Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: grünfläche, aufschiebende wirkung, grundstück, genehmigung, auflage, form, wasserturm, freifläche, anbau, galerie

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 10 S 31.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 6 Nr 11 BauGB, § 9 Abs
1 Nr 11 BauGB, § 34 Abs 1
BauGB, § 145 Abs 2 BauGB, § 6
Abs 1 S 1 BauO BE
Nachbarwiderspruch; unbeplanter Innenbereich; Eigenart der
näheren Umgebung; Abstandsflächenrecht: begrünte
Hofbereiche als faktische private Grünfläche; nicht überbaubare
Grundstücksfläche; faktische hintere Baugrenze; Anbau eines
Seitenflügels auf nicht überbaubarer Grundstücksfläche;
sanierungsrechtliche Genehmigung mit Auflagen; Indizwirkung;
(keine) Teilbarkeit der Baugenehmigung
Leitsatz
Im unbeplanten Innenbereich bedarf es für die Annahme einer nicht überbaubaren
Grundstücksfläche in Form einer privaten Grünfläche deutlicher Anhaltspunkte für eine
entsprechende bauliche Verfestigung der Situation. Diese können in baulichen
Arrondierungen der Grünfläche mit abschließendem Charakter sowie weiteren ablesbaren
städtebaulichen Zusammenhängen und Bezugnahmen zum Ausdruck kommen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 2. August 2010 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die
Baugenehmigung vom 23. November 2009 wird angeordnet.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem fünfgeschossigen Vorderhaus
bebauten Grundstücks K. 40 in Berlin-P. Sie wehrt sich im vorliegenden Verfahren gegen
das Neubauvorhaben der Beigeladenen auf dem nordöstlich angrenzenden Grundstück
K. 42. Die Grundstücke liegen in dem Karree K., B. Straße, D. Straße und K. einem
unbeplanten Gebiet. Die im südwestlichen Teil dieses Gebiets gelegenen Grundstücke
sind - im Gegensatz zu den sich nordöstlich anschließenden Grundstücken - jeweils nur
mit einem fünfgeschossigen Vorderhaus ohne Seitenflügel bebaut. Hierbei handelt es
sich um den Bereich von dem Grundstück K. 42 bis zur B. Straße, von dort bis zur Ecke
D. Straße sowie in nordöstlicher Richtung bis zum Grundstück D. Straße 9. Dahinter
endet die „seitenflügellose“ Bebauung, denn sämtliche weiter nördlich gelegenen
Grundstücke zwischen der D. Straße und der K.straße bis zur K. weisen neben einer
mindestens viergeschossigen Vorderhausbebauung noch jeweils ein bis zwei Seitenflügel
auf.
Die Beteiligten streiten über die bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche
Zulässigkeit des grenzständigen Anbaus eines sechsgeschossigen Seitenflügels an der
nordöstlichen Grundstücksgrenze der Antragstellerin. Dieser soll bis zum zweiten
Obergeschoss abgetreppt sein. Die unteren beiden Geschosse des Seitenflügels sind als
Galerie geplant, die in einen zweigeschossigen Anbau entlang der hinteren
Grundstücksgrenze der Beigeladenen übergeht.
Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung vom 23. November 2009
Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss
vom 2. August 2010 zurückgewiesen. Es ist unter Würdigung der nach § 34 Abs. 1
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vom 2. August 2010 zurückgewiesen. Es ist unter Würdigung der nach § 34 Abs. 1
BauGB aus dem baulichen Bestand in der näheren Umgebung ableitbaren
bauplanungsrechtlichen Maßstäbe zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund der
zahlreichen grenzständigen Seitenflügel in dem nördlichen Teil des Baublocks
planungsrechtlich an die Grenze gebaut werden könne, so dass eine grenzständige
Bebauung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BauOBln bauordnungsrechtlich zulässig sei. Auch
der historische Bestand in dem südwestlich gelegenen Teil des Baublocks habe dieser
baulichen Struktur entsprochen. Aus welchen Gründen die ehemaligen Seitenflügel auf
den dortigen Grundstücken nicht mehr vorhanden seien (Beräumung nach
kriegsbedingten Zerstörungen oder Beseitigung des Altbestands zur Verbesserung der
Hofsituation), könne dahinstehen. Jedenfalls halte sich die Wiedererrichtung eines
grenzständigen Seitenflügels und Quergebäudes innerhalb der vorhandenen
Baustruktur. Eine städtebauliche Zäsur, die einen Übergang zu einer vollständig
anderen, offeneren Bebauung markiere, sei dem Stadtbild selbst bei einer
baublockübergreifenden Betrachtung nicht zu entnehmen. Auch das
Rücksichtnahmegebot sei - unter den verschiedenen, vom Gericht geprüften Aspekten -
nicht verletzt.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Antragstellerin trägt zur Begründung vor, die Freihaltung des Blockinnenbereichs in
dem südwestlich gelegenen Teil des Baublocks sei Folge der städtebaulichen
Zielsetzung gewesen, eine Verbesserung der Hofsituation der dortigen Grundstücke
durch ausreichende Belüftung und Belichtung zu erreichen. Dies untermauere die ihr
erteilte sanierungsrechtliche Genehmigung vom 25. (richtig: 29.) Oktober 1999 für den
damaligen Dachgeschossausbau, die unter der Auflage erteilt worden sei, den Innenhof
des Grundstücks überwiegend als entsiegelte und begrünte Fläche zu gestalten, damit
die Nutzungsverdichtung mit den Sanierungszielen vereinbar sei. Zudem ließen die der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegten Luftbildaufnahmen erkennen,
dass eine planmäßige Verbindung zwischen den Grünflächen im Inneren des Baublocks
und denen im Umfeld des weiter östlich gelegenen Wasserturms bestehe. Hierfür sei
eine planmäßige Öffnung des Blockrandes an der D.Straße zu dem im Jahre 1958
angelegten kleinen Park im Inneren des Baublocks erfolgt. Dass diese Öffnung nicht nur
eine Baulücke sei, zeige sich daran, dass die Häuser D. Straße 9 und 11 jeweils an den
Stirnseiten befenstert und ihre Dächer abgewalmt seien. Durch die Schaffung dieser
Torsituation zur D. Straße sei in städtebaulicher Hinsicht auch das Ziel verfolgt worden,
eine Sichtverbindung zwischen dem als kleine Parkanlage konzipierten Hof mit der
Grünanlage am Wasserturm herzustellen. Damit sei der maßgebliche Bereich der
näheren Umgebung durch eine großflächige, städtebaulichen Zielvorstellungen
entsprechende Freifläche geprägt, die keinen einzigen in diesen Bereich hineinragenden
Baukörper aufweise. Das Vorhaben der Beigeladenen füge sich deshalb hinsichtlich der
Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, nicht in die Eigenart der näheren
Umgebung ein, so dass auch für die Anwendbarkeit der abstandsflächenrechtlichen
Anbaumöglichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BauO Bln kein Raum sei.
Der Antragsgegner und die Beigeladene treten der Beschwerde entgegen.
Der Antragsgegner bestreitet, dass die bauhistorische Entwicklung oder die
zwischenzeitlich mehrfach veränderte Rechtslage für die nach § 34 Abs. 1 BauGB
maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen bedeutsam sein könnten. Selbst wenn
der Erhalt einer bestimmten Situation aus subjektiver Sicht wünschenswert erscheinen
möge, seien keine Gründe erkennbar, die dem Rechtsanspruch auf Erteilung der
begehrten Baugenehmigung entgegenstehen könnten. Aus einer Auflage zur
Entsiegelung und Begrünung der Hoffläche, die Bestandteil einer sanierungsrechtlichen
Genehmigung im Zusammenhang mit dem Dachgeschossausbau gewesen sei, könne
nicht im Nachhinein auf einen „planerischen Willen“ geschlossen werden, den Innenhof
dauerhaft von Bebauung frei zu halten. Erst recht könne dies nicht für die relevante
Umgebungsbebauung von Bedeutung sein.
Die Beigeladene sieht die von der Antragstellerin angenommene städtebauliche Zäsur
zwischen dem südwestlichen und dem nordöstlichen Teil des Baublocks als „gekünstelt“
an. Einen so „maßgeschneiderten“ und verkleinerten Rahmen könne die Antragstellerin
der bauplanungsrechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde legen. Die Gebäude D. Straße 9
und 11 stellten lediglich eine Baulücke dar, wobei es nicht darauf ankomme, ob diese
gewollt, ungewollt, beplant, unbeplant oder mehr oder weniger zufällig entstanden sei.
Typischerweise nehme ein Grundstück an einem einheitlichen
Bebauungszusammenhang teil. Mit der Bezugnahme nur auf den südwestlichen
Blockinnenbereich habe die Antragstellerin dagegen eine „Mikrosituation“ in den Blick
genommen, die schon für sich genommen zu klein sei, um einen bauplanungsrechtlich
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genommen, die schon für sich genommen zu klein sei, um einen bauplanungsrechtlich
relevanten Rahmen für die Bebauung der Nachbargrundstücke zu setzen. Wären derart
kleine Einheiten maßgebend, müsse sich die Bebauung künftig stets nur an dem
orientieren, was auf dem Nachbargrundstück gebaut worden sei. Ein solches Verständnis
lasse sich nicht mit dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 BauGB vereinbaren.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die von ihr mit der Beschwerde
dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen eine Änderung des
angefochtenen Beschlusses.
Das Vorhaben der Beigeladenen verletzt die Nachbarrechte der Antragstellerin, weil
nach den planungsrechtlichen Vorschriften nicht - wie angenommen - an die seitliche
Grundstücksgrenze angebaut werden muss oder darf (§ 6 Abs. 1 Satz 3 BauO Bln). Dies
ergibt sich nicht aus ausdrücklichen bauplanungsrechtlichen Festsetzungen, weil es sich
um einen unbeplanten Innenbereich handelt. Entsprechende Maßstäbe können deshalb
nur aus der nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebenden, das Grundstück der Beigeladenen
prägenden näheren Umgebung anhand der faktisch vorhandenen Bebauung abgeleitet
werden. Danach können sich aus den jeweils überbauten Grundstücksflächen und der
räumlichen Lage der baulichen Anlagen Merkmale ermitteln lassen, aus denen
möglicherweise eine faktische hintere Baugrenze ableitbar ist (vgl. OVG Bln-Bbg,
Beschluss vom 30. Oktober 2009, BauR 2010, 441).
Im vorliegenden Fall geht die maßstabbildende Kraft - wie die in den Akten (Bl. 75, 76)
befindlichen Luftbildaufnahmen zeigen - nicht von der Bebauung im nordöstlichen Teil
des Baublocks mit den zahlreichen Seitenflügeln aus, weil dieser bauliche Bestand an
dem sich klar abzeichnenden begrünten Innenbereich im südwestlichen Teil des
Baublocks endet. Der nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebende Bebauungszusammenhang
wird nicht allein durch die vorhandene Bebauung bestimmt, durch deren Art und Maß der
baulichen Nutzung sowie durch deren Bauweise, sondern auch durch die
Grundstücksflächen, die überbaut werden sollen. Denn die Nichtüberbaubarkeit von
Grundstücksflächen ist ein Normelement des § 34 Abs. 1 BauGB und kann bestimmend
für die Zulässigkeit von Vorhaben nach der maßgeblichen „Eigenart der näheren
Umgebung“ sein. Ein Bebauungszusammenhang kann auch unbebaute Flächen
einschließen, sofern sich diese ihrer Art und Zweckbestimmung nach als endgültig
darstellen und die Eigenart der Umgebung prägen, wie es bei öffentlichen oder privaten
Grünflächen der Fall ist, die Gegenstand einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB
sein können und denen eine städtebauliche Funktion innerhalb des Ortsteils zukommt.
Eine Bebauung mit Wohngebäuden ist auf solchen Flächen regelmäßig nicht zulässig
(vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 1. Juni 2010, § 34 RNr. 24 u.
35). Im unbeplanten Innenbereich bedarf es für die Annahme einer nicht überbaubaren
Grundstücksfläche in Form einer privaten Grünfläche jedoch deutlicher Anhaltspunkte für
eine entsprechende bauliche Verfestigung der Situation. Diese können in baulichen
Arrondierungen der Grünfläche mit abschließendem Charakter sowie weiteren
ablesbaren städtebaulichen Bezügen zum Ausdruck kommen.
Dies ist hier der Fall, so dass der begrünte Innenbereich städtebaulich eine aus
mehreren Höfen gebildete private Grünfläche darstellt. Aus den in den Akten
befindlichen Luftbildaufnahmen (Bl. 75, Bl.76) wird die bauplanungsrechtliche Qualität
des begrünten Innenbereichs im südwestlichen Teil des Baublocks als private Grünfläche
deutlich. Es bestehen Anhaltspunkte für eine entsprechende bauliche Verfestigung der
Situation sowie für ablesbare städtebauliche Zusammenhänge, die darauf hindeuten.
Ausgangspunkt der Betrachtung muss die weiter östlich zwischen der D. Straße und der
... Straße gelegene öffentliche Grünfläche an dem Wasserturm sein und nicht der
Baubestand im nordöstlichen Teil des Baublocks. Diese öffentliche Grünfläche ist das
zentrale, rahmengebende Element bei der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen
Situation, denn deren Ausstrahlungswirkung auf die westlich, östlich sowie südöstlich sie
umgebenden Baublöcke, die jeweils begrünte Innenbereich aufweisen, sowie wiederum
deren gestalterische Bezugnahme auf diese öffentliche Grünfläche sind unverkennbar.
So weisen sowohl der westlich angrenzende Baublock, in dem sich die Grundstücke der
Antragstellerin und der Beigeladenen befinden, zwischen den Grundstücken D. Straße 9
und 11 eine Öffnung als Durchgang und Sichtbezug von dem und zu dem begrünten
Innenbereich auf als auch der östlich angrenzende Baublock K. Straße/Ecke M. Straße.
Der Durchgang zwischen den Grundstücken D. Straße 9 und 11 ist, wie das von der
Antragstellerin eingereichte Foto (Bl. 134 d. A.) zeigt, zudem baulich abschließend
gestaltet, denn die den Durchgang zugewandten Gebäudeseiten sind befenstert und der
Dachabschluss ist an dieser Seite ebenfalls mit einer Walmung versehen, was nicht auf
einen noch erwarteten oder gewollten baulichen „Lückenschluss“ hindeutet. Dass zur
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einen noch erwarteten oder gewollten baulichen „Lückenschluss“ hindeutet. Dass zur
Schließung der „Lücke“ im Jahr 2003 eine Baugenehmigung erteilt worden sein soll, wie
der Antragsgegner im Schriftsatz vom 22. Oktober 2010 vorträgt, stellt die beschriebene
Situation bauplanungsrechtlich nicht infrage, weil genehmigte, aber noch nicht errichtete
Bauvorhaben als mögliche künftige bauliche Entwicklungen im Rahmen des § 34 Abs. 1
BauGB keine Berücksichtigung finden können, wenn diese sich nicht bereits in der
vorhandenen Bebauung niedergeschlagen haben (vgl.
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,a.a.O., RNr. 35 m. w. N.). Abgesehen davon
erscheint es ohnehin fraglich, ob diese Baugenehmigung nicht zwischenzeitlich
erloschen ist (vgl. § 72 Abs. 1 BauOBln). Hinzu kommt, dass sowohl in dem Baublock K.
Straße/Ecke M. Straße als auch in dem Baublock S. Straße/Ecke B. Straße bei der
gärtnerischen Anlegung dieser privaten Grünflächen die charakteristische Rotunde in der
Mitte des zentralen Platzes am Wasserturm in eigener Weise gestalterisch aufgegriffen
und quasi wiederholt worden ist, wie bei einer stärkeren Zoomeinstellung der
eingereichten Luftbildaufnahmen zu erkennen ist. Dies kann als ein weiteres Indiz für den
gewollten städtebaulichen Zusammenhang der begrünten Blockinnenbereiche mit der
zentralen öffentlichen Grünfläche gewertet werden.
Dieser Befund wird durch die früher durchgeführten Sanierungsmaßnahmen
untermauert. Sanierungsrechtliche Vorgänge, wie die von der Antragstellerin
eingereichte sanierungsrechtliche Genehmigung vom 29. Oktober 1999 für den
Dachgeschossausbau und die in diesem Zusammenhang dem Bauherrn auferlegte
Hofbegrünung, können bei einer solchen Sachlage zumindest indizielle Bedeutung dafür
haben, ob es sich bei einer vorgefundenen städtebaulichen Situation um ein
Zufallsprodukt ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert (Freifläche aufgrund von
Bombentreffern) oder um eine städtebauliche Zäsur in Form einer bewusst
freigehaltenen und gestalteten privaten Grünfläche handelt, sofern auch im Übrigen
Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte, nicht überbaubare Grundstücksfläche
bestehen. Hierbei wird nicht verkannt, dass Sanierungsverordnungen nicht den Grad
bauplanungsrechtlicher Verbindlichkeit erreichen und keine „Transformationsfunktion“
für eine nachfolgende Bauleitplanung haben (vgl. OVG RP, Beschluss vom 15. März
2010, BauR 2010, 1195). Auch wenn sie als sonstige, nicht formelle städtebauliche
Planungsform im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB ihre Steuerungswirkung hinsichtlich
der Sanierungsziele nur maßnahmebezogen im Rahmen der Genehmigung von
Vorhaben gemäß § 145 Abs. 2 BauGB entfalten können (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 11. Aufl. 2009, § 1 RNr. 77 bis 79), hat eine auf die Begrünung des Hofbereichs
abzielende sanierungsrechtliche Auflage im vorliegenden Zusammenhang indizielles
Gewicht.
Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der gegebenen Situation ist also ein
Perspektivwechsel erforderlich, der den begrünten Innenbereich zwischen der K. und der
D. Straße nicht nur als (noch) unbebaute Fläche begreift und deren
Bebauungsmöglichkeit an dem übrigen vorhandenen Baubestand misst, sondern deren
eigenständige städtebauliche Qualität als Freifläche mit der Zweckbestimmung einer
privaten Grünfläche erkennt. Daraus leitet sich zugleich eine faktische hintere Baugrenze
hinter den „seitenflügellosen“ Vorderhäusern entlang der K., der B. Straße und der D.
Straße ab, die die Errichtung einer Wohnbebauung auf den nicht überbaubaren
Grundstücksflächen ausschließt. Dies gilt erst recht für eine grenzständige Bebauung
mit einem Seitenflügel, denn diese verletzt in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht die
Rechte der Antragstellerin, weil außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen die
bauplanungsrechtliche Weichenstellung für die Frage der Bauweise endet und für die
bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BauOBln) und deren
Einhaltung wieder Raum ist (vgl. Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer/Broy-Bülow, BauOBln, 6.
Aufl. 2008, § 6 RNr. 26).
Die Beschwerde ist danach begründet. Sie ist nicht deswegen nur teilweise begründet,
weil sich die nachbarlichen Abwehrrechte der Antragstellerin im vorliegenden Fall
lediglich auf die seitliche Grundstücksgrenze - und damit den Seitenflügel - beziehen
können, da sie keine gemeinsame hintere Grundstücksgrenze mit der Beigeladenen hat
und damit nachbarliche Abwehrrechte in Bezug auf das Quergebäude ausscheiden. Die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die
der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung muss im vorliegenden Fall uneingeschränkt
erfolgen, weil sich die Baugenehmigung schon aufgrund der baulichen Situation in den
ersten beiden Geschossen des Seitenflügels, die zusammen mit dem zweigeschossigen
Quergebäude eine Galerie bilden, als nicht teilbar erweist. Der Senat würde anderenfalls
eine objektiv rechtswidrige Baugenehmigung für ein weder bautechnisch noch nach der
vom Bauherrn bestimmten Funktion abteilbares Gebäude „übrig lassen“ (vgl. hierzu
OVG MV, Beschluss vom 17. Januar 2005, BRS 69 Nr. 134; OVG Bln, Beschluss vom 26.
April 2005, BRS 69 Nr. 191). Unabhängig davon erfasst die einer Bebauung
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April 2005, BRS 69 Nr. 191). Unabhängig davon erfasst die einer Bebauung
entgegenstehende bauplanungsrechtliche Rechtslage die Grundstücksfläche hinter dem
Vorderhaus der Beigeladenen ohnehin insgesamt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs.
2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung
folgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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