Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 24.10.2007

OVG Berlin-Brandenburg: heimbewohner, anspruch auf rechtliches gehör, zivilrechtliche ansprüche, öffentlich, aufsichtsbehörde, halle, beschränkung, erlass, verfahrensmangel, rechtsnachfolger

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 6 N 7.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4c HeimG, § 4e HeimG vom
26.05.1994, § 17 Abs 1 HeimG
vom 05.11.2001, § 26 HeimG, §
82 SGB 11
Heimaufsichtsrechtliche Anordnung zur Sicherung zivilrechtlicher
Ansprüche der Heimbewohner - Erhöhung von
Investitionskostenentgelten durch einseitige Erklärung des
Heimträgers
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2007 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gründe
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. Oktober 2007 die Klage abgewiesen, mit
der sich die Klägerin gegen eine heimaufsichtsrechtliche Anordnung wendet, die ihr die
Verpflichtung auferlegt, nach Auffassung des Beklagten zu Unrecht erhobene
Investitionskostenentgelte an die Heimbewohner bzw. deren Rechtsnachfolger
zurückzuzahlen. Die Klägerin hatte als Betreiberin eines Pflegeheimes die Beteiligung
der Heimbewohner an den allgemeinen Investitionskosten mit Wirkung vom 1.
November 2000 erhöht und dies diesen mit Schreiben vom 2. November 2000
mitgeteilt.
Der gegen das Urteil gerichtete und auf die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5
VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils
auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Richtigkeitszweifel bestehen dann, wenn ein
einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der
angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, S. 1163, 1164)
und nicht nur die Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der
Entscheidung Zweifeln unterliegt. Beides ist nicht der Fall.
a) Die Zulassungsbegründung wendet sich ohne Erfolg gegen die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, wonach die streitige Anordnung auf § 17 Abs. 1 HeimG in der zum
Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung (Bek.
vom 5. November 2001, BGBl. I S. 2970) - im Folgenden: HeimG n.F. - gestützt werden
konnte. Das Verwaltungsgericht hat sich hierbei erkennbar von dem allgemeinen
Grundsatz des Verwaltungsrechts leiten lassen, wonach in Ermangelung
spezialgesetzlicher Regelungen bei Anfechtungsklagen die Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zugrunde zu legen ist. Das ist nicht zu
beanstanden. Der hiergegen erhobene Einwand, die Eingriffsbefugnis der
Aufsichtsbehörde habe sich nach den Vorschriften des Heimgesetzes in der zum
Zeitpunkt der streitigen Entgelterhöhungen (November 2000) geltenden Fassung zu
richten, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das
HeimG n.F. den Erlass von auf § 17 Abs. 1 gestützten Anordnungen nicht auf
Lebenssachverhalte beschränkt, die erst nach Inkrafttreten des Gesetzes entstanden
sind. Der Übergangsvorschrift des § 26 HeimG n.F. lässt sich eine solche Beschränkung
nicht entnehmen. Insbesondere geht auch der Hinweis der Klägerin auf § 26 Abs. 3
HeimG n.F. fehl. Diese Vorschrift sieht vor, dass Ansprüche der Bewohnerinnen und
Bewohner sowie deren Rechtsnachfolger aus Heimverträgen wegen fehlender
Wirksamkeit von Entgelterhöhungen nach § 4c des Heimgesetzes in der vor dem
Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung gegen den Träger nur innerhalb von
drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes geltend gemacht werden können. Die
Vorschrift regelt nicht die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 HeimG n.F. Sie bezieht sich
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Vorschrift regelt nicht die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 HeimG n.F. Sie bezieht sich
ihrem Wortlaut nach vielmehr allein auf (zivilrechtliche) Ansprüche der Heimbewohner
oder ihrer Rechtsnachfolger gegenüber dem Heimträger. Dessen ungeachtet enthält die
Norm eine Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüchen wegen unwirksamer
Entgelterhöhungen auch nur für die Zukunft. Ihre Formulierung legt dabei den Schluss
nahe, dass der Gesetzgeber die Geltendmachung von bereits vor Inkrafttreten des
Gesetzes entstandenen Ansprüchen nicht ausschließen wollte. Vielmehr ging es dem
Gesetzgeber gerade darum, die Regelungen des HeimG n.F. auch auf Ansprüche
anzuwenden, die aufgrund unwirksamer Entgelterhöhungen nach § 4c HeimG bereits vor
Inkrafttreten des HeimG n.F. entstanden waren. Das ergibt sich zudem aus den
Gesetzesmaterialien, in denen es insoweit heißt:
„Seit Inkrafttreten des § 4c HeimG a.F. sind die Entgelterhöhungen in vielen Fällen
nicht rechtswirksam vorgenommen worden. Es ist dem Träger nicht zuzumuten, wegen
Rückforderungen aufgrund von nicht rechtswirksam vorgenommenen Entgelterhöhungen
noch viele Jahre später von den Bewohnerinnen und Bewohnern oder deren Erben in
Anspruch genommen zu werden. Zur Wahrung des Rechtsfriedens und zur Herstellung
der gebotenen Rechtssicherheit ist als Übergangsregelung eine zeitliche Begrenzung bei
der Geltendmachung derartiger Ansprüche angezeigt“ (BT-Drucks. 14/6366, S. 34).
Die gegenteilige Auffassung der Klägerin ist vor diesem Hintergrund nicht
nachvollziehbar.
Hierin liegt - entgegen der Ansicht der Klägerin - kein Verstoß gegen das
verfassungsrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip in Artikel 20 Abs. 2 GG verankerte
Rückwirkungsverbot. Es liegt hier schon kein Fall der (echten) Rückwirkung vor, weil der
Gesetzgeber nicht nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen hat.
Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass die von ihr Ende des Jahres 2000
vorgenommenen Entgelterhöhungen endgültig Bestand haben würden, zumal die
Heimaufsicht sie bereits im Jahr 2001 auf einen Rechtsverstoß hingewiesen und zur
Beseitigung aufgefordert hatte und auch etwaige privatrechtliche Ansprüche der
Bewohner selbst zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 19. Mai
2004 noch nicht verjährt waren. Die Verjährungsfrist betrug gemäß § 195 BGB i.V.m
Artikel 229 § 6 Abs. 4 EGBGB drei Jahre und lief erst am 1. Januar 2005 aus. Soweit die
Klägerin eine Verjährungsfrist von zwei Jahren geltend macht, verkennt sie, dass es
vorliegend um die Rückabwicklung des Verfahrens nach bereicherungsrechtlichen
Grundsätzen geht.
b) Weiter hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 HeimG n.F. erfüllt waren. Die Maßnahme konnte auf
die Anordnungsbefugnis „zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den
Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten“ gestützt werden. Diese Befugnis
wurde - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist - geschaffen, um die
vertraglichen und gesetzlichen Pflichten des Heimträgers der aufsichtsrechtlichen
Überprüfung durch die zuständige Behörde zu unterwerfen (BT-Drucks. 14/6366, S. 33).
Es steht damit außer Frage, dass die Norm der Aufsichtsbehörde eine
Eingriffsmöglichkeit zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche der Heimbewohner
bietet. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin überzeugen nicht.
Der Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 22. September
2000 - 15 B 40/00 -, wonach die Anordnungsbefugnis des § 12 HeimG in der seinerzeit
geltenden Fassung (jetzt: § 17 HeimG) die Aufsichtsbehörde nicht legitimierte,
zivilrechtliche Ansprüche von Heimbewohnern im Wege einer heimaufsichtlichen
Anordnung durchzusetzen, geht fehl. Die hier vom Verwaltungsgericht herangezogene
Eingriffsbefugnis des § 17 Abs. 1 HeimG n.F. („Sicherung der Einhaltung der dem Träger
… obliegenden Pflichten“) wurde erstmals mit Wirkung vom 1. Januar 2002 (Bek. vom 5.
November 2001, BGBl. I S. 2970) in das Heimgesetz eingeführt und galt
dementsprechend im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig
noch nicht.
Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 5. April 2006 -
4 A 1055/03 -, wonach sich die in der Vergangenheit liegende Verletzung gesetzlicher
Bestimmungen des Heimgesetzes nicht (mehr) durch eine Ordnungsverfügung sichern
lasse, überzeugt nicht. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Halle ist nicht
nachvollziehbar. Ihr liegt anscheinend die Annahme zugrunde, zur „Sicherung“ von
Rechten im Sinne des § 17 Abs. 1 HeimG n.F. seien nur in die Zukunft gerichtete
Maßnahmen zulässig. Diese Annahme ist unzutreffend. Weder lässt sich der
Formulierung des Merkmals eine solche Beschränkung entnehmen noch bestehen
Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber eine solche Beschränkung
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Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber eine solche Beschränkung
bezweckt hat. Im Gegenteil wird man davon auszugehen haben, dass der Gesetzgeber
den Heimaufsichtsbehörden ein effektives Eingriffsinstrumentarium an die Hand geben
wollte. Das wäre bei der vom Verwaltungsgericht Halle präferierten Auslegung nicht
gewährleistet. Dies gilt insbesondere wenn man bedenkt, dass der Erlass einer
Anordnung nach § 17 Abs. 1 HeimG n.F. zuvor festgestellte, aber nicht abgestellte
Mängel voraussetzt. Folgte man der Auslegung des Verwaltungsgerichts Halle, könnte
die Heimaufsichtsbehörde solche Mängel nicht beseitigen, sondern nur verhindern, dass
sie künftig wieder auftreten. Eine derart einschränkende Auslegung der
Eingriffsbefugnisse erscheint schwerlich nachvollziehbar.
c) Weiter hat das Verwaltungsgericht auch zutreffend eine Vertragspflichtverletzung der
Klägerin als Trägerin des Heims darin erblickt, dass die mit Schreiben vom 2. November
2000 mit Rückwirkung zum 1. November 2000 erklärte Erhöhung des
Investitionskostenentgelts die vertraglich jeweils in § 13 Nr. 2 Satz 2 zwischen dem
jeweiligen Heimbewohner und der Klägerin vereinbarte vierwöchige Ankündigungsfrist
unbeachtet gelassen hat. Zu dieser selbstständig tragenden Erwägung verhält sich der
Zulassungsantrag nicht. Er genügt daher insoweit schon nicht den
Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Dessen ungeachtet hat das Verwaltungsgericht in der fehlenden rechtzeitigen
Ankündigung der Erhöhung der Investitionskosten zutreffend auch eine Verletzung des §
4c Abs. 3 Satz 1 HeimG (in der im Zeitpunkt der Entgelterhöhung noch geltenden
Fassung vom 3. Februar 1997, BGBl. I S. 158 - HeimG a.F. -) erblickt. Nach dieser
Vorschrift hat der Heimträger dem Bewohner die Erhöhung des Entgelts spätestens vier
Wochen vor dem Zeitpunkt, an dem sie wirksam werden soll, schriftlich geltend zu
machen und zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat § 4c HeimG a.F. im Ergebnis zu
Recht für einschlägig erachtet. Insbesondere geht seiner Anwendung nicht § 4e HeimG
a.F. vor. Nach § 4e Abs. 2 HeimG a.F. gilt § 4c HeimG a.F. nicht für Heimverträge mit
Versicherten der sozialen Pflegeversicherung. Das Verwaltungsgericht hat insoweit
ausgeführt, dass die Regelung des § 4e Abs. 2 HeimG a.F. entgegen ihrem insoweit nicht
eingeschränkten Wortlaut einer Anwendung des § 4c HeimG a.F. auf den vorliegenden
Fall der Erhöhung eines Investitionskostenentgelts auch für Bewohner, die Versicherte
der sozialen Pflegeversicherung sind, nicht entgegengestanden habe, weil § 4e Abs. 2
HeimG a.F. aufgrund eines Redaktionsversehens zu weit gefasst gewesen sei. Er gelte
nicht für Investitionskosten. Man sei zunächst davon ausgegangen, dass die das
Vertragsverhältnis zwischen Heimträger und Heimbewohner betreffende
Schutzbestimmung des § 4c HeimG a.F. insgesamt zurücktreten könne, weil der
notwendige Schutz über die Bestimmungen im SGB XI, auf die § 4e Abs. 1 HeimG a.F.
verweist, gewährleistet wäre. Dabei sei man davon ausgegangen, dass entsprechend
dem ursprünglichen Konzept des Gesetzentwurfs auch Investitionskosten Bestandteil
der Pflegesatzvereinbarungen nach dem SGB XI seien. Als man dieses Konzept im
Verfahren vor dem gemeinsamen Vermittlungsausschuss des Bundestages und des
Bundesrates aufgegeben habe, habe man jedoch versäumt, die Formulierung in § 4e
HeimG a.F. anzupassen. Vor diesem Hintergrund sei die Bestimmung unter
Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 4c HeimG a.F. einschränkend dahingehend
auszulegen, dass es für Erhöhungen von Investitionskostenentgelten auch gegenüber
Versicherten der sozialen Pflegeversicherung bei der Anwendbarkeit dieser Bestimmung
geblieben sei.
Es kann dahinstehen, ob die Annahme eines Redaktionsversehens in der vom
Verwaltungsgericht angenommenen Form zutrifft. § 4e HeimG a.F. schließt die
Anwendung des § 4c HeimG vorliegend jedenfalls deshalb nicht aus, weil § 4e Abs. 2
HeimG a.F. für Investitionszuschläge nach § 82 Abs. 4 SGB XI nicht gilt. § 4e Abs. 2
HeimG a.F., der dem Heimträger gegenüber Versicherten der sozialen
Pflegeversicherung die Möglichkeit nimmt, das Entgelt gemäß § 4c HeimG a.F. durch
einseitige Erklärung neu festzulegen, gilt nur für die Bereiche „allgemeine
Pflegeleistungen“ (§ 84 Abs. 4 SGB XI), „Unterkunft und Verpflegung“ (§ 87 SGB XI) und
„Zusatzleistungen“ (§ 88 SGB XI) (vgl. § 4e Abs. 1 HeimG), nicht aber für die gesondert
berechenbaren betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs. 4 SGB
XI (LG Gießen, Urteil vom 20. Dezember 2000 - 1 S 219/00 -, Rn. 10 bei juris). Das folgt
aus Sinn und Zweck des § 4e HeimG a.F. Er erklärt in Absatz 2 § 4c HeimG a.F. für
unanwendbar, weil die Funktion des § 4c HeimG a.F., Heimbewohner vor unangemessen
hohen Entgelten für Investitionszuschläge zu schützen, miterfüllt wird, soweit es um
betriebsnotwendige Investitionsmaßnahmen geht, die öffentlich gefördert werden. Die
gesonderte Belastung bedarf dann der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Das lässt
sich auf Investitionszuschläge in Heimen, die nicht öffentlich gefördert werden, nicht
übertragen. Diese richten sich nach § 82 Abs. 4 SGB XI und sind nicht genehmigungs-,
sondern nur mitteilungspflichtig. Eine Überprüfung der Erhöhung auf ihre
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sondern nur mitteilungspflichtig. Eine Überprüfung der Erhöhung auf ihre
Angemessenheit und gegebenenfalls eine Beanstandung findet demnach nicht statt.
Eine Erstreckung der Nichtgeltung des § 4c HeimG a.F. auf Investitionszuschläge für
nicht öffentlich geförderte Heime würde die betroffenen Heimbewohner gegenüber
unangemessenen Erhöhungsverlangen schutzlos werden lassen (im Einzelnen: Dieter
Giese, Zum Verhältnis von § 4e zu § 4c HeimG bei Entgelterhöhungen infolge von
Investitionen, in: Recht der sozialen Dienste und Einrichtungen - RsDE -, Heft 31, S. 1 ff.).
Da die von der Klägerin betriebene Pflegeeinrichtung nicht nach Landesrecht gefördert
wird (vgl. die „Vereinbarung über betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen einer
vollstationären Pflegeeinrichtung mit einem Versorgungsvertrag nach den §§ 72 und 73
SGB XI“ zwischen dem Beklagten und der Klägerin vom 26. Oktober 2000, Bl. 45 f. der
Streitakte), mithin eine solche nach § 82 Abs. 4 SGB XI ist, werden die von ihr
beanspruchten Erhöhungen der Investitionskostenentgelte von § 4c HeimG a.F. erfasst.
Davon geht im Übrigen auch das Kammergericht in seinem Urteil vom 31. Januar 2008 -
4 U 30/06 - aus, in welchem es einen zivilrechtlich eingeklagten Anspruch der Klägerin
gegenüber den Erben einer ihrer Heimbewohnerinnen auf Zahlung der erhöhten
Investitionskosten im Zeitraum ab 1. November 2000 bis 1. Februar 2001 verneint hat
(S. 5 UA).
Der Hinweis der Klägerin, die ursprüngliche Entwurfsfassung des § 4e HeimG a.F. habe
die Ausnahmeregelungen für Versicherte in der sozialen Pflegeversicherung in Absatz 1
zunächst ausdrücklich auch auf Investitionskosten erstreckt, die entsprechende
Formulierung sei dann aber vom Vermittlungsausschuss dahingehend geändert worden,
dass in § 4e Abs. 1 HeimG a.F. die Investitionskosten nicht mehr erwähnt worden seien,
führt nicht weiter. Insbesondere lässt sich daraus - entgegen der Ansicht der Klägerin -
nicht folgern, dass die Streichung der Investitionskosten aus der Entwurfsfassung erfolgt
sei, weil die Investitionskosten über § 82 SGB XI „automatisch“ in die Regelung des § 4e
Abs. 1 HeimG a.F. einbezogen seien. Begründungen zu den Beschlüssen des
Vermittlungsausschusses liegen gerade nicht vor. Der von der Klägerin behauptete
Grund für die Änderung des ursprünglich geplanten Gesetzestextes ist demgemäß rein
spekulativ (so auch das Kammergericht, a.a.O.).
d) Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag geltend macht, das
Verwaltungsgericht habe die Ermessensausübung des Beklagten zu Unrecht nicht
beanstandet, fehlt es an der hinreichenden Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel. Der
Vortrag der Klägerin beschränkt sich insoweit letztlich darauf, dem Beklagten die
Befugnis abzusprechen, die privatrechtlichen Interessen der Heimbewohner
wahrzunehmen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht demgegenüber darauf hin, dass
§ 17 Abs. 1 HeimG n.F. aus den bereits dargelegten Gründen den Schutz der
Heimbewohner zusätzlich zu deren eigenen zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten
bezweckt.
e) Weiter hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Anordnung
nicht des Einvernehmens mit dem Träger der Sozialhilfe nach § 17 Abs. 2 oder den
Pflegesatzparteien nach § 17 Abs. 3 HeimG n.F. bedurfte, weil sie lediglich die von
Selbstzahlern erhobenen Investitionskosten und damit weder die vom Sozialhilfeträger
nach § 93 Abs. 2 BSHG zu übernehmende Vergütung noch einen Bestandteil der im
Pflegesatz zu verabredenden Vergütung betraf. Die Klägerin tritt dem mit dem Hinweis
entgegen, sie hätte sich den Vorgaben des Sozialhilfeträgers, mit dem sie eine
Vereinbarung nach § 93 Abs. 7 BSHG geschlossen habe, widersetzen müssen, wenn sie
von den Selbstzahlern erst ab 1. Dezember 2000 Investitionskosten verlangt hätte, weil
der Sozialhilfeträger ihr aufgegeben habe, den Selbstzahlern keine geringeren
Investitionskosten zu berechnen als den Empfängern von Sozialleistungen. Damit hat sie
zwar Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Anordnung im Verhältnis zum
Sozialhilfeträger dargetan. Weshalb hieraus höhere Kosten für den Sozialhilfeträger
resultieren, hat sie dagegen nicht erläutert. Die allein würden es aber erforderlich
machen, das Einvernehmen des Sozialhilfeträgers nach § 17 Abs. 2 HeimG n.F.
einzuholen.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin weist die Rechtssache auch keine besonderen
rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Besondere Schwierigkeiten weist eine
Rechtssache auf, wenn der konkret zu entscheidende Rechtsstreit
entscheidungserhebliche Fragen aufwirft, deren Lösung in tatsächlicher oder rechtlicher
Hinsicht überdurchschnittliche Schwierigkeiten bereitet. Das ist anzunehmen, wenn die
Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtliche
Würdigung, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln
an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben, die sich nicht ohne
weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines
Berufungsverfahrens erfordern, wenn also das Berufungsgericht im Zeitpunkt seiner
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Berufungsverfahrens erfordern, wenn also das Berufungsgericht im Zeitpunkt seiner
Entscheidung über den Zulassungsantrag keine positive oder negative Aussage zur
Erfolgsaussicht der angestrebten Berufung treffen kann, diese Erfolgsaussichten
vielmehr offen sind. Stützt der Rechtsmittelführer seinen Antrag auf den
Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der
Rechtssache, muss er darlegen, welche begründeten Zweifel gegen die erstinstanzliche
Entscheidung bestehen, die den Ausgang des Rechtsstreits als offen erscheinen lassen
(OVG Münster, Beschluss vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 -). Daran fehlt es.
Die Klägerin hat es nicht vermocht, begründete Zweifel darzulegen, die den Ausgang
des Rechtsstreits als offen erscheinen lassen. Sie verweist im Wesentlichen lediglich auf
ihr nicht überzeugendes Vorbringen zu den Richtigkeitszweifeln.
3. Auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer
Rechtssache zu, wenn sie eine für das erstrebte Rechtsmittelverfahren erhebliche
Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit oder Fortbildung des Rechts
obergerichtlicher Klärung bedarf (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober
2005 - OVG 5 N 45.05 -, Rn. 16 bei juris). Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eine solche bestimmte ungeklärte Rechts- oder
Tatsachenfrage zu formulieren. Weiter ist die Entscheidungserheblichkeit der
betreffenden Frage im Berufungsverfahren aufzuzeigen sowie anzugeben, worin die
allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Es ist
darzulegen, in welchem Sinne und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage
zweifelhaft und streitig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, „ob dem Beklagten eine Anordnungsbefugnis
zusteht, wenn es um rein monetäre und in der Vergangenheit liegende Interessen
einzelner Bewohner aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin geht“, bedarf -
ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
hat - jedenfalls deshalb keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich - wie
die Ausführungen unter 1. belegen - ohne weiteres auch ohne die Durchführung eines
Berufungsverfahrens beantworten lässt. Gleiches gilt für die von der Klägerin
aufgeworfene Frage der Reichweite der Anordnungsbefugnis in § 17 Abs. 1 HeimG n.F.
Auch ihr Hinweis auf das angebliche Abweichen des erstinstanzlichen Urteils von der
Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte rechtfertigt nicht die Durchführung eines
Berufungsverfahrens.
4. Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels im Sinne des §
124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor. Verfahrensmängel im Sinne dieser Norm sind Verstöße
gegen Regelungen des Verwaltungsprozessrechts. Dabei ist vom materiell-rechtlichen
Standpunkt der Vorinstanz auszugehen, selbst wenn dieser rechtlich verfehlt sein sollte
(OVG Bautzen, Beschluss vom 20. November 2000 - 3 B 784/99 -, Rn. 2 bei juris). Einen
solchen Verfahrensmangel zeigt die Klägerin nicht auf.
a) Ihre Rüge, das Verwaltungsgericht hätte die Anordnungsbefugnis des § 17 Abs. 1
HeimG n.F. allenfalls bezogen auf diejenigen Heimbewohner für anwendbar halten
dürfen, die sich über die Investitionskosten beschwert hatten, betrifft die rechtliche
Würdigung des Sachverhalts, nicht aber die Art und Weise der Durchführung des
gerichtlichen Verfahrens. Vom rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts kam es
nicht darauf an, ob und wie viele Heimbewohner sich über die Erhöhung des
Investitionskostenentgelts beschwert hatten.
b) Auch der Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs liegt - entgegen der
Auffassung der Klägerin - nicht vor. Der in Artikel 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO
geregelte Anspruch auf rechtliches Gehör besagt, dass der an einem gerichtlichen
Verfahren Beteiligte Gelegenheit erhalten muss, sich zu den entscheidungserheblichen
Tatsachen äußern zu können. Damit korrespondiert die Pflicht des Gerichts, die
Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen
(BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1984 – 1 BvR 608/84 -, BVerfGE 67, 202). Diese
Anforderungen hat das Verwaltungsgericht erkennbar erfüllt. Der anderslautende
Vortrag der Klägerin hierzu verfängt nicht.
Sie macht insoweit geltend, es sei für sie überraschend gewesen, dass das
Verwaltungsgericht § 17 Abs. 1 HeimG n.F. als Rechtsgrundlage der streitigen
Anordnung für einschlägig gehalten habe. Dies hätte es erstmals in der mündlichen
Verhandlung offenbart. Es sei verpflichtet gewesen, hierauf vorab in einer
prozessleitenden Verfügung hinzuweisen, zumal die mündliche Verhandlung erst drei
Jahre nach Klageerhebung durchgeführt worden sei. Wäre eine solche Verfügung erfolgt,
hätte die Klägerin die Einrede der Verjährung wegen der zivilrechtlichen Ansprüche der
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hätte die Klägerin die Einrede der Verjährung wegen der zivilrechtlichen Ansprüche der
Heimbewohner erhoben.
aa) Dieses Vorbringen ist schon deshalb verfehlt, weil die Anordnung bereits im
Ausgangsbescheid vom 9. Januar 2003 auf § 17 Abs. 1 HeimG n.F. gestützt wurde. Dass
das Verwaltungsgericht den Bescheid für rechtmäßig hält, hatte die Klägerin stets ins
Kalkül zu ziehen.
bb) Unbeschadet dessen würde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf einem
insoweit zu Gunsten der Klägerin unterstellten Verfahrensmangel nicht „beruhen“. Denn
aus Sicht des Verwaltungsgerichts kam es für die Rechtmäßigkeit der streitigen
Anordnung nicht darauf an, ob nach deren Erlass die Einrede der Verjährung bezogen
auf die zivilrechtlichen Ansprüche der Heimbewohner erhoben werden konnte oder
erhoben worden war. Es hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 17 Abs. 1 HeimG
n.F. eine selbstständige öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Heimträgers begründe,
die unabhängig von individueller zivilprozessualer Verfolgung der Ansprüche bestehe.
cc) Im Übrigen wäre die Klägerin auch nicht gehindert gewesen, in der mündlichen
Verhandlung die Einrede der Verjährung zu erheben. Dass sich aus ihrer Sicht diese
Möglichkeit erstmals in der mündlichen Verhandlung eröffnet hätte, sie von diesem
Aspekt in der mündlichen Verhandlung also gleichsam „überrumpelt“ wurde, kann schon
deshalb nicht angenommen werden, weil diese Argumentation bereits Gegen- stand der
schriftlichen Auseinandersetzung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung gewesen ist,
so dass auch aus diesem Grunde eine Gehörsrüge nicht erhoben werden kann.
dd) Weiter trifft es, wie bereits ausgeführt, nicht zu, dass die Ansprüche der
Heimbewohner gegenüber der Klägerin verjährt waren. Das hat das Verwaltungsgericht
überzeugend unter Hinweis auf § 195 BGB n.F. in Verbindung mit Artikel 229 § 6 Abs. 4
EGBGB dargelegt. Danach kam die Einrede der Verjährung frühestens ab dem 1. Januar
2005 in Betracht. Jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am
19. Mai 2004 bestanden diese Ansprüche demnach unabhängig von der Einrede der
Verjährung. Ob eine Anordnungsverfügung hätte rechtmäßigerweise ergehen können,
wenn im Erlasszeitpunkt etwaige Ansprüche der Heimbewohner, zu deren Sicherung sie
dienen sollte, bereits verjährt gewesen wären, bedarf vor diesem Hintergrund keiner
Entscheidung.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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