Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 11.01.2010

OVG Berlin-Brandenburg: satzung, amtsblatt, rechtskraft, anzeiger, befreiung, rechtsgrundlage, veröffentlichung, mitgliedschaft, kontrolle, rückwirkung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 S 10.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 80 Abs
5 VwGO, § 9 Abs 1 RAVersorgG
BB, § 9 Abs 2 RAVersorgG BB
Rechtsanwalt - Beitragsbescheide eines Versorgungswerks;
Prüfungsmaßstab bzgl. Satzungen im Eilverfahren,
Bekanntmachungsmangel; Rechtskraft einer vorangegangenen
Entscheidung
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 11. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 12 895,35 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine
Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung
des Senats angenommen, dass im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig von
der Wirksamkeit der dem Beitragsbescheid zugrunde liegenden Satzung auszugehen ist.
Das Gericht hat sich insoweit auf die Kontrolle der äußeren Gültigkeit und sich ersichtlich
aufdrängender Satzungsfehler zu beschränken. Hierbei findet die Prüfung dort ihre
Grenzen, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht, deren
abschließende Beurteilung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss (OVG
Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 23. Januar 2009 - OVG 12 S 93.08 - und vom 16.
November 2009 - OVG 12 S 58.09 -). Dieser Prüfungsmaßstab ist mit Artikel 19 Abs. 4
GG vereinbar. Er ist dem öffentlichen Interesse am sofortigen Zahlungseingang bei der
Vollstreckung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
geschuldet (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1992 – NVwZ 1993, 1112).
Härtefälle werden dadurch kompensiert, dass die Vollziehung unabhängig von der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus Billigkeitsgründen auszusetzen ist,
wenn die verlangte Zahlung zu einer Insolvenz oder Existenzvernichtung führt (vgl. z.B.
OVG Berlin, Beschluss vom 4. Dezember 2001 – NVwZ-RR 2001, 306).
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Beitragsbescheide ist § 9 Abs. 1 und 2
Brandenburgisches Rechtsanwaltsversorgungsgesetz (BbgRAVG) i.V.m. § 33 der
Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Brandenburg vom 8. November
2002 (ABl. für Brandenburg 2003, S. 886 - RAVS 2002 -) bzw. (soweit Beiträge für die
Zeit nach dem 11. November 2004 festgesetzt worden sind) § 33 der Satzung des
Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Brandenburg vom 7. November 2003 (ABl. für
Brandenburg 2004, S. 838 - RAVS 2003 -). Jedenfalls im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren ist von der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der so
bezeichneten satzungsmäßigen Grundlage für die Beitragserhebung auszugehen. Dazu
bedarf es allerdings unter Abweichung von der Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichts nicht der Annahme einer so genannten Notkompetenz für die
Mitglieder der zweiten Vertreterversammlung des Versorgungswerkes für den Erlass der
Satzungen vom 8. November 2002 und 7. November 2003. Dies wäre nämlich nur dann
erforderlich, wenn durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung des
Antragsgegners vom 3. Juli 1996 (Amtlicher Anzeiger Nr. 37, S. 762, als Beilage zum
Amtsblatt für Brandenburg Nr. 38 vom 4. September 1996) und insbesondere dessen §
4 als für die Wahl der zweiten Vertreterversammlung maßgeblichen Regelung
bestünden. Dies ist nicht der Fall. Bereits in seinen Beschlüssen vom 22. Januar 2009
und 16. November 2009 hat der Senat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen,
dass der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom
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dass der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom
9. Oktober 2002 (LKV 2003, 96) und vom 23. Oktober 2002 (LKV 2003, S. 521), wonach
die Veröffentlichung einer Rechtsnorm in dem als Beilage zum Amtsblatt für
Brandenburg erscheinenden Amtlichen Anzeiger den rechtsstaatlichen Anforderungen
grundsätzlich nicht genüge, wenn das Gesetz eine Veröffentlichung im Amtsblatt des
Landes Brandenburg vorsehe, vorbehaltlich einer weiteren Prüfung im Hauptverfahren in
dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht gefolgt werde. Zur Begründung ist dabei
auf die Zweifel hingewiesen worden, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem
Beschluss vom 11. September 2003 (DVBl. 2004, S. 379) an der genannten
Rechtsprechung für das Land Brandenburg geäußert hat. Dieser Linie folgt der Senat
auch in dem vorliegenden Verfahren.
Dass in einem vorangegangenen Verwaltungsstreitverfahren zwischen der
Antragstellerin und dem Antragsgegner (VG Cottbus - 2 K 671/00 - = OVG Frankfurt
(Oder) - 1 A 147/02.Z -) ein Bescheid des Beklagten vom 6. Februar 1997 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 1997 sowie in der Gestalt eines
Änderungsbescheides vom 1. März 2001 rechtskräftig aufgehoben worden ist (Urteil des
Verwaltungsgerichts Cottbus vom 8. März 2002; Beschluss des OVG Frankfurt (Oder)
vom 23. Oktober 2002 [LKV 2003, S. 521]), steht dem nicht entgegen. Zwar ist damit im
Sinne des § 121 VwGO rechtskräftig und damit verbindlich für die Streitbeteiligten
entschieden, dass die seinerzeit angefochtenen Regelungen des genannten Bescheides
rechtswidrig waren und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt haben; doch ist der
zur Begründung der rechtskräftigen Entscheidungen herangezogene Rechtssatz, die
Satzung vom 3. Juli 1996 sei wegen eines Bekanntmachungsfehlers nicht wirksam
geworden, als rechtliche Vorfrage und Begründungselement für die rechtskräftigen
Entscheidungen seinerseits nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. BVerwGE 115, 111, 117;
Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Auflage, § 121 Rn. 73).
Damit stünde die Rechtskraft der vorangegangenen Gerichtsentscheidungen zwar einer
Wiederholung des seinerzeit angefochtenen Verwaltungsaktes vom 6. Februar 1997,
nicht jedoch einem Bescheid entgegen, durch den im Jahre 2007 Beiträge für die Jahre
ab 2003 geltend gemacht worden sind.
Ist von der Rechtmäßigkeit der Satzung vom 3. Juli 1996 auszugehen, so ist eine
ordnungsmäßige Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung gegenüber der
Antragstellerin nicht erst durch die Satzungen vom 8. November 2002 und 7. November
2003 geschaffen worden. Ob es bei der Wahl zu der Vertreterversammlung, die über die
Satzungen vom 8. November 2002 und 7. November 2003 beschlossen hat, Wahlfehler
gegeben hat, die zu einer Unwirksamkeit der Beschlussfassungen führen könnten, kann
ggf. nur in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Selbst wenn die Nichtigkeit der
Satzungen vom November 2002 und 2003 unterstellt würde, wäre in einem solchen Fall
jedenfalls von der Weitergeltung der Satzung vom 3. Juli 1996 auszugehen (vgl.
Beschluss des Senats vom 16. November 2009 a.a.O.).
Kommt es damit für die satzungsmäßige Grundlage der Beitragserhebung nicht auf die
Frage an, ob die Satzung vom 8. November 2002 in ihrem § 47 zu Recht mit
Rückwirkung auf den 5. September 1996 ausgestattet worden ist, so geht das
diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde ins Leere.
Eine Befreiung von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk hat die Antragstellerin trotz
entsprechender Bemühungen von ihrer Seite bisher nicht erstritten. Dass ihr ein
Anspruch auf Befreiung zustünde, ist auf bei Zugrundelegung der bisherigen Sach- und
Rechtslage nicht ersichtlich. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verwiesen werden.
Soweit die Antragstellerin schließlich geltend macht, die Beitragserhebung stelle für sie
eine unbillige Härte dar, kann ihr nicht gefolgt werden. Allein der Hinweis auf die
Aufnahme eines Darlehens in der Größenordnung von ca. 500 000 EUR lässt eine
dahingehende Schlussfolgerung nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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