Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: verminderung, zahl, rechtsgrundlage, prozess, stellenbeschreibung, hamburger, unbefristet, prüfungsordnung, universität, pauschal

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 NC 101.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 9 KapVO BE, § 11 KapVO BE,
§ 14 KapVO BE, § 16 KapVO BE,
§ 5 Abs 1 LVerpflV BE
FU/Tiermedizin; Wintersemester 2009/10; Studienanfänger;
Deputat befristet beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter;
Dauer der Befristung; (keine) Überprüfung der Arbeitsverträge;
Deputatsreduzierungen; Vorsitzender der
Promotionskommission; Studienrätin im Hochschuldienst mit
besonderer Aufgabenzuweisung; nebenberufliche
Frauenbeauftragte; unbefristet beschäftigter wissenschaftlicher
Mitarbeiter ohne Lehrverpflichtung; pauschaler
Krankenversorgungsabzug; (keine) Berücksichtigung von im
Rahmen des Dienstrechts bereits individuell ermäßigter
Deputate einzelner Stelleninhaber; Dienstleistungsbedarf;
"bestrittene" Studienanfängerzahlen; konkrete Berechnung der
curricularen Anteile; Schwundquote; Anzahl der
einzubeziehenden Semesterkohorten; Hamburger Modell
Leitsatz
Kampagne WS 2009/10
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 4. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der
Antragsgegnerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2009/10
vorläufig als Studienanfängerin zum Studium der Tiermedizin zuzulassen. Das
Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die
Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Überprüfung standhalte.
Über die in der Zulassungsordnung festgesetzte Zulassungszahl von 170
Studienplätzen und über die Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze (173) hinaus
seien keine weiteren Studienplätze für Studienanfänger frei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie vertritt
zunächst die Auffassung, dass die Arbeitsverhältnisse aller befristet beschäftigten
wissenschaftlichen Mitarbeiter daraufhin hätten überprüft werden müssen, ob der nach
dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz höchstens zulässige Befristungszeitraum von
sechs Jahren nach der Promotion eingehalten sei, da deren Deputat ansonsten mit 8
statt 4 LVS anzusetzen gewesen sei (1.). Sodann beanstandet sie die dem Vorsitzenden
der Promotionskommission, der nebenberuflichen Frauenbeauftragten, der Studienrätin
im Hochschuldienst Dr. H... und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. B... gewährten
und vom Verwaltungsgericht gebilligten Deputatsreduzierungen (2.). Weiter rügt sie,
dass die Antragsgegnerin den Dienstleistungsabzug für den Bachelorstudiengang
Agrarwissenschaften und den Masterstudiengang Prozess- und Qualitätsmanagement
nicht ausreichend begründet habe; insbesondere habe sie weder die jeweiligen
Zulassungszahlen bzw. die Zahl der eingeschriebenen Studierenden nachgewiesen noch
sei ersichtlich, dass für die betreffenden Studiengänge ein Curri-cularnormwert durch
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sei ersichtlich, dass für die betreffenden Studiengänge ein Curri-cularnormwert durch
Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes festgesetzt sei (3.). Und schließlich beanstandet
sie die Schwundquotenberechnung mit der Begründung als unzureichend, dass eine
Berechnung anhand der Bestandszahlen von lediglich drei aufeinander folgenden
Studienjahren kein verlässliches Bild vom Schwundverhalten der Studierenden während
des neun Semester umfassenden Studienganges gebe (4.).
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und
6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Beschwerdeführers
entscheidet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält einer auf das Vorbringen
der Antragstellerin bezogenen Überprüfung stand.
1. Die Ausführungen, mit denen sich die Beschwerde gegen den Ansatz einer
Lehrverpflichtung von 4 LVS für sämtliche mit befristet beschäftigten wissenschaftlichen
Mitarbeitern besetzten Stellen ohne vorherige Überprüfung auf Einhaltung der
Befristungsgrenzen wendet, sind schon vom rechtlichen Ansatz her verfehlt. Prägend für
die Ermittlung des Lehrangebots ist das sog. Stellenprinzip des § 8 KapVO. Danach ist in
die Kapazitätsberechnung die der Stelle der jeweiligen Stellengruppe aus ihrem Amt
abgeleitete Regellehrverpflichtung einzustellen, wie sie normativ durch die
Bestimmungen der Lehrverpflichtungsverordnung - LVVO - festgelegt ist, und zwar
unabhängig von ihrer Besetzung oder der Qualifikation des konkreten Stelleninhabers.
Nicht ohne Grund hatte der Senat deshalb bereits in seinem das Sommersemester
2009 betreffenden, der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bekannten
Beschluss vom 20. November 2009 - OVG 5 NC 72.09 - (BA S. 7/ juris Rn. 10) darauf
hingewiesen, dass es einer Befassung mit den Vorschriften des - nebenbei bemerkt
allein arbeitsrechtliche Wirkung entfaltenden - Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nicht
bedarf, solange die sich aus kapazitätsrechtlicher Sicht aufdrängenden Frage, aus
welchen Gründen eine eventuelle Überschreitung der zulässigen Befristungsdauer
zwangsläufig zum Ansatz eines Lehrdeputats von 8 LVS für die betroffenen
Qualifikationsstellen führen sollte, nicht beantwortet wird. Diese Antwort bleibt die
Beschwerde auch weiterhin schuldig. Dass es, wie sie behauptet, im Fach Tiermedizin
keine Facharztausbildung gibt, ist im Übrigen unzutreffend (vgl. die
Weiterbildungsordnungen der Landestierärztekammern, vgl. etwa die auf der Grundlage
von § 9 des Gesetzes über die Weiterbildung von Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten und
Apothekern [GVBl. 2004, S. 452] erlassene Weiterbildungsordnung der Tierärztekammer
Berlin vom 4. April 2006 [ABl. 2007, S. 347]).
2. Die gegen einzelne Deputatsreduzierungen gerichteten Angriffe der Beschwerde
genügen nicht den Darlegungsanforderungen und sind darüber hinaus substanzlos.
Rechtsgrundlage der Lehrverpflichtungsermäßigung für den Vorsitzenden der
Promotionskommission ist § 9 Abs. 4 LVVO (vgl. Genehmigungsbescheid vom 2. August
2007, Anlage 6 des Kapazitätsberichts; vgl. den - wie erwähnt - der
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bekannten Senatsbeschluss vom 20.
November 2009, a.a.O., BA S. 7/ juris Rn. 12). Die seit Jahren von Antragstellerseite
problematisierte und vom Senat in ständiger Rechtsprechung gebilligte
Lehrverpflichtungsermäßigung für Frau Dr. H... beruht auf § 5 Abs. 1 Satz 3 LVVO (vgl.
Genehmigungsbescheid vom 18. Mai 2009, Anlage 8 des Kapazitätsberichts; vgl. auch
hierzu den Beschluss vom 20. November 2009, a.a.O., BA S. 8/ juris Rn. 13, mit
Nachweisen zur Rechtsprechung des Senats seit dem Studienjahr 2002/03).
Rechtsgrundlage für die Freistellung der nebenberuflichen Frauenbeauftragten ist, wie
ebenfalls bereits entschieden, § 9 Abs. 1 Satz 2 LVVO in Verbindung mit § 59 Abs. 10
Satz 1 BerlHG (vgl. Bescheid vom 2. September 2009, Anlage 7 des Kapazitätsberichts;
vgl. Beschluss vom 20. November 2009, a.a.O., BA S. 8/ juris Rn. 14). Neu sind lediglich
die gegen die „Deputats-verminderung“ für den unbefristet beschäftigten
wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. B... gerichteten Angriffe der Beschwerde. Sie gehen
allerdings ins Leere, denn die Stelle von Dr. B... ist mit keiner Lehrverpflichtung
verbunden (gewesen). Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die
mit den Kapazitätsunterlagen eingereichte Stellenbeschreibung (vgl. Anlage 1 des
Kapazitätsberichts) und den auf Anforderung der Verfahrensbevollmächtigten der
Antragstellerin nachgereichten Arbeitsvertrag vom 30. April 2001 ausgeführt, dass die
Streichung der Stelle nunmehr kapazitätsrechtlich zu billigen sei. Dass die
Stellenbeschreibung „offensichtlich“ nicht Dr. B... betreffe, wie die Beschwerde
behauptet, ist angesichts der bereits in den Stellenplänen vorangegangener
Berechnungszeiträume zu findenden Stellenvermerke „keine Lehrverpflichtung“ bzw.
„Angestellter ohne Lehrverpflichtung“ ersichtlich aus der Luft gegriffen.
Die Auffassung Beschwerde, dass jedenfalls für diejenigen wissenschaftlichen
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Die Auffassung Beschwerde, dass jedenfalls für diejenigen wissenschaftlichen
Mitarbeiter, denen bereits eine Verminderung der Lehrverpflichtung zugebilligt worden
sei, der Krankenversorgungsabzug gekürzt werden müsse, ist unzutreffend. Wie der
Senat in seinem Beschluss vom 30. Oktober 2009 - OVG 5 NC 22.09 - (Tiermedizin WS
2008/09, juris Rn. 4) ausgeführt hat, mag die Erwägung, den pauschalen
Krankenversorgungsabzug bei solchen Stellen, deren Inhabern bereits im Rahmen des
Dienstrechts wegen der Wahrnehmung bestimmter Funktionen oder Aufgaben bereits
eine Verminderung oder Ermäßigung ihres Lehrdeputats gewährt worden ist, gesondert
zu berechnen, auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Eine derartige konkrete
Betrachtungsweise widerspricht jedoch den Vorgaben der Kapazitätsverordnung, sie
vertrüge sich namentlich nicht mit dem abstrakten Stellenprinzip. Das ist im Grundsatz
bereits durch Absatz 2 des § 9 KapVO vorgezeichnet. Danach ist - soweit im Rahmen
des Dienstrechts die Regellehrverpflichtung einer Lehrperson vermindert wird - diese
Verminderung bei der Berechnung des Deputats aus Stellen zu berücksichtigen; dabei
bleiben Verminderungen für Zwecke der Krankenversorgung im Hinblick auf Absatz 3
jedoch unberücksichtigt. Zwar bestimmt § 9 Abs. 3 Satz 1 KapVO, dass der
Wahrnehmung von Aufgaben in der unmittelbaren Krankenversorgung und für
diagnostische Untersuchungen durch das in die Lehrdeputatberechnung eingehende
Personal grundsätzlich (ebenfalls) durch eine Verminderung der Lehrverpflichtung nach
Maßgabe des Dienstrechts Rechnung zu tragen ist. Dies gilt nach Satz 2 des Absatzes 3
allerdings nur, wenn Dienstrecht eine solche Regelung ländereinheitlich vorsieht. Da es
eine solche ländereinheitliche Regelung bislang jedoch nicht gibt, wird die Wahrnehmung
von Krankenversorgungsaufgaben eben nicht konkret-individuell durch die Gewährung
einer (weiteren) Lehrverpflichtungsverminderung abgegolten, sondern abstrakt-pauschal
über eine Verminderung der Zahl der Stellen , die Dienstleistungen für die
Krankenversorgung zu erbringen haben (§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO), und zwar vor
der Berechnung des Lehrangebots nach Anlage 1 der Kapazitätsverordnung.
3. In Bezug auf den Dienstleistungsbedarf lässt sich der Beschwerdebegründung nichts
entnehmen, was den Vorwurf mangelnder Darlegung durch die Antragsgegnerin oder
Aufklärung durch das Verwaltungsgericht rechtfertigen und dem Senat Veranlassung zu
weiterer Sachaufklärung geben könnte. Der Senat hat in dem bereits mehrfach zitierten
Beschluss vom 20. November 2009 (a.a.O., BA S. 9/ juris Rn. 16) darauf hingewiesen,
dass es nicht angeht, die dezidierten und durch Fundstellen für die maßgeblichen
Studien- und Zulassungsordnungen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) belegten
Angaben sowohl der Antragsgegnerin im Kapazitätsbericht als auch des
Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss mit bloßen Mutmaßungen in Frage
zu stellen, für die es entweder keine Anhaltspunkte gibt oder die sich anhand allgemein
zugänglicher Informationen wie Vorlesungsverzeichnissen, im Internet veröffentlichten
Informationen über Studium und Lehre einschließlich Lehrpersonal und ähnlichem
innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist ohne weiteres hätten klären lassen. Dem ist
die Beschwerde angesichts ihrer sich in pauschalem Bestreiten erschöpfenden
Ausführungen ersichtlich nicht nachgekommen.
Soweit die Beschwerde den Nachweis festgesetzter Curricularnormwerte für die
Studiengänge Agrarwissenschaften (Bachelor) und Prozess- und Qualitätsmanagement
(Master), für welche die Lehreinheit Tiermedizin Dienstleistungen erbringt, vermisst, hat
sie offensichtlich auch die weiteren Ausführungen des Senats im Beschluss vom 20.
November 2009 (BA S. 11, juris Rn. 20) nicht zur Kenntnis genommen, wo es heißt:
„… abgesehen davon, dass - wie die Beschwerde ebenfalls unschwer hätte
feststellen können - für den Studiengang Agrarwissenschaften ein Normwert festgesetzt
ist (vgl. KapVO Anlage 2 unter I. Buchst. a Nr. 4), kommt der in § 2 Abs. 1a BerlHZG, Art.
7 Abs. 3 Satz 6 des Staatsvertrages statuierten Pflicht zur normativen Festsetzung
studiengangspezifischer Normwerte Bedeutung lediglich insoweit zu, als es um die
Ermittlung der Aufnahmekapazität eines zulassungsbeschränkten Studiengangs als
solchem - hier also des Studiengangs Tiermedizin - geht. Anderes als für den
Curricularnormwert, der im Hinblick auf die angestrebte Bundeseinheitlichkeit aus vielen
Studienordnungen bzw. -plänen abgeleitet und deshalb gesetzte (oder zu setzende)
Norm ist, gilt jedoch für die Curricularanteile, die der Berechnung des
Dienstleistungsbedarfs nach § 11 Abs. 1 KapVO zugrunde zu legen sind. Sie stellen im
Gegensatz zum abstrakten Normwert nachvollziehbare Rechengrößen dar, die im
Einzelfall anhand der konkreten Studien- und Prüfungsordnung eines der Lehreinheit
nicht zugeordneten, unter Umständen sogar zulassungsfreien Studiengangs nach der
Formel „v x f : g“ zu ermitteln sind.“
Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.
4. Schließlich sind entgegen ihrer Auffassung auch die in die Schwundberechnung
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4. Schließlich sind entgegen ihrer Auffassung auch die in die Schwundberechnung
einbezogenen Bestandszahlen der letzten drei Jahre (Wintersemester 2006/07 bis
einschließlich Sommersemester 2009) nicht zu beanstanden. Es entspricht dem seit
langem praktizierten und allgemein anerkannten Hamburger Modell, dass der
Schwundausgleichsfaktor aus dem tatsächlichen Schwund in den letzten sechs
Semestern vor dem Berechnungsstichtag zu berechnen ist (vgl. auch OVG Hamburg,
Beschluss vom 19. Oktober 2009 - 3 Nc 82.08 -, juris Rn. 103). Ob eine
Schwundberechnung, die die gesamte Studiendauer - hier also die Regelstudienzeit von
neun Semestern - in den Blick nimmt, tatsächlich ein vollständigeres oder
verlässlicheres Bild vom Schwundverhalten der Studierenden vermitteln würde, kann
dahingestellt bleiben. Vom Kapazitätserschöpfungsgebot, dem ein bestimmtes Modell
zur rechnerischen Erfassung des Schwundverhaltens der Studierenden im Verlauf des
Studiums nicht zu entnehmen ist, ist sie jedenfalls nicht gefordert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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