Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: juristische person, rechtliches gehör, dringender fall, besuch, anerkennung, hochschule, gleichwertigkeit, öffentlich, ausnahme, rechtsverordnung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 S 14.11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 8 VwGO, § 108 Abs 2
VwGO, § 123 Abs 2 S 3 VwGO, §
146 Abs 4 S 1 VwGO, § 146 Abs
4 S 6 VwGO
Berufsakademie; öffentliche Einrichtung; Trägerschaft; private
gGmbH; Gleichwertigkeit; nichtstaatliche Hochschulen;
Aufsichtsbefugnisse; Hochschulrecht; Förderfähigkeit;
Ergänzungsschulen; planwidrige Regelungslücke;
Verfahrensfehler; gesetzlicher Richter; Willkür; (Eil-)
Entscheidung durch Vorsitzenden
Leitsatz
1. Für die Frage, ob eine Ausbildungsstätte eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 2 Abs.
1 Satz 3 BAföG ist, ist ausschlaggebend, wer deren Träger ist (Anschluss an BVerwG, Urteil
vom 22. Januar 1987 - 5 C 19/84 -, NVwZ 1988, S. 834 m.w.N.).
2. Eine Berufsakademie in privatrechtlich organisierter Trägerschaft ist keine öffentliche
Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG. Das gilt unabhängig davon, welchen
Umfang die landesrechtlich vorgesehenen staatlichen Aufsichtsbefugnisse haben.
3. Eine unter Verstoß gegen § 123 Abs. 2 Satz 3, § 80 Abs. 8 VwGO ergangene
Eilentscheidung kann nur dann mit der Besetzungsrüge angegriffen werden, wenn hierin
zugleich ein Verstoß gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters nach Artikel 101 Abs. 1 Satz
2 GG liegt.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 31. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde.
Gründe
Die Antragstellerin ist Trägerin der „H…Berufsakademie“ in P…. Mit dem vorliegenden
Antrag begehrt sie, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu
verpflichten, die Förderfähigkeit der von ihr angebotenen Ausbildungen an der Akademie
nach § 2 Abs. 1 und 2 BAföG anzuerkennen, um so zu erreichen, dass die von ihr
Ausgebildeten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Leistungen nach dem BAföG
erhalten können. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Entscheidung des
Vorsitzenden gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 80 Abs. 8 VwGO mit der
Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch. Sie sei
zwar Akademie im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BAföG, jedoch keine öffentliche
Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG. Hiervon seien nur Einrichtungen
erfasst, deren Träger „öffentlich“ sei. Der Besuch der H… Akademie könne nicht gemäß
§ 2 Abs. 2 BAföG dem Besuch einer Ausbildungsstätte nach § 2 Abs. 1 BAföG
gleichgestellt werden. Sie sei schon keine Ergänzungsschule oder nichtstaatliche
Hochschule. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 BAföG scheitere am Vorliegen
einer Gesetzeslücke. Eine Einbeziehung der H… Akademie in den Kreis der förderfähigen
Einrichtungen komme nur nach einer auf Grundlage des § 2 Abs. 3 BAföG erlassenen
Rechtsverordnung in Betracht, an der es bislang fehle. Schließlich könne auch aus der
Anerkennung als nichtstaatliche Berufsakademie keine förderungsrechtliche
Anerkennung hergeleitet werden.
Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde ist zulässig
aber nicht begründet. Das im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO
den alleinigen Streitgegenstand bildende Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt
keine andere Entscheidung.
1. Die Ausbildungsgänge der H… Akademie sind nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG
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1. Die Ausbildungsgänge der H… Akademie sind nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG
förderfähig. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung geleistet, wenn die
Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung - mit Ausnahme nichtstaatlicher
Hochschulen - oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird. Bei der H…
Akademie handelt es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung im Sinne dieser
Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der
erkennende Senat folgt, ist hierunter nach dem Wortlaut und der Systematik der Norm
eine nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen organisierte Ausbildungsstätte zu
verstehen und mit diesem Begriff eine Abgrenzung zur privaten Ausbildungsstätte
bezweckt. Ausschlaggebend ist insoweit, wer der Träger der Einrichtung ist, was sich
wiederum nach dem einschlägigen Landesrecht richtet (BVerwG, Urteil vom 22. Januar
1987 - 5 C 19/84 -, NVwZ 1988, S. 834 m.w.N.). Danach handelt es sich bei der H…
Akademie nicht um eine öffentliche Einrichtung in diesem Sinne. Ihr Träger ist nicht das
Land Brandenburg selbst oder eine andere juristische Person des öffentlichen (Landes-)
Rechts, sondern die Antragstellerin, eine privatrechtlich organisierte genossenschaftliche
GmbH. Der Ansicht der Antragstellerin, für diese Auffassung sei weder dem Wortlaut
noch der Systematik etwas zu entnehmen, folgt der Senat nicht.
Ihr Einwand, es hätte der Parenthese „- mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen -“
bei der hier präferierten Auslegung nicht bedurft, geht fehl. Nichtstaatliche Hochschulen
sind die Hochschuleinrichtungen, deren Träger nicht das jeweilige Bundesland ist, in dem
sie gelegen sind (BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 1990 - 5 B 40.80 -, FamRZ 1981,
S. 822). Der Zusatz stellt daher lediglich klar, dass unter den Hochschulen nur die
staatlichen Hochschulen im vorgenannten Sinne ohne eine weitere Prüfung in den
Förderungsbereich einbezogen sein sollen (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4.
Auflage 2005, § 2, Rn. 37), hat aber keinerlei Einfluss auf die Auslegung des Merkmals
„öffentliche Einrichtung“.
Die von der Antragstellerin weiter in den Vordergrund gerückte Frage, in welchem
Umfang die Einrichtung der Antragstellerin der Landesaufsicht nach dem
landesrechtlichen Hochschulrecht unterliegt, ist nicht entscheidungserheblich. Die
Ausgestaltung der aufsichtsrechtlichen Befugnisse ist ohne Bedeutung für die hier allein
maßgebliche Frage der Trägerschaft der Einrichtung. Zwar soll nach der einschlägigen
Kommentarliteratur Ziel der Bestimmung in § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG sein, nur diejenigen
Ausbildungsstätten ohne weitere Prüfung in den Förderungsbereich einzubeziehen, die
der jeweiligen landesrechtlichen Aufsicht ohne Einschränkung unterstehen
(Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 2, Rn. 34; Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, § 2,
Rn. 13). Das rechtfertigt aber nicht den Umkehrschluss, dass private
Ausbildungsstätten, die nach Landesrecht in ähnlichem Umfang wie staatliche der
landesrechtlichen Aufsicht unterliegen, öffentliche Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1
Satz 3 BAföG sind. Beide Fragen sind vielmehr voneinander zu trennen. Ob das
Vorbringen der Antragstellerin zum Umfang der Aufsichtsbefugnisse des Landes einer
gerichtlichen Prüfung standhielte, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben. Ohne
Belang ist es vorliegend weiter, ob die Ausbildungsgänge der H… Akademie
„entsprechend den landesrechtlichen Vorgaben öffentlich-rechtlich strukturiert“ sind und
die H… Akademie Ausbildungsgänge mit einem staatlichen Abschluss („Bachelor“)
anbietet. Das umfangreiche Vorbringen der Antragstellerin hierzu bedarf daher keiner
näheren Würdigung.
Die von der Antragstellerin wegen Missachtung ihres Vorbringens behauptete Verletzung
ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO
liegt schon deshalb nicht vor, weil es nach dem insoweit maßgeblichen Standpunkt des
Verwaltungsgerichts auf dieses Vorbringen nicht entscheidungserheblich ankam.
2. Eine Förderfähigkeit nach § 2 Abs. 2 BAföG scheidet ebenfalls aus. Nach dieser
Vorschrift wird für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen
Ausbildungsförderung (nur) geleistet, wenn die zuständige Landesbehörde anerkennt,
dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten
Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Die Antragstellerin ist - wie das Verwaltungsgericht
zutreffend festgestellt hat - weder eine anerkannte Ersatzschule noch eine
nichtstaatliche Hochschule im Sinne der Norm. Das räumt die Antragstellerin auch
selbst ein.
Ihrer Ansicht, insoweit liege eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes vor, kann
nicht gefolgt werden. Soweit sie ausführt, der Bundesgesetzgeber habe übersehen, dass
das Brandenburgische Hochschulgesetz nichtstaatliche Berufsakademien Hochschulen
gleichstelle, überzeugt dies nicht. Sie hebt insoweit auf die landesrechtlich anerkannte
Gleichwertigkeit der von der H… Akademie vermittelten Ausbildungsabschlüsse mit
Fachhochschulabschlüssen ab. Damit wäre - die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt -
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Fachhochschulabschlüssen ab. Damit wäre - die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt -
nur eine der Voraussetzungen für die Anerkennung der Förderfähigkeit im Sinne des § 2
Abs. 2 BAföG erfüllt. Das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke durch den
Bundesgesetzgeber ist hierdurch jedoch noch nicht plausibel dargelegt. Dieser Annahme
steht der schon vom Verwaltungsgericht angeführte Gesichtspunkt entgegen, dass eine
Anerkennung der von der H… Akademie angebotenen Ausbildungsgänge als förderfähig
nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 BAföG in Betracht kommt.
Danach kann das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bunderates bestimmen, dass Ausbildungsförderung geleistet wird für
den Besuch von Ausbildungsstätten, die nicht in den Absätzen 1 und 2 bezeichnet sind.
Diese Vorschrift eröffnet gerade die Möglichkeit, neu entwickelte Schulgattungen, die
neue Formen der allgemeinen oder beruflichen Bildung darstellen und ihrer besonderen
Struktur nach den als förderungsfähig bezeichneten Ausbildungsstätten gleichwertig
sind, einzubeziehen (BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 5 C 26.80 -, FamRZ 1983,
S. 1065, 1066). Das macht deutlich, dass der Bundesgesetzgeber den Fall der
Anerkennung der Gleichwertigkeit der von dieser Ausbildungsstätte vermittelten
Bildungsabschlüsse durchaus gesehen, aber zur Anerkennung der Förderfähigkeit für
sich genommen nicht für ausreichend erachtet hat.
Soweit die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 25. Februar 2011 vorträgt, die
H… Akademie sei einer Hochschule im Sinne des § 2 Abs. 2 BAföG vergleichbar, liegt
dies neben der Sache. Sie verkennt, dass es für die Auslegung des § 2 Abs. 2 BAföG auf
die Vergleichbarkeit von Berufsakademien und (Fach-) Hochschulen im Sinne eines
Vergleichs der materiellen Zugangsvoraussetzungen nicht ankommt. Entscheidend ist
allein, dass die Antragstellerin keine (nichtstaatliche) Hochschule betreibt.
3. Soweit die Antragstellerin sinngemäß eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung geltend
macht, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Antragstellerin meint, die
Voraussetzungen für eine (Eil-) Entscheidung durch den Vorsitzenden nach § 123 Abs. 2
Satz 3, § 80 Abs. 8 VwGO hätten nicht vorgelegen. Es hätte einer Beratung und
Entscheidung durch die Kammer bedurft. Unterstellt man den behaupteten Verstoß
gegen § 80 Abs. 8 VwGO läge hierin - ähnlich wie in den Fällen der Zurückweisung eines
Ablehnungsgesuchs (vgl. dazu: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. August
2009 - OVG 5 N 2.08 -, Rn. 3 bei juris) - nur dann ein beachtlicher Verfahrensfehler, wenn
die zurückweisende Entscheidung zugleich gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters
nach Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt. Das setzt die willkürliche oder manipulative
Auslegung oder Anwendung einfachen Rechts voraus (OVG Münster, Beschluss vom 12.
November 2010 - 6 A 950/09 -, Rn. 25 bei juris). Daran fehlt es.
Nach § 80 Abs. 8 VwGO, der gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Verfahren nach § 123
Abs. 1 VwGO entsprechend gilt, kann in dringenden Fällen der Vorsitzende entscheiden.
Hier kann auf sich beruhen, ob ein dringender Fall in diesem Sinne vorgelegen hat, denn
jedenfalls ist die Anwendung der Vorschriften schon deshalb weder als willkürlich noch als
manipulativ zu qualifizieren, weil die Antragstellerin in der Antragsschrift vom 25. Januar
2011 selbst eine Entscheidung durch den Vorsitzenden nach § 123 Abs. 2 Satz 3, § 80
Abs. 8 VwGO angeregt hatte (Seite 2).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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