Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.09.2010

OVG Berlin-Brandenburg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, bisherige nutzung, nutzungsänderung, öffentlich, verwaltungsgerichtsbarkeit, empfehlung, berechtigung, lagerraum, link, aufnehmen

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 S 80.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 114 VwGO, § 146 Abs 4
VwGO, § 38 Abs 1 VwVfG, § 62
Abs 1 BauO BE, § 62 Abs 2
BauO BE
vorläufiger Rechtsschutz gegen Nutzungsuntersagung im Fall
eines Wettbüros
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 13. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 45.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 13. Juli 2010 gegen die unter Androhung
eines Zwangsgeldes verfügte – als Duldungsanordnung bezeichnete -
Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 25. Juni 2010 abgelehnt hat, ist nicht
aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das
Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO - beschränkt ist, zu beanstanden.
Dass die Nutzung der bisher als Ladengeschäft genehmigten Räumlichkeiten in Berlin-S.
P. als Wettbüro zur Vermittlung von Sportwetten wegen formeller Illegalität im
Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 79 Satz 2 BauOBln
erfolge, hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des
beschließenden Senats (vgl. Beschluss vom 19. August 2010 – OVG 2 S 55.10 -) damit
begründet, dass es sich bei dem Vorhaben des Antragstellers um eine - nicht nach § 62
Abs. 2 BauOBln verfahrensfreie - Nutzungsänderung handele, mit der selbst bei
Vorliegen der Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung (§ 63 Abs. 1 und 2
BauOBln) grundsätzlich erst einen Monat nach der - bisher nicht erfolgten - Vorlage der
erforderlichen Unterlagen (§ 63 Abs. 3 Satz 2 BauOBln) bzw. nach der - ebenfalls
fehlenden und auch nicht zu erwartenden - Mitteilung der Bauaufsichtsbehörde gemäß §
63 Abs. 3 Satz 3 BauOBln begonnen werden dürfe. Ob eine baurechtlich relevante
Änderung der bisher genehmigten Nutzung als „Ladengeschäft“ vorliege, hänge nicht
davon ab, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Wettbüros als
Vergnügungsstätten im Sinne der Baunutzungsverordnung anzusehen seien.
Entscheidend sei im vorliegenden Zusammenhang allein die Möglichkeit, dass die
Zulässigkeit der beabsichtigten neuen Nutzung bauplanungs- oder
bauordnungsrechtlich anders zu beurteilen sei als die bisher erlaubte Nutzung. Das folge
schon daraus, dass die Nutzungsart „Wettbüro“ keinen feststehenden Betriebstyp
beschreibe und bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise keiner der in der
Baunutzungsverordnung genannten Nutzungsarten eindeutig zugeordnet werden könne.
Ein „Wettbüro" lasse sich in verschiedenen Formen betreiben, die sich unter
Zulässigkeitsgesichtspunkten deutlich voneinander abhöben und auch gegenüber einer
als „Ladengeschäft" genehmigten Einzelhandelsnutzung wesentliche Unterschiede
aufweisen könnten. Solche Unterschiede könnten sich beispielsweise aus den
voneinander abweichenden Öffnungszeiten, dem Stellplatzerfordernis oder der
Gebietsverträglichkeit im Zusammenhang mit dem durch das Vorhaben ausgelösten
Kraftfahrzeugverkehr ergeben. Ob ein „Wettbüro" im Einzelfall den einschlägigen
bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften entspricht, sei daher regelmäßig
vorab durch die Bauaufsichtsbehörde zu prüfen.
Mit diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Beschwerde nicht
hinreichend auseinander. Die Überlegung des Antragstellers, dass § 62 BauOBln
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hinreichend auseinander. Die Überlegung des Antragstellers, dass § 62 BauOBln
gegenüber § 63 BauOBln die „speziellere“ Vorschrift sei, lässt unberücksichtigt, dass das
Verwaltungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 BauOBln
verfahrensfreien Nutzungsänderung gerade verneint hat. Weshalb entgegen der
ausführlich begründeten Annahme des Verwaltungsgerichts für die neue Nutzung keine
anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als für die bisherige Nutzung in Betracht
kommen sollen, legt die Beschwerde nicht dar. Das Beschwerdevorbringen erschöpft
sich insoweit in der nicht nachvollziehbaren Behauptung, dass für § 62 BauOBln im
Geltungsbereich des Baunutzungsplans neben § 63 BauOBln kein Anwendungsbereich
mehr bliebe, wenn die Nutzung im vorliegenden Fall nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 1
BauOBln verfahrensfrei wäre. Rechtlich ohne erkennbare Relevanz ist ferner der Vortrag
des Antragstellers, eine „Sachbearbeiterin im Bauaufsichtsamt des Bezirksamts“ habe
dem Hauptmieter der streitgegenständlichen Räumlichkeiten im März 2008 mitgeteilt,
dass die aktuelle Nutzung als „Wettbüro“ zulässig sei und keine weiteren
Genehmigungserfordernisse bestünden, die – damals angedachte - Nutzung als
Spielothek hingegen nicht genehmigungsfähig sei. Da es sich bei der behaupteten
Mitteilung einer Behördenmitarbeiterin schon mangels Schriftform weder um einen
Vorbescheid nach § 74 Abs. 1 BauOBln noch etwa um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1
VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 BlnVwVfG handeln würde, bestand für das Verwaltungsgericht
kein Anlass, hierauf einzugehen.
Die Beschwerde legt auch nicht dar, dass die Nutzungsuntersagungsverfügung
entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts i.S.d. § 114 VwGO ermessensfehlerhaft
ist. Auf die Frage, ob der Antragsgegner das „Wettbüro“ zu Recht als „Sonderform der
Spielhalle“ angesehen hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an; denn
entscheidend ist der vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Gesichtspunkt, dass die
Nutzung der Räumlichkeiten als „Wettbüro“ im Hinblick auf die dargestellten
bauplanungsrechtlichen Zweifelsfragen jedenfalls nicht offensichtlich genehmigungsfähig
ist und sich der Antragsteller auf ein überwiegendes Nutzungsinteresse schon deshalb
nicht berufen kann, weil er die bauplanungsrechtliche Prüfung von vornherein dadurch
verhindert hat, dass er der Bauaufsichtsbehörde bisher keine prüffähige Beschreibung
seines Vorhabens vorgelegt hat. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht
von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Nutzungsänderung in
bauplanungsrechtlicher Hinsicht ausgegangen werden. Dass das streitgegenständliche
Grundstück nach dem Baunutzungsplan 1958/60 im einem gemischten Gebiet liegt, in
dem nach § 7 Nr. 9 Buchst. c der Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 21.
November 1958 (BO 58) „Vergnügungsstätten“ zulässig sind, ersetzt nicht die Prüfung,
ob die Nutzung als Wettbüro nach der vom Antragsgegner zutreffend herangezogenen
Bestimmung des § 7 Nr. 5 BO 58 der Bestimmung des betreffenden Baugebietes nach
Art, Umfang und Zweck entspricht und keine Nachteile oder Belästigungen verursachen
kann, die für die nähere Umgebung nicht zumutbar sind. In einem gemischten Gebiet
kann gerade auch eine Veränderung des gebotenen quantitativen
Mischungsverhältnisses von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe zu einer
Beeinträchtigung des Gebietscharakters führen. Vorhaben, die an sich ihrer Art nach
bauplanungsrechtlich zulässig sind, können deshalb im Einzelfall unzulässig sein, wenn
sie in einer Situation verwirklicht werden sollen, in der sie städtebaulich nicht (mehr)
verträglich sind und die Umgebung sie nicht (mehr) aufnehmen kann (vgl. BVerwG, Urteil
vom 4. Mai 1988 – 4 C 34.86 -, BVerwGE 79, 309, 316 f.). Ob dies in Bezug auf die vom
Antragsteller aufgenommene Nutzung wegen der in der unmittelbaren Umgebung
bereits vorhandenen Wettbüros und Spielhallen der Fall ist, kann ohne eine prüffähige
Beschreibung des Vorhabens (vgl. § 5 BauVerfVO) sowie eine sorgfältige Ermittlung und
Bewertung aller relevanten tatsächlichen Umstände nicht beurteilt werden.
Ob der in der Beschwerdebegründung beanstandeten Annahme des
Verwaltungsgerichts zu folgen wäre, dass es mangels einer zivilrechtlichen Berechtigung
des Antragstellers zur Nutzung der Räumlichkeiten bereits am erforderlichen
Rechtsschutzbedürfnis fehle, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich an der – die
Erteilung einer Baugenehmigung für eine Spielhalle – betreffenden Empfehlung in Nr.
9.1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525). Da
die Fläche der streitgegenständlichen Räumlichkeiten ausweislich des im
erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Hauptmietvertrages insgesamt ca. 289,40 m²
beträgt, die Nebenräume (1 Lagerraum, 1 Büro, 2 WC) jedoch abzuziehen sind, geht der
Senat von einer für den Ladenraum verbleibenden Nutzfläche von 150 m² aus. Der auf
der Grundlage von 600 Euro/qm Nutzfläche errechnete Betrag ist im vorliegenden
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des
Streitwertkataloges).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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