Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 27.11.2007
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 4 S 58.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 123 Abs 1 S 1 VwGO, § 146
Abs 4 VwGO, § 154 Abs 2 VwGO
Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide
Rechtsstufen auf jeweils bis 300,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung muss nach § 146 Abs. 4
Satz 3 VwGO die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder
aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das
Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten
Gründe. Auf der Grundlage des hiernach durch den Beschwerdevortrag begrenzten
Prüfungsstoffes hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, den
Antragsgegner zu verpflichten, die Sonderzuwendung ohne Abzug von Steuern
auszuzahlen und statt dessen die Steuern und den Solidaritätszuschlag von dem der
Pfändung unterliegenden Teil des Gehalts in Abzug zu bringen, im Ergebnis zu Recht
abgelehnt.
Der Antragsteller begehrt mit der beantragten Verpflichtung des Antragsgegners, die
auf Auszahlung eines höheren Betrages an Bezügen für Dezember 2007 hinausläuft,
praktisch eine Vorwegnahme der Hauptsache. Dies kommt nur in Betracht, wenn dem
Antragsteller ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung wegen erheblicher oder
irreversibler Nachteile schlechterdings unzumutbar ist und schon im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes bei summarischer Prüfung mit einem sehr hohen Grad an
Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass der geltend gemachte Anspruch
tatsächlich besteht. Daran fehlt es hier.
Allerdings scheitert der Anspruch des Antragstellers nicht daran, dass
Sonderzuwendungen - worauf das Verwaltungsgericht abgestellt hat - als sonstige
Bezüge lohnsteuerpflichtig sind. Dieser Punkt ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der
Antragsteller wendet sich nicht dagegen, dass die Sonderzuwendung der üblichen
Abgabenpflicht unterliegt, sondern gegen die Art der Berechnung des pfändbaren Teils
seiner Bezüge (Abzugsbetrag) im Monat Dezember 2007. Er will erreichen, dass bei der
Berechnung die auf die Sonderzuwendung entfallenden Abgaben nicht dort, sondern bei
seinen übrigen Bezügen in Abzug gebracht werden.
Ausweislich des von dem Antragsteller vorgelegten Versorgungsnachweises und den
Angaben in der Versorgungsakte unterliegen seine Versorgungsbezüge der Pfändung.
Der Antragsgegner hat ausgehend von einem Bruttobetrag der Versorgungsbezüge von
2.583,92 Euro, einer hiervon zu entrichtenden Lohnsteuer von 135,16 Euro und
Krankenversicherungsbeiträgen von 283,00 Euro unter Berücksichtigung der Zahl der
Unterhaltsberechtigten einen monatlich pfändbaren Betrag von 239,01 Euro ermittelt.
Die dem Antragsteller für den Monat Dezember 2007 zustehende Sonderzuwendung
(320 Euro brutto) hat der Antragsgegner nicht zum Anlass genommen, den pfändbaren
Teil des Einkommens für diesen Monat neu zu berechnen, sondern hat wie in den
Vormonaten 239,01 Euro angesetzt und die Sonderzuwendung abzüglich einbehaltener
Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag ausgezahlt (241,93 Euro netto). Insgesamt wurden
dem Antragsteller danach 2451,68 Euro ausbezahlt. Der Antragsteller hält diese
Berechnung für falsch und sieht darin einen Verstoß gegen § 850a Nr. 4 ZPO, wonach
Weihnachtsvergütungen in bestimmtem Umfang unpfändbar sind. Er bezieht sich mit
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Weihnachtsvergütungen in bestimmtem Umfang unpfändbar sind. Er bezieht sich mit
der von ihm zum Beleg seiner Ansicht benannten Kommentarstelle (Stöber,
Forderungspfändung, 13. Aufl., Rn. 999 ff.) auf das in Rechtsprechung und Schrifttum
verbreitet vertretene sog. Bruttoprinzip, wonach gemäß § 850e Nr. 1 ZPO zur
Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens die nach § 850a ZPO der Pfändung
entzogenen Bezüge in Höhe des Bruttobetrages in Abzug zu bringen sind, dem
Schuldner also ungekürzt verbleiben, und die auf diesen Betrag entfallenden Abgaben
(Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag) von dem übrigen (der Pfändung unterliegenden)
Einkommen zu decken sind (vgl. etwa Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 850a Rn. 11; LAG
Berlin, Urteil vom 14. Januar 2000 - 19 Sa 2154/99 - juris Rn. 22; LG Mönchengladbach,
Urteil vom 1. Februar 2005 - 5 T 631/04 - juris Rn. 15, jeweils m. w. Nachw.; anders wohl
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 850a Rn. 12; s. auch
Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 850a Rn. 1; für das sog. Nettoprinzip etwa ArbG
Aachen, Urteil vom 21. Februar 2006 - 4 Ca 4544/05 - juris Rn. 12; vgl. zum Ganzen die
Darstellung mit Rechenbeispielen bei Napierala, RPfleger 1992, 49 ff., der eine noch
andere Berechnungsvariante vorschlägt). Folgte man der vom Antragsteller für richtig
gehaltenen Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nach dem sog
Bruttoprinzip, wäre von den Brutto-Gesamtbezügen des Monats Dezember zunächst der
Bruttobetrag der Sonderzuwendung abzuziehen (der dem Antragsteller ungekürzt
verbliebe), sodann die darauf und auf die übrigen Bezüge entfallenden Abgaben und
schließlich der nach dem verbleibenden Betrag nach Maßgabe der Pfändungstabelle zu §
850c ZPO ermittelte pfändbare Betrag. Dies würde nach überschlägiger Berechnung des
Senats zu einem um 32,00 Euro niedrigeren pfändbaren Betrag und insgesamt zu
einem dementsprechend höheren Zahlbetrag zu Gunsten des Antragstellers führen.
Die Berechnung des pfändbaren Einkommens nach dem sog. Bruttoprinzip erscheint
dem Senat bei summarischer Prüfung allerdings auf der Grundlage des
Beschwerdevorbringens nicht zwingend. Dagegen könnte sprechen, dass auf diese
Weise die auf die Sonderzuwendung entfallenden Abgaben praktisch doppelt zugunsten
des Schuldners in Abzug gebracht werden (vgl. dazu LAG Berlin, a.a.O., Rn. 25;
Napierala, a.a.O., S. 50) und die Berechnung zu dem auf den ersten Blick wenig
plausiblen Ergebnis führen würde, dass zugunsten des Gläubigers ein geringerer Betrag
gepfändet werden kann, obwohl der Schuldner in dem Monat ein höheres Einkommen
hat. Ob diese Berechnungsweise wegen des mit § 850a Nr. 4 ZPO verfolgten
Schutzzwecks gleichwohl berechtigt ist oder eine Berechnung entsprechend der
Vorgehensweise des Antragsgegners oder eine noch andere Berechnungsweise zutrifft,
stellt sich hiernach als offen dar. Dem Beschwerdevortrag sind insoweit keine weiteren
Argumente zu entnehmen. Der vom Antragsteller vorgelegte Beschluss des OLG Köln
(vom 2. Mai 2005 - 2 W 53/01 -) ist nicht einschlägig, sondern betrifft die hier nicht
interessierende Frage, ob der unpfändbare Teil der Weihnachtsvergütung zu den
wiederkehrenden Einkünften im Sinne des § 850k ZPO zählt. Ebenso geben die vom
Antragsteller außerdem noch vorgelegten Lohnsteuerrichtlinien (R 115, R 119) nichts
her; sie betreffen nur die (unstreitige) Abgabenpflicht auch für Weihnachtszuwendungen.
Auf dieser Grundlage lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit bestehender Anspruch des Antragstellers nicht
feststellen. Die weitere Prüfung muss deshalb einem Hauptsacheverfahren vorbehalten
bleiben. Das erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Frage für den Antragsgegner
wegen der von ihm anzunehmenderweise in allen Fällen der Einkommenspfändung
einheitlich gehandhabten Verwaltungspraxis bezüglich der Berücksichtigung von
Sonderzuwendungen weitreichende Bedeutung hat und auf der anderen Seite der
mögliche vorläufige Nachteil für den Antragsteller angesichts der Höhe des in Rede
stehenden Betrages eher gering ist.
Es kommt hiernach nicht auf die von den Beteiligten im Verfahren nicht angesprochene
weitere Frage an, die ebenfalls der Prüfung in einem eventuellen Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleibt, ob die Sonderzuwendung überhaupt noch als Weihnachtsvergütung
im Sinne des § 850a Nr. 4 ZPO anzusehen ist (verneinend Bay VGH, Beschluss vom 24.
Oktober 2007 - 3 ZB 06.2358 - juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juni 2005 - 3 K 788/04 -
juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und hinsichtlich der Änderung der
erstinstanzlichen Festsetzung auf § 63 Abs. 3 GKG. Das Interesse des Antragstellers, die
Sonderzuwendung 2007 in Höhe des Bruttobetrages ausbezahlt zu erhalten und die
darauf entfallenden Abgaben (also 78,07 Euro) von dem der Pfändung unterliegenden
Teil der Versorgungsbezüge in Abzug zu bringen (was zu einer geringeren Pfändung und
einem höheren Zahlbetrag für den Monat Dezember 2007 führen würde, s.o.), liegt
jedenfalls nicht über der ersten Gebührenstufe.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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