Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 15.07.2002

OVG Berlin-Brandenburg: jugend, analogie, zumutbarkeit, zugang, amt, abschlussprüfung, auflösung, offenkundig, prüfungsergebnis, arbeitslosigkeit

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 62.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 62 PV 7.06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten
zu 1) nach § 9 Abs. 4 BPersVG.
Aufgrund Ausbildungsvertrages vom 15. Juli 2002 absolvierte der Beteiligte zu 1) bei der
Antragstellerin eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten in der Zeit
vom 1. September 2002 bis 31. August 2005. Am 3. August 2005 beendete der
Beteiligte zu 1) seine Ausbildung mit der Note „ausreichend“ (55,4 Punkte). Die Note
„ausreichend“ umfasst 50,0 bis 62,4 Punkte, die Note „befriedigend“ 62,5 bis 74,9
Punkte, die Note „gut“ 75 bis 87,4 Punkte und die Note „sehr gut“ ab 87,5 Punkte.
Seit dem 1. Juni 2004 ist der Beteiligte zu 1) Mitglied der Haupt-Jugend- und
Auszubildendenvertretung bei der Antragstellerin. Unter dem 20. Juni 2005 beantragte
er die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG.
Am 17. August 2005 hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht die Auflösung
des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 4 BPersVG beantragt und zur Begründung
geltend gemacht: Per 1. August 2005 habe in ihrem Hause im hier interessierenden
Bereich ein Überhang von 123,85 Stellen bestanden. Unbeschadet dessen seien
Absolventen die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten worden,
allerdings höchstens 16 Nachwuchskräften in 2005, und zwar in erster Linie solchen, die
mit „sehr gut“ (ab 87,5 Punkten) abgeschnitten hätten. Die am schwächsten
qualifizierte Bewerberin, die ein Dauerarbeitsverhältnis erhalten habe, habe über die
Note „gut“ (83,8 Punkte) verfügt. Bewerbern, die mit einer schlechteren Note als den
vorgenannten abgeschlossen hätten, seien - je nach Note gestuft - befristete (Teilzeit-)
Arbeitsverhältnisse angeboten worden. Die für eine Dauereinstellung erforderliche Note
habe der Beteiligte zu 1) danach bei weitem nicht erreicht.
Das Verwaltungsgericht hat dem Auflösungsantrag mit Beschluss vom 31. Mai 2006
stattgegeben und zur Begründung das Folgende ausgeführt: Der Auflösungsantrag sei
ordnungsgemäß gestellt und insbesondere mit einer wirksamen Unterschrift versehen
worden. Eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) könne der Antragstellerin nicht
im Sinne von § 9 Abs. 4 BPersVG zugemutet werden. Es seien bereits keine freien
Stellen vorhanden. Soweit die Antragstellerin solche doch vergeben hätte, seien nach
dem Grundsatz der Bestenauslese objektiv wesentlich fähigere und geeignetere
Bewerber vorhanden gewesen. Nachdem nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts andere Bewerber dann objektiv wesentlich fähiger und
geeigneter seien, wenn deren Notenabstand zum Jugendvertreter mindestens das 1,33-
fache einer vollen Notenstufe ausmache, habe der Beteiligte zu 1) deutlich - mit einem
Abstand von 28,4 Punkten - hinter dem insoweit schlechtesten möglichen Mitbewerber
gelegen. § 9 BPersVG sei auch nicht analog auf unbefristete Teilzeitverhältnisse
übertragbar.
Hiergegen richten sich die rechtzeitig erhobenen und begründeten Beschwerden der
Beteiligten. Der Beteiligte zu 1) macht im Wesentlichen geltend, der Auflösungsantrag
sei bereits nicht wirksam gestellt worden, weil er lediglich mit einer Paraphe versehen
und von daher nicht wirksam unterschrieben sei. In der Sache sei vorliegend von einem
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und von daher nicht wirksam unterschrieben sei. In der Sache sei vorliegend von einem
faktischen Einstellungsstopp bei der Antragstellerin auszugehen. Dass danach trotz
eines Stellenüberhangs Einstellungen vorgenommen worden seien, ohne dass ein
unabweisbarer vordringlicher Personalbedarf bestanden habe, zeige, dass eine
Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) nicht unzumutbar sei. Die Beteiligten zu 2)
und 3) machen zur Begründung ihrer Beschwerde geltend, zunächst habe ein
unzuständiges Organ der Antragstellerin über die Kriterien der Vergabe von
unbefristeten und befristeten Arbeitsplätzen entschieden; nachdem vorliegend eine
„Grundsatz-Querschnittsaufgabe“ im Sinne der Satzung der Antragstellerin vorliege,
habe nach Maßgabe derselben über die Kriterien der Vergabe von Arbeitsplätzen der
Vorstand der Antragstellerin und nicht der Trägerausschuss des Vorstandes entscheiden
müssen. In der Sache sei die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur
Beachtung des Leistungsgrundsatzes mit der im Hinblick auf § 9 BPersVG zu
beachtenden Maßgabe eines Notenabschlages vom 1,33-fachen einer vollen Notenstufe
(insbesondere: Beschluss vom 17. Mai 2000 - 6 P 9.99 -, PersR 2000, 421, 422) nicht
heranziehbar, nachdem die Antragstellerin hier selbst ein abgestaffeltes System der
Vergabe von Dauer- und befristeten Arbeitsverhältnissen aufgestellt habe und hiernach
selbst den Leistungsgrundsatz nicht beachte. Ferner müsse die Vergabe (auch) von
befristeten Arbeitsverhältnissen (bei Noten unter 75 Punkten und weniger) dergestalt
berücksichtigt werden, dass daraus im Wege analoger Erweiterung des § 9 BPersVG
auch eine Zumutbarkeit der (dauerhaften) Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1)
folgen müsse. Selbst wenn man die vorstehend genannte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Beachtung des Leistungsgrundsatzes hier für anwendbar
halte, habe die Antragstellerin gegen ihre eigenen Vorgaben bei der Vergabe von
Arbeitsplätzen verstoßen. In dem maßgeblichen Beschluss der Antragstellerin zur
Übernahme von Nachwuchskräften im Haushaltsjahr 2005 heiße es, dass die Angebote
auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf der Grundlage der Rangfolge
nach Eignung, Befähigung und Leistung, und zwar „vorrangig“ nach der Prüfungsnote,
unterbreitet würden; hiernach hätten nicht nur die Gesamtabschlussnote, sondern auch
sonstige Beurteilungen, praktische Leistungen oder Stationsnoten Berücksichtigung
finden müssen.
Die Beteiligten beantragen jeweils,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 zu ändern und
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie tritt den Beschwerden im Einzelnen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden bleiben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der
Antragstellerin das zwischen ihr und dem Beteiligten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis
zu Recht nach §§ 9 Abs. 4 BPersVG aufgelöst. Es hat zutreffend festgestellt, dass der
Auflösungsantrag wirksam gestellt und der Antragstellerin eine Weiterbeschäftigung des
Beteiligten zu 1) unzumutbar sei. Insoweit nimmt der Senat auf die Gründe der
angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 83 Abs. 2 BPersVG, §§ 87 Abs. 2 und 69 Abs. 2
ArbGG); zu den Beschwerdegründen ist ergänzend das Folgende auszuführen: Soweit
der Beteiligte zu 1) Überlegungen zu einem Einstellungsstopp anstellt, sind die von ihm
diesbezüglich herangezogenen Grundsätze hier nicht einschlägig, weil bei der
Antragstellerin ein Einstellungsstopp weder verfügt noch praktiziert worden ist; allein aus
dem Umstand, dass die Antragstellerin (überhaupt) Einstellungen vornimmt bzw. im hier
maßgeblichen Zeitraum vorgenommen hat, folgt im Übrigen nicht bereits die
Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1). Soweit die Beteiligten zu
2) und 3) meinen, dass vorliegend ein unzuständiges Organ bei der Antragstellerin über
die Modalitäten der Vergabe von Dauerarbeitsplätzen entschieden hat, kann dies schon
deswegen dahinstehen, weil die Antragstellerin diese Einstellungsmodalitäten
einschließlich der Vergabe von befristeten (Teilzeit-) Arbeitsverhältnissen bei schlechter
qualifizierten Absolventen bereits seit Jahren praktiziert (vgl. nur Beschluss des Senats
vom 9. August 2005 - OVG 62 PV 2.05 -) und nicht davon ausgegangen werden kann,
dass dies ohne Billigung des zuständigen Organs bei der Antragstellerin vonstatten geht.
Soweit die Beteiligten zu 2) und 3) ferner meinen, die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Beachtung des Leistungsgrundsatzes unter
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Bundesverwaltungsgerichts zur Beachtung des Leistungsgrundsatzes unter
Berücksichtigung von § 9 BPersVG (insbesondere Beschluss vom 17. Mai 2000 - 6 P 9.99
-, PersR 2000, 421, 422) sei vorliegend nicht heranziehbar, weil die Antragstellerin ein
abgestaffeltes System einschließlich der Vergabe von befristeten (Teilzeit-)
Arbeitsverhältnissen aufgestellt habe, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Der Senat hat
bereits grundlegend entschieden, dass die vorerwähnte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Beachtung des Leistungsgrundsatzes vorliegend zu
berücksichtigen ist und dass die Vergabe von Dauerarbeitsverhältnissen bei der
Antragstellerin mit derselben im Einklang steht; dass auch die Vergabe von befristeten
Arbeitsverhältnissen nicht zu beanstanden ist, hat der Senat in diesem Zusammenhang
übrigens ebenfalls bereits festgestellt. In dem dazu maßgeblichen Beschluss des Senats
vom 9. August 2005 heißt es dazu wie folgt:
„Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses ist unzumutbar, wenn der
Arbeitgeber des Jugend- und Auszubildendenvertreters keinen auf Dauer angelegten
Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung bereitstellen kann, der
dessen Ausbildung entspricht und ihn sowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung
des Arbeitsverhältnisses als auch hinsichtlich der Vergütung und der beruflichen
Entwicklungsmöglichkeiten einem Beschäftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber für
eine vergleichbare Tätigkeit ausgewählt und eingestellt worden ist (vgl. nur BVerwG,
Beschluss vom 9. September 1999 - 6 P 5.98 -, PersR 2000, 156, 157). Einen solchen
Arbeitsplatz kann die Antragstellerin für den Beteiligten zu 1) im Hinblick auf ihre
Stellensituation und unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Bewerberfeldes nicht
bereitstellen. Zu dem Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses des
Beteiligten zu 1), d.h. per Ende Juli 2004 (hier: von der Antragstellerin erhoben per
Stichtag 1. Juni 2004), ergab sich bei der Antragstellerin ein Ansatz von 21.223,50
Stellen gegenüber 21.531,97 besetzten Stellen, mithin ein Überhang bzw. eine
rechnerische Überbesetzung von 308,47 Stellen. Selbst wenn zu berücksichtigen ist,
dass es im hier interessierenden Zusammenhang nicht auf die Anzahl von besetzbaren
Planstellen, sondern darauf ankommt, ob ein ausbildungsadäquater, auf Dauer
angelegter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann (s. BVerwG, Beschluss vom
9. September 1999, a.a.O., S. 157 f.), und die Antragstellerin - hier offenkundig nicht
durch freie Stellen, sondern auf andere Weise erwirtschaftete - Dauerarbeitsplätze
tatsächlich auch vergeben hat, kann ihr die Weiterbeschäftigung eines Jugendvertreters
nicht zugemutet werden, wenn sie - wie vorliegend - mit Rücksicht auf ihre
Stellensituation allenfalls einen geringen Teil der Auszubildenden weiterbeschäftigten
kann und insoweit objektiv wesentlich fähigeren und geeigneteren Bewerbern nach
Maßgabe des Prinzips der Bestenauslese bzw. nach dem Leistungsgrundsatz (Art. 33
Abs. 2 GG) der Vorrang einzuräumen war.
Wie das Bundesverwaltungsgericht insoweit in seinem Beschluss vom 9.
September 1999 hervorgehoben hat, haben die Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG, wonach
jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, Maßstab jeglicher Personalentscheidung im
öffentlichen Dienst zu sein (- 6 P 5.98 -, PersR 2000, 156, 158); Art. 33 Abs. 2 GG
verbiete es demnach, die Weiterbeschäftigung eines Jugend- und
Auszubildendenvertreters im öffentlichen Dienst völlig unabhängig von
Eignungsaspekten vorzunehmen (BVerwG, a.a.O.). Die danach erforderliche Beachtung
des Leistungsgrundsatzes hat sich nach den im Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2000 niedergelegten Grundsätzen, denen der
Senat folgt, wie nachfolgend wiedergegeben zu gestalten:
„b) Wie der Senat (…) entschieden hat, erfordert die von Verfassungs wegen
gebotene Beachtung des Leistungsgrundsatzes des Art. 33 Abs. 2 GG entgegen der
Auffassung der Rechtsbeschwerde einen Leistungsvergleich zwischen dem nicht
übernommenen Jugend- und Auszubildendenvertreter und dem relativ schwächsten
Absolventen, der vom Arbeitgeber noch übernommen worden ist. Der Senat hat dem
Grunde nach daran festgehalten, dass die Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers
nur entfällt, wenn die in ein Arbeitsverhältnis übernommenen Konkurrenten objektiv
wesentlich fähiger und geeigneter sind als der Jugend- und Auszubildendenvertreter. Was
in diesem Sinne objektiv und wesentlich ist, wird durch § 9 BPersVG entscheidend
mitgeprägt. Der weitere Ermessens- und Beurteilungsspielraum, den Art. 33 Abs. 2 GG
den Einstellungsbehörden eröffnet, kann durch eine gesetzliche Ausgestaltung und
gegebenenfalls auch Gewichtung der Eignungskriterien des Art. 33 Abs. 2 GG
eingeschränkt werden, wenn damit vorrangig andere, ebenfalls verfassungslegitime
Ziele verfolgt werden. Das ist in der Gestalt des § 9 BPersVG geschehen. Dies hat der
Senat in den schon wiederholt genannten Beschlüssen vom 9. September 1999 -
BVerwG 6 P 5.98 - a.a.O., S. 158 f. und - BVerwG 6 P 4.98 - a.a.O., S. 76 wie folgt
erläutert.
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§ 9 BPersVG will Jugend- und Auszubildendenvertreter vor Personalmaßnahmen
bewahren, die diese an der Ausübung ihres personalvertretungsrechtlichen Amtes
hindern oder ihre Unabhängigkeit in diesem Amt beeinträchtigen können (Beschluß vom
28. Februar 1990 - BVerwG 6 P 21.87 - BVerwGE 85, 5, 9). Ebenso will er vor
Benachteiligung schützen, die sich typischerweise daraus ergeben, dass Mitglieder der
Jugend- und Auszubildendenvertretung durch ihre Amtstätigkeit sich weniger auf ihre
Ausbildung haben konzentrieren können. Andere Auszubildende, die keine
personalvertretungsrechtliche Tätigkeit übernommen haben, können die zur Verfügung
stehende Zeit umfassender zur Erweiterung ihrer fachlichen, insbesondere
prüfungsrelevanten Kenntnisse nutzen. Darüber hinaus soll der
Weiterbeschäftigungsanspruch des § 9 BPersVG auch davor schützen, dass in die
wertende Erkenntnis des Dienstherrn, die sich auf die Leistung während der Ausbildung
und den Ausbildungserfolg bezieht, negative Beurteilungen einfließen, die ihren Grund in
der personalvertretungsrechtlichen Tätigkeit des Auszubildenden haben. Insoweit deckt
sich bis zu einem gewissen Grad der Schutzzweck des § 9 BPersVG mit dem des Art. 33
Abs. 2 GG. Beide Regelungen wollen - wenn auch im Hinblick auf unterschiedliche
Gefährdungslagen - einen benachteiligungsfreien Zugang zum öffentlichen Dienst
gewähren.
Die mit § 9 BPersVG teilweise auch bewirkte Einschränkung des Art. 33 Abs. 2 GG
rechtfertigt sich aus der durch das Sozialstaatsprinzip mitgestalteten
Organisationsgewalt des Staates. Art. 33 Abs. 2 GG rechtfertigt sich aus der durch das
Sozialstaatsprinzip mitgestalteten Organisationsgewalt des Staates. Art. 33 Abs. 2 GG
steht nicht grundsätzlich dem Anliegen entgegen, Stellen des öffentlichen Dienstes aus
sozialen Gründen nach Kriterien zu vergeben, bei denen reine Leistungsgesichtspunkte
nicht allein entscheidend sind (vgl. Maunz-Dürig, Grundgesetz, Stand 1966, Art. 33 Rn.
22; Battis in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999 Art. 33 Rn. 38 m.w.N.; Schmidt-Aßmann, NJW
1980, 16, 19; Gussone, PersR 1999, 350, 352). Dies gilt für den Regelungsbereich des §
9 BPersVG um so mehr, als das mit dieser Vorschrift geschützte und geförderte
Engagement und Interesse für das Wohl anderer, das der Jugend- und
Auszubildendenvertreter durch seine personalvertretungsrechtliche Tätigkeit regelmäßig
belegt, durchaus auch als ein Kriterium der Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG zu
bewerten ist.
c) Hiervon ausgehend hat der Senat in den beiden wiederholt genannten
Beschlüssen vom 9. September 1999 - BVerwG 6 P 4.98 und BVerwG 6 P 5.98 - das
allgemeine Erfordernis, wonach die in ein Arbeitsverhältnis übernommenen
Konkurrenten objektiv wesentlich fähiger und geeigneter sein müssen, wenn sie dem
Jugend- und Auszubildendenvertreter vorgezogen werden sollen, unter
Auseinandersetzung mit der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung wie folgt
präzisiert:
Der durch § 9 BPersVG gewollte Schutz der Mitglieder der Jugend- und
Auszubildendenvertretung wäre nicht mehr hinreichend gewährleistet, wenn diese trotz
ihres Weiterbeschäftigungsverlangens gegenüber allen anderen Bewerbern mit einer
hinsichtlich des Prüfungserfolgs besseren Qualifikation zurücktreten müßten. Nach der
gesetzlichen Wertung kommt vielmehr dem Weiterbeschäftigungsanspruch des
Jugendvertreters ein hohes Gewicht zu. Das Gesetz will nicht nur den für Bevorzugungen
und Benachteiligungen offenen Einfluß subjektiver Wertungen des Arbeitgebers
ausschließen. Es bewertet zugleich mittelbar das Engagement in der Personalvertretung
als einen für die Beurteilung der Eignung wesentlichen Umstand, der bei der Frage der
Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis durchaus positiv ins Gewicht fällt. Gegenüber
den nach ihrem Abschluß als fachlich besser qualifiziert ausgewiesenen Mitbewerbern
setzt sich daher der Jugendvertreter jedenfalls dann durch, wenn - bezogen auf das
Anforderungsprofil des freien Arbeitsplatzes - kein offenkundig schwerwiegender
Qualifikationsmangel gegeben ist. Ein solcher liegt mit Blick auf die dargelegten
personalvertretungsrechtlichen Besonderheiten dann vor, wenn der Jugend- und
Auszubildendenvertreter in der maßgeblichen Abschlussprüfung deutlich mehr als eine
volle Notenstufe abgeschnitten hat als der relativ schwächste sonstige Bewerber, den
der Arbeitgeber in ein Dauerverhältnis übernehmen will (PersR 2000, 159; ZfPR 2000,
77).
Erläuternd hierzu hat der Senat in den Beschlüssen vom 9. September 1999 -
BVerwG 6 P 4.98 und BVerwG 6 P 5.98 - beispielhaft ausgeführt, daß dann, wenn sich
eine volle Notenstufe auf drei Punkte auffächern läßt, die genannte Grenze bei vier oder
fünf Punkten liegen wird. Das entspräche dem 1,33-fachen bis dem 1,67-fachen der
vollen Notenstufe. Innerhalb dieser Grenzen obliegt die Ermittlung der konkreten Grenze
der Beurteilung und Bewertung dem Tatsachenrichter, und unterliegt ihrerseits - wie
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der Beurteilung und Bewertung dem Tatsachenrichter, und unterliegt ihrerseits - wie
dargestellt - nur der eingeschränkten Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht…“
(BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2000 - 6 P 9.99 -, PersR 2000, 421, 422).
Nach diesen Grundsätzen hat sich der Beteiligte zu 1) gegenüber dem
schwächsten sonstigen Bewerber, den die Antragstellerin in ein Dauerarbeitsverhältnis
übernommen hat, nicht durchzusetzen vermocht; denn der Beteiligte zu 1) hat in der
maßgeblichen Abschlussprüfung deutlich mehr als eine volle Notenstufe - mehr als das
1,33-fache einer vollen Notenstufe - schlechter abgeschnitten als der schwächste, in ein
Dauerarbeitsverhältnis übernommene Bewerber…
Soweit schließlich der Beteiligte zu 1) in diesem Zusammenhang in der
mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, dass die Antragstellerin mit ihrem
Einstellungskonzept das Prinzip der Bestenauslese bzw. den Leistungsgrundsatz selbst
nicht durchgehalten, sondern diesen insbesondere durch die vergebenen
Teilzeitbeschäftigungen aufgeweicht habe, greift auch dies nicht zugunsten des
Beteiligten zu 1) durch. Abgesehen davon, dass schon fraglich wäre, ob solche
„Aufweichungen“ dazu führen würden, dass der Beteiligte zu 1) einen
Weiterbeschäftigungsanspruch ohne jede Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung erhalten würde, hat die Antragstellerin deutlich gemacht, dass die
Abstufung zwischen einem unbefristeten Dauerarbeitsvertrag (bei Note 1) und einen
unbefristeten Dauerarbeitsvertrag zu Teilzeit von ¾ (Note 2) durchaus dem
Leistungsgrundsatz geschuldet sei. Soweit sie aus sozialen Gründen Absolventen mit
der Note 3 einen auf (weitere) 6 Monate befristeten Arbeitsvertrag angeboten habe,
habe dies - wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt - den Hintergrund
gehabt, dass man diese Absolventen nicht sogleich habe „in die Arbeitslosigkeit
entlassen“ wollen, sondern ihnen vielmehr die Möglichkeit habe einräumen wollen, auf
dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dies steht nach dem Dafürhalten des Senats
keinesfalls in Widerspruch zu Art. 33 Abs. 2 GG; wie schon ausgeführt, hat das
Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass diese Bestimmung nicht grundsätzlich dem
Anliegen entgegen stehe, Stellen des öffentlichen Dienstes aus sozialen Gründen nach
Kriterien zu vergeben, bei denen reine Leistungsgesichtspunkte nicht allein entscheidend
seien (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2000, a.a.O.)“ (Beschluss des Senats vom 9.
August 2005 - 62 PV 2.05 -, S. 7 ff., 12 f. des Entscheidungsabdrucks).
Soweit die Beteiligten zu 2) und 3) ferner geltend machen, die Vergabe (auch) von
befristeten Arbeitsverhältnissen (bei Noten unter 75 Punkten und weniger) müsse
dergestalt berücksichtigt werden, dass daraus im Wege analoger Erweiterung des § 9
BPersVG auch eine Zumutbarkeit der (dauerhaften) Weiterbeschäftigung des Beteiligten
zu 1) folge, ist ebenfalls auf den vorzitierten Beschluss des Senats vom 9. August 2005
zu verweisen. Der Senat hat darin eine analoge Anwendbarkeit des § 9 BPersVG in dem
von den Beteiligten zu 2) und 3) verstandenen Sinne mit den folgenden Ausführungen
ausgeschlossen:
„Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die
Antragstellerin denjenigen Absolventen des Prüfungsdurchgangs des Beteiligten zu 1),
die mit „befriedigend“ und damit der Note 3 - nach Maßgabe des Punktesystems der
Antragstellerin also zwischen (unter) 75 bis 62,5 Punkten - abgeschlossen haben, also
überwiegend mit einem geringeren Abstand als dem 1,33-fachen einer vollen Notenstufe
vor dem Beteiligten zu 1) gelegen haben, einen befristeten (Halbjahres-) Vertrag
gewährt hat. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) und 3) ist § 9 BPersVG auf
befristete Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar. Der Weiterbeschäftigungsschutz des § 9
BPersVG greift nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur, wenn der Arbeitgeber
beabsichtigt, den Jugendvertreter nicht in ein Arbeitsverhältnis „auf unbestimmte Zeit“
(vgl. Abs. 1) - d.h. in ein Dauerarbeitsverhältnis - zu übernehmen. Nachdem freilich der
Wortlaut der maßgeblichen Norm die Grenze für eine noch zulässige (erweiternde)
Auslegung hergibt, war allenfalls eine analoge Anwendung des § 9 BPersVG auf
befristete Arbeitsverhältnisse zu erwägen, dabei hatte der Senat sich insoweit nur mit
der Frage zu befassen, ob eine Analogie dahin in Betracht kam, dass daraus - wie die
Beteiligten zu 2) und 3) meinen - ein Anspruch auf Dauerbeschäftigung folgen soll; die
Frage eines sich aus etwaiger analoger Anwendung des § 9 BPersVG ergebender
Teilzeitbeschäftigung war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und damit nach
zeitlichem Ablauf der vergleichbaren Teilzeitbeschäftigungen bereits überholt. Für eine
Analogie in dem von den Beteiligten zu 2) und 3) vertretenen Sinne mag immerhin
sprechen, dass - wie von ihnen im Rahmen der mündlichen Verhandlung bzw. Anhörung
zutreffend hervorgehoben - das befristete Arbeitsverhältnis aufgrund der seinerzeitigen
wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik Deutschland bei Schaffung des § 9 BPersVG
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wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik Deutschland bei Schaffung des § 9 BPersVG
im Jahre 1974 noch nicht die Rolle gespielt hat, wie sie dieser Form des
Arbeitsverhältnisses heute zukommt. Gleichwohl hält der Senat eine analoge
Anwendung von § 9 BPersVG auf das befristete Arbeitsverhältnis - jedenfalls soweit
daraus ein Anspruch auf Dauerbeschäftigung resultieren soll - nicht für gangbar, und
zwar aus folgenden Gründen: Zum einen hat es seit Bestehen des BPersVG zahlreiche
Novellierungen und Anpassungen dieses Gesetzeswerks gegeben; gleichwohl hat der
Gesetzgeber, dem die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland nicht
verborgen geblieben sein kann, § 9 BPersVG nicht im Sinne der Beteiligten zu 2) und 3)
angepasst, was bereits gegen das Vorliegen einer - für eine Analogie erforderlichen -
gesetzlichen Regelungslücke spricht. Ferner würde eine analoge Anwendung des § 9
BPersVG auf befristete Arbeitsverhältnisse mit der Folge, dass daraus ein Anspruch auf
Dauerbeschäftigung resultieren würde, auch mit der Wertung in § 8 BPersVG kollidieren,
wonach u.a. der Jugendvertreter wegen seiner Tätigkeit - unbeschadet des Verbots
seiner Benachteiligung - jedenfalls auch nicht begünstigt werden darf. Eine solche
Begünstigung gegenüber anderen Auszubildenden, die nicht einer Personalvertretung
angehören, würde sich aber für den Beteiligten zu 1) ergeben, falls man § 9 BPersVG in
der von den Beteiligten zu 2) und 3) verstandenen Weise analog auf das befristete
Arbeitsverhältnis anwenden würde. Denn in diesem Fall würde der Beteiligte zu 1) in den
Genuss eines Dauerarbeitsverhältnisses gelangen, obwohl dies gegenüber dem
ansonsten einzustellenden Bewerber - einem solchen mit der Note 2 - nach Maßgabe
des Prinzips der Bestenauslese selbst unter Berücksichtigung der mit § 9 BPersVG
bewirkten Einschränkung des Art. 33 Abs. 2 GG (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2000,
a.a.O.) nicht mehr gerechtfertigt wäre. § 9 BPersVG würde so den vom Gesetzgeber
nicht gewollten Charakter einer allgemeinen Beschäftigungsgarantie des
Jugendvertreters als Schutz vor Arbeitslosigkeit erhalten, den er ohne die Zugehörigkeit
zur Personalvertretung nicht hätte und den auch kein anderer Ausgebildeter hätte (in
diesem Sinne entsprechend zu Art. 9 des BayPVG der BayVGH, Beschluss vom 4.
Februar 1987 - Nr. 17 C 86.03523 -, ZBR 1988, 137). Unabhängig davon schließlich
würde dies zu einem Eingriff zu Lasten der Rechtsposition des ansonsten für den
fraglichen Dauerarbeitsplatz vorgesehenen - nicht mehr zum Zuge kommenden -
Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG führen, und zwar nach Maßgabe einer bloßen (Rechts-)
Analogie und damit einer nach allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen
unzureichenden Grundlage“ (Beschluss des Senats vom 9. August 2005, a.a.O., S. 11 f.
des Entscheidungsabdrucks).
Soweit die Beteiligten zu 2) und 3) mit der Beschwerde weiter geltend machen,
entgegen den Ausführungen in dem Beschluss der Antragstellerin zur Übernahme der
Nachwuchskräfte im Haushaltsjahr 2005 („vorrangig“ Prüfungsnote) habe die
Antragstellerin fehlerhafterweise keine Beurteilungen, praktische Leistungen oder
Stationsnoten des Beteiligten zu 1) gewürdigt, sondern ausschließlich auf die
Gesamtabschlussnote abgestellt, greift auch dies nicht durch. Abgesehen davon, dass
nicht geltend gemacht ist, mit welcher Einzelleistung das Ergebnis von „ausreichend“
(55,4 Punkte) bei dem Beteiligten zu 1) sollte relativiert werden können, steht die auf die
Gesamtabschlussnote abstellende Einstellungspraxis bei der Antragstellerin jedenfalls
im Einklang mit der vorstehend genannten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats. Nachdem der Notenabstand
bei der Antragstellerin 12,5 Punkte beträgt, liegt der Beteiligte zu 1) mit einem
Prüfungsergebnis von 55,4 Punkten weit hinter dem 1,33-fachen einer vollen Notenstufe
hinter der am schwächsten qualifizierte Bewerberin, die ein Dauerarbeitsverhältnis
erhalten hat und die über ein Prüfungsergebnis von 83,8 Punkten verfügt.
Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.
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