledigt sich mit ihrem Vollzug nicht,
wenn sie fortwirkt und mindestens für die Zukunft geändert oder rückgängig gemacht
werden kann. Hat die Dienststelle eine fortwirkende Maßnahme unter Missachtung von
Mitbestimmungsrechten getroffen und in Vollzug gesetzt, so ist sie objektiv-rechtlich
verpflichtet, die Maßnahme entweder rückgängig zu machen oder unverzüglich das
Mitbestimmungsverfahren in Gang zu setzen (vgl. Beschlüsse des
Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 2009 - BVerwG 6 P 2.08 -, Juris Rn. 11 und
vom 23. August 2007 - BVerwG 6 P 7.06 -, Juris Rn. 10 ff.).
1. Die vom Beteiligten verfügte Übernahme der EOSS-Verfahren könnte, soweit das
Ergebnis eines nachzuholenden Mitbestimmungsverfahrens dies gebieten würde, als
solche geändert oder rückgängig gemacht werden. Jedenfalls für die Zukunft kann die
Übernahme außer Vollzug gesetzt und der vorherige Zustand durch Rückkehr zu den vor
der Übernahme der EOSS-Verfahren verwendeten Programmen wiederhergestellt
werden; soweit in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis heute die neuen Verfahren
angewendet worden sind, ist ein „Rückgängigmachen“ zwar nicht möglich, was allerdings
am fortbestehenden Feststellungsinteresse als solchem nichts ändert, wohl aber am
maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (dazu unter 2).
Der Beteiligte vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Maßnahme
technisch unumkehrbar ist. Es mag zutreffen, dass die EOSS-Verfahren nur auf einer
neu angeschafften Hauptrechnerplattform und in ebenfalls neu angeschafften Servern
ablauffähig sind und die alte Hardwareinfrastruktur für die bis zum Umstieg eingesetzten
Verfahren nicht mehr zur Verfügung steht. Eine Erklärung dafür, weshalb nicht durch
Wiederinbetriebnahme oder Wiederbeschaffung der alten Hardware- und Systemstruktur
eine Rückkehr zu den ehemals verwendeten Programmen technisch möglich sein sollte,
ist der Beteiligte schuldig geblieben. Vielmehr haben seine Mitarbeiter aus dem
Fachreferat Automation in der Steuerabteilung auf Befragen in der mündlichen
Anhörung eingeräumt, dass ein solcher Rückbau zwar technisch aufwendig, aber möglich
ist.
Ein Rückgängigmachen der Maßnahme ist auch nicht dadurch tatsächlich unmöglich,
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Ein Rückgängigmachen der Maßnahme ist auch nicht dadurch tatsächlich unmöglich,
dass die personellen und finanziellen oder organisatorischen Kapazitäten nicht zur
Verfügung stünden, wie der Beteiligte unter Hinweis auf die in die Haushaltspläne des
Landes Berlin eingestellten EOSS-Mittel vorträgt. Es mag zutreffen, dass in die
Übernahme der EOSS-Verfahren seit dem Jahr 2006 insgesamt rd. 5,8 Mio. Euro
Haushaltsmittel investiert worden sind und die Rückkehr zu den alten Verfahren weitere
Haushaltsmittel erforderlich machen würde. Der Senat stimmt jedoch insoweit dem
Antragsteller zu, dass Wirtschaftlichkeitserwägungen grundsätzlich nicht geeignet sind,
das Feststellungsinteresse entfallen zu lassen.
Die Rückkehr zu den abgelösten IT-Verfahren ist auch nicht rechtlich unmöglich. Freilich
ist das Land Berlin an die sich aus dem Kooperationsvertrag für das Projekt EOSS
ergebenden Pflichten gegenüber den anderen beteiligten Bundesländern gebunden, zu
denen die Zusammenarbeit bei der Einführung der EOSS-Verfahren sowie deren Pflege,
Wartung und Weiterentwicklung gehört (vgl. u.a. Abs. 2 der Präambel und Nr. 1 Abs. 1
Satz 1 [„einheitlicher Verfahrensstand“]). Nr. 6 Abs. 1 des Vertrages sieht jedoch die
Möglichkeit der Kündigung des Abkommens vor. Denkbar wäre auch eine
einvernehmliche Vertragsänderung unter Berücksichtigung etwa im
Mitbestimmungsverfahren vereinbarter Änderungen der Übernahme von IT-Verfahren.
Jedenfalls stieße eine Änderung für die Zukunft nicht auf unüberwindliche
Schwierigkeiten.
2. Folge der Nachholbarkeit der etwa bestehenden Mitbestimmung ist hier zugleich, dass
das im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung anwendbare Recht gilt, insbesondere die
Mitbestimmungstatbestände des § 85 Abs. 2 Nr. 8 bis 10 in der Neufassung durch Art. I
Nr. 28 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes (7.
PersVGÄndG) vom 17. Juli 2008 (GVBl. S. 206). Die nachzuholende Mitbestimmung folgt
zwangsläufig den Regeln des neuen Rechts, weil der Dienststellenleiter im Falle einer
Aufhebung des einschlägigen Mitbestimmungstatbestandes die Maßnahme
mitbestimmungsfrei sofort wieder erlassen könnte. Die Feststellung eines infolge
Gesetzesänderung nicht mehr bestehenden Mitbestimmungsrechts brächte dem
Antragsteller keinen Vorteil (vgl. dazu Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
23. August 2007 - BVerwG 6 P 7.06 -, Juris Rn. 13).
B.
Der Antrag ist unbegründet. Die vom Antragsteller in Anspruch genommenen
Mitbestimmungsrechte aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 lit. b sowie aus § 85 Abs. 2 Nr. 8
und 10 PersVG Berlin bestehen nicht (1); das möglicherweise bestehende
Mitbestimmungsrecht aus § 85 Abs. 2 Nr. 2 und 9 PersVG Berlin wird durch den
Mitwirkungstatbestand nach § 90 Nr. 3 PersVG Berlin verdrängt (2).
1. Die Maßnahme unterliegt nicht der (uneingeschränkten) Mitbestimmung nach § 85
Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 lit. b PersVG Berlin in der Fassung des Art. I Nr. 28 lit. b 7.
PersVGÄndG. Danach bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch
Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von
Dienstvereinbarungen mit über Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen,
die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu
überwachen. Insoweit stimmt die Vorschrift mit der Fassung der Vorläuferregelung in §
85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 PersVG Berlin überein. Bei den im EOSS-Verbund
übernommenen neuen IT-Programmen handelt es sich um technische Einrichtungen; sie
sind jedoch nicht zur Überwachung der Beschäftigten bestimmt.
Bei der Anwendung des Merkmals „dazu bestimmt“ ist von einer objektiv-finalen
Betrachtungsweise auszugehen, d.h. es unterliegen diejenigen technischen
Einrichtungen der Mitbestimmung des Personalrats, die ihrer Konstruktion oder
konkreten Verwendungsweise nach eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der
Beschäftigten ermöglichen. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich danach auch
auf solche technischen Einrichtungen, die zur Überwachung lediglich objektiv geeignet
sind, ohne dass der Dienststellenleiter bei ihrer Einführung und Anwendung - subjektiv -
die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen (vgl. Beschluss des Senats vom 28.
Februar 2006 - OVG 60 PV 19.05 -, Juris Rn. 15, bestätigt durch Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2006 - BVerwG 6 PB 10.06 -, Juris Rn. 4).
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss (S. 16 EA) ausgeführt hat, hat
der Beteiligte in der mündlichen Anhörung dort plausibel und unwidersprochen
dargelegt, dass das zur Überprüfung der Zugriffsberechtigung der Dienstkräfte auf die
EOSS-Anwendungen eingeführte und lediglich mit dem speziell hierfür erarbeiteten
Modul ausgestattete Datenbankprogramm ACUSTIG nicht geeignet ist, der Verhaltens-
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Modul ausgestattete Datenbankprogramm ACUSTIG nicht geeignet ist, der Verhaltens-
und/oder Leistungskontrolle der Beschäftigten dienende Daten über die bisherige Art
und Weise hinausgehend zu speichern. Soweit Zugriffe oder Zugriffsverweigerungen der
Anwender gespeichert werden, erfolgt dies nur in der schon bisher üblichen Weise als
sog. log-Datei, d.h. außerhalb der genannten Datenbankanwendung. Der Antragsteller
ist dieser Erläuterung, die der Senat anhand einer erneuten Darstellung durch die
Vertreter des Fachreferats im Termin zur mündlichen Anhörung nachvollzogen hat, auch
im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Das Programm ACUSTIG
unterscheidet sich in Bezug auf die Zugriffsrechte von seinem Vorläufer nur insoweit, als
die Zugriffsrechte automatisch beim Programm- und Datenabruf berücksichtigt werden
und nicht durch Eingabe abgefragt werden. Das allerdings berührt nicht den
Schutzzweck des hier fraglichen Mitbestimmungstatbestandes einer Überwachung der
Beschäftigten. Dass, wie der Antragsteller anführt, das Programm ACUSTIG die
Möglichkeit einer darüber hinausgehenden Verwaltung von Daten einschließlich
Personaldaten beinhaltet, ist ohne Belang. Das Datenbankprogramm ist mit den dazu
benötigten Modulen derzeit unstreitig nicht ausgestattet; dass eine „Freischaltung“ zu
einem späteren Zeitpunkt technisch möglich wäre, genügt für die Erfüllung des
Mitbestimmungstatbestandes derzeit nicht. Denn das Merkmal „dazu bestimmt“
entfällt, wenn die technische Einrichtung nach ihrer Konstruktion überhaupt nicht zur
Überwachung geeignet ist oder es zur Überwachung einer - die Mitbestimmungspflicht
begründenden - wesentlichen technische Änderung bedarf (vgl. Beschluss des Senats
vom 28. Februar 2006, a.a.O., Juris Rn. 21).
Die Maßnahme unterliegt auch nicht der (durch das Letztentscheidungsrecht des Senats
von Berlin nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin eingeschränkten) Mitbestimmung.
Nach § 85 Abs. 2 Nr. 8 PersVG Berlin in der Fassung des Art. I Nr. 28 lit. c 7. PersVGÄndG
bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder
durch Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen
nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 mit über Einführung und Anwendung von automatisierter
Verarbeitung personenbezogener Daten der Dienstkräfte außerhalb von Besoldungs-,
Gehalts-, Lohn- und Versorgungsleistungen sowie die Änderung oder Erweiterung dieser
Verarbeitung, wenn sie aufgrund ihres Umfangs einer Einführung vergleichbar sind. Die
Einführung der EOSS-Verfahren dient der Vereinheitlichung der Automatisierung im
Besteuerungsverfahren und nicht der Einführung und Anwendung von automatisierter
Verarbeitung personenbezogener Daten der Dienstkräfte. Der entsprechenden
Feststellung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss (S. 15 EA), der
Beteiligte habe schlüssig dargetan, dass mit der Einführung der bezeichneten EOSS-
Verfahren eine Veränderung in Bezug auf die automatische Verarbeitung
personenbezogener Daten der Dienstkräfte nicht verbunden sei, ist der Antragsteller
nicht substantiiert entgegengetreten. Erst recht kann von einer Änderung in einem
Umfang, der der Einführung vergleichbar ist, nicht die Rede sein.
Nach § 85 Abs. 2 Nr. 10 PersVG Berlin in der Fassung des Art. I Nr. 28 lit. c 7.
PersVGÄndG bestimmt die Personalvertretung in gleicher Weise mit über Einführung
betrieblicher Informations- und Kommunikationsnetze sowie die Änderung oder
Ausweitung dieser Netze, wenn sie aufgrund ihres Umfangs einer Einführung
vergleichbar sind. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass durch die Übernahme der EOSS-
Programme das betriebliche IuK-Netz der Finanzämter umfänglich in einer Weise
geändert oder erweitert würde, dass dies einer Einführung eines solchen Netzes
vergleichbar wäre. Es ist bereits nichts dafür dargetan oder sonst ersichtlich, dass - wie
es das Merkmal der Änderung oder Ausweitung des unstreitig bereits vorhandenen IuK-
Netzes erfordern würde - etwa weitere Arbeitsplätze in das Netz einbezogen oder
weitere Verbindungsstellen zu außerhalb bestehenden Netzen geschaffen werden. Nicht
vom Begriff der Einführung oder Änderung des „Netzes“ erfasst wird die bloße
Erweiterung der Speicherkapazität oder Erhöhung des Umfangs der zu speichernden
Daten. „Netz“ bezeichnet das Verknüpfungssystem, nicht die Auslegung oder
Auslastung der Rechner. Erweiterungen des Informationssystems als solche werden ggf.
vom Tatbestand des § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin erfasst (dazu unten). Erst recht
wäre auch hier für eine der Einführung eines IuK-Netzes vergleichbare Änderung nichts
ersichtlich.
Die Maßnahme könnte allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen eines
Mitbestimmungsrechts aus § 85 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 9 PersVG Berlin erfüllen; in diesem
Fall würde es jedoch durch das schwächere Mitwirkungsrecht aus § 90 Nr. 3 PersVG
Berlin verdrängt.
Nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 PersVG Berlin bestimmt die Personalvertretung, soweit keine
Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch
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Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch
Abschluss von Dienstvereinbarungen nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 PersVG Berlin mit
bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des
Arbeitsablaufs.
Die Mitbestimmung bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung nach § 85 Abs. 2 Nr.
2, 1. Alt. PersVG Berlin erfasst alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Effektivität der
Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, also die Güte oder
Menge der zu leistenden Arbeit zu steigern. Mit Hebung der Arbeitsleistung ist die
erhöhte Inanspruchnahme der betroffenen Beschäftigten, zu der solche Maßnahmen
typischerweise führen, gemeint. Diese kann in gesteigerten körperlichen Anforderungen
oder in einer vermehrten geistig-psychischen Belastung bestehen. Der Tatbestand einer
Maßnahme zur Erleichterung des Arbeitsablaufs nach § 85 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. PersVG
Berlin nimmt in den Blick, dass die rationellere Gestaltung des Arbeitsprozesses
typischerweise zu einer höheren Beanspruchung der daran beteiligten Dienstkräfte führt.
Der Zweck beider Mitbestimmungsrechte besteht darin, die betroffenen Beschäftigten
vor Überlastung oder Überbeanspruchung zu schützen (vgl. Beschlüsse des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2008 - BVerwG 6 PB 15.07 -, Juris Rn. 5 ff. zu
vorangegangenem Beschluss des Senats vom 4. Juli 2007 - OVG 60 PV 3.06 -, Juris, und
vom 1. September 2004 - BVerwG 6 P 3.04 -, Juris Rn. 38).
Umfang und Zweck der Umstellung auf die EOSS-Verfahren sprechen dafür, dass, auf
die Dauer betrachtet, die rationellere Gestaltung des Arbeitsprozesses die Effektivität
der Fallbearbeitung steigert mit der beabsichtigten Folge einer arbeitszeitabhängigen
Leistungsverdichtung. Mag die vorübergehende Mehrbelastung für die Beschäftigten bei
der Einarbeitung in die geänderten Programme zunächst lediglich zu einer vom
Beteiligten hingenommenen zeitweiligen Verzögerung bei der Fallbearbeitung führen.
Die nach der Einarbeitungsphase erwartete Effektivitätssteigerung wird sich allerdings in
einer Steigerung der Zahl der zu bearbeitenden Steuerfälle ausdrücken. Dass sich
gegenwärtig die Effektivitätssteigerung (noch) nicht auf die Personalplanung ausgewirkt
hat, wie der Beteiligte vorträgt, mag zutreffen. Denkbar wäre, dass die
Leistungssteigerung zunächst zur Aufarbeitung aufgelaufener Rückstände genutzt wird.
Es widerspräche jedoch der Lebenserfahrung und dem Gebot der sparsamen
Mittelbewirtschaftung, wenn ein (öffentlicher) Arbeitgeber eine gewollte und erreichte
Effektivitätssteigerung auf Dauer betrachtet nicht zu einer arbeitszeitabhängigen
Steigerung der Arbeitsleistung nutzen würde. Dafür spricht nicht zuletzt das in der
Präambel des Kooperationsvertrages formulierte Ziel des Verwaltungsabkommens zu
EOSS, die in den Ländern eingesetzten Verfahren „…insbesondere unter
Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten“ zu entwickeln. Das Vorbringen des Beteiligten,
dieses Ziel des Kooperationsvertrages beziehe sich auf eine Entwicklung der IT-
Verfahren und nicht auf eine Rationalisierung in den einzelnen Berliner Finanzämtern,
erscheint wenig lebensnah.
Ob allerdings mit den Programmänderungen unausweichlich auch eine vermehrte
geistig-psychische Belastung bei den Beschäftigten einhergeht (vgl. dazu
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Juni 1997 - BVerwG 6 P 1.95 -, Juris Rn.
32) oder ob eine die Mitbestimmung ausschließende Kompensation an anderer Stelle
etwa in der Weise eintritt, dass durch die Verbesserung der Programme die
Fallbearbeitung vereinfacht wird, d.h. einem etwaigen geistig-psychischen Mehraufwand
bei der Programmanwendung eine Erleichterung durch bessere
Automationsunterstützung an anderer Stelle gegenübersteht, bedarf keiner
Entscheidung. Denn bei Eingreifen dieses Mitbestimmungstatbestandes wäre er durch
das Mitwirkungsrecht des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin verdrängt (dazu unter 2).
Nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin in der Fassung des Art. I Nr. 28 lit. c 7. PersVGÄndG
bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder
durch Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen
nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 mit über Einführung neuer Arbeitsmethoden im Rahmen
der IuK-Technik sowie die Änderung oder Ausweitung dieser Arbeitsmethoden, wenn sie
aufgrund ihres Umfangs einer Einführung vergleichbar sind.
Der Senat teilt die Würdigung der Fachkammer im angefochtenen Beschluss, dass die
Einführung der EOSS-Verfahren eine Änderung der Arbeitsmethoden im Rahmen der
IuK-Technik im Sinne von § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin darstellt, im Ergebnis und in der
Begründung (S. 10 ff. des EA). Die dagegen vorgebrachten Argumente des Beteiligten
verfangen nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen unter den Begriff der
„Arbeitsmethode“ die Regeln, die die Ausführungen des Arbeitsablaufs durch den
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„Arbeitsmethode“ die Regeln, die die Ausführungen des Arbeitsablaufs durch den
Menschen bei einem bestimmten Arbeitsverfahren betreffen. Sie besagen, in welcher Art
und Weise der Mensch bei der Ausführung des Arbeitsablaufs beteiligt sein soll bzw.
beteiligt ist. Die Arbeitsmethode, die von der vorgegebenen Aufgabenstellung ausgeht,
ist ein Teilaspekt des Arbeitsablaufs. Unter diesem versteht man die zeitliche und
räumliche Aufeinanderfolge von Arbeitsgängen zur Erzielung eines bestimmten
Arbeitsergebnisses. Es wird dabei geprüft, was in welcher Reihenfolge wann und wo zu
tun ist (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 1980 - BVerwG 6
P 35.78 - PersV 1980, S. 238, 240 zur Neuorganisation der Berliner Finanzämter [NOFÄ]
unter Bezugnahme auf Beschluss vom 15. Dezember 1978 - BVerwG 6 P 13.78 -
Buchholz 238.34 § 86 HmPersVG Nr. 1).
Dem Beteiligten ist einzuräumen, dass es sich bei den EOSS-Verfahren zunächst um
Arbeitsmittel handelt, d.h. um EDV-Werkzeuge zur Unterstützung des
Besteuerungsverfahrens, und dass der Begriff der „Arbeitsmethode“ die „Konzeption“
der Arbeit und (zunächst) nicht das einzelne Arbeitsmittel erfasst. Andererseits greift der
Ansatz des Beteiligten, der Einsatz bestimmter IT-Programme ändere nichts an der
Methode, wie Steuerfälle zu behandeln seien, zu kurz. Denn damit verwechselt er die
Methode mit der Aufgabenerfüllung, die das Ziel, aber nicht die Methode beschreibt.
Das Arbeitsmittel der elektronischen Datenverarbeitung lässt sich durchaus als Teil der
Methode des Besteuerungsverfahrens auffassen. Die Arbeitsmethode ist nach der oben
gegebenen Definition ein Teilaspekt des Arbeitsablaufs einschließlich des
Arbeitsverfahrens. Ebenso wie die „Arbeitsmethode“ beschreibt auch der Begriff
„Arbeitsverfahren“ einen Teil des Arbeitsablaufs. Er betrifft die Technologie, die zur
Veränderung des Arbeitsgegenstandes im Sinne der Arbeitsaufgabe anzuwenden ist; er
erfasst die organisatorische und technologische Bestimmung des
Bearbeitungsprozesses, wozu z.B. das technische Verfahren gehört, nach dem die
Verwaltungsaufgabe abgewickelt werden soll (vgl. Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, 2.
Aufl., 2002, Rn. 42 f. zu § 90). Da die IuK-Verfahren (als Arbeitsmittel) wesentlich den
Arbeitsablauf bestimmen, beeinflussen sie zugleich die Arbeitsmethode, d.h. das
Konzept der Arbeit (ebenso Germelmann/Binkert, a.a.O. Rn. 41 zu § 90). Das räumt
letztlich auch der Beteiligte ein, wenn er - insoweit zutreffend - ausführt, die
Arbeitsmethode, also das Modell, das Leitbild oder der methodische Weg änderten sich
nicht zwangsläufig allein dadurch, dass Personen, Geräte oder Sachmittel ausgetauscht
oder verändert würden, sondern nur dann, wenn die zugrundeliegende Arbeitsmethode
einen bestimmten Umfang des Einsatzes von Personen, Sachmitteln und Geräten
vorsehe und sich dieses Verhältnis zueinander maßgeblich verschiebe. In Anbetracht der
vom EOSS-Kooperationsvertrag bezweckten Verbesserung der eingesetzten Verfahren
spricht vieles dafür, dass sich aufgrund der im Rahmen des EOSS-Verbundes
fortentwickelten IT-Programme das Verhältnis der Automation zur
Sachbearbeitertätigkeit weiter zu Gunsten des ersteren verschiebt.
Den hier vom Beteiligten vermissten Zusammenhang zwischen dem Begriff der
„Arbeitsmethode“ und dem Begriff des „Arbeitsmittels“ hat der Gesetzgeber im übrigen
selbst dadurch hergestellt, dass er in § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin die Arbeitsmethode
ausdrücklich auf die IuK-Technik bezogen hat. Innerhalb des Arbeitsablaufs spielt die IuK-
Technik - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht nur im Bereich der
Hardware, sondern auch und vor allem bei der Software eine wesentliche Rolle. Das gilt
angesichts der Vielzahl der von beiden Beteiligten angeführten (geänderten)
Programmen auch und vor allem in der automationsgestützten Steuerverwaltung. Die
Arbeitsmethode wird in allen Besteuerungs- und Folgeverfahren wesentlich durch die zur
Verfügung gestellten Anwendungen (elektronische Abfragemöglichkeiten, elektronische
Formulare etc.) bestimmt, aber auch durch die Gestaltung und Benutzerfreundlichkeit
der Menüs, Fenster und Bildschirmoberfläche etc..
Der Gesetzgeber hat den Austausch von IT-Programmen - und sei es auch nur als sog.
„up date“ - unzweifelhaft als Anwendungsfall des § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin
angesehen. Anderenfalls wäre die Begründung zum Siebten Gesetz zur Änderung des
Personalvertretungsgesetzes, mit dem das Merkmal „wesentliche“ (Änderung) durch
das Merkmal „aufgrund ihres Umfangs einer Einführung vergleichbar“ ersetzt worden ist,
nicht verständlich. In der Begründung (Abghs.-Drs. 16/1108 vom 15. Januar 2008, S. 2
und 15) heißt es, die Entwicklung der IuK vollziehe sich in einer Weise, die bei der
Schaffung der Regelungen zur Mitbestimmung in diesem Bereich nicht absehbar
gewesen sei. Die Verwaltung setze mittlerweile ganz überwiegend Software-Produkte ein,
die allgemein am Markt verfügbar seien und folge weitestgehend den Zyklen der
Hersteller bei der Einführung geänderter Softwareversionen. Nach den bisherigen
Bestimmungen in § 85 Abs. 2 Nr. 8 bis 10 erfordere praktisch jede Umstellung eine
Beteiligung der Personalvertretung. Durch die Änderung werde die Mitbestimmung der
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Beteiligung der Personalvertretung. Durch die Änderung werde die Mitbestimmung der
Personalvertretung auf den Schutzzweck des Personalvertretungsrechts beim Einsatz
von IuK reduziert. Daraus hat bereits die Fachkammer zutreffend geschlossen, dass der
Gesetzgeber im Jahre 1992 mit der Einfügung dieses Mitbestimmungstatbestandes im
Grundsatz auch die Änderung der bei der Aufgabenerfüllung eingesetzten Software der
Mitbestimmung unterwerfen wollte.
Entgegen der Ansicht des Beteiligten muss es sich im Fall der Änderung oder
Ausweitung von Arbeitmethoden im Rahmen der IuK-Technik nicht um neue Methoden
handeln. Das Adjektiv „neue“ bezieht sich nach der Stellung im Satz und dem Sinn der
Regelung ausschließlich auf den erstgenannten Tatbestand der Einführung von
Arbeitsmethoden im Rahmen der IuK-Technik, nicht dagegen auf die Fälle der Änderung
und Ausweitung. Die dort verwendete Bezugnahme „dieser Arbeitsmethoden“ bezieht
sich nur auf den Zusatz „im Rahmen der Informations- und Kommunikationstechnik“.
Eine bereits eingeführte IuK-Technik, die geändert oder ausgeweitet wird, ist nie „neu“.
Fraglich ist allerdings, ob es sich bei der in Rede stehenden Maßnahme zugleich um eine
so wesentliche Änderung einer Arbeitsmethode handelt, dass sie aufgrund ihres
Umfangs der Einführung einer solchen Arbeitsmethode im Rahmen der IuK vergleichbar
ist. Für eine solche Vergleichbarkeit könnten unter Berücksichtigung des
Regelungszwecks, die Beschäftigten vor einer Überbeanspruchung im Zusammenhang
mit der Anwendung neuer Programme zu schützen, die Zahl der geänderten
Programme und der nicht unerhebliche Schulungsaufwand sprechen. Auch dies bedarf
jedoch - ebenso wie bereits die Frage einer mitbestimmungsrelevanten Rationalisierung
im Rahmen des § 85 Abs. 2 Nr. 2 PersVG Berlin - keiner Entscheidung, weil ein etwaiges
Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin entgegen der Ansicht des
Verwaltungsgerichts und des Antragstellers hier von dem schwächeren
Mitwirkungstatbestand des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin verdrängt würde.
2. Nach § 90 Nr. 3 PersVG Berlin wirkt die Personalvertretung mit bei der Einführung
grundlegender neuer Arbeitsmethoden und grundlegenden Änderungen von
Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen.
Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass die Übernahme der EOSS-
Verfahren eine Änderung des Arbeitsablaufs bei Besteuerungsverfahren mit sich
gebracht hat, die angesichts der Vielzahl der im Verfahren im einzelnen genannten
neuen Programme mit vom Antragsteller unwidersprochen vorgetragenen 6.400
Einzeländerungen als dem Umfang nach „grundlegend“ anzusehen ist.
Der Begriff „grundlegend“ erfordert jedoch darüber hinausgehend, dass es sich um eine
der Entscheidungshoheit der Exekutive vorzubehaltende organisatorische
Grundentscheidung handeln muss. Das ergibt sich aus folgendem:
Bei § 90 Nr. 3 PersVG Berlin, der seit seiner Aufnahme in das Personalvertretungsgesetz
vom 26. Juli 1974 (GVBl. S. 1669) unverändert geblieben ist, handelt es sich nicht um
einen bloßen Auffangtatbestand, der nur zum Tragen kommt, wenn kein stärkeres
Beteiligungsrecht eingreift, sondern um eine lex specialis, die die
Mitbestimmungstatbestände der Nummern 2 und 9 des § 85 Abs. 2 PersVG Berlin
verdrängt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem
Konkurrenzverhältnis zwischen § 90 Nr. 3 und § 85 Abs. 2 Nr. 2 PersVG Berlin, der der
Senat folgt und die auf den Mitbestimmungstatbestand aus § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG
Berlin übertragbar ist, ergibt sich dies vor allem aus dem objektiven Sinngehalt der
Vorschriften.
Dass der Gesetzgeber mit dem Personalvertretungsgesetz von 1974 viele frühere
Mitwirkungsrechte in Mitbestimmungstatbestände umgewandelt hat und mit der
Ausdehnung der Mitbestimmungsrechte meist bis an die Grenzen gegangen ist, die im
demokratischen Rechtsstaat von der Verfassung her einer Mitbestimmung im
öffentlichen Dienst gezogen sind, rechtfertigt den Schluss, dass er sich bei bestimmten
Tatbeständen nicht in der Lage gesehen hat, sie der Mitbestimmung - auch nicht in der
eingeschränkten Form des § 81 Abs. 2 PersVG Berlin - zu unterwerfen. Denn bei den in §
90 PersVG Berlin aufgezählten Angelegenheiten handelt es sich um Maßnahmen, bei
denen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in mehr oder weniger großem Maße auf
dem Spiel steht (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 1980 -
BVerwG 6 P 35.78 - PersV 1980, S. 239). Dabei hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass
im Streitfalle das Verfahren bei der eingeschränkten Mitbestimmung noch länger dauern
kann als bei der uneingeschränkten Mitbestimmung, weil der Einigungsstelle im
erstgenannten Fall nicht die letzte Entscheidung zusteht. Da die in § 90 PersVG Berlin
aufgeführten Angelegenheiten jedoch durchweg keine größere Verzögerung dulden und
durch ein länger dauerndes Einigungsverfahren gegenstandslos werden können, folgt
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durch ein länger dauerndes Einigungsverfahren gegenstandslos werden können, folgt
daraus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine eingeschränkte Mitbestimmung in
den genannten Angelegenheiten des § 90 PersVG Berlin, die ausnahmslos unter die
rahmenrechtliche Vorschrift des § 104 BPersVG fallen, nicht mit dessen Sinngehalt in
Einklang stünde (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 1980,
a.a.O., S. 240).
Dem entspricht die Gesetzesbegründung zu § 90 PersVG, wonach nur noch die
Angelegenheiten der Mitwirkung unterliegen sollten, die insbesondere aus
verfassungsrechtlichen Gründen nicht der Mitbestimmung unterworfen werden können
(vgl. Abghs.-Drs. 6/1354 vom 19. April 1974, S. 20), woraus folgt, dass der Gesetzgeber
die in § 90 PersVG Berlin aufgeführten Tatbestände selbst der eingeschränkten
Mitbestimmung, wie sie § 85 Abs. 2 Nr. 2 und 9 i.V.m. § 81 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin
vorsieht, entzogen wissen wollte (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.
Februar 1980, a.a.O., S. 239).
An dieser Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht bis in die jüngere Zeit
festgehalten: Im Beschluss vom 17. Juli 1987 (- BVerwG 6 P 6.85 -, Juris Rn. 20 ff.) ging es
um die Konkurrenz zwischen § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG (Mitbestimmung bei der
Gestaltung der Arbeitsplätze) und § 78 Abs. 4 BPersVG (Anhörung des Personalrats bei
Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Diensträumen). Dazu hat das
Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass auch eine in § 78 Abs. 4 BPersVG
genannte bauliche Maßnahme zu den organisatorischen Maßnahmen zählen kann, die
geeignet sind, das stärkere Mitbestimmungsrecht zu verdrängen. Erforderlich dafür sei
aber, dass mit der beabsichtigen Baumaßnahme auch organisatorische Ziele verfolgt
werden. Darunter könnten auch arbeitsorganisatorische Maßnahmen fallen, die für den
Ablauf des Dienstbetriebes und für die Art und Weise der Erledigung der der Dienststelle
übertragenen Aufgaben von erheblicher Bedeutung sind, was erfordere, dass die
Maßnahme über den innerdienstlichen Bereich hinauswirkt und auf die nach außen zu
erfüllenden Aufgaben der Dienststelle in nicht nur unerheblicher Weise einwirkt. Im
konkreten Fall scheiterte die Verdrängung daran, dass die Maßnahme - ungeteilter
Zustellersaal in einem Postamt - sich nicht erheblich auf die Aufgabenerfüllung selbst,
also auf die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit der Postzustellung, ausgewirkt hatte.
Im Beschluss vom 1. September 2004 - BVerwG 6 P 3.04 -, Juris Rn. 34, hat das
Bundesverwaltungsgericht den oben angeführten Grundsatz der Spezialität der in § 90
PersVG Berlin aufgeführten Maßnahmen bekräftigt: Mit der Formulierung thematisch
spezifizierter Mitwirkungstatbestände in § 90 Nr. 1 und 3 bis 8 PersVG Berlin habe der
Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er in diesen Fällen eine - volle oder
eingeschränkte - Mitbestimmung des Personalrats nicht wünsche, was unter im
einzelnen näher zu prüfenden Umständen dazu führen könne, dass ein nach seinem
Wortlaut gleichzeitig eingreifender Mitbestimmungstatbestand verdrängt werde. Der Fall
des § 90 Nr. 2 PersVG Berlin (Mitwirkung bei Verwaltungsvorschriften, die für die
innerdienstlichen, sozialen oder persönlichen Angelegenheiten der Dienstkräfte erlassen
werden), bei dem es sich wegen der weiten Formulierung um einen Sonderfall handele,
für den das vorgenannte Konkurrenzverhältnis nicht gelte, steht hier nicht in Rede.
Bei § 90 Nr. 1 und 3 bis 8 PersVG Berlin handelt es sich nach alledem um
Sondervorschriften, die Angelegenheiten der aufgezählten Art auch dann, wenn sie
andere Beteiligungstatbestände erfüllen, aus den dargelegten Gründen bei Erfüllung der
genannten Voraussetzungen nur der Mitwirkung der Personalvertretung unterwerfen, so
dass das insoweit stärkere Recht der Mitbestimmung durch das schwächere
Mitwirkungsrecht verdrängt wird (a.A. Germelmann/Binkert, a.a.O. Rn. 52 zu § 90 ohne
Begründung).
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, nicht § 90 Nr. 3, sondern § 85 Abs. 2 Nr. 9
PersVG Berlin sei die speziellere Regelung, ist nicht belegbar. Richtig ist, dass § 85 Abs. 2
Nr. 9 PersVG Berlin eine spezielle Regelung des allgemeinen
Mitbestimmungstatbestandes der Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung und der
Erleichterung des Arbeitsablaufs darstellt (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 PersVG Berlin). Das ändert
aber nichts daran, dass § 90 Nr. 3 PersVG Berlin nur - und insoweit „spezieller“ -
diejenigen Maßnahmen erfasst, die unter § 85 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 9 PersVG Berlin
fallen und zugleich zu den arbeitsorganisatorischen Maßnahmen gehören, die für den
Ablauf des Dienstbetriebes und für die Art und Weise der Erledigung der der Dienststelle
übertragenen Aufgaben von erheblicher Bedeutung sind. Von dieser für die
Verdrängungswirkung des Mitwirkungstatbestandes wesentlichen Spezialität wird aber
jede so verstandene arbeitsorganisatorische Maßnahme erfasst, unabhängig davon, ob
sie nur unter den allgemeinen Mitbestimmungstatbestand nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 oder
(zugleich) unter den spezielleren Tatbestand nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin fällt.
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Die Entstehungsgeschichte des § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin gibt für die Auffassung
des Verwaltungsgerichts nichts her. Es trifft zu, dass das Mitbestimmungsrecht für die
spezielle Maßnahme einer wesentlichen Änderung der IuK-Technik erst im Jahre 1992
durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetz (4. ÄndGPersVG)
vom 26. Juni 1992 (GVBl. S. 210) - seither unverändert als Fall der eingeschränkten
Mitbestimmung nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin - eingefügt worden ist, zu einem
Zeitpunkt also, als der Mitwirkungstatbestand des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin bereits
Bestandteil des Gesetzes war. Das schließt jedoch die Spezialität dieser Norm auch
gegenüber dem neuen Mitbestimmungstatbestand nicht aus. Denn dem Gesetzgeber
dürfte die seit 1987 bestehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur
Verdrängungswirkung des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin bekannt gewesen sein. Hätte er diese
Verdrängungswirkung für den neu eingefügten Mitbestimmungstatbestand des § 85 Abs.
2 Nr. 9 PersVG Berlin ausschließen wollen, hätte es nahe gelegen, einen klarstellenden
Zusatz in das Gesetz aufzunehmen.
Der Vorrang des schwächeren Mitwirkungsrechts belässt den in Rede stehenden
Mitbestimmungstatbeständen einen Anwendungsbereich bis zur Grenze einer der
Exekutive vorbehaltenen wesentlichen Änderung der Arbeitsorganisation. Dass dieser
Anwendungsbereich im Falle einer Änderung oder Ausweitung der Arbeitsmethoden im
Rahmen der IuK-Technik klein ist, beruht nicht in erster Linie auf der
Verdrängungswirkung des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin, sondern auf der vom Gesetzgeber
im Jahre 2008 beschlossenen Änderung dieses Mitbestimmungstatbestandes.
Ausweislich der oben zitierten Gesetzesbegründung war es das Anliegen des
Gesetzgebers, den Mitbestimmungstatbestand nicht etwa auszudehnen, sondern zur
Vermeidung ausufernder Beteiligungsverfahren bei jedem Software-„Up date“ auf die
Fälle einer der Einführung neuer Arbeitsmethoden im Rahmen der IuK-Technik
vergleichbaren Änderung einzuengen.
Für die Verdrängungswirkung des § 90 Nr. 3 PersVG Berlin bedarf es nicht - wie das
Verwaltungsgericht meint - der Feststellung, dass ein eingeschränktes
Mitbestimmungsrecht wegen Verstoßes gegen den Legitimationsgrundsatz
verfassungswidrig wäre. § 90 PersVG Berlin regelt vielmehr verbindlich diejenigen
Tatbestände, die aus Sicht des Gesetzgebers wegen ihrer Auswirkungen auf die
Verwaltungsorganisation mittelbar auch die Aufgabenstellung und Aufgabenerfüllung des
Staates beeinflussen und als wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt
mitbestimmungsfrei bleiben sollen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts genügt es hierfür festzustellen, dass mit der beabsichtigten
Maßnahme der Einführung der EOSS-Verfahren organisatorische Ziele verfolgt werden,
wozu auch arbeitsorganisatorische Maßnahmen gehören, die für den Ablauf des
Dienstbetriebes und für die Art und Weise der Erledigung der der Dienststelle
übertragenen Aufgaben von erheblicher Bedeutung sind.
Die Einführung der EOSS-Verfahren hat die Veränderung der Organisation der
automationsgesteuerten Besteuerungsverfahren und damit die Arbeitsorganisation zum
Gegenstand. Letztere wirkt über den innerdienstlichen Bereich hinaus auf die
Aufgabenerfüllung der Finanzämter in nicht nur unerheblicher Weise ein. Denn zum
einen ist die Effizienz der IT-Programme für die Art und Weise der Erledigung der der
Finanzverwaltung übertragenen Aufgaben von erheblicher Bedeutung. Sie entscheidet
u.a. darüber, wie schnell und zuverlässig und damit rechtssicher die Steuerverfahren
abgeschlossen werden können. Auch die durch die Programmanpassungen mögliche
schnellere Einarbeitung von Neuerungen, z.B. aufgrund von geänderten
Rechtsvorschriften und Verwaltungsanweisungen oder von Gerichtsentscheidungen
grundsätzlicher Bedeutung, erhöht die Rechtssicherheit bei der Veranlagung und berührt
somit die Aufgabenerfüllung nach außen.
Zum anderen muss die Verwaltungsvereinbarung zum EOSS-Verbund in den Blick
genommen werden, aus der sich die Verpflichtung des Landes Berlin zur Anpassung der
IT-Verfahren ergibt. Zwar stellt der Kooperationsvertrag keine die Mitbestimmung
ausschließende Rechtsvorschrift im Sinne des Einleitungssatzes zu § 85 Abs. 2 PersVG
Berlin dar. Jedoch spricht die Ansiedlung der Maßnahme auf der Ebene eines
Länderabkommens dafür, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die als für die
Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung wesentlich Bestandteil der Regierungsgewalt ist.
Die Entscheidung zumal, ob die Berliner Finanzverwaltung sich an der arbeitsteiligen
Entwicklung sowie „Pflege und Wartung“ der IT-Programme im Besteuerungsverfahren
durch die beigetretenen Bundesländer beteiligt, muss der demokratisch legitimierten
Exekutive vorbehalten sein, was eine - auch nur eingeschränkte, aber unter Umständen
zeitraubende - Mitbestimmung durch der Legislative nicht verantwortliche
Personalvertretungen ausschließt.
64 Der Senat hat die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der bislang
in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärten Fragen im Zusammenhang
mit der Mitbestimmung bei einer Änderung der IuK-Technik zugelassen.
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