Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017
OVG Berlin-Brandenburg: sbb, verordnung, kontrolle, öffentlich, organisation, amt, link, auflage, sammlung, voreingenommenheit
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 4 E 19.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 22 Nr 3 VwGO
Entbindung eines ehrenamtlichen Richters wegen Beschäftigung
im öffentlichen Dienst
Leitsatz
Wenn ein Privatunternehmen hoheitliche Aufgaben erfüllt und es damit
verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt, üben seine Angestellten einen Dienst aus, der
materiell-rechtlich als öffentlicher Dienst im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO anzusehen ist.
Tenor
Der ehrenamtliche Richter beim Verwaltungsgericht Berlin wird von seinem Amt
entbunden.
Gründe
Der Antrag der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin nach § 24 Abs. 3 Satz 1
VwGO, den ehrenamtlichen Richter von seinem Amt zu entbinden, ist begründet. Die
Voraussetzungen des § 22 Nr. 3 VwGO (i.V.m. § 186 VwGO), wonach Beamte und
Angestellte im öffentlichen Dienst nicht zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden
können, sind erfüllt. Herr … ist bei der SBB Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin
mbH (SBB mbH) angestellt. Das Beschäftigungsverhältnis ist dem öffentlichen Dienst
zuzurechnen, da die SBB mbH im Land Berlin durch die Verordnung über die Andienung
besonders überwachungsbedürftiger Abfälle und die Sonderabfallgesellschaft
(Sonderabfallentsorgungsverordnung - SoAbfEV) vom 11. Januar 1999 (GVBl. S. 6),
zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Oktober 2002 (GVBl. S. 317), und im Land
Brandenburg durch die weitgehend inhaltsgleiche Verordnung über die Organisation der
Sonderabfallentsorgung (Sonderabfallentsorgungsverordnung - SAbfEV) vom 3. Mai
1995 (GVBl. II S. 404), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. September 2002
(GVBl. II S. 571), mit hoheitlichen Aufgaben beliehen ist.
Bei der Auslegung des weder allgemeingültig existenten noch in der VwGO bestimmten
Begriffs des öffentlichen Dienstes ist von dem Zweck des § 22 Nr. 3 VwGO auszugehen,
der darin besteht, Interessen- und Pflichtenkollisionen zu vermeiden und die richterliche
Unabhängigkeit zu gewährleisten. Beides ist prinzipiell nur dann betroffen, wenn das
Handeln derjenigen Institution, die den ehrenamtlichen Richter beschäftigt, überhaupt
durch Verwaltungsgerichte kontrollierbar ist, denn nur dann ist ein das Vertrauen des
Bürgers in die Neutralität der Verwaltungsgerichtsbarkeit schmälernder Kontrollkonflikt
möglich. Das ist bei einem privatrechtlich organisierten Unternehmen grundsätzlich
nicht der Fall, wenn dieses - wie regelmäßig - nicht öffentlich-rechtlich handeln kann (vgl.
OVG Berlin, Beschluss vom 8. Juli 1999 - 4 E 10.99 -, juris Rn. 4 f., m.w.N.).
Bei der SBB mbH stellt sich die Situation jedoch anders dar. Als zentrale Einrichtung für
die Organisation der Entsorgung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen
(Sonderabfällen) ist sie unter anderem zuständig für die Zuweisung der von den
Abfallbesitzern angedienten Abfälle an dafür zugelassene und aufnahmebereite
Entsorgungsanlagen (§§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 SoAbfEV). Es besteht Andienungspflicht (§ 3
SoAbfEV). Die zentrale Einrichtung regelt die Zuweisung durch Bescheid, mit dem der
Abfallbesitzer verpflichtet wird, die Sonderabfälle der zugewiesenen Entsorgungsanlage
zuzuführen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 SoAbfEV). Die SBB mbH unterliegt den Weisungen
der Fachaufsichtsbehörde (§ 8 Abs. 2 Satz 3 SoAbfEV).
Jedenfalls dann, wenn ein Privatunternehmen in dieser Weise hoheitliche Aufgaben erfüllt
und es damit verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt, üben seine Angestellten
einen Dienst aus, der materiell-rechtlich als öffentlicher Dienst anzusehen ist. Aus der
Sicht eines Bürgers, der sich an das Verwaltungsgericht wendet, unterscheidet sich der
Angestellte eines solchen Unternehmens nicht von dem Angestellten eines öffentlich-
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Angestellte eines solchen Unternehmens nicht von dem Angestellten eines öffentlich-
rechtlich organisierten Rechtsträgers, der unter anderem wegen etwaiger
Interessenkollisionen und zur Vermeidung des Eindrucks der Voreingenommenheit des
Gerichts als ehrenamtlicher Richter bei einem Verwaltungsgericht nicht mitwirken darf
(vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 26. Januar 1984 - 16 E 38/83 -, NVwZ 1984, 593;
Geiger, in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, § 22 Rn. 6).
Der ehrenamtliche Richter wurde vor der Entscheidung des Senats gemäß § 24 Abs. 3
Satz 2 VwGO angehört.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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