Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 02.12.2008

OVG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, staatliches monopol, überwiegendes öffentliches interesse, werbung, vorläufiger rechtsschutz, gemeinschaftsrecht, internet, veranstaltung, euv

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 1 S 236.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 1
GlSpielWStVtrAG BE, Art 1
GlSpielWStVtr
Rechtmäßigkeit von Glücksspielstaatsvertrag und zugehörigem
Berliner Ausführungsgesetz; Interessenabwägung im vorläufigen
Rechtsschutz zu Lasten des Glücksspielveranstalters
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Dezember 2008 wird geändert.
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin, den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 16. August 2007 – VG 35 A 142.07 – abzuändern und die aufschiebende
Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom
31. Januar 2007 anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird für beide Rechtsstufen auf jeweils 12.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Auf der Grundlage des
Beschwerdevorbringens ist der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der
Antragstellerin gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 31. Januar
2007 anzuordnen, abzulehnen.
I.
Die Antragstellerin vermittelte in ihrer in 10827 Berlin, D. gelegenen Betriebsstätte in
Kooperation mit einem Glücksspielveranstalter - der Firma M., - Sportwetten. Mit der für
sofort vollziehbar erklärten und mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen
Ordnungsverfügung untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin jegliche Art des
Veranstaltens und die Vermittlung von Sportwetten sowie die Werbung hierfür.
Hiergegen hat die Antragstellerin fristgerecht Widerspruch eingelegt, der jedoch bisher
nicht beschieden ist. Ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß §
80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zunächst mit dem Beschluss vom
16. August 2007 – VG 35 A 142.07 – abgelehnt, hat ihm sodann jedoch nach § 80 Abs. 7
VwGO mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 2. Dezember 2008 – VG 35 A 185.08
– stattgegeben.
Der Antragsgegner hat fristgerecht Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung im
Wesentlichen vorgetragen: Das Verwaltungsgericht habe es versäumt aufzuklären, ob
noch andere Wettarten betrieben worden seien. Jedenfalls sei vorläufiger Rechtsschutz
nicht zu gewähren, weil die Untersagung rechtmäßig sei. Die Vermittlung von
Sportwetten im Internet verstoße gegen das Internetverbot. Die europarechtlichen
Bedenken des Verwaltungsgerichts gegen das neue Lotterierecht griffen ebenso wenig
durch wie diejenigen gegen dessen Verfassungsmäßigkeit. Das Verwaltungsgericht
überdehne den vom Bundesverfassungsgericht für die Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG
entwickelten Wesentlichkeitsgrundsatz. Der Landesgesetzgeber sei nicht gehalten, eine
Vielzahl von Details so zu regeln, wie es der Kammer des Verwaltungsgerichts optimal
erscheine. Die Ausrichtung des Sportwettenmonopols am Ziel der Bekämpfung der
Wettsucht und der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung bedinge komplexe
Abwägungsentscheidungen, hinsichtlich derer dem Landesgesetzgeber ein weiter
Regelungsspielraum zuzubilligen sei. Schließlich habe das Verwaltungsgericht verkannt,
dass ein hinreichender Abstand zu fiskalischen Interessen durch die besonderen
strukturellen Gegebenheiten des Berliner Landesrechts sichergestellt sei. Denn die DKLB
sei ihrerseits eine öffentlich-rechtliche Einrichtung; die von ihr erwirtschafteten Erträge
flössen nicht in den Landeshaushalt, sondern an die DKLB-Stiftung, die damit
gemeinnützige Vorhaben fördere. Die Ausgestaltung der Sportwetten durch den GlüStV
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gemeinnützige Vorhaben fördere. Die Ausgestaltung der Sportwetten durch den GlüStV
und das AGGlüStV sei hinreichend konkret, die weitere Ausgestaltung im
Verwaltungsaktswege verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Antragsteller hat auf die Beschwerde nicht erwidert.
II.
Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe rechtfertigen eine Änderung des
angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Ob das Verwaltungsgericht den
Umfang des Wettbetriebs noch – wie der Antragsgegner meint – weiter hätte aufklären
müssen, kann allerdings mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen für die
von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres
Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners nicht vor.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verbotsverfügung ist seit dem Inkrafttreten des
Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 – GlüStV – § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV
in Verbindung mit Art. I des Landesgesetzes über das öffentliche Glücksspiel vom 15.
Dezember 2007 (GVBl. S. 604) und mit dem Berliner Ausführungsgesetz zum
Glücksspielstaatsvertrag – AG GlüStV – vom 15. Dezember 2007 (GVBl. S. 610). Danach
kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung
unerlaubter Glücksspiele sowie die Werbung hierfür untersagen. Dass die
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, steht zwischen den
Beteiligten nicht im Streit; streitig ist lediglich, ob die Vorschriften des GlüStV und des zu
seiner Ausführung ergangenen AG GlüStV mit höherrangigem Recht – dem
Grundgesetz, der Verfassung von Berlin und dem primären und sekundären
Gemeinschaftsrecht – vereinbar sind.
Der Senat teilt nach seiner Prüfung die von der Vorinstanz dargelegten Zweifel am
Glücksspielstaatsvertrag und Berliner Ausführungsgesetz weder hinsichtlich der
Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (dazu sogleich unter 1.) noch hinsichtlich der
Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht (dazu nachfolgend 2.); auch die geltend
gemachten normativen Defizite (dazu nachfolgend 3.) stellen nicht in Frage, dass
gegenwärtig das öffentliche Interesse, die Untersagung bereits vor Eintritt der
Rechtskraft zu vollziehen, das Interesse an der aufschiebenden Wirkung überwiegt.
Soweit es noch einer ergänzenden Interessenabwägung bedarf, geht diese zu
Ungunsten der Antragstellerin aus (dazu sodann 4.).
1. Der Senat vermag die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts geäußerten
Bedenken gegen die Verfassungskonformität des Glücksspielstaatsvertrags und des
Berliner Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag nicht zu teilen. Mit den
unter nachfolgend 3. dargestellten Vorbehalten ist von der Verfassungsmäßigkeit der
Neuregelung auszugehen.
Sowohl die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts als auch die zum Teil
weitergehende Argumentation der Beteiligten sind diesbezüglich überholt, nachdem die
Neuregelung bereits Gegenstand eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens gewesen ist;
das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR
928/08 – (hier zitiert nach juris) entschieden, dass der Glücksspielstaatsvertrag, das
Berliner Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag und weitere, hier nicht
einschlägige Regelungen anderer Bundesländer vorrangig dem Ziel dienen, die
Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der
Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität
zu schützen, und dass damit überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt werden, die
selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfG
ebenda, Orientierungssatz 3b). Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten
Entscheidung u.a. ausgeführt (a.a.O., juris Rn. 29 ff., 39 ff.):
Insbesondere bei der Verhinderung von Glücksspielsucht und bei der wirksamen
Suchtbekämpfung handelt es sich um besonders wichtige Gemeinwohlziele. Spielsucht
kann zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für
ihre Familien und für die Gemeinschaft führen (vgl. BVerfGE 115, 276 <304 f.>). Zwar
haben unterschiedliche Glücksspielformen ein unterschiedliches Suchtpotenzial, wobei
das von der Beschwerdeführerin vermittelte (...) weniger zu problematischem oder gar
pathologischem Spielverhalten beiträgt als beispielsweise Geld- oder
Glücksspielautomaten sowie Kasinospiele. Dies berührt jedoch nicht die Legitimität der
von den Landesgesetzgebern verfolgten Ziele.
(...) Wird der Gesetzgeber - wie hier - zur Verhütung von Gefahren für die
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(...) Wird der Gesetzgeber - wie hier - zur Verhütung von Gefahren für die
Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung
der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der vom
Bundesverfassungsgericht bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist.
Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des
Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage
für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können (vgl. BVerfGE
117, 163 <183> m.w.N.). Hieran gemessen sind die Erwägungen der
Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (...) Es kommt hinzu,
dass die Landesgesetzgeber davon ausgehen, eine Ausweitung des Glücksspielangebots
werde die bereits jetzt gegebene Suchtgefahr zwangsläufig vergrößern (vgl.
NdsLTDrucks 15/4090, S. 62). Auch diese Prognose ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden und stützt zusätzlich die Annahme einer Gefahr, zu deren Verhinderung
Eingriffe in die Berufswahlfreiheit gerechtfertigt sein können.
Die angegriffenen Regelungen sind auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer
Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfGE 63, 88 <115>; 67, 157
<175>; 96, 10 <23>; 103, 293 <307>; 115, 276 <308>). Die Regelungen zur
Erlaubnispflicht und zu den Erlaubnisvoraussetzungen (§ 4 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 4, § 25
Abs. 6 GlüStV, § 13 Abs. 1, § 14 i.V.m. §§ 7 und 8 Abs. 5 AGGlüStV Bln, § 3 Abs. 4, § 7
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 4, 7 Abs. 2, § 27 Abs. 3 NGlüSpG) sind sowohl dem Grunde als
auch dem konkreten Inhalt nach geeignet, um die verfolgten Gemeinwohlziele
durchzusetzen. Mithilfe des von den Ländern gewählten Prinzips des Verbots mit
Erlaubnisvorbehalt wird ein Kanalisierungseffekt erreicht, mit dem das Angebot an
Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs gefördert wird. Die
zuständigen Landesbehörden werden durch das Erlaubniserteilungsverfahren in die Lage
versetzt, unmittelbar Einfluss auf die Zahl und die Personen der auf dem
Glücksspielmarkt tätigen Veranstalter und Vermittler zu nehmen.
(..) Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV normierten Werbeverbote und
Werbebeschränkungen sind ebenfalls geeignet, zur Umsetzung der Ziele des
Staatsvertrags und der ihn ergänzenden Landesgesetze von Berlin und Niedersachsen
beizutragen. Auch hier erfolgt eine unmittelbare Verknüpfung mit dem Zielkatalog des §
1 GlüStV; denn die Werbung für öffentliches Glücksspiel darf ausdrücklich nicht in
Widerspruch zu den dort aufgeführten Zielen stehen. Werbung ist zu unterlassen, wenn
sie nach ihrer Form oder ihrem Inhalt zum Glücksspiel anreizt oder ermuntert und damit
problembehaftetem Glücksspielverhalten Vorschub leisten könnte. Auch darf Werbung
nicht mittels Medien erfolgen, die aufgrund ihrer "Reichweite in besonderem Maße zum
Gefährdungspotenzial von Glücksspielen" beitragen (vgl. NdsLTDrucks 15/4090, S. 68).
Die Regelung vermeidet Werbung mit Aufforderungscharakter und ist damit ein
geeignetes Mittel, um zur Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht
beizutragen.
Das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet
(§ 4 Abs. 4 GlüStV) ist geeignet, problematisches Spielverhalten einzudämmen. Das
Spielen per Internet ist durch ein hohes Maß an Bequemlichkeit sowie durch eine zeitlich
unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots gekennzeichnet. Hinzu kommt ein im
Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höherer Abstraktionsgrad,
der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem
Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des
Einsatzes - und möglichen Verlustes von Geld - in den Hintergrund treten zu lassen. Die
Möglichkeiten des Internet-Glücksspiels zu beschneiden, bedeutet, die Umstände der
Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang des Spielens
bewusster zu machen. Hierdurch kann einem Abgleiten in problematisches
Spielverhalten entgegengewirkt werden. Hinzu kommt, dass nach wie vor erhebliche
Bedenken bestehen, ob sich bei einer Teilnahme an Glücksspielen per Internet der im
Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz effektiv verwirklichen
lässt (vgl. BVerfGE 115, 276 <315>). Auch zur Vermeidung derartiger Präventionslücken
ist das Internetverbot das geeignete Mittel. (...)
Die Eingriffe in die Berufsfreiheit sind zur Erreichung der von den
Landesgesetzgebern angestrebten Ziele erforderlich. Ebenso wie bei der Frage der
Geeignetheit verfügt der Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit
über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115,
276 <309>). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die die
Landesgesetzgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Abwendung
der Gefahren, die mit dem Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen verbunden
sind, für erforderlich halten, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach
den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten
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den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten
Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht
kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger
belasten (vgl. BVerfGE 25, 1 <12, 19 f.>; 40, 196 <223>; 77, 84 <106>; 115, 276
<309>). Solche milderen Mittel sind vorliegend nicht gegeben.
Mit Blick auf diese verfassungsrechtlichen Zusammenhänge sind die aus der
Wesentlichkeitstheorie abgeleiteten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der
gesetzlichen Neuregelung, die das Verwaltungsgericht sowie die Antragsteller in einer
Reihe paralleler Verfahren vor dem Senat angeführt haben, nicht gerechtfertigt. Der
Glücksspielstaatsvertrag und das Berliner Ausführungsgesetz enthalten hinreichende
Regelungen, die Art und Zuschnitt der Sportwetten zum Gegenstand haben und den
Entscheidungsspielraum der Verwaltung im Erlaubniserteilungsverfahren nachhaltig
einengen. So ist in § 4 Abs. 4 GlüStV bestimmt, dass Glücksspiele im Internet weder
veranstaltet noch vermittelt werden dürfen. In § 21 Abs. 2 Satz 1 GlüStV ist ein Verbot
organisatorischer Verbindungen von Sportveranstaltungen und
Glücksspielveranstaltungen angeordnet. In § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV findet sich das
Verbot einer Verknüpfung von Sportberichterstattung und Sportwetten. In § 21 Abs. 2
Satz 3 Halbsatz 1 GlüStV ist bestimmt, dass Wetten während laufender Sportereignisse
verboten sind. § 21 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GlüStV verbietet die Glücksspielteilnahme
via Telefon und SMS. Schließlich sind in § 21 Abs. 3 und § 22 Abs. 2 GlüStV
Anforderungen an die organisatorische Durchsetzung von Spielersperren normiert.
Damit hat der Gesetzgeber diejenigen Formen von Sportwetten selbst geregelt, denen
ein besonders hohes Suchtgefährdungspotenzial innewohnt und die deshalb bei der
Bekämpfung der Spielsucht besonders große Bedeutung haben, und zwar im Sinne
eines auch den staatlichen Monopolveranstalter treffenden absoluten Verbots; ferner
ergeben sich aus diesen Vorschriften Mindestanforderungen, die die Einhaltung dieser
Verbote sicherstellen, sofern eine Erlaubnis erteilt wird.
Die Regelung weiterer Detailfragen insbesondere zur technischen Ausgestaltung der
einzelnen Glücksspiele durfte der Gesetzgeber den Verwaltungsentscheidungen im
Erlaubnisverfahren überlassen. Ein Regelungsdefizit im Sinne der Wesentlichkeitstheorie
lässt sich angesichts der bereits im GlüStV selbst enthaltenen Regelungsdichte aus dem
Zusammenspiel von grundsätzlichen Vorgaben im GlüStV und näherer Ausgestaltung
im Erlaubniserteilungsverfahren nicht ableiten (ebenso BayVGH, Beschluss vom 2. Juni
2008 – 10 CS 08.1102 –, juris, Rn. 20 f.). Dies gilt auch für die Fragen der Durchsetzung
der Werbungsbeschränkungen, der Festlegung eines Einsatzlimits und der (lediglich)
graduellen Verminderung der Zahl der Annahmestellen. Bezüglich der
Annahmestellendichte merkt der Senat ergänzend an, dass der Gesetzgeber bei der
Festlegung der Höchstzahl der zulässigen Annahmestellen auch berücksichtigen durfte,
dass den vorhandenen Annahmestellen bzw. ihren Betreibern Bestandsschutz
zukommt; er durfte sich deshalb für ein allmähliches Abschmelzen ihrer Anzahl
entscheiden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Gesichtspunkt des
Bestandsschutzes der Annahmestellenbetreiber könne allein wegen der seit Verkündung
der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts verstrichenen Zeitspanne
keine Bedeutung zugemessen werden, verkennt, dass auch die jeweiligen Betreiber der
Annahmestellen Träger der Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG sind, in deren
Berufsausübung sowie in deren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der
Landesgesetzgeber nicht beliebig eingreifen durfte.
2. Zur Frage der Vereinbarkeit des GlüStV und des AG GlüStV mit den Vorgaben des
Gemeinschaftsrechts teilt der Senat nicht die vom Verwaltungsgericht und den
Antragstellern der Parallelverfahren geäußerten Bedenken.
a) Die Neuregelung ist in formeller Hinsicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Dies
gilt zunächst unter dem Gesichtspunkt der Notifizierungspflicht für
wettbewerbsbeeinträchtigende Rechtsnormen. Der GlüStV wurde von der Kommission
notifiziert; eine Notifizierungspflicht auch des AG GlüStV ist mangels eines vom Inhalt
des Staatsvertrags abweichenden Regelungsinhalts nicht ersichtlich (vgl. zur parallelen
Rechtslage in Hessen: HessVGH, Beschluss vom 13. August 2008 – 7 B 29/08 –, Seite 4
des Entscheidungsabdrucks).
Ebenso wenig ergeben sich Bedenken gegen die formelle
Gemeinschaftsrechtskonformität der Neuregelung unter dem Gesichtspunkt einer
fehlenden Evaluierung von Gefahren, die mit dem Betreiben von Glücksspielen
verbunden sind. Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 13. November 2003 (- C-42/02 -
Lindman, Slg. 2003, I. - 13519) darauf hingewiesen, dass Rechtfertigungsgründe, die von
einem Mitgliedsstaat geltend gemacht werden können, von einer Untersuchung zur
Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen
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Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen
beschränkenden Maßnahme begleitet werden müssen, und beanstandet, dass die dem
Gerichtshof übermittelten Akten kein Element statistischer oder sonstiger Natur
aufwiesen, das einen Schluss auf die Schwere der Gefahren zuließe, die mit dem
Betreiben von Glücksspielen verbunden sind oder gar auf einen besonderen
Zusammenhang zwischen solchen Gefahren und der Teilnahme der Staatsangehörigen
des betreffenden Mitgliedsstaats an in anderen Mitgliedsstaaten veranstalteten
Lotterien hindeuteten (sog. "Lindman-Kriterien“). Andererseits hat der EuGH auch
entschieden, dass aus dem Gemeinschaftsrecht keine Anforderungen an die
Begründung einer nationalen Regelung hergeleitet werden könnten (EuGH, Urteil vom
17. Juni 1997 - C-70/95 - Sodemare SA u. a., Slg. 1997, I. - 3395). Hiernach muss der
nationale Gesetzgeber eine solche Evaluierung nicht bereits vor Schaffung und
Inkraftsetzung einer einschränkenden Norm vorgenommen haben. Im Hinblick auf den
dem Gesetzgeber für eine Gefahrenprognose grundsätzlich zuzugestehenden
Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum bei der Bekämpfung von Suchtgefahren
muss es einer Beurteilung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, welche
Anforderungen an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beurteilung einer Suchtgefahr durch
Sportwetten zu stellen sind und ob unter Berücksichtigung der danach relevanten
Untersuchungen und Ergebnisse angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe den
ihm zustehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum überschritten, indem er
gemäß § 27 GlüStV dessen Regelungen erst innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten
und ohne nähere Anforderungen an Inhalt und Reichweite einer solchen Evaluierung
einer Rechtsfolgenabschätzung unterwerfen will (ähnlich HessVGH, Beschluss vom 13.
August 2008 aaO., Seite 4 f. des Entscheidungsabdrucks).
b) Es ergeben sich auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die materielle
Vereinbarkeit des GlüStV und des AG GlüStV mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. November
2003 - C-243/01 - Gambelli u. a., a.a.O.) können Beschränkungen der Grundfreiheiten
auf dem Gebiet der Wetttätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses
gerechtfertigt sein; jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf
die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch
geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinn zu gewährleisten, dass sie
kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Der insoweit
maßgebliche Begriff der Kohärenz, den das Gemeinschaftsrecht auch in Art. 3 EUV und
Art. 11 EUV verwendet, bezieht sich auf das Erfordernis einer Abstimmung und
widerspruchsfreien Gestaltung (vgl. Geiger, EUV-EGV, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 12 zu Art. 1
EUV). Das bedeutet, dass verschiedene Maßnahmen zur Erreichung eines Zieles nicht
im Widerspruch zueinander stehen dürfen und in ein stimmiges Konzept münden
müssen. Es lässt sich gegenwärtig nicht feststellen, dass der Gesetzgeber diesen
Anforderungen nicht gerecht würde, und zwar sowohl hinsichtlich der
Widerspruchsfreiheit (sog. "innere Kohärenz") – dazu sogleich unter aa) – als auch
hinsichtlich der Zusammenschau mit anderen Regelungen (sog. "äußere Kohärenz") –
dazu nachfolgend bb) –.
aa) Anlass zu näherer Prüfung der inneren Kohärenz der Neuregelung bieten die
Übergangsregelung in § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, die Übergangsregelung in § 25 Abs. 6
GlüStV, die Sonderregelung für Rheinland-Pfalz in § 25 Abs. 3 GlüStV und der Umgang
mit fortgeltenden Gewerbeerlaubnissen für die Vermittlung oder Veranstaltung von
Glücksspielen nach dem Gewerbegesetz der DDR; durchgreifende Bedenken ergeben
sich hiernach nicht.
Die zitierten Übergangsregelungen stellen die innere Kohärenz des GlüStV nicht
grundsätzlich in Frage, sondern allenfalls für die Dauer ihrer zeitlichen Anwendbarkeit,
mithin bis zum 31. Dezember 2008 (dazu im weiteren nachstehend unter 3.); zu aus
diesen Regelungen abgeleiteten Zweifeln an der inneren Kohärenz des GlüStV über den
1. Januar 2009 hinaus sieht der Senat keine Anknüpfungspunkte.
Nach der Sonderregelung für Rheinland-Pfalz bleibt es diesem Bundesland weiterhin
gestattet, das staatliche Glücksspielmonopol nicht selbst auszuüben, sondern dieses
einer Gesellschaft des Privatrechts, an der das Land nicht – jedenfalls nicht mehrheitlich
– beteiligt ist, zu überlassen. Hintergrund ist, dass der beabsichtigte Rückerwerb der
privatisierten Gesellschaftsanteile der dortigen Lottogesellschaft durch das Land infolge
eines Kartellverfahrens blockiert und für den Umgang mit dieser Blockade keine
Vorsorge getroffen ist (vgl. insoweit OVG Koblenz, Beschluss vom 18. August 2008 – 6 B
10338/08.OVG –, Seite 7 f. des Entscheidungsabdrucks). Allerdings wird hierdurch das
Konzept des GlüStV noch nicht in Frage gestellt; der tatsächlich in Rheinland-Pfalz
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Konzept des GlüStV noch nicht in Frage gestellt; der tatsächlich in Rheinland-Pfalz
bestehende Zustand erweist sich vielmehr als eine von den Vertragsschließenden des
GlüStV und den Landesgesetzgebern der jeweiligen Ausführungsgesetze gerade nicht
gewollte Abweichung vom Konzept des GlüStV (vgl. OVG Koblenz ebenda, ferner
HessVGH, Beschluss vom 13. August 2008 a.a.O., S. 7 des Entscheidungsabdrucks). Die
innere Kohärenz der Neuregelung wird durch eine ungewollte Abweichung von dem
verfolgten Konzept aber nur dann in Frage gestellt, wenn es sich als nicht möglich oder
politisch bzw. gesetzgeberisch nicht durchsetzbar herausstellt, für diese ungewollte
Abweichung binnen angemessener Zeit Abhilfe zu schaffen. Schon die dieser Frage
innewohnende zeitliche Komponente sprengt den Rahmen des einstweiligen
Rechtsschutzes; die Frage ist daher bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens offenzuhalten.
Ähnliches gilt für den Umgang mit den derzeit noch fortgeltenden (vgl. dazu BVerwG,
Urteil vom 21. Juni 2006 – 6 C 19.06 –, DÖV 2007, 119) Glücksspielerlaubnissen aus der
Endzeit der DDR. Auch insoweit muss der näheren Aufklärung im Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleiben, ob und inwieweit sich die Absicht der betroffenen Länder, ggf.
fortgeltende Gewerbeerlaubnisse für Sportwetten aus der Endzeit der DDR aufzuheben
(vgl. dazu HessVGH, Beschluss vom 13. August 2008 a.a.O. S. 8 des
Entscheidungsabdrucks), verwirklichen lässt; jedenfalls gegenwärtig sind keine
durchgreifenden Zweifel an der inneren Kohärenz des GlüStV veranlasst.
bb) Anlass zu näherer Prüfung der äußeren Kohärenz bieten zum einen die von dem
Regelungskonzept des GlüStV abweichende rechtliche Ausgestaltung der Pferdewetten
und der Automatenspiele, zum anderen die Frage der Effektivität des von dem
Gesetzgeber mit der Neuregelung zum 1. Januar 2008 verfolgten Konzepts; auch
insoweit sind jedoch durchgreifende Bedenken nicht gegeben.
(1) Der Bereich der Pferdewetten wird ebenso wie der Bereich der allgemeinen
Sportwetten von der konkreten Gefahr geprägt, die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten
mit der Folge zu überschätzen, dass die Suchtgefahr mit der Überzeugung steigt,
langfristig Gewinne verbuchen zu können. Im Unterschied zu dem für allgemeine
Sportwetten geltenden staatlichen Monopol besteht jedoch nach dem Rennwett- und
Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl. I 1922, S. 335) in der Fassung vom 16.
Dezember 1986 (BGBl. I S. 2441), zuletzt geändert am 31. Oktober 2006 (BGBl. I S.
2407), ein System zugelassener Buchmacher, denn dem Gesetzgeber erschien es
ausreichend, lediglich Anforderungen der Sachkunde und der Zuverlässigkeit an
Buchmacher zu stellen (vgl. BT-Drucks. 10/5532, S. 25). Hier wurde also kein staatliches
Monopol für erforderlich gehalten, um die mit dem Gesetz verfolgten Ziele zu erreichen.
Auch für den Bereich der Automatenspiele gibt es kein staatliches Monopol, obwohl dort
die meisten Spieler mit problematischem oder gar pathologischem Spielverhalten
anzutreffen sind, so dass sich dort die Bekämpfung der Spielsucht als besonders
dringender Gemeinwohlbelang aufdrängt (vgl. hierzu HessVGH, Beschluss vom 13.
August 2008 a.a.O., S. 8 f. des Entscheidungsabdrucks).
Der Senat vermag insoweit im vorliegenden Verfahren nicht die Feststellung zu treffen,
der Gesetzgeber habe diesbezüglich den ihm auch gemeinschaftsrechtlich gegebenen
Gestaltungsspielraum offensichtlich überschritten. Abgesehen davon, dass mit guten
Gründen auch eine sektorale Betrachtung gemeinschaftsrechtlich in Erwägung zu ziehen
ist (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Oktober 2008 – 6 S 1288/08
– ZfWG 2008, 446), setzt die Beantwortung der Frage, ob sich der Gesetzgeber mit der
Schaffung sektoral unterschiedlicher Regelungen für einzelne, mehr durch historische
Zufälligkeiten als durch systematische Kriterien voneinander abgegrenzten Teilbereichen
des gesamten Glücksspielgeschehens noch innerhalb seines Gestaltungsspielraums
bewegt, die Prüfung voraus, ob die Teilregelungen in ihrer konkreten Ausgestaltung trotz
der sektoralen Unterschiede insgesamt gesehen jedenfalls stimmig das legitime
Gemeinwohlinteresse wahren (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Februar
2008 – 13 B 1215/07 –, a.a.O.), etwa auch, ob der Gesetzgeber ein Monopolsystem im
Hinblick auf den zu erwartenden Kontrollaufwand bei der Beteiligung privater Anbieter im
Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes als weniger
effektiv ansehen durfte (so BayVGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 – 10 CS 08.1102 –,
a.a.O.) und ob es andere Gründe gibt, für die verschiedenen Glücksspiele
unterschiedliche Regelungen zu treffen und folglich auch verschiedene
Regelungsmethoden vorzusehen. Diese Prüfung sprengt den Rahmen eines Verfahrens
des einstweiligen Rechtsschutzes und muss – auch unter Berücksichtigung inzwischen
vorliegender erstinstanzlicher Hauptsacheentscheidungen, die sich hierzu weder
umfassend noch tragend äußern (s. dazu Urteile des VG Berlin vom 7. Juli 2008 – VG 35
A 167.08 u.a., dort etwa S 70 f. des Abdrucks) - der Klärung in den beim Senat
anhängigen Berufungsverfahren vorbehalten bleiben.
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(2) Ebenso wenig kann der Senat feststellen, dass es der seit dem 1. Januar 2008 in
Kraft befindlichen Neuregelung deswegen an äußerer Kohärenz mangele, weil die
Neuregelung strukturelle Defizite aufweise und von vornherein auf Ineffektivität angelegt
sei. Zur Annahme struktureller Defizite gelangt das Verwaltungsgericht in den seit dem
7. Juli 2008 ergangenen Urteilen vor allem deshalb, weil es die Wesentlichkeitstheorie
überspannt und die Regelung von Detailfragen im Zuge der Erlaubniserteilungsverfahren
als unzureichend ansieht; dass dieser Ansatz nicht tragfähig ist, ergibt sich bereits aus
dem vorstehend zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober
2008.
Allerdings ist zuzugestehen, dass Art und Ausmaß der von den staatlichen
Monopolanbietern praktizierten Werbung noch immer Bedenken auslöst und nicht stets
den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages entsprechen mag. Der Senat hält es
jedoch für verfehlt, aus dem Umstand, dass sich die Glücksspielaufsicht bisher
womöglich als noch nicht hinreichend effektiv erwiesen hat, um die
Werbebeschränkungen des GlüStV vollständig durchzusetzen, bereits im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die gesetzliche
Regelung auf fehlende Effektivität angelegt und deshalb im gemeinschaftsrechtlichen
Sinne inkohärent sei. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Umstände, dass die
Glücksspielaufsicht im Zuge der Trennung dieser behördlichen Aufgabe von den
fiskalischen Aufgaben der Verwaltung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit
dem Inkrafttreten der Neuregelungen umstrukturiert wurde und jedenfalls im Laufe des
Jahres 2008 überdies mit den zahlreichen Erlaubniserteilungsverfahren erheblich
belastet war, ist ein längerer Beobachtungszeitraum erforderlich, um feststellen zu
können, ob es sich bei der bisher möglicherweise unvollständigen Durchsetzung der im
GlüStV angelegten Werbeverbote gegebenenfalls um typische Anlaufschwierigkeiten
einer Neuregelung oder – was aber eher unwahrscheinlich ist - um ein normativ
angelegtes, strukturelles Defizit handelt.
3. Der GlüStV und das AG GlüStV weisen jedenfalls für die Zeit nach Auslaufen der in
ihnen angelegten Übergangsfristen auch keine normativ begründeten Vollzugsdefizite
auf, die der Annahme ihrer Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtskonformität
entgegenstünden.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV durften die bisher erlaubt tätigen Glücksspielanbieter
ihre Tätigkeit bis zum 31. Dezember 2008 fortsetzen, ohne zuvor ein an den
Anforderungen des GlüStV ausgerichtetes Erlaubniserteilungsverfahren durchlaufen zu
haben. Dementsprechend fehlte es bis zum 31. Dezember 2008 an wirksamen
Einsatzlimits, an Bestimmungen zum Jugendschutz, zur Gestaltung von Werbung der
einzelnen Annahmestelle sowie an Detailregelungen zur technischen Ausgestaltung der
einzelnen Wettangebote. Auch die Ausnahmeregelung zu Internetwetten in § 25 Abs. 6
GlüStV galt nur bis zum 31. Dezember 2008. Diese Übergangsregelungen und die von
diesen Regelungen aufgeworfenen Bedenken gegen die Verfassungs- und
Gemeinschaftsrechtskonformität des GlüStV, deretwegen der Senat bis zum 31.
Dezember 2008 jeweils sichergestellt hatte, dass eine zwangsweise Durchsetzung der
Verbotsverfügung bis dahin unterblieb, sind seither durch Zeitablauf erledigt. Zu einer
über den 1. Januar 2009 hinausreichenden Regelung zugunsten privater
Glücksspielanbieter besteht insoweit kein Grund.
Ein solcher Grund ergibt sich auch nicht aus Zweifeln, ob die behördenorganisatorische
Trennung der Glücksspielaufsicht von den für die Finanzen und die
Beteiligungsverwaltung des Antragsgegners zuständigen Behörden gemäß § 9 Abs. 6
GlüStV in Verbindung mit Nr. 5 der Anlage zum ASOG in der durch Art. V des Gesetzes
vom 15. Dezember 2007 geänderten Fassung (GVBl. 2007 S. 614) ausreicht, um
sicherzustellen, dass effektives ordnungsbehördliches Einschreiten nicht aus fiskalischen
Motiven unterbleibt, wenn und soweit der staatliche Monopolveranstalter Werbung
betreibt, die den Vorschriften des GlüStV nicht entspricht. Für eine vorschriftswidrige
Werbung gab es in der Vergangenheit und zum Teil auch lediglich aus anderen
Bundesländern Anzeichen und Hinweise. Sie reichen aber mit Blick auf die Zukunft nicht
aus, um bereits jetzt und im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes von einem die
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Zweifel ziehenden Vollzugsdefizit auszugehen.
Vielmehr werden das Werbeverhalten der staatlichen Anbieter und das Vollzugsverhalten
der Glücksspielaufsicht zu beobachten und einer näheren Würdigung zuzuführen sein.
4. Schließlich besteht an der sofortigen Vollziehung der gegen die Antragstellerin
ergangenen Untersagungsverfügung ein überwiegendes öffentliches Interesse. Aus den
Gründen, die das staatliche Wettmonopol und das Verbot der Veranstaltung und
Vermittlung von privaten Sportwetten rechtfertigen, folgt zugleich ein besonderes
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Vermittlung von privaten Sportwetten rechtfertigen, folgt zugleich ein besonderes
öffentliches Interesse an der Vollziehung, da nur so die Verwirklichung der mit dem
Verbot verfolgten Schutzzwecke sichergestellt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom
25. Oktober 2006 - OVG 1 S 90.06 -, S. 17 f. des Entscheidungsabdrucks, bei juris Rn. 33
ff.). Die Dringlichkeit dieses Vollzugsinteresses hat durch die zwischenzeitlich getroffenen
Hauptsachenentscheidungen der Vorinstanz nichts eingebüßt, da deren Urteile nicht
etwa auf einer erweiterten und besseren Erkenntnis des streiterheblichen Sachverhalts,
sondern auf rechtlichen Ansätzen beruhen, denen schon im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren nicht gefolgt werden kann.
Soweit Antragsteller in Parallelverfahren geltend machen, das Verwaltungsgericht habe
die Bescheide zur Untersagung der Sportwettenvermittlung bereits in gleichgelagerten
Klageverfahren aufgehoben, kann daraus nicht abgeleitet werden, nun müsse auch das
Beschwerdegericht vorläufigen Rechtsschutz gewähren. Nur wenn dasselbe Gericht, das
bereits in einem Hauptsacheverfahren die einschlägigen Rechts- und Tatsachenfragen
umfassend geprüft hat, über einen Eilantrag zu entscheiden hat, kann es auf die
vorangegangene Prüfung zurückgreifen. Denn der Hauptsachenentscheidung kommt
dann, was die Einschätzung der Erfolgsaussichten einer gleichgelagerten Klage betrifft,
erhebliche Bedeutung zu, da die prozessuale Unsicherheit, die aus einer nur
summarischen Prüfung herrührt, mit dem Erlass einer Hauptsachenentscheidung
weitgehend als beseitigt angesehen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994
– 4 VR 1.94 – BVerwGE 96, 239 [243]; VerfGH Berlin, Beschluss vom 1. November 2007 –
VerfGH 103/07 –, InfAuslR 2008, 68 [69]). Hat dagegen ein anderes Gericht über einen
gleichgelagerten Eilantrag zu entscheiden, so muss es eine eigenständige Interessen-
und Folgenabwägung vornehmen, die zu einem anderen Ergebnis führen kann,
insbesondere wenn die erstinstanzliche Hauptsachenentscheidung schwerwiegende
Mängel oder eine abweichende rechtliche Würdigung aufweist. Ob das
Beschwerdegericht im Eilverfahren sich auch über eine Beweiswürdigung hinwegsetzen
kann, die im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren für den Beschwerdeführer günstig
ausgegangen war (offengelassen vom VerfGH Berlin, Beschluss vom 1. November 2007
– VerfGH 103/07 –, InfAuslR 2008, 68 [71]), bedarf keiner Erörterung, weil es auf
Beweiswürdigungen für die hier rechtlich streitige Vereinbarkeit des
Glücksspielstaatsvertrags mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht nicht ankommt.
Den öffentlichen Interessen, die hier die sofortige Vollziehung rechtfertigen, stehen keine
gleichrangigen privaten Interessen der Antragstellerin an der Fortsetzung ihrer
gewerblichen Tätigkeit gegenüber. Ihr Vertrauen darauf, dass sie die Vermittlung privater
Sportwetten weiterhin ungehindert betreiben kann, ist schon deshalb stark
eingeschränkt, weil sie diese Tätigkeit aufgenommen hat, obwohl ihr das Verbot der
Veranstaltung privater Wetten und die sich daran anknüpfenden ordnungs- und
strafrechtlichen Konsequenzen bekannt waren. Ihre unternehmerische Entscheidung,
gleichwohl ein Wettbüro zu betreiben, war von vornherein risikobehaftet und verdient
kein Vertrauen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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