Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: gebäude, überwiegendes interesse, aufschiebende wirkung, minderung, genehmigung, gerüst, ddr, sanierung, fassade, werbung

1
2
Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 S 13.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 5 VwGO, § 2 Abs 1
DSchG BE, § 2 Abs 2 DSchG
BE, § 4 Abs 1 S 1 DSchG BE, §
10 DSchG BE
Denkmalrechtliche Auswirkung einer Werbefläche an einem
Baugerüst bei Fassendengestaltung als Denkmalwert;
denkmalrechtlicher Zeugnischarakter einer Brandwand - hier
abgelehnt
Leitsatz
1. Zur Minderung des Denkmalwerts eines bereits eingerüsteten Gebäudeteils durch
Baugerüstwerbung an einem anderen Gebäudeteil.
2. Einer durch Kriegseinwirkungen bzw. Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR freigelegten
Brandwand kommt nur dann ein denkmalrechtlich relevanter Zeugnischarakter zu, wenn mit
einer an den historischen Bestand anknüpfenden Wiederbebauung aufgrund inzwischen
veränderter städtebaulicher Vorgaben nicht zu rechnen ist.Baugerüstwerbung/Wohnhaus
V.straße, Berlin-Mitte
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 21. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin führt an dem in der Denkmalliste Berlin eingetragenen, im
Bundeseigentum stehenden Wohnhaus V. in Berlin-Mitte aufgrund eines Vertrages mit
der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben auf eigene Kosten Maßnahmen zur
Fassadensanierung durch. Im Gegenzug gestattet ihr die Grundstückseigentümerin die
Anbringung von Werbetransparenten am Baugerüst der zum Potsdamer Platz zeigenden
Giebelwand sowie an der zur Leipziger Straße zeigenden westlichen Gebäudewand. Die
der Antragstellerin mit Bescheid vom 1. Juni 2004 für die Baugerüstwerbung erteilte
denkmalrechtliche Genehmigung wurde vom Bezirksamt Mitte zuletzt bis zum 31.
August 2006 verlängert. Nachdem die Arbeiten am Westgiebel im August 2006
weitgehend abgeschlossen waren, beantragte die Antragstellerin unter dem 5.
September 2006, das bereits vorhandene Gerüst um die straßenseitige Fassade zu
erweitern sowie die für die Refinanzierung unerlässliche Fortführung der
Werbemaßnahme zu genehmigen. Das Bezirksamt Mitte von Berlin genehmigte unter
dem 26. Oktober 2006 zwar die weitere Sanierung bzw. Restaurierung der
Straßenfassade, ordnete jedoch mit Bescheid vom 24. Oktober 2006, umgedeutet durch
Bescheid vom 26. Oktober 2006, die vollständige Beseitigung des „Baugerüstes“ mit
Werbetransparent am Westgiebel (Brandwand) an. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den zuletzt
genannten Bescheid durch den angefochtenen Beschluss vom 21. Dezember 2006
wieder hergestellt.
Die Beschwerde des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung
des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts ist die Entscheidung allerdings nicht erst aufgrund einer
Folgenabwägung zu treffen; denn die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende
Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom
24./26. Oktober 2006 und des privaten Interesses der Antragstellerin an deren
Aussetzung fällt schon deshalb zu Lasten des Antragsgegners aus, weil sich der
angegriffene Bescheid bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur
möglichen und auch nur gebotenen summarischen Prüfung mangels Vorliegens der
3
4
5
möglichen und auch nur gebotenen summarischen Prüfung mangels Vorliegens der
Tatbestandsvoraussetzungen einer denkmal-rechtlichen Wiederherstellungsanordnung
nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Denkmalschutz-gesetz Berlin (DSchG Bln) als offensichtlich
rechtswidrig erweist.
Ist ein Denkmal ohne Genehmigung verändert und dadurch in seinem Denkmalwert
gemindert worden oder ist es ganz oder teilweise beseitigt oder zerstört worden, so kann
die zuständige Denkmalbehörde nach § 13 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln anordnen, dass
derjenige, der die Veränderung, Beseitigung oder Zerstörung zu vertreten hat, den
früheren Zustand wiederherstellt. Unstreitig ist das gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln
nachrichtlich in die Denkmalliste eingetragene Gebäude V. ein Denkmal im Sinne des § 2
Abs. 1 und 2 DSchG Bln. Es handelt sich um eine bauliche Anlage, deren Erhaltung
jedenfalls wegen der künstlerischen und städtebaulichen Bedeutung im Interesse der
Allgemeinheit liegt. Die im Verwaltungsvorgang enthaltene Kurzbegründung des
Denkmalwerts aus Anlass der Eintragung in die Denkmalliste hebt insoweit vor allem die
baukünstlerische Qualität der Fassadengestaltung hervor. Die monumental gestaltete
Sandsteinfassade des Vorderhauses vermittele hervorragend den repräsentativen
Anspruch des Architekten als Bauherrn. Es handele sich um eines der wenigen Gebäude
innerhalb der Friedrichstadt, deren vollständig erhaltene Fassade die architektonische
Qualität eines anspruchsvollen Wohnhauses in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in
Berlin dokumentiere und die spätklassizistische Traditionslinie aufnehme. In Bezug auf
die städtebauliche Bedeutung wird in der erwähnten Kurzbegründung des Denkmalwerts
ausgeführt, dass es sich um das einzige erhaltene Gebäude an der ursprünglich
geschlossen bebauten südlichen Straßenfront und um das letzte historische Gebäude
an der V. überhaupt handele. Infolge dessen würden durch das Gebäude der historische
Bebauungsmaßstab und die Bauflucht vermittelt; als letztem historischem Maßstab für
die künftige Bebauung komme ihm eine positive stadtbildprägende Bedeutung zu. Dass
die Erhaltung des Gebäudes V. wegen seiner künstlerischen und städtebaulichen
Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt, wird auch von der Antragstellerin nicht in
Frage gestellt.
Durch die Anbringung eines Gerüsts mit Werbetransparent am Westgiebel des
Gebäudes ist das Denkmal in seinem Erscheinungsbild verändert worden. Dass für die
Veränderung des Denkmals nicht die nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 DSchG Bln erforderliche
Genehmigung vorliegt, ist ebenfalls unstreitig. Die unter dem 1. Juni 2004 erstmals
erteilte und mehrfach vom Antragsgegner verlängerte denkmalrechtliche Genehmigung
zur Baugerüstwerbung ist am 31. August 2006 abgelaufen und kann keine legalisierende
Wirkung mehr entfalten. Zwar wäre das Fehlen einer Genehmigung unbeachtlich, wenn
die Antragstellerin einen Anspruch auf die unter dem 5. September 2006 beantragte
Genehmigung der Fortführung der Werbemaßnahme an dem Gerüst am Westgiebel des
streitgegenständlichen Gebäudes hätte. Die - vom Verwaltungsgericht letztlich offen
gelassene - Frage, ob die Fortsetzung der Werbemaßnahme nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1, Satz 2 i.V.m. Abs. 3 DSchG Bln genehmigungsfähig ist, weil es sich trotz der
Beendigung der Arbeiten an der Brandwand um Werbung an Baugerüsten handeln
könnte (§ 11 Abs. 3 Satz 1 DSchG Bln) oder weil die Werbung zeitlich befristet ist und mit
Blick darauf, dass nur auf diese Weise die Sanierung der Straßenfassade finanziert
werden kann, ein überwiegendes Interesse diese Maßnahme möglicherweise verlangt (§
11 Abs. 3 Satz 2 DSchG Bln), bedarf hier indes keiner Entscheidung. Denn die
Tatbestandsvoraussetzungen einer denkmalrechtlichen Wiederherstellungsanord-nung
nach § 13 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des
Widerspruchsbescheides deshalb nicht erfüllt, weil das streitgegenständliche Gebäude
durch die Anbringung eines Gerüsts mit Werbetransparent am Westgiebel nicht in
seinem Denkmalwert gemindert sein kann, solange auch die Straßenfassade des
Gebäudes aufgrund der unter dem 26. Oktober 2006 vom Antragsgegner
denkmalrechtlich genehmigten Sanierungsmaßnahmen eingerüstet und damit für einen
Betrachter nicht erkennbar ist.
Eine Minderung des Denkmalwertes i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln ist anzunehmen,
wenn die Veränderung des Erscheinungsbildes eines Denkmals dazu führt, dass es die
ihm zugedachte Funktion, Aussagen über bestimmte Zustände oder Vorgänge
historischer Art zu dokumentieren, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erfüllen
kann. Ob es sich im Einzelfall so verhält, ist jeweils unter Berücksichtigung des
Schutzzwecks und des Schutzumfangs zu bestimmen. Der Zeugniswert eines Denkmals
kann grundsätzlich auch durch eine – wie hier - nur vorübergehende Veränderung des
Erscheinungsbildes beeinträchtigt werden. Eine Minderung des Denkmalwerts wird ferner
auch nicht dadurch von vornherein ausgeschlossen, dass andere Teile eines
Baudenkmals bereits in ihrem Erscheinungsbild verändert sind. Denn die Frage einer
etwaigen Minderung des Denkmalwerts ist auf die durch die beabsichtigten Maßnahmen
betroffenen Bauteile beschränkt zu beantworten, solange schutzmindernde
6
7
8
betroffenen Bauteile beschränkt zu beantworten, solange schutzmindernde
Vorbelastungen anderer Bestandteile sich nicht auf sie auswirken (vgl. Urteil des Senats
vom 8. November 2006 – OVG 2 B 13.04 -, S. 10 des Entscheidungsabdrucks).
Nach diesen Maßstäben führen das Gerüst und das Werbetransparent am Westgiebel
des Gebäudes V. jedenfalls bis zum Abschluss der denkmalrechtlich genehmigten
Sanierungsmaßnahmen an der Straßenfassade nicht zu einer relevanten Minderung des
Denkmalwertes. Denn entgegen der im Beschwerdeverfahren vertretenen Auffassung
des Antragsgegners hat die Westfassade des Gebäudes V. bei summarischer Prüfung
keinen eigenständigen Denkmalwert. Nach der aus Anlass der Eintragung in die
Denkmalliste Berlin erstellten Kurzbegründung des Denkmalwerts, der jedenfalls im
vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem nur eine überschlägige
Prüfung möglich ist, als sachverständiger Äußerung besondere Bedeutung zukommt,
folgt der Denkmalwert des Gebäudes erstens aus der baukünstlerischen Qualität der
nördlichen, zur V. hin gerichteten Fassade des Vorderhauses und zweitens aus dem
Umstand, dass es als letztes erhaltenes Gebäude an der ursprünglich geschlossen
bebauten südlichen Straßenfront den historischen Bebauungsmaßstab und die Bauflucht
vermittelt und damit als Maßstab für die künftige Bebauung dient. Dass auch dem
Erscheinungsbild der Westfassade des Gebäudes ein denkmalrechtlicher
Dokumentationswert zukommt, lässt sich der erwähnten Kurzbegründung des
Denkmalwerts nicht entnehmen. Der Antragsgegner räumt in der
Beschwerdebegründung selbst ein, dass die Brandwand und die rückwärtigen
Gebäudeflügel ursprünglich nicht sichtbar waren und auch langfristig nicht sichtbar sein
werden. Soweit er die denkmalrechtliche Bedeutung dieser Gebäudeteile im
verwaltungs-gerichtlichen Verfahren nunmehr damit begründet, sie vermittelten
jedenfalls heute noch Hinweise zur Geschichte des Ortes und dokumentierten, dass sich
in diesem insgesamt durch Kriegseinwirkung und den Bau der Grenzanlagen der DDR
gestörten Umfeld noch einige wenige Altbauten erhalten hätten, ist dies nicht
überzeugend. Denn ein denkmalrechtlich relevanter Zeugnischarakter käme
insbesondere der Brandwand nur zu, wenn absehbar wäre, dass sie dauerhaft das
Erscheinungsbild des Gebäudes und die städtebauliche Situation prägen würde. Dies ist
indes nicht der Fall; denn unstreitig ist eine blockrandschließende Wiederbebauung des
westlichen Nachbargrundstücks vorgesehen, die zwangsläufig zu einer Verdeckung der
Brandwand führen wird. Hierin liegt auch der entscheidende Unterschied zu den vom
Antragsgegner in der Beschwerdebegründung genannten Fällen, in denen frei stehende
Brandwände in der Tat die Entwicklung eines Gebietes oder die Veränderung
städtebaulicher Vorgaben dokumentieren mögen. Denn eine zu dokumentierende
Veränderung der städtebaulichen Vorgaben ist im vorliegenden Fall, in dem unstreitig
eine Wiederbebauung der durch Kriegseinwirkungen und Grenzsicherungsmaßnahmen
der DDR entstandenen Baulücken in Anknüpfung an den historischen Bestand
angestrebt wird, gerade nicht eingetreten.
Kommt dem Erscheinungsbild der Westfassade mithin kein eigenständiger Denkmalwert
zu, kann der Westgiebel des streitgegenständlichen Gebäudes für sich genommen
lediglich in Bezug auf die Kubatur des Gebäudes dem denkmalrechtlichen Schutz
unterfallen. Denn nur insoweit vermittelt das Gebäude entsprechend der aus Anlass der
Eintragung in die Denkmalliste erstellten Kurzbegründung des Denkmalwerts den
historischen Bebauungsmaßstab sowie die Bauflucht und dient damit als Maßstab für die
künftige Bebauung der Umgebung. Dieser Schutzzweck könnte durch die Anbringung
von Werbetransparenten an einem Baugerüst allenfalls dann mehr als unerheblich
beeinträchtigt werden, wenn das Gerüst so dimensioniert wäre, dass die Kubatur des
hierdurch verdeckten Gebäudes nicht mehr erkennbar wäre. Dies ist ausweislich der im
Verwaltungsvorgang des Antragsgegners vorhanden Fotos nicht der Fall.
Eine Minderung des Denkmalwerts des Gebäudes durch die Werbemaßnahmen an der
Westfassade kommt schließlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht etwa wegen
negativer Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der zur V. hin gerichteten Nordfassade
in Betracht. Dass eine derartige Beeinträchtigung durch Maßnahmen an anderen,
weniger schützenswerten Gebäudeteilen grundsätzlich möglich ist, steht zwar außer
Frage, zumal auch die unmittelbare Umgebung des Denkmals geschützt ist (vgl. § 10
DSchG Bln). Im vorliegenden Fall ist die in erster Linie geschützte Straßenfassade jedoch
ohnehin zurzeit für einen Betrachter nicht wahrnehmbar, da sie zur Durchführung der
vom Antragsgegner unter dem 26. Oktober 2006 denkmalrechtlich genehmigten
Sanierung bzw. Restaurierung eingerüstet ist. Bis zum Abschluss dieser Arbeiten, deren
Dringlichkeit der Antragsgegner mit der an die Antragstellerin gerichteten und von ihr im
Beschwerdeverfahren übersandten denkmalrechtlichen Verfügung vom 9. Februar 2007
in Bezug auf Sicherungsmaßnahmen im Bereich des Daches und des Traufgesimses
selbst unterstrichen hat, ist eine denkmalrechtlich relevante Beeinträchtigung des
Erscheinungsbildes der Straßenfassade des Gebäudes durch die Anbringung eines
9
10
11
Erscheinungsbildes der Straßenfassade des Gebäudes durch die Anbringung eines
Werbetransparents an dem vor der westlichen Giebelwand stehenden Gerüst
offensichtlich ausgeschlossen, so dass jedenfalls für eine denkmalrechtliche
Beseitigungsanordnung kein Raum ist.
Für die in der Beschwerdebegründung beantragte Änderung der erstin-stanzlichen
Kostenentscheidung zu Gunsten des Antragsgegners besteht kein Anlass.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum